"Wie aus der Ferne längst vergang'ner Zeiten..." - Live erlebte Opernaufführungen, an die man sich heute noch erinnert

  • An dieser Stelle möchte ich einen Versuch wagen: Mal sehen, ob sich weitere Mitglieder dieses Forums finden, denen so etwas Spaß macht: „Caruso41“ hat in einem anderen Thread auf seine umfangreichen Besetzungsaufzeichnungen verwiesen und er wird mit Sicherheit nicht der einzige sein, der so etwas über die Jahre angesammelt hat. In einem anderen, inzwischen nicht mehr existierenden, Forum gab es mal eine sehr schöne Rubrik, die hieß „Vor 25 Jahren“. Dort konnte man an Vorstellungen erinnern, die 25 Jahre zuvor stattgefunden hatten und es war erstaunlich, wie viele lesenswerte, spannende Berichte auch nach so vielen Jahren zustande gekommen sind.


    Hier möchte ich etwas Ähnliches versuchen, wenn auch etwas weniger rigide, was den Zeitpunkt der Aufführung angeht. Es soll hier über live erlebte Vorstellungen berichtet werden. Wie lange der Besuch her ist, spielt keine Rolle. Nur für aktuelle Vorstellungsbesuche eignet sich dieser Thread nicht – dafür gibt es das Unterforum „Gestern in der Oper“. Abgehandelt werden sollen Vorstellungen, die aus irgendeinem Grund bemerkenswert waren. Sei es, weil sie künstlerisch eine herausragende Bedeutung haben oder sei es, dass irgendetwas Kurioses oder Erstaunliches passiert ist. Schön wäre, wenn dem Bericht Datum, Ort und Besetzung der Vorstellung vorangestellt werden könnten. Ich freue mich auf eine rege Beteiligung!

  • „Aida“, Deutsche Oper Berlin, 20. April 2001


    Musikalische Leitung: Giuseppe Sinopoli


    Inszenierung: Götz Friedrich



    Der König: Kwangchul Youn


    Amneris: Nadja Michael


    Aida: Daniela Dessì


    Radamès: Fabio Armiliato


    Ramphis: Carlo Colombara


    Amonasro: Lado Ataneli


    Ein Bote: Volker Horn


    Eine Priesterin: Catherine Cangiano



    Diese Vorstellung vereint so viele unglaubliche Geschichten, dass es schwer ist, sie einigermaßen linear zu erzählen. Beginnen muss man mit der Erzählung 20 Jahre zuvor, am 3. Februar 1980. An diesem Tag hat an der Deutschen Oper Berlin Verdis „Macbeth“ Premiere, Regie führt Luca Ronconi, Renato Bruson singt die Titelpartie, Olivia Stapp die Lady. Am Pult steht ein noch relativ unbekannter junger italienischer Dirigent, der sich bisher eher einen Namen als Komponist gemacht hat und für den die Premiere ein fulminanter Erfolg und der Grundstein zu einer späteren Weltkarriere wird: Giuseppe Sinopoli. Die „Macbeth“-Premiere findet noch unter der Intendanz von Siegfried Palm statt, sein Nachfolger Götz Friedrich holt Sinopoli, den das Orchester der Deutschen Oper Berlin über alle Maßen schätzt, immer wieder ans Haus zurück: In den 80ern dirigiert Sinopoli u. a. Premieren von „Madama Butterfly“, „La fanciulla del West“ oder auch „Arabella“. Als Friedrichs loyaler und wackerer Generalmusikdirektor Jesús López Cobos zum Ende der Spielzeit 1989/90 sein Amt niederlegt, gibt es nur einen natürlichen Nachfolger, nämlich Sinopoli. Nach längeren Verhandlungen wird ein Vertrag unterzeichnet, der ihn als Chefdirigenten ab der Spielzeit 1990/91 für fünf Jahre an das Haus an der Bismarckstraße bindet. Dazu kommt es jedoch nicht. Friedrich und Sinopoli, die nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine persönliche Freundschaft verband, überwerfen sich in Kompetenzfragen derart massiv, dass sie zehn Jahre lang kein Wort miteinander sprechen. In der Spielzeit 1990/91 dirigiert Sinopoli als Gast noch die bereits verabredeten Premieren von „Salome“ (von der auch eine CD-Aufnahme entsteht) und „Otello“ (von dem sich Friedrich als Regisseur zurückzieht) und damit ist das Kapitel Deutsche Oper Berlin für Sinopoli zunächst beendet. Neuer GMD wird Rafael Frühbeck de Burgos, der jedoch sehr glücklos agiert und das Haus nach Ablauf seines Vertrages nach fünf Jahren wieder verlässt, sein Nachfolger wiederum wird Christian Thielemann.


    Springen wir 10 Jahre weiter: Götz Friedrich plant seine letzte Saison, die Spielzeit 2000/01, danach soll er in den verdienten Ruhestand eintreten. Er verabredet in Rom ein Treffen mit Sinopoli, mittlerweile Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, die beiden versöhnen sich. (Mit seinem aktuellen GMD Christian Thielemann hat sich Friedrich inzwischen auch überworfen, aber das nur am Rande.) Sinopoli erinnert sich, dass Friedrich zu ihm sagte: „Ich möchte die Deutsche Oper nicht verlassen, ohne gemeinsam mit Dir in diesem Theater noch einmal das zu erleben, was wir am besten können, wofür wir geboren sind.“ Die beiden umarmen sich und verabreden zwei „Aida“-Vorstellungen im April 2001.


    Götz Friedrich stirbt in der Nacht zum 12. Dezember 2000 nach kurzer schwerer Krankheit, es ist ihm nicht vergönnt, seine Intendanz wie geplant zu beschließen. Als Sinopoli antritt, die verabredeten zwei Vorstellungen zu dirigieren, ist am 20. April, der ersten Vorstellung, dem Abendprogramm ein Extrazettel beigefügt. Sinopoli hat einen Text verfasst, in dem er an die besondere Freundschaft zu Götz Friedrich erinnert, er bedauert, dass es zur künstlerischen Wiedervereinigung zwischen ihnen nicht gekommen ist. Er beschließt den Text mit einem Zitat aus Sophokles‘ „Ödipus auf Kolonos“, die eingedenk der weiteren Ereignisse des Abends eine prophetische Bedeutung erlangen: „Du und diese Stadt… das Schicksal sei euch gnädig, und im Wohlergehen erinnert Euch immer mit Freude an mich, wenn ich tot sein werde.“


    Die Aufführung selbst wird mit großer Spannung erwartet. Ursprünglich war Gegam Grigorian als Radamès vorgesehen, als er absagte, bestand Sinopoli auf Fabio Armiliato, den Ehemann der Aida Daniela Dessì, als Ersatz. Viele prominente Gesichter aus dem Kulturbereich sind unter den Gästen: Thomas Hampson, Bryn Terfel, Kent Nagano. Neu für Berlin sind neben Dessì auch die junge Nadja Michael sowie der Bass Carlo Colombara, der den Ramphis singt. Die Vorstellung beginnt mit einer Ansage des Abendspielleiters Knut Sommer, der einer der engsten Vertrauten von Götz Friedrich war: Er betont, dass dieses „schöne Ereignis“ eine winzige Trübung erfahre, da die Aida von Daniela Dessì indisponiert sei. Dann tritt Sinopoli ans Pult und wird mit tosendem Beifall begrüßt. Die Aufführung ist trotz aller Erwartungen keine besonders gute: Dessì merkt man ihre Indisposition deutlich an, Armiliato steuert nicht mehr als tenorale Routine bei. Auch Colombara und Michael reißen sängerisch keine Bäume aus. Am verwunderlichsten aber ist das Dirigat: Da gibt es so viele Koordinationsprobleme mit der Bühne, wie man sie von Sinopoli eigentlich gar nicht gewohnt ist, auch die Orchesterleistung selbst ist nicht gut. In den Pausengesprächen macht sich unter den Berliner Opernfreunden Ernüchterung breit. Als sich der Vorhang nach der Pause zum Nilakt hebt, geht es äußerst schleppend weiter. Das Duett zwischen Aida und Radamès wird langsamer und langsamer, bevor es an der eigentlich im piano verklingenden Stelle „Il ciel de' nostri amori come scordar potrem?“ einen lauten Knall aus dem Orchestergraben gibt. Der als Amonasro eigentlich hinter Netzen versteckte Lado Ataneli eilt an die Bühnenrampe, der Ruf „Theaterarzt bitte!“ erschallt. Es schließt sich der Vorhang. Abendspielleiter Sommer tritt vor den Vorhang und bittet das Publikum den Saal zu verlassen. Es seien zwei Ärzte bei Herrn Sinopoli, der beim Dirigieren zusammengebrochen ist. Nachdem das Publikum ca. 20 min in den Foyers gewartet hat, erscheint der kommissarische Intendant des Hauses, André Schmitz, und verkündet den Abbruch der Vorstellung, Herrn Sinopoli gehe es aber besser. Noch in der gleichen Nacht ist im ARD-Videotext (Internet war damals noch nicht so verbreitet) zu lesen, dass Sinopoli gestorben ist.


