Jean Sibelius: Die Gesamtaufnahmen der Sinfonien - Überblick und Vorstellung

Sixten Ehrling wurde 1918 in Malmö, Schweden geboren und studierte von 1936-1941 an der Königlich Schwedischen Musikakademie in Stockholm (Diplome in Musikunterricht, Orgel und Dirigieren) und verbrachte Studienreisen u.a. als Assistent von Karl Böhm in Dresden und Ernest Ansermet und Victor de Sabata in London und Paris. Ab 1939 dirigierte er immer wieder an der Stockholmer Oper, so auch das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra. Am 8. Februar 1950 gab er ein Konzert mit diesem Orchester, in welchem er Stravinskys Sacre du Printemps auswendig dirigierte und mit Lob überschüttet wurde. Dies veranlasste das Label Metronome dazu, ihn mit der ersten Gesamtaufnahme der Sibelius-Sinfonien sowie zusätzlich der Lemminkäinen-Suite und des Violinkonzertes zu beauftragen.

Die dritte und siebte Sinfonie wurden am 28. & 29.1.1952 aufgenommen, die erste Sinfonie am 11.2.1952. Das Violinkonzert mit der Solistin Camilla Wicks folgte eine Woche später. Vom 9.-11.1.1953 folgte der Abschluss der Sinfonien mit der Aufnahme der zweiten, vierten, fünften und sechsten Sinfonie., im Dezember wurde schließlich die Lemminkäinen-Suite aufgenommen. Obwohl auch Anthony Collins seinen Zyklus mit dem LSO 1952 startete, beendete dieser seinen Zyklus erst 1955, weshalb Ehrling den ersten Zyklus aufnahm.

In der Zwischenzeit beschäftigte sich Ehrling ausgiebigst mit Sibelius und besuchte diesen im Sommer 1952 in Ainola, um ihn mit interpretatorischen und musikalischen Fragen zu überschütten. Sibelius jedoch blieb ganz ein Gentleman und wollte Ehrlings Interpretation nicht einschränken, weshalb er nur ausweichend antwortete.

Von den Kritiken wurden die Aufnahmen als "demystifizierend", gleichzeitig aber auch als notengetreu wahrgenommen.

Nachdem die GA auf Schallplatten erschienen, wurden sie lange Zeit nicht wiederaufgelegt.

1999 entschied sich das Label Finlandia, die GA auf CD zu veröffentlichen. Diese Auflage habe ich vorliegen und liegt meiner Besprechung zu Grunde:

Ferner gibt es noch drei weitere Veröffentlichungen, eine von Bearac (leider nicht mehr erhältlich), die mit einem besonders guten Klang angeworben wurde, eine des Labels Forgotten Records von 2018 sowie eine des Labels Centurion (2006). Letztere soll allerdings eine sehr schlechte Klangqualität besitzen (dies konnte ich allerdings nicht nachprüfen):

Ich besitze wie gesagt die Finlandia-Ausgabe. Diese besteht aus einem transparenten Doppel-Jewelcase mit 3 CDs und Booklet. Das Frontcover der Box und des Booklets zeigt die originalen LP-Cover, auf der Rückseite des Booklets ist sogar noch ein zweites LP-Cover der 5.+6. Sinfonie abgedruckt. Sehr gut gefällt mir, dass unter den beiden äußeren CD-Halterungen noch eine Fotografie der Metronome-Ausgabe und der Mercury-Ausgabe der Schallplatte mit der 6. Sinfonie abgebildet ist.

Laut Booklet handelt es sich bei den Aufnahmen um Überspielungen der Metronome-LPs sowie zum Teil der Mercury-LPs, da ein Überspielungsversuch der originalen analogen Tonbänder viele und große Probleme mit sich brachte.

Das Booklet gefällt mir sehr gut. Einziger Kritikpunkt sind die sehr klein abgedruckten, schwer lesbaren Spielzeiten der einzelnen Sinfoniesