Carmen mit Anita Rachvelishvili- Staatsoper Berlin, 10.03.2020, letzte Aufführung vor der temporären Schließung

  • Auf diese Carmen-Serie hatte ich mich schon lange gefreut, obwohl das Werk nicht unbedingt zu meinen Lieblingsopern zählt. Schon Ende der letzten Woche hatte ich die Befürchtung, dass ich allenfalls eine von drei gekauften Aufführungen würde besuchen können. Dass es mit der Schließung aller Häuser jedoch so schnell gehen würde, hatte ich nicht gedacht. Immerhin kam ich nun einmal in den Genuss dieser Carmen. Vor der Aufführung war alles wie immer. Natürlich gab es Pausengespräche zur aktuellen Lage, aber keine Ansage des Hauses. Diese hat dann wohl der GMD nach der Vorstellung gemacht, als ich schon auf dem Heimweg war.


    Diese Aufführung war nicht nur etwas Besonderes, weil es die letzte für mindestens einige Wochen war, sondern weil Anita Rachvelishvili die Titelpartie derart vielschichtig, brillant, charmant und souverän gesungen hat, dass ich mich an keine bessere Carmen erinnern kann. Christiane Karg hat die Micaëla wunderschön gesungen. Dass die Partie für sie grenzwertig ist, fiel nicht besonders ins Gewicht. Weniger gefreut hatte ich mich nach seinem Rigoletto-Herzog auf Michael Fabiano. Die Aussicht auf drei Abende erschien nicht gerade verlockend. So schlimm war es indes nicht. Die Freude an seiner schönen Stimmfarbe überwog für mich die vokalen Mängel. Stimmlich ist er kein Feinmotoriker. An hohe Töne schummelt er sich an Bravour ran. Auch die französische Sprache passt nicht unbedingt zu ihm. Insgesamt konnte ich aber ganz gut damit leben, weil das Gesamtpaket einigermaßen gestimmt hat. Lucio Gallo hat als Escamillo eine ideale Figur abgegeben. Leider gilt das nicht für seinen Gesang. Er hatte sicher ein paar starke Momente, aber da die Stimme null Charme versprüht, war er im Prinzip eine Fehlbesetzung. Da ich Gallo insgesamt sehr schätze, freue ich mich dennoch, ihn in dieser Rolle erlebt zu haben. Adam Kutny fand ich als Moralès etwas grobschlächtig. Die Damen Alyona Abramova (Frasquita) und Serena Sáenz (Mercédès) wollten mit aller Macht zeigen, dass sie in ihren knappen Outfits nicht nur gut aussehen und für jede Menge Wirbel auf der Bühne sorgen können, sondern auch stimmlich mithalten können. Gesanglich haben mich die Damen weniger vom Hocker gerissen. Das habe ich zuletzt in der Bismarckstr. homogener gehört. Der zweite große Trumpf der Aufführung war Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle. Er ließ das Werk in einer Farbenpracht erklingen, dass man Lust auf mehr bekommen könnte. Eines packendes Dirigat einer insgesamt sehr lohnenswerten Aufführung.

  • Die nächste Aufführung dieser Carmen wird vor leeren Rängen gespielt!

    Geisterspiel?

    Naja, der RBB wird eine Übertragung im Hörfunk und im Fernsehen bringen!

    Wenn das Publikum nicht mehr in die Oper gehen darf, bringt der RB die Oper eben nach Hause!

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    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Die nächste Aufführung dieser Carmen wird vor leeren Rängen gespielt!

    Zumindest wird dann die Aufführung nicht so zerhustet, wie das bisweilen der Fall zu sein pflegt...und es gibt auch keine Diskussionen über die Inszenierung...;)um dieser wirklich betrüblichen, tragischen Entwicklung noch ein Quentchen Humor abzugewinnen...jedenfalls werde ich mir diese Radiosendung sicherlich anhören. Danke, lieber Kapellmeister Storch, für den interessanten Bericht.

  • Die Staatsoper Berlin meldet:

    Bizets »Carmen« im Livestream von rbb Kultur

    Die ursprünglich vorgesehene Vorstellung von »Carmen« in der Inszenierung von Martin Kušej und unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim am 12.3.2020 um 19.00 Uhr mit Anita Rachvelishvili in der Titelrolle wird ohne Publikum im Saal stattfinden, aber dennoch für die Öffentlichkeit zu erleben sein:

    • live auf der Website von rbbKultur und Staatsoper Unter den Linden gestreamt,
    • live bei rbbKultur im Radio und
    • am Samstag, 14. März um 20.15 Uhr außerdem im rbb Fernsehen


    Caruso41

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    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo und guten Tag,

    Vielen Dank für die Informationen. Der Bericht des Ehrenwerten Mitglied Kapellmeister Storch, hat mich neugierig gemacht, schaue ich mir auf jeden Fall an!

    Vieleicht schauen noch mehr

    MfG Wilfried

  • Vielen Dank und viel Spaß. Die Inszenierung wird sicher vielen nicht gefallen, aber es gibt ja auch Musik und Gesang.

    Bis jetzt habe ich von Beginn an durchgehalten und mir diese "großartige Inszenierung /Ausstattung" im TV angeschaut.

    Habe noch auf den Auftritt des Toreros gewartet, aber nun reicht es, mehr will ich mir von dieser tollen Carmen nicht antun.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo und guten Tag,

    Habe es mir schon auf YouTube angeschaut.

    Die Inszenierung habe ich gut ertragen können. Irgentwie war sie steif und stationär angelegt, vieleicht hatte dies sogar Auswirkungen auf die Spielfreude des Ensemble. Christiane Karg, habe ich zunächst in ihrer "Verkleidung " garnicht erkannt, hat mir gut gefallen. Michael Fabiano in der Rolle des Jose, fand ich langweilig, monoton und sein französisch, klang nicht schön. Dagegen fand ich Anita Rachvelishvili überirdisch. Dies viel mir besonders im zweiten Akt, beim gleichzeitigen Gesang mehrer Akteuere auf. Ihre Perfektion wurde hier deutlich.

    Daniel Barenboim mit der Stadtkapelle brachten mich zum Staunen, wie schön die Musik von Carmen klingen kann. Liebe Taminos in Berlin, ich bin schon ein bisschen neidisch auf euere Opernvielfalt.

    MfG Wilfried

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  • Das war natürlich keine Folklore-Carmen, wie ich sie nicht mehr ertragen könnte. Das war Drama pur. Äußerlich schroff und rau, im Innern aber verletzlich, berührend und erschütternd. Ich kann mich nicht erinnern, je eine Carmen wie Anita Rachvelishvili auf der Bühne erlebt zu haben. Dieses üppige und betörend schöne Madonnengesicht wie eine Landschaft! An ihrem Vortrag hatte ich nichts auszusetzen. Im Gegenteil. Sie hat die Partie ungemein feinsinnig und sinnlich angelegt, ohne jeden ordinären Anflug. Den José von Michael Fabiano fand ich durchaus nicht langweilig und monoton wie Wilfried weiter oben. Ich sah in ihm eine Art Bruder von Wozzeck. Dadurch wurde die Deutung in meinen Augen ungemein zeitgenössisch und modern. Daran musste ich mich auch erst gewöhnen. Wer einen unterhaltsamen und gemütlichen Opernabend am Fernseher erwartet hatte, war gewiss enttäuscht. Das kann ich sogar verstehen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo und guten Tag, lieber Rheingold1876

    Dein Bild, den José als einen Art Bruder von Wozzeck zu sehen, finde ich sehr gut. Durch "die Brille" sehe ich es jetzt auch Anders!