    Die Vorstellung „Aida“ zwei Tage später findet unter der musikalischen Leitung von Marcello Viotti im Gedenken an Giuseppe Sinopoli statt. Bevor die Vorstellung beginnt, dirigiert Christian Thielemann „Im Abendrot“ mit Alessandra Marc als Solistin.


    20 Jahre nach seinem fulminanten Debüt mit „Macbeth“ endet Sinopolis Karriere am selben Ort unter unfassbar tragischen Umständen. Am Haus, insbesondere beim Orchester, wird bis heute mit der größter Wertschätzung über den Dirigenten gesprochen.


    Giuseppe+Sinopoli.jpg

  • Lieber Melomane,


    vielen Dank für die Eröffnung dieses Threads und für den ausführlichen Rückblick auf die Zeit von Sinopoli mit diesem tragischen Ende. Ich war in beiden Aida-Vorstellungen. Zwei Tage später gab es zudem drei Übersetzungen. Dessì, Armiliato und Colombara haben nicht mehr gesungen. Aus dem Kopf kann ich sagen, dass Burchuladze den Ramphis gesungen hat. Ich denke, dass Valayre und Grigorian die anderen Einspringen waren, überprüfe das aber nachher. Ich war übrigens als Schüler in der Generalprobe von Macbeth und in einer Folgevorstellung. Gerne steuere ich auch demnächst weitere Aufführungen bei.

  • Lieber "Melomane",


    großen Dank für deine plastische Beschreibung dieser Vorstellung, in der ich auch war. Ich erinnere mich noch gut an das Schimpfen vieler Besucher in der Pause, an einen riesengroßen Schmiss etwa 5 Minuten nach Beginn des 3. Aktes, an den lauten Knall seines Umfallens, an den Schrei der Sopranistin die mit Händen vor dem Mund entsetzt in den Orchestergraben starrte, an Rufe im ganzen Haus "Einen Arzt! Einen Arzt!", dann die Schockstarre des Wartens im Foyer, ob und wie es nun weitergehen möge, an die "Entwarnung" bezüglich des Zustands von Sinopoli in der Ansage, mit der wir alle nach Hause geschickt wurden, an die Verlogenheit einiger Besucher, die in der Pause noch geschimpft hatten und nuen meinten, dass das bis hierher noch ganz toll gewesen sei. Und ich erinner emich auch noch, wie ich in meine Prenzelberger Wohnung zurückkam, den Fernseher anmachte und auf n-tv hörte und im Laufband am unteren Bildende las, dass Sinopoli nun gestorben sei.


    Wie du richtig bemerktest, war Sinopoli ja inzwischen Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, dirigierte aber auch nur ähnlich wenig Oper wie jetzt Thielemann (nächste Spielzeit nur 2 "Ringe" und ganze 3x "Capriccio", der neue Saisonplan der Semperoper für die Spielzeit 2020/21 ist ja gerade gestern erschienen). Es gab aber die Ankündigung, dass Sinopoli (nach einem Machtkampf mit Semjon Bychkow, der Chefdirigent der Oper war und zurücktrat) nun auch verstärkt Opern in Dresden dirigieren solle. auch dazu kam es durch die tragischen Ereignisse des 20. April 2001 nich mehr.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zwei Tage später gab es zudem drei Übersetzungen. Dessì, Armiliato und Colombara haben nicht mehr gesungen. Aus dem Kopf kann ich sagen, dass Burchuladze den Ramphis gesungen hat. Ich denke, dass Valayre und Grigorian die anderen Einspringen waren, überprüfe das aber nachher.

    Genauso war die Besetzung. Grigorian war am 22. allerdings kein Einspringer, er war ja auch am 20. besetzt, bevor er an diesem Termin abgesagt hatte. Er hat die Vorstellung am 22. somit ganz "regulär" gesungen.

  • Lieber Melomane,

    danke für die Idee zu diesem interessanten neuen Themenbereich und den ersten ausgesprochen spannenden und historisch wertvollen Bericht von dieser Vorstellung, die dann so tragisch endete. Ich werde ebenfalls mindestens über eine erinnernswerte Vorstellung berichten. Da die Vorgaben ja so sind, dass man über Besetzung usw. ebenfalls berichten soll muss ich nachlesen, um exakt sein zu können.

    Herzlichst

    Operus (Han)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Was mir zu dieser denkwürdigen Vorstellung am 20.4.2001 in der Deutschen Oper Berlin noch einfällt: Ich hielt das Ganze erst für gar nicht so dramatisch, weil ich sehr ähnliches etwa fünf Jahre zuvor am gleichen Haus auch schon erlebt hatte: November 1996, "Boris Godunow" unter Michail Jurowski. Auch hier kippte im 3. Akt mit einem lauten Knall (der Aufprall) der Dirigent um, auch hier die Rufe nach einem Arzt, auch hier wurde das (freilich weniger zahlreiche) Publikum erst einmal ins Foyer gebeten, um dann nach etwa 20 Minuten nach Hause geschickt zu werden. Nur dass Jurowski wenige Monate später zurückkam und noch jahrelang dirigierte. Das erste Mal erlebte ich ihn wieder im Sommer 1997 im Konzerthaus mit Schnittkes "Faust"-Kantate mit Doris Soffel, Siegfried Lorenz und anderen. Daher dachte ich am 20.04.2001, dass es wohl ähnlich laufen werde - was sich aber als trauriger Irrtum entpuppte.

    Die Ansage bei der "Boris Godunow"-Vorstellung im November 1996 die das Publikum nach Hause schickte, machte damals übrigens niemand anderes als der Generalintendant selbst: Götz Friedrich. Im April 2001 war das nicht mehr möglich...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nur dass Jurowski wenige Monate später zurückkam und noch jahrelang dirigierte. Das erste Mal erlebte ich ihn wieder im Sommer 1997 im Konzerthaus mit Schnittkes "Faust"-Kantate mit Doris Soffel, Siegfried Lorenz und anderen.

    Michail Jurowski ist immer noch aktiv. So ist er in der kommenden Saison als Dirigent einer Serie von Prokowjews "Feurigem Engel" an der Met geplant - witzigerweise hat sein Sohn Vladimir in München diese Produktion aus der Taufe gehoben:


    https://www.metopera.org/seaso…1-season/the-fiery-angel/

  • Ich hatte am 10.03.2012 nachstehenden Beitrag schon einmal gebracht, aber sicher kennt den keiner mehr. Mein bisher nachhaltigstes Erlebnis und prägend für meine Freude an der Oper war der Besuch von Helge Rosvaenge in Gera anfang Dezember 1957 als Manrico. Natürlich habe ich kein Programm mehr, aber die Erinnerung!!


    Datum: etwa am 7.12.1957

    Ort: Theater Gera

    Inszenierung: unbekannt, spielte damals keine Rolle.

    Orchester: Orchester der Bühnen der Stadt Gera

    Dirigent: GMD Ernst Albrecht Reinhardt

    Manrico: KS Helge Rosvaenge

    Graf Luna: Alexander Toth (später nannte er sich Sandor Todt, er war Ungar)

    Ferrando: KS Erhard Groß (eine Geraer Opernlegende , der wenige Jahre später völlig erblindete)

    Leonore: Anneliese Schubert-Neuhaus

    Azucena: Gertrud Magnus

    Chor der Bühnen der Stadt Gera. Die Darsteller des Ruiz und der Inez sind mir nicht mehr im Gedächtnis. Die Inszenierung entsprach den gängigen Klischees, mit Zigeunerlager usw.


