Anlässlich der Oper "Francesca da Rimini" von Riccardo Zandonai kam dieses Thema auf. Ich fragte dann den Tamino Caruso41: "Mich würde interessieren, was du unter Jugendstil-Lyrismus verstehst? Welche Musik kann man eigentlich dem Jugendstil zuordnen? Gibt es eine solche?"
Er antwortete dazu recht interessant und ausführlich und ich möchte andere Taminos ermuntern, dies ebenfalls zu tun. Dass es Jugendstil in der Architektur, der Malerei und der Literatur gibt, wird kaum angezweifelt. Aber in der Musik? Hier noch einmal die lesenswerten Ausführungen von Caruso41:
Wie Zandonai hier alte Instrumente, wie die Viola pomposa zur dekorativen Ausstattung der Geschichte von Lanzelot nutzt, wie er die Singstimmen der beiden Sänger führt und verschlingt und dabei der ornamentalen Ausschmückung Eigenwert gibt, und wie er schließlich Sinnenlust, Rausch und Ekstase ungemein raffiniert instrumentiert, ist für mich ein Beispiel für das, was ich Jugendstil-Lyrismus genannt habe. Es ist gewiss kein Zufall, dass die meisten Programmhefte und Beihefte zu Aufnahmen von „Francesca da Rimini“ mit Jugendstilgrafiken bebildert sind.
Aber ob man Zandonai insgesamt als Vertreter des Jugendstils bezeichnen kann, bezweifle ich.
Er ist genauso Verist, Wagnerianer, Impressionist oder Neoromantiker.
Ob Jugendstil überhaupt als Stilbegriff für Musik taugt, ist in der Musikwissenschaft einigermaßen umstritten. Da gibt es ja nun einige umfängliche Monografien und Aufsätze, die aber die Frage nicht abschließend klären. Einig ist man sich allerdings, dass es bei verschiedenen Komponisten eine gewisse Affinität zum Jugendstil und zur Sezession gab. Kompositionstechnisch lässt die sich allerdings schwer fassen, auch wird sie kaum als expliziertes Programm greifbar. Gleichwohl taugt der Begriff ’Jugendstil’ durchaus, die Charakteristik von Einzelzügen der Musik zu fassen.
Die Tatsache , dass es in der Musik nicht leicht fällt, Jugendstil als klar umrissene Entität zu identifizieren, ist eigentlich überraschend, da die gegenseitige Durchdringung der Künste gewissermaßen zum Programm des Aufbruchs, der ’Jugendstil’ genannt wurde, gehörte. Musik und Tanz sind dabei für Maler, Bildhauer, Architekten, Dichter und Schriftsteller stets besonders im Fokus.
Wenn man nun fragt, in wessen Werken man denn eine besondere Affinität zum Jugendstil hören kann, werden meist Komponisten wie Alexander von Zemlinsky, Franz Schreker, Erich-Wolfgang Korngold genannt, auch verschiedene Werke von Richard Strauss, späte Kompositionen von Hugo Wolf und frühe Werke von Gustav Mahler. Alexander Scriabin und Karol Szymanowski, Ralph Vaughan Williams und Frederick Delius sind weitere heiße Kandidaten.
Besonderes Interesse haben bei Musikwissenschaftlern die frühen Kompositionen von Arnold Schönberg, Anton Webern und Alban Berg gefunden, da sie hier Jugendstilprägungen aufgespürt und als die Öffnung des Weges in die Moderne interpretiert haben.