    MfG Wilfried

  • Ich hatte es vorgezogen, die gleichzeitig auf 3-Sat laufende Übertragung von Bruckner 7 vom August 2019 aus Salzburg anzusehen. Es war das Abschiedskonzert von Bernard Haitink mit den Wiener Philharmonikern. Danach habe ich auf RBB umgestellt und wurde sehr schnell sehr müde.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Guten Tag, lieber Rüdiger

    Für mich war es sehr interessant, Deine Meinung zu lesen. Und es ist völlig in Ordnung, daß diese, in gegenseitiger Achtung, Akzeptanz

    und Toleranz, zwischen uns, hier nicht unterschiedlicher und gegensätzlicher, sein kann.

    Das war natürlich keine Folklore-Carmen,

    Wer einen unterhaltsamen und gemütlichen Opernabend am Fernseher erwartet hatte, war gewiss enttäuscht. Das kann ich sogar verstehen.

    ... das war sie (für mich) ganz sicher nicht. Aus den Vorinformationen war ich gewarnt und ahnte, was da geboten werden wird.

    Dies eine "Inszenierung und Ausstattung" dieser Oper zu nennen, fällt mir schwer. Da habe ich zum Glück andere Vorstellungen erlebt.

    Ohne Zweifel waren die gesanglichen Leistungen der Carmen und des Don José sehr gut. Aber in solch einer banalen,

    szenischen Umgebung, lösen sie bei mir keinerlei Emotionen aus, werden nicht mehr, als zu Nummern - Darbietungen.

    Ich gebe ehrlich zu, eigentlich wollte ich schon nach ein paar Minuten wegschalten, war aber neugierig und gespannt auf den

    Auftritt des Toreros, für mich ein musikalischer Höhepunkt in dieser Oper. Und dieser war dann aber für mich die absolute Enttäuschung.

    Ich kann mich nicht erinnern, dies schon mal schlechter gehört zu haben.

    Und danach war dann bei mir Schluß, mehr wollte ich mir nicht antun.

    Lobend erwähnen möchte ich aber unbedingt das Orchester - toller Klang!

    Wobei ich aber auch hier sagen muß - gerade beim Auftritt des Toreros, hätte ich mir etwas mehr Wucht, mehr Schmiss, erwartet und gewünscht.


    Zusammenfassend ist es aber, wie eingangs gesagt, schön und interessant, auch andere Meinungen und Ansichten zur Kenntnis zu nehmen.


    Herzliche Grüße

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Leider konnte ich nur den 3. und 4. Akt sehen, die mich optisch nicht verstört, aber kalt gelassen haben. Einiges fand ich ansprechend, vieles unnötig - aber das ist Sache des Geschmacks. Im stimmliche Bereich bin ich mit "Kapellmeister Storch" einer Meinung.


    (Ein billigerer Regisseur hätte es auch getan! :untertauch: )

  • Eine bessere Carmen als Anita Rachvelishvilli wird es en zur Zeit nicht geben und sie würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen. Michael Fabiano ist nicht der begnadeste Darsteller, aber er hat eine sehr schōne Stimme. Einzig Lucio Gallo war eine Fehlbesetzung. An der DOR hab ich ihn als Don Pasquale und Germont gesehen, da war er hervorragend, aber er ist kein feuriger Stierkāmpfer.

  • Entgegen anderslautender Einschätzungen konnte ich der extrem adipösen Hauptdarstellerin überhaupt nichts abgewinnen. Für mich ist es eine Zumutung, so jemanden vorgesetzt zu bekommen.

    Das war vor Jahresfrist bei der Adriana Lecouvreur an der Met auch schon so. Da vergeht mir jede Lust auf Oper.

    Wer mal eine wirklich gut gesungene und dargestellte Carmen erleben möchte, dem sei Elina Garanca empfohlen, demnächst als Aufzeichnung von der Met abrufbar.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ich habe Garanca als Carmen live erlebt. Dass sie eine Ausnahmesängerin ist, dürfte unbestritten sein. Ich habe sie zuletzt als Dalila, mit Elgars Sea-Songs und in Mahler 3 erlebt. Sie sieht auch besser aus. Als Carmen ziehe ich trotzdem Anita Rachvelishvili vor.