    Nun das leicht korrigierte Zitat von 2012:


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe die Bilder und die Stimme noch im Kopf


    18. April98 MANON Massenet

    Duisburg Dirigent Wen-Pin Chien

    Inszenierung Christof Loy

    Manon Lescaut Alexandra von der Weth

    Des Grieux Sergej Khomov

    Lescaut Ludwig Grabmeier

    Comte Des Grieux Malcolm Smith

    Guillot de Morfontaine Alexander Krawetz

    Bretigny Peter Christoph Runge

    Poussette Martina Winter

    Javotte Marianna Vàradi

    Rosette Taru Sippola

    Hotelier Tuomas Pursio


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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  • Noch in der gleichen Nacht ist im ARD-Videotext (Internet war damals noch nicht so verbreitet) zu lesen, dass Sinopoli gestorben ist.

    Das hatte mich damals sehr getroffen. Ich hatte ihn noch in Dresden u.a. in "Die Frau ohne Schatten" erlebt, hatte Karten für Mahlers 2. Sinfonie unter seiner Leitung in der Semperoper. Der Verlust hat nicht nur das Dresdener Opern- und Konzertpublikum sehr getroffen. Er ist nach der Wende das Wagnis eingegangen, das in der Strauss-Zeit bedeutendste deutsche Orchester (Wunderharfe) wieder zu neuer Weltgeltung zu führen. Noch jetzt vermisse ich den Mann, der nicht nur Musik, sondern auch Archäologie und Medizin (Dr. med) studierte. Ihm verdanke ich herrliche Erlebnisse.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Herzlichen Dank an "La Roche" für das Einstellen dieses Berichtes, der eindrücklich beweist, dass Berichte von lange zurückliegenden Opernabenden nicht langweilig sein müssen. Auch vielen Dank an "Orfeo", dass er diese Produktion, von der noch heute die Fans der Rheinoper schwärmen, wieder ins Gedächtnis gerufen hat. Hier würde mich ein kurzer persönlicher Bericht natürlich brennend interessieren.

  • Ich habe die Bilder und die Stimme noch im Kopf

    Oh, ich auch, unglaublich, dass es schon 22 Jahre her ist. Ich war vier Mal in dieser Vorstellung. Nach dieser tollen Arie von A.v.d. Weth hatte man jedes Mal das Gefühl, die Männer wären am liebsten zu ihr hin gestürmt.

    :hello:
    Jolanthe

  • An dieser Stelle möchte ich einen Versuch wagen: Mal sehen, ob sich weitere Mitglieder dieses Forums finden, denen so etwas Spaß macht. In einem anderen, inzwischen nicht mehr existierenden, Forum gab es mal eine sehr schöne Rubrik, die hieß „Vor 25 Jahren“. Dort konnte man an Vorstellungen erinnern, die 25 Jahre zuvor stattgefunden hatten und es war erstaunlich, wie viele lesenswerte, spannende Berichte auch nach so vielen Jahren zustande gekommen sind.


    Hier möchte ich etwas Ähnliches versuchen, wenn auch etwas weniger rigide, was den Zeitpunkt der Aufführung angeht. Es soll hier über live erlebte Vorstellungen berichtet werden. Wie lange der Besuch her ist, spielt keine Rolle. Abgehandelt werden sollen Vorstellungen, die aus irgendeinem Grund bemerkenswert waren. Sei es, weil sie künstlerisch eine herausragende Bedeutung haben oder sei es, dass irgendetwas Kurioses oder Erstaunliches passiert ist. Schön wäre, wenn dem Bericht Datum, Ort und Besetzung der Vorstellung vorangestellt werden könnten. Ich freue mich auf eine rege Beteiligung!

    Auch wenn der Thread - Ersteller und ich bestimmt nicht die besten Freunde sind, hat er ein sehr interessantes Thema aufgegriffen

    und ich möchte mich daran beteiligen.

    Bei meinen vielen Opernbesuchen, die fast immer großartig und beglückend waren, sind es vor allem zwei, die mir nachhaltig und unvergessen,

    in dankbarer ewiger Erinnerung geblieben sind. Hier der erste, zumal sich dieser morgen aktuell zum 44. Mal jährt:


    Es war Sonnabend, der 6. März 1976 – ein Datum, welches ich nicht nachschlagen muß, dieses Opernerlebnis ist mir für ewig manifestiert,

    glücklich und dankbar im Gedächtnis geblieiben.

    Am 3. März 1976 war in der Deutschen Staatsoper Berlin die Premiere der Tosca.

    Im Vorfeld wurde schon lange in Presse und auch im Rundfunk ein unglaublicher Hype darum gemacht.

    Für die Premiere bekamen wir keine Karten. Bestimmt ging die Hälfte an geladene Gäste wie Presse und andere Offizielle.

    Wie gesagt, für die Premiere bekamen wir keine Karten, aber für die erste Vorstellung danach im Parkett.

    Und diese war so unbeschreiblich unglaublich gut, daß ich nur in Superlativen davon sprechen kann.

    Dieser Abend war eine absolut glückliche Sternstunde, die nicht zu überbieten war.
    Und der, ich bin ganz sicher, egal wo, ob Met, Wien oder Scala, gefeiert worden wäre – besser geht nicht.

    Unter dem hervorragenden Dirigat von Prof. Otmar Suitner gaben alle ihr Bestes, gaben mehr als 100 %, jeder war in Höchstform!

    Allen voran die drei Hauptsolisten „Anna Tomowa – Sintow, Ruggiero Orofino und Theo Adam“.
    Das Haus war selbstverständlich ausverkauft und das Publikum spendete begeistert Szenenapplaus und am Schluß wollte der tosende Beifall

    mit Trampeln, Jubeln und Klatschen mit vielen, vielen Vorhängen kein Ende nehmen.
    Wir selbst waren von dem vielen intensiven und langen Beifall klatschen richtig erschöpft.
    Auch die Presse überschlug sich im Nachhinein damals in Lobeshymnen. Eine Schlagzeile weiß ich noch ganz genau:
    „Ruggiero Orofino als Cavaradossi genügt das pure Gold in der Kehle“.

    Und das hatte er tatsächlich. Was war das für ein großartiger hervorragender Tenor.

    Ich bin froh und glücklich, daß ich diesen Abend damals erleben durfte. Er wird mir als ein absoluter Höhepunkt unendlich dankbar in

    ewiger Erinnerung bleiben. Bestimmt war dieser Theaterabend unter meinen vielen, einer der Allerschönsten.

    Ich habe die Tosca im Laufe der nächsten Jahre bis 1985 bestimmt noch mind. 10 mal in meiner geliebten Staatsoper gesehen.
    Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die hervorragende rundum stimmige Inszenierung von Prof. Carl Riha, die dort noch weitere 35 Jahre lief.
    Damals gab es noch keine Verunstaltungen oder sinn – und geistlose entstellende Neudeutungen irgendwelcher Skandal – und Klamauk – Regisseure.

    Da wurde noch zur Freude und zum Genuß des Publikums werkgetreu inszeniert!

    So ist es zum Glück heute noch z. B. bei unseren tschech. Nachbarn in Liberec. Die machen dort noch wunderbares konservatives, traditionellesTheater.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Musikalische Ergänzung:

    Anna Tomowa - Sintow als Tosca in oben von mir beschriebenen Inszenierung ab Min. 8.20

    Ruggiero Orofino als Cavaradossi ab Min. 34.00


    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich hab damals fast alle Vorstellungwn von Manon an der Rheinoper geseehen. Und Alexandra v.d. Weth und Sergej Khomov warn damals das Traumpaar u.a. auch in der Lucia Premiere in Duisburg, wo es eine halbe Stunde Schlußbeifall gab. Bei vielen Manon Aufführungen gab es nach der Arie der Manon im dritten Akt nicht enden wollenden Jubel und die Arie mußte wiederholt werden.

  • Tosca, 2. Oktober 1961


    Gastspiel des Teatro dell´opera Roma in der Städtischen Oper Berlin

    Chor und Orchester der Römischen Oper

    Dirigent Oliviero de Fabritiis


    Tosca: Floriana Cavalli


    Cavaradossi: Giuseppe di Stefano


    Scarpia: Anselmo Colzani


    Ich war 15 Jahre alt, schon seit einiger Zeit opernbegeistert - meine Eltern hatten mich gelegentlich in die Oper mitgenommen - und hatte einige Zeit zuvor im Radio die Stimme von Giuseppe di Stefano gehört, der in der Folge für einige Jahre für mich der Tenor war. So war ich natürlich überglücklich, als ich hörte, dass er beim Gastspiel der Römischen Oper mitwirken würde. Das karge Taschengeld reichte für eine Karte im dritten Rang, und so genoss ich den ersten Akt in vollen Zügen. Von dort ober bemerkten meine Sitznachbarin und ich, dass ganz vorne im Parkett noch zwei Plätze frei waren, und so zogen wir in der Pause um, und glücklicherweise kam auch niemand, der die Sitze beanspruchte. Wie selig ich war, die nächsten zwei Akte von dort aus verfolgen zu können, kann sich, glaube ich, jeder vorstellen, der weiß, wie 15-jährige Teenager ticken. Da ich die großen Duette Tosca/Cavaradossi bereits von der Schallplatte (natürlich Callas/di Stefano) kannte, machte es mir auch keine große Mühe, dem ganzen trotz der italienischen Sprache zu folgen. Und so ist mir diese Vorstellung natürlich unvergesslich. Möglicherweise hätte ich heute andere Präferenzen (es gab auch noch den "Trovatore" mit Parutto, Barbieri, Corelli und Bastianini), aber das Geld reichte halt nur für eine Karte, und da musste es eben di Stefano sein.


    Es grüßt Mme. Cortese


    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Gerade lese ich mit Interesse und Freude den Bericht von Mme. Cortese und da es sich bei ihr auch um die "Tosca" handelt,

    möchte ich nun gleich mein zweites unvergeßliches Opernerlebnis schildern, denn auch da handelt es sich wieder um die Tosca.

    Und diese war für mich begleitet von unglaublichem Glück und Zufall. Wieder muß ich auch nicht das Datum nachschlagen, das hat sich eingeprägt.


    Ich bin ja ein ganz großer und leidenschaftlicher Fan von Luciano Pavarotti.

    Im April 1993 erlebte ich ihn zum ersten Mal live bei einem Arienabend in Berlin.

    Im Herbst desselben Jahres erfuhr ich, daß Pavarotti am 27. und 30. Juni 1994 in der Wiener Staatsoper als Cavaradossi gastiert.

    Ich war wie elektrisiert, da mußte ich doch hin!!! Ich rief in der Wiener Staatsoper an und kam bis zur Chefsekretärin.

    Mit ihr hatte ich ein nettes Gespräch und ich fragte sie, ob sie mir eine Karte reservieren könnte. Leider konnte sie mir nicht helfen,

    meinte, sie bekäme selbst kaum Karten, riet mir aber, "kommen Sie doch einfach her, vielleicht haben sie Glück und erhaschen eine Stehplatzkarte".

    Ich bin dann am 30. Juni mit einem Freund nach Wien gefahren, der hatte zwar kein Interesse für die Oper, wollte nur mal ein paar Tage Wien erleben.

    Gegen 15 Uhr etwa, war ich an der Staatsoper. Ringsum eine riesige Menschenmenge. Aus Gesprächsfetzen bekam ich mit, daß viele abwechselnd

    schon mehrere Tage und Nächte an der Staatsoper ausharrten in der Hoffnung, eine Karte zu bekommen.

    Und hier mein erstes Glück, gut, daß ich nicht bereits am 27. da war, denn ich bekam auch mit, daß Pavarotti da abgesagt hatte.

    Nun stand ich da unter den vielen Leuten und war ziemlich hilflos und ja auch unerfahren, wie ich zu einer Stehpatzkarte komme.

    Irgenwie bekam ich mit, daß man erstmal eine Nummernkarte als Voraussetzung braucht. Ich habe dann einen jungen Mann angesprochen

    und gefragt, wie man denn an eine solche Nummernkarte kommt. Er sagte mir, ich müsse mich umschauen, vielleicht verkauft einer eine solche Karte.

    Ich habe mich umgeschaut, fand aber niemanden. Und wie ich da so stand, plötzich tauchte dieser junge Mann später wieder auf, sah mich und fragte,

    ob ich schon eine Karte hätte. Ich verneinte und da meinte er: Sie können meine Karte haben, da sein Freund soeben telefonisch abgesagt hatte.

    Voller Freude fragte ich ihn, was ich ihm bezahlen darf. "Gar nichts, ich wünsche Ihnen viel Spaß". Sprach´s und verschwand.

    Ich habe mich natürlich riesig gefreut, sah dann auf die Karte und hatte eine Nummer mit einer Zahl über 600. O je, dachte ich,

    ob es denn so viele Stehplatzkarten überhaupt gibt? Ja, und dann kam Bewegung in die Massen. Nach der Nummernreihenfolge stellten sich

    nun alle rund um die Oper an - ich auch, ziemlich weit hinten. Die Vorstellung begann um 20 Uhr und bis etwa 19 Uhr tat sich nichts -

    wir standen und standen. Dann ging es plötzlich langsam und schrittweise doch voran. Ich hatte Angst, daß ich es bis zur Kasse bis

    zur Anfangszeit nicht mehr schaffe. Kurz vor 20 Uhr stand ich aber doch dann an der Kasse, gab meine Nummernkarte hin und glaubte

    meinen Ohren nicht zu trauen - die Kassiererin sagte - 15 Schilling!!! Das waren damals etwa 2,15 DM. Ich war glücklich, hatte meine Karte.

    Ich rannte hoch, hatte einen prima Stehplatz, mit Sicht auf alles. Und kaum war ich da, ging es auch schon drei, vier Minuten später los.


    Wir alle kennen ja wohl die Handlung und den Ablauf der Oper. Nachdem Angelotti und der Mesner abgetreten sind, kommt ja aus dem

    Hintergrund Cavaradossi. Und da kam er, der für mich grande tenore assoluto Pavarotti. Er kam, zeigte sich, hat noch keinen Ton gesungen

    und es brauste ein Beifall durch das Opernhaus. Was für ein großartiger, faszinierender Moment, da bekommt man vor freudiger Erregung

    Gänsehaut und Schauer laufen einem über den Rücken. Pavarotti war natürlich in der gesamten Vorstellung großartig.

    Seine Arie "E lucevan le stelle...", mußte er nach nicht enden wollendem Jubel der Zuschauer als da Capo wiederholen.

    Die Tosca sang Raina Kabaivanska und den Scarpia Sherrill Milnes. Bestimmt waren die auch gut, aber da habe ich nicht so die Erinnerung,

    die waren mir ziemlich egal - ich war nur mit hören und sehen auf Pavarotti fixiert!!!

    Am Schluß der Vorstellung gab es natürlich lange Riesenbeifall mit vielen Vorhängen. Aber irgendwann leert sich dann doch langsam der

    Zuschauerraum. Ich konnte ja von oben runterschauen und als im Parkett Platz wurde, bin ich ganz schnell runtergerannt, stand dann

    vorne in der 2. Reihe und nur durch den Orchestergraben getrennt, stand mir Pavarotti gegenüber. Das vergißt man nie!

    Draußen dann, vor der Oper, standen ein paar wenige Meter von mir entfernt, der damalige Direktor Joan Holender im Gespräch mit Marcel Prawy.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Die erste Aufführung, die ich in dieser Rubrik nennen möchte, ist eine, die ich gar nicht selbst erlebt habe, zumindest nicht an diesem Abend: Es geht um den letzten Felsenstein-"Blaubart" am 12. Juli 1992, 29 Jahre nach der Premiere 1963. Ein Westberliner Opernfan, den ich im August 1991 beim Anstehen an der Deutschen Oper Berlin kennen lernte und danach mit ihm bis zu seinem Lebensende im Dezember 2018 befreundet blieb, schwärmte mir immer wieder von Offenbachs "Ritter Blaubart" in der Inszenierung von Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin vor. Ich mochte Offenbach damals überhaupt nicht (abschreckende Behandlung von "Orpheus in der Unterwelt" im Musikunterricht) und rannte immer vorrangig in Aufführungen von Opern von Wagner, Verdi und Puccini. Als ich hörte, dass diese Inszenierung seit 29 Jahren läuft, erwiderte ich (Greenhorn), dass doch alle, die das sehen wollten, es irgendwann mal gesehen haben müssen- und er erwiderte: viele gehen da mehrfach rein und es kommen sogar Busse. Jedenfalls gab es nach dem Japab-Gastspiel dieser Inszenierung 1991 noch sechs letzte Aufführungen im Mai bzw. Juli 1992 an der Komischen Oper Berlin. Ich hatte aber keine Lust auf Offenbach. Mein Bekannter köderte mich schließlich damit, dass da auch Uta Priew mitsingen würde, die ich zu dieser Zeit an der Staatsoper Berlin in großen Rollen wie Venus, Ortrud, Kundry und Amneris erlebte und genoss. Nach einem "Tannhäuser" fragte ich sie am Bühneneingang, dass ich gehört hätte, dass sie jetzt auch an der Komischen Oper Berlin singen würde, und sie antwortete: "Na die Boulotte." - Ich wusste gar nicht, was sie damit meint.