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  • Um wieviel wäre die Opernszene ärmer, hätte es nie adipöse Personen auf der Bühne gegeben!

    Das finde ich auch:!::!::!:

    Zitat von Siegfried

    Für mich ist es eine Zumutung, so jemanden vorgesetzt zu bekommen.

    Das ist schon eine ziemliche Frechheit! :thumbdown::cursing:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Bei "extrem adipöser Hauptdarstellerin" fallen mir jetzt spontan einige Damen ein (ich nenne keine Namen), die in den letzten Jahrzehnten z.T. bedeutende Karrieren gemacht haben. Frau R. gehört im Vergleich dazu definitiv nicht in die Kategorie "extrem adipöse Hauptdarstellerin", wenn man eine solche überhaupt eröffnen und Leute da hineinstecken möchte. Als ich Frau R. 2013 in der "Zarenbraut" live erlebte, kam sie mir alles andere als "extrem adipös" vor. Allerdings saß ich da auch im Schiller-Theater im Rang und war keine Fernsehkamera mit Zoom-Funktion. Soviel zum Thema Live-Eindruck und Fernsehaufzeichnung mit Großaufnahmen...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Für mich ist es eine Zumutung, so jemanden vorgesetzt zu bekommen.

    Das ist unterste Schublade. :no:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Liebe Taminos,

    eure Reaktion war zu erwarten. Dennoch will ich anmerken, dass die freie Meinungsäußerung ein hohes Gut ist, das es zu respektieren gilt. Jeder hat nun mal seine eigenen Vorstellungen von Ästhetik. Und ich stelle meine optischen Ansprüche auf dieselbe Ebene wie die akustischen.

    Wer sich durch meine Äußerungen persönlich betroffen fühlte, den bitte ich um Nachsicht.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo und guten Tag,

    habe kurz in ein paar Videoclips reingeschaut. Sie scheint sich in ihrem Körper wohlzufühlen, somit brauche ich mich nicht für sie Fremdschämen. Vieleicht war ihr Kleid (Modell Blutwurst im Naturdarm) als Provokation der Regie gedacht oder es sollte einfach sexy sein.;)

    MfG Wilfried

  • Vieleicht war ihr Kleid (Modell Blutwurst im Naturdarm) als Provokation der Regie gedacht oder es sollte einfach sexy sein.

    Das Kostüm ist halt nicht für sie entwickelt worden, sondern 2004 für eine ganz andere Sängerin.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auf der Opernbühne möchte ich Sängerinnen und Sänger erleben, die singen können. Wenn ich Purzelbäume sehen will, gehe ich in die Turnhalle.

    Ich habe nichts dagegen, wenn Darsteller auf der Opernbühne sexy aussehen. Wenn sie dazu noch Purzelbäume können, nehme ich das zur Kenntnis, als Nebensächlichkeit. Wenn die Darstellerin einer Carmen toll aussieht, aber nicht singen kann, sollte sie was anderes machen. Wenn sie toll aussieht und toll singen kann, dann ist das ein Glücksfall.

    In der Beurteilung dieser Tatsache gibt es unterschiedliche Auffassungen. Rubens oder Nero haben andere Schönheitsideale gehabt. Deshalb kann auch Siegfried andere Schönheitsideale haben, z.B. kann er Twiggy mögen. Und er darf das sagen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ganz subjektiv: Fr. Rachvelishvili ist herrlich!


    carmen_20_1280.jpg

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ganz subjektiv: Fr. Rachvelishvili ist herrlich!

    ... und wenn sie dann noch in einer richtig guten, stimmigen und werkgetreuen Inszenierung agieren würde,

    könnte sie dann wirklich zu einem (Kunst-) Genuß werden.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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