    Jedenfalls habe ich mir dann tatsächlich eine Karte für die erste oder zweite dieser sechs letzten Vorstellungen im Mai (oder April?) 1992 gekauft und war sehr angetan von dem, was ich erlebte. Diese Inszenierunge wollte ich, wie die Wagner-Vorstellungen an der Staatsoper Berlin oder die dortige "Aida" ja auch, immer wieder sehen. Also holte ich mir eine Karte für die vorletzte Aufführung dieser Produktion am 11.7.1992. Es war für mich eine unvergessliche Aufführung. Dieses Mal war die Hütte voll und die Leute tobten vor Begeisterung, insbesondere über textliche "Einlagen" von Günter Neumann als Ritter Blaubart und Uta Priew im letzten Dialog vor dem Finale. Es gab aber auch riesigen Appalus nach dem Ritt zur Burg, dem Marsch der Frauen aus dem Gefängnis und dem Couplet von König Bobèche, dem unvergleichlichen Werner Enders in seinem Strumpfhosenkostüm mit seiner künstlichen Glatze. Als ich das Opernhaus an diesem Abend verließ, schwor ich mir Ich will das wiedersehen. Nun gab es aber nur noch eine Aufführung am nächsten Tag und die war ausverkauft. Ich bin trotzdem hingefahren und hoffte, noch eine Karte zu ergattern, aber es hat nicht geklappt und todtraurig und tief frustriert fuhr ich wieder nach Hause. Trotzdem wollte ich diesen "Ritter Blaubart" unbedingt nochmal erleben. Als ich dann in der Opernzeitschrift "Opernglas" las, dass in Saarbrücken "Ritter Blaubart" gespielt wird, bestellte ich mir eine Karte und fuhr in meinen ersten Semestertferien mit dem Zug von Berlin nach Saarbrücken. Die Enttäuschung über das dort Erlebte war riesig. Ich konnte kaum glauben, dass das dasselbe Werk sein soll. An diesem Abend im Februar 1993 in Saarbrücken habe ich kapiert, wie bedeutend eine Inszenierung für eine Opernaufführung ist. Das war mir vorher nicht klar, denn ich hatte die Werke ja fast alle nur immer in einer Inszenierung erlebt und wenn doch an beiden großen Häusern, etwa "Aida" oder "Tosca", dann waren die Unterschiede auch nicht riesig. Natürlich hatte ich inzwischen auch andere Inszenierungen an der Komischen Oper erlebt, die mich mehr begeistert hatten als die gleicher Werke an den anderen Berliner Opernhäusern, etwa der Kupfer-Figaro im Vergleich zum Adam-Figaro oder der Kupfer-Oprheus im Vergleich zum Freyer-Orpheus - aber so richtig habe ich die überragende Bedeutung einer Inszenierung und des Regisseurs Walter Felsenstein erst an diesem Abend in Saarbrücken kapiert, wo seine Inszenierung nicht gespielt wurde.


    Inzwischen kenne ich natürlich verschiedene Dokumente und Aufzeichnungen vom Felsenstein-"Blaubart". Die Verfilmung mit der Originalbesetzung Anny Schlemm (Boulotte), Hanns Nocker (Blaubart), Rudolf Asmus (Popolani) und Werner Enders (Bobèche) habe ich seit der Fernsehausstrahlung 1995 sicherlich mehr als 50 Mal angesehen (auch mehrfach in Kino), den Videomitschnitt aus Japan von 1991 mit der von mir 1992 zwei Mal live erlebten Besetzung Uta Priew (Boulotte), Günter Neumann (Blaubart), Klemens Slowioczek (Popolani) und dem einzigartigen, unersetzlichen Werner Enders (Bobèche) auch mehrere Male. Irgenwann, vor 10 Jahren, bekam ich auch den Audiomitschnitt von der allerletzten Vorstellung vom 12. Juli 1992, in die ich zu meinem großen Schmerz nicht reinkam, gehört - aber die unvergleichliche Live-Atmosphäre der beiden erlebten Vorstellungen kann ich noch auf meiner Haut spüren und diese stellt sich so bei allen Aufzeichnungen nicht ein, so dankbar ich auch für diese bin.

    In der Felsenstein-Edition befindet sich übrigens Bonusmaterial mit einer Szene vom Blaubart-Auftritt des 1. Aktes aus dem Premierenjahr 1963 - ein ungeheurer Eindruck, der meinem Live-Erlebnis noch am nächsten kommt Da spürt man, wie die Luft im Saal knistert. Ich bin jedenfalls glücklich und dankbar, dass ich diese Inszenierung als 18-Järhiger noch erleben konnte, dass mich mein älterer Westberliner mir sie mehrfach geduldig wärmstens ans Herz gelegt hatte und dass ich nicht zu blöd war, mir diese Chance entgehen zu lassen. Sie ist sicherlich eine meiner zehn absoluten Lieblingsinszenierungen geblieben, und da das die einzige Felsenstein-Inszenierung war, die ich noch live erleben konnte, hat sie immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.


    Und nun die bei Youtube verfügbaren Zeugnisee (der Audiomitschnitt mit den besagten "Einlagen"):


    Die Defa-Verfilmung von 1972, für die sich der arme Werner Enders eine echte Glatze scheren lassen musste (zum Entsetzen seiner ahnungslosen Frau, wie er später bei einem Publikumsgespräch lachens erzählte):



    Und hier der Videomitschnitt aus Japan von 1991, wo man ungeachtet der technisch mäßigen Qualität von der Fassung und einigen Schlüsselszenen wie dem Ritt zur Burg einen teilweise besseren Eindruck bekommt als bei der Verfilmung, wo häufig Großaufnahmen dominieren:



    Und hier der besagte Audiomitschnitt der letzten Aufführung vom besagten 12.7.1992:



    Und hier, als letztes Dokument, noch die Szene vom Auszug der Frauen aus der Gruft, Finale 3. Akt, aus dem Premierenjahr 1963:


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Einen ganz herzlichen Dank an diejenigen, die mit lebendigen Berichten sich hier in die Diskussion eingeführt haben. Um das Erlebnis einer der letzten Aufführungen des Felsenstein-"Blaubart" beneide ich "Stimmenliebhaber", obwohl die Inszenierung durch Videoaufzeichnungen so gut dokumentiert ist. Gerade hier glaube ich ihm sehr gerne, dass das Live-Erlebnis in diesem Fall unersetzlich ist.


    Ich kehre thematisch jetzt wieder zur "Tosca" zurück, eine Aufführung, die sicher niemand vergisst, der dabei gewesen ist.


    "Tosca", Deutsche Oper Berlin, 28. Juni 2003


    Musikalische Leitung: Daniel Oren

    Inszenierung: Boleslaw Barlog


    Tosca: Eliane Coelho

    Cavaradossi: Luciano Pavarotti

    Scarpia: Juan Pons

    Angelotti: Harold Wilson

    Der Mesner: Roland Schubert

    Spoletta: Jörg Schörner

    Sciarrone: Miomir Nikolic

    Ein Schließer: Klaus Lang

    Stimme des Hirten: Knabe des Staats- und Domchores


    Luciano Pavarotti und Berlin - das war eine wahre Liebesbeziehung. Das Publikum der Deutschen Oper vergötterte denjenigen Tenor, der mit Fug und Recht als einer der größten des 20. Jahrhunderts, wenn nicht als DER größte gilt. Legendär waren seine Auftritte an der Deutschen Oper Berlin in den 80er Jahren, "Aida", "Tosca" oder auch "Der Liebestrank". Bei einer Aufführung des letztgenannten Werkes wurde der Weltrekord an gezählten Applausvorhängen gebrochen: Am 10. März 1988 vermeldet die Chronik der Deutschen Oper 137 Vorhänge und somit 72 Minuten Applaus, inklusive der als Zugabe dargebotenen Arie aus dem 1. Akt "Tosca". Danach folgten lange Zeit keine Opernabende mehr (Anfang der 90er gab er noch einmal einen Liederabend), was auch daran lag, dass aufgrund von Steuerschulden Pavarotti die Einreise nach Deutschland nicht mehr möglich war. Anfang der 2000er Jahre war die Steuerangelegenheit bereinigt worden und Pavarotti konnte wieder in Deutschland auftreten. In der Spielzeit 2002/03 verabredete die Deutsche Oper Berlin ein Gastspiel mit ihm als Cavaradossi, wobei es wilde Spekulationen gab, um welchen Termin es sich wohl handeln möge, da die DOB ihn nicht im offiziellen Jahresheft veröffentlichte. Irgendwann wurde bekannt, dass es sich um den 28. Juni 2003 handelt, die Deutsche Oper verkaufte die Karten zu horrenden Sonderpreisen, die die doppelt so hoch waren wie die regulär höchste Kategorie "D". Trotzdem war der Andrang gewaltig, die Karten waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Auch jüngere Opernfreunde, die die Aufführungen in den 80ern nicht live erlebt hatten, waren scharf darauf, diesen Giganten des Operngesanges wenigstens einmal live zu erleben, wenn auch im Alter von inzwischen 67 Jahren.

    Die Ironie des Schicksal wollte es, dass diese letzte Vorstellung, die eine der letzten der Spielzeit 2002/03 war, auch zuletzt der letzte Abend mit großer Öffentlichkeit des geschassten Intendanten Udo Zimmermann war. Er war ein Vertreter der radikalen musikalischen und szenischen Avantgarde (was ihm an der Deutschen Oper neben anderen Vorkomnissen zum Verhängnis geworden war) und verachtete solche rein "kulinarischen" Opernereignisse wie den Auftritt eines Startenors.

    Der Abend fing an, dass sich der Vorhang öffnete und Zimmermann vor das Publikum trat. Ein Stöhnen ging durch den Raum, weil viele eine kurzfristige Absage Pavarottis vermuteten. Aber nein: Der noch amtierende Intendant verkündete "nur" die - ohnehin schon auf den Besetzungszetteln vermerkte - Umbesetzung der Titelrolle von Carol Vaness zu Eliane Coelho. Er ließ es sich nicht nehmen, dem Publikum mit einem beißend ironischen Unterton viel Vergnügen bei diesem "Fest der Stimmen" zu wünschen.

    Die Vorstellung war ein reines Trauerspiel. Pavarotti war in körperlich furchtbarer Verfassung, er konnte sich nur von Stuhl zu Stuhl hangeln. Auch geistig - wahrscheinlich stand er unter dem Einfluss starker Schmerzmittel - war er nicht auf der Höhe. Immer wieder verpasste er ganze Sätze. Besonders eklatant war das in der kurzen Szene mit Angelotti nach dem Duett mit Tosca, das er zuvor vollständig im Sitzen absolviert hatte und die überraschte Eliane Coelho auf seinen Schoß gezogen hatte, was unfreiwillig komisch war: Hier setzte er gar nicht ein, der arme Harold Wilson stand daneben wie ein begossener Pudel. Das hohe h auf "la vita mi costasse" sang er wie einen Vokalisenton, ohne Text und Noten davor und danach. (Aber es kam.) Hier und wieder blitzte sein unverwechselbar schöner Stimmklang auf, einige Phrasen gelangen auch, aber unter dem Strich war es furchtbar, den armen Mann bei einer Aufgabe zusehen zu müssen, die er körperlich nicht mehr bewältigen konnte. Ganz schlimm wurde es im dritten Akt: Hier wollte man Pavarotti den Auftritt über die Treppe auf das Dach der Engelsburg ersparen und ließ ihn schon, als sich der Vorhang hob, dort sitzen. Als im Orchester das Thema der Arie erklang, setzte er bereits hier ein und sang "O dolci baci o languide carezze" noch bevor der Kerkermeister ihn angesprochen hatte. Bei der Erschießung waren auf der Bühne Sandsäcke verteilt, auf die Pavarotti niedersinken konnte. Als sich der Vorhang schloss, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis man Pavarotti wieder hochgehievt hatte, so dass er sich verbeugen konnte. Gefeiert wurde er dennoch, und das völlig zurecht, für seine Lebensleistung. Eine japanische Besucherin hielt beim Applaus jubelnd eine Pavarotti-Puppe in die Höhe, das Sinnbild eines völlig verkorksten Abends. (Auch die anderen Solisten waren nicht besonders, insbesondere Juan Pons blieb dem Scarpia jede Gefährlichkeit schuldig, das Dirigat dröhnte dumpf daher.)

    Der letzte Akt dieses Schauspiels wurde am Bühnenausgang geboten. Pavarotti hatte das Theater mit seinem Chauffeur bereits durch das Rolltor auf der anderen Seite des Gebäudes verlassen. Die Autogrammwünsche der Wartenden erfüllte stattdessen Pavarottis Cover Salvatore Licitra. Er hatte den ganzen Abend auf der Seitenbühne gestanden, um für den Fall der Fälle die Aufführung zu Ende singen zu können.

    Für das Berliner Publikum war es sehr schade, dass sich diese Legende mit einem derart traurigen Abend verabschieden musste. Ihm hätte man eine andere, würdigere letzte Vorstellung in Berlin von Herzen gewünscht.


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  • Schade, diese Vorstellung hatte ich mir auch fest vorgenommen und du hast sie mit weggeschnappt! :D


    Vielleicht schreibe ich aber am Wochenende noch etwas dazu. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Einen ganz herzlichen Dank an diejenigen, die mit lebendigen Berichten sich hier in die Diskussion eingeführt haben.

    Diesem Dank möchte ich mich bei allen, die hier bisher berichtet haben, anschließen.

    Ich finde es sehr schön und interessant, auch von anderen persönlich erlebte, beeindruckende Opernerlebnisse zu erfahren.

    Freilich ist die eigene Erinnerung immer präsent, aber durch das persönliche berichten, muß man sich noch mehr konzentrieren

    und viele gewesene Einzelheiten werden einem selbst wieder noch deutlicher.

    Wie ich sehe und lese, spielt wohl bei vielen die Tosca eine besondere Rolle.

    Bedanken möchte ich mich auch bei Melomane für den ausführlichen Bericht, Btr.20.

    Und jetzt bitte nicht falsch verstehen - dieser ist, einerseits hochinteressant und gut berichtet, aber andererseits wünschte ich, ich hätte ihn nicht gelesen.

    Zurecht meint Melomane - Pavarotti, war einer der größten, wenn nicht sogar der allergrößte Tenor aller Zeiten, dem schließe ich mich absolut an.

    Und wenn man dann von seinem Idol erfährt, daß er nur noch ein trauriger Schatten seiner selbst war, dann tut das richtig weh!

    Ich wußte von diesem Termin nicht, bin aber ins Nachhinein froh, daß ich da nicht mit dabei war.

    Es erinnert mich an eine Sendung im TV 2005 oder 2006 (???) - es war die Gala - Veranstaltung von Jose Carreras immer in der Vorweihnachtszeit.

    Pavarotti auf einem Stuhl hinter den Flügel geschoben sang, ich glaube Ave Maria, und dann sangen beide zusammen.

    Beide hatten größte Intonationsschwierigkeiten, trafen nicht immer die Töne, die Stimmen saft - und kraftlos, ohne jeden Glanz.

    Auch da hatte ich mir ins Nachhinein gewünscht - es wäre besser gewesen, ich hätte mir das nicht angesehen.

    Um diesen traurigen Dingen noch einen positiven Abschluß zu geben, ich kann sagen - mein Erlebnis im Btr. 18 geschildert -

    da war Pavarotti zwar auch schon altersmäßig kurz vor 59, aber da war er noch Weltklasse!!!


    CHRISSY


    Ich erlaube mir einen Nachsatz:

    Es ist schön und sehr angenehm, daß es in diesem Thread nicht nur hochinteressant, sondern auch friedlich zu geht!

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich möchte nun doch noch meine eigenen Erinnerungen an Pavarottis letzten Berliner Opernauftritt als Cavaradossi am 28. Juni 2003 in der Deutschen Oper Berlin beisteuern, zumindest einige Aspekte, die ich im Vergleich zum "Melomanen" etwas anders erlebt habe.


    Man war glücklich, eine Karte ergattert zu haben und erwartete sich ein Fest. Die Absage von Frau Vaness trübte meine Vorfreude allerdings schon deutlich, nicht wegen ihr, sondern wegen der Einspringerin Eliane Coelho, die ich 1994 in Dresden als furchtbare, textunverständliche und stimmscheppernde Salome erlebt und erlitten hatte. Die bot dann als kurzfristig einspringende Tosca eine solide Leistung und somit die beste Solistenleistung des Abends (zumindest von den drei Protagonisten her).

    Die Ironie des Schicksal wollte es, dass diese letzte Vorstellung, die eine der letzten der Spielzeit 2002/03 war, auch zuletzt der letzte Abend mit großer Öffentlichkeit des geschassten Intendanten Udo Zimmermann war. Er war ein Vertreter der radikalen musikalischen und szenischen Avantgarde (was ihm an der Deutschen Oper neben anderen Vorkomnissen zum Verhängnis geworden war) und verachtete solche rein "kulinarischen" Opernereignisse wie den Auftritt eines Startenors.

    Der Abend fing an, dass sich der Vorhang öffnete und Zimmermann vor das Publikum trat. Ein Stöhnen ging durch den Raum, weil viele eine kurzfristige Absage Pavarottis vermuteten. Aber nein: Der noch amtierende Intendant verkündete "nur" die - ohnehin schon auf den Besetzungszetteln vermerkte - Umbesetzung der Titelrolle von Carol Vaness zu Eliane Coelho. Er ließ es sich nicht nehmen, dem Publikum mit einem beißend ironischen Unterton viel Vergnügen bei diesem "Fest der Stimmen" zu wünschen.

    Ehrlich gesagt empfand ich die Ansprache von Zimmermann nicht als "beißend ironisch", sondern er war stolz wie Bolle, dass Pavarotti tatsächlich sang und das der krönende Abschluss seiner (kurzen) Intendanz war. "Beißend ironisch" kam einem das angekündigte "Fest der Stimmen" vielleicht hinterher vor - in Anbetracht dessen, was man dann tatsächlich zu hören bekam.

    Die Vorstellung war ein reines Trauerspiel. Pavarotti war in körperlich furchtbarer Verfassung, er konnte sich nur von Stuhl zu Stuhl hangeln.

    Der Vorhang ging auf und man war erst einmal baff, weil das Gerüst auf der rechten Bühnenhälfte, auf das Cavaradossi normalerweise klettert, um am Bild weiterzumalen, gar nicht aufgebaut war. Es stand stattdessen ein einzelner Schemel da, daneben standen auf dem Boden Becher mit Pinseln etc., die während der Aufführung von Pavarotti eigentlich auch nicht wirklich angerührt wurden. Dann wartete man gespannt, wann er denn nun von hinten links (wie in Barlogs Regie vorgesehen) aus dem Hauptkirchenschiff in die vordere Kapelle schlendert? Die Musik zum üblichen Auftreten kam heran, er aber kam und kam nicht. Plötzlich kam er vorne links aus der Gasse, weil der Weg zum Stuhl kürzer war, erreichte ihn glücklich, setzte sich hin und markierte dort stimmlich den ersten Akt, ohne sich wirklich noch einmal spielerisch am ersten Akt zu beteiligen.


    Noch krasser fand ich die "Vittoria"-Rufe im zweiten Akt: Die waren beide erstaunlich gut gesungen. Danach war er aber mit seiner Kraft am Ende, die Stretta, die danach eigentlich erst richtig beginnt, sang er eigentlich gar nicht mehr, und den Schergen, die ihn eigentlich gegen seinen Widerstand wegschleppen sollten, fiel er um den Hals mit dem Untertext: "So, Jungs, tragt mich mal raus!"

    Ganz schlimm wurde es im dritten Akt: Hier wollte man Pavarotti den Auftritt über die Treppe auf das Dach der Engelsburg ersparen und ließ ihn schon, als sich der Vorhang hob, dort sitzen. Als im Orchester das Thema der Arie erklang, setzte er bereits hier ein und sang "O dolci baci o languide carezze" noch bevor der Kerkermeister ihn angesprochen hatte.


    Dass Pavarotti zu früh einsetzte, als die Melodie der Arie erstmals im Orchester erklingt (lange vor dem ersten Ton des Schließers), weiß ich auch noch ganz genau und es ging einen leises Raunen durch den Saal. Ich würde abe raus der Erinneurng behaupten, dass er falsch mit "E lucevan le stelle" einsetze. Ich habe mir mal einen Mitschnitt dieser Vorstellung eingetauscht und müsste das nachhören. Als ich diesen Mitschnitt vor einigen Jahren mal mit banger Vorahnung anhörte, war ich übrigens überrascht, wie gut Pavarotti rein stimmlich noch über weite Strecken war. Hätte ich nach dem Live-Eindruck so nicht mit gerechnet. Also: hier schadete die optische Seite dem Gesamteindruck weit mehr, als dass sie ihm nützte, während die rein austische Seite mir beim Anhören der Aufnahme gar nicht sooo schlecht vorkam (wobei Pons wirklich enttäuschend war für jemanden, der ein halbes Jahr zuvor Raimondi und in den Jahren zuvor immer wieder Ingvar Wixell als Scarpia in dieser Inszenierung erlebt hatte).


    Bei der Erschießung waren auf der Bühne Sandsäcke verteilt, auf die Pavarotti niedersinken konnte.


    Nach meiner Erinnerung hatte man ihm jede Menge Kissen (die vielleicht wie Sandsäcke angemalt wurden) hingelegt, damit er sich beim Umfallen nach der Erschießung nicht verletze. Meiner Erinnerung nach fiel er dann gar nicht wirklich um, sondern legte sich im Zeitlupentempo mühsam nieder, wenn überhaupt...


    Am Ende war eine merkwürdige Stimmung im Publikum, es gab keine wirklichen Ovationen, gar Bravo-Stürme, die Fans waren entweder selbst enttäuscht oder hatten wohl Angst, dass es zu Unmutsbekundungen gegenüber Pavarotti kommen könnte, woraus sich eine Art "Waffenstillstand" ergab. Ich war beim Verlassen des Hauses aber doch ziemlich enttäuscht: Da hatte ich nun endlich zum ersten (und letztlich einzigen) Mal Pavarotti live erleben dürfen und dann so... :(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Richard Wagner "Götterdämmerung" Münchner Opernfestspiele - Prinzregententheater - München

    Lifeaufnahme am 1. September 1955

    Besetzung:

    Siegfried: Bernd Aldenhoff

    Gunther: Hermann Uhde

    Hagen: Gottlob Frick

    Alberich: Otokar Kraus

    Brünnhilde: Birgit Nilsson

    Gutrune: Leonie Rysanek

    Waltraute: Ira Malaniuk

    Woglinde: Gerda Sommerschuh

    Wellgunde: Elisabeth Lindermeier

    Floßhilde: Ruth Michaelis

    Erste Norne: Irmgard Barth

    Zweite Norne: Herta Töpper

    Dritte Norne: Marianne Schech

    Bayerisches Staatsorchester - Chor der Bayerischen Staatsoper

    Musikalische Leitung: Hans Knappertsbusch

    Regie: Heinz Arnold


    Erfüllung in Wagners Welt

    so titelte der renommierte Kritiker und Autor Karl Schumann seine Würdigung dieser denkwürdigen Aufführung. An erster Stelle muss selbstverständlich das großartige Dirigat von Hans Knappertsbusch genannt werden. Wie dieser geniale Wagnerdirigent alle Höhepunkte des großartigen Werkes aufblühen ließ, alle Feinheiten der Partitur transparent herausarbeitete, trotz großer Dramatik, seine Sänger quasi auf Händen trug, sie nie übertönte, weil er in den Sängerszenen erstaunlich schlank musizierte, das war wirklich genial. Trotz des großen Atems, der alle Knappertsbusch Wagner-Dirigate auszeichnete wirkte die musikalische Wiedergabe nie übertrieben langsam, oder zu pathetisch. Der als schwerer Wagnertenor angekündigte Bernd Aldenhoff konnte durch das sängerfreundliche Dirigat seinen Siegfried erstaunlich leicht singen, was selbstverständlich seiner leuchtenden Höhe und der gewinnenden Intimität in den Szenen mit Brünnhilde sehr zugute kam. Sicherlich trug es auch dazu bei, dass die fabelhafte, unvergleichliche Birgit Nilsson ihrem dramatischen Sopran erstaunlich gefühlvolle Akzente geben konnte. Ihre Höhe war an diesem Abend so strahlend, so warm, wie ich die großartige Sängerin trotz herausragender Leistungen, die ich später noch von ihr hören durfte, nie wieder erlebte. Lag es daran, dass La Nilsson diese Brünnhilde erstmalig in deutscher Sprache sang und sie deshalb auch besonderen Wert auf perfekte Artikulation und sängerischen Ausdruck legte. An diesem Abend war nichts von Höhenschärfe und Kälte in der Stimme zu bemerken, die später oft an ihr kritisiert wurde. Im Gegenteil, sie konnte die liebende Frau glaubhaft darstellen und dennoch in der Schwurszene und im dramatischen Schlussgesang der Brünnhilde großes Welt Theater zelebrieren. Damit kommen wir zum dritten großen Protagonisten dieser Aufführung: Gottlob Frick als Hagen. Machtvoll rief er die Mannen zusammen. Wobei mir an diesem Abend in der so überzeugend gesungenen Wacht klar wurde, was tatsächlich Schwärze in der Stimme ausmacht. Es sind nicht nur die tiefen Töne, die selbstverständlich voll klingen sollen. Es ist die Breite der Stimme, die Farbe, das Timbre mit dem lautmalerisch die Stimmung geschaffen wird. Dies gelang ebenso im Nachtgespräch mit dem ebenfalls hervorragend artikulierenden Alberich Otokar Kraus. Noch heute klingt mir die Präzision seines nahezu verklingenden "Sei treu" im Ohr.Die anderen auf ähnlichem Niveau singenden Mitwirkenden mögen es mir verzeihen, wenn ich ihre Leistungen pauschaler beleuchte. Das waren zum Beispiel die hervorragend singende und gestaltende Leony Rysanek, der man es abnahm, dass sie eine ernsthafte Rivalin von Brünnhilde sein konnte. Hermann Ude war auch alles andere als ein bedauernswerter Schwächling. Durch Stimme und Darstellung verkörperte er überzeugend den Blutsbruder von Siegfried. Ein Sonderlob gebührt Ira Malaniuk als Waltraute für die so eindringlich und ergreifend vorgetragene Warnung an ihre Schwester Brünnhilde. Durch ihr bewegtes Spiel und die jugendlichen Stimmen agierten die Rheintöchter erfreulich und gewinnend. Die Nornenszene kann leicht langatmig wirken, aber nicht, wenn solche Stimmkaliber dafür eingesetzt werden, wie Irmgard Barth, Erste Norne, Herta Töpper,Zweite Norne, und Marianne Schech, dritte Norne.

    Großen Anteil am Erfolg hatten das hervorragend disponierte Bayerische Staatsorchester und der kraftvoll singende Chor der Bayerischen Staatsoper. Am meisten spürte man, wie eng verwachsen der Pultzauberer Kna mit seinen Münchner Musikern ist, bei der tonlich so wunderbar fließenden Siegfrieds Rheinfahrt.

    Der Impuls durch die Themenstellung hatte zur Folge, dass ich mir die "Götterdämmerung" wieder einmal anhören durfte und ich habe sie fast so genossen wie damals. Ich konnte nichts Absurdes, oder Missratenes von dieser Aufführung berichten. Ich hoffe, dass ich dem Titel: "Wie aus der Ferne längst vergangener Zeiten..." dennoch gerecht werden konnte. Danke, lieber Melomane, dass Du mich in diese Erinnerung hineingeführt und meine Überzeugung verstärkt hast, welche "Erfüllung in Wagners Welt" wir doch damals hatten. Gleichzeitig wird bewiesen, wie anschaulich und bereichernd in unserem Tamino berichtet werden kann, wenn eine konkrete Themenstellung vorgegeben wird, die zur nostalgisch verklärten Erinnerung geradezu verführt.

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  • Zu meinem Beitrag #10 Manon an der Rheinoper


    Ab 1996 war Alexandra von der Weth an der DOR im Ensemble und schon mehrfach wegen ihrer brillanten Stimme aufgefallen. Mit der Manon in der Inszenierung von Christof Loy gelang sowohl ihr wie auch Loy der grosse Durchbruch. Man ging in die Vorstellungen wegen ihr, die Mund-zu-Mund-Propaganda war enorm und deshalb habe auch ich die oben erwähnte Vorstellung besucht, auf die noch mehrere Besuche folgten. Es war klar: diese Sängerin ist etwas ganz außergewöhnliches und vielversprechend. Es folgten Engagements in Europa und den USA bis zu dem Moment, als ihre Stimme versagte, schlicht und einfach nicht mehr vorhanden war; wie sie selber später sagte, verursacht durch Stressprobleme.

    Die dadurch verursachte lange Pause nutzte sie zur Weiterbildung und sie leitet heute ein Institut für Sprachbildung und tritt nur noch gelegentlich in Opern auf (zuletzt sah ich sie als Kartenaufschlägerin in Arabella).

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Lieber Orfeo, Sie hat sich einfach zuviel zugemutet. In einer Spielzeit hat Alexandra v.d.Weth die Norma und die Lulu gesungen.

  • Sie sang ab Ende der Neunziger auch viel an der Deutschen Oper Berlin, ich habe sie da einmal in den "Hugenotten" erlebt. In Berlin hate sie auch viele Fans, ich war eher keiner, fand ihre Stimme für das große Haus zu klein.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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    Da ist sie:



    Das ist schon wirklich eine der packendsten Interpretationen der Götterdämmerung. Gunst der frühen Geburt, dort selbst dabei gewesen zu sein, lieber Operus. Bis heute fragt man sich, wo der Rest dieses Rings geblieben ist. Offenkundig wurde er 1955 an der Bayerischen Staatsoper durchaus gegeben. Nachfragen beim BR blieben ergebnislos. Vielleicht sind die Bänder auch in desolatem Zustand.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sie sang ab Ende der Neunziger auch viel an der Deutschen Oper Berlin, ich habe sie da einmal in den "Hugenotten" erlebt. In Berlin hate sie auch viele Fans, ich war eher keiner, fand ihre Stimme für das große Haus zu klein.

    Mitte der 1990er war sie an der Deutschen Oper Berlin Stipendiatin des Förderkreises. Im November 1995 hatte sie als Blanche in der Neuproduktion von Poulencs "Dialoge der Karmeliterinnen" einen großen Erfolg. Die oben angesprochene Vorstellung als Königin sang sie bereits als Gast, während sie an der Rheinoper fest engagiert war. Ihr letzter Auftritt an der Deutschen Oper Berlin war leider auch nicht mehr ruhmreich: Bei der letzten Wiederaufnahme-Serie von Götz Friedrichs "Lulu"-Inszenierung im Juni 2005 war sie in der Titelpartie besetzt und sang auch die erste Vorstellung. Da war sie leider nicht sehr gut, wurde ausgebuht und sagte die beiden folgenden Vorstellungen ab.

  • Lieber "Melomane", da wirst du ganz sicher recht haben. Diese "Karmeliterinnen" sind allerdings lange an mir vorbeigelaufen, ich habe erst Mitte der "Einser" Jahre eine Aufführung gesehen , als die Gattin des langjährigen Intendanten nicht mehr mit von der Partie war. Frau van der Weth dann vermutlich auch nicht mehr, oder? Jedenfalls kann ich mich nur noch an die "Hugenotten"-Serie mit ihr erinnern, wo sie mir etwas unterbesetzt vorkam, während Herr Merrit mit seinem Stentor-Tenor nun so gar nichts für den Raoul mitbrachte. Am 2.2. dieses Jahres war ich wieder in der DOB in den "Hugenotten" , da waren alle Hauptrollen weit besser besetzt als damals, 1998. Dass sie dann irgendwann von dr Bildfläche verschwand, habe ich auch mitbekommen.


    An der Deutschen Oper Berlin gab es ja in den Neunzigern auch Massenets "Manon", Fionnuala McCarthy war die Premierenbesetzung, ich erlebte in der Titelpartie 2x Juliane Banse und 1x Noemi Nadelmann - die Puccini-"Manon", also "Manon Lescaut", ist mir freilich ungleich lieber.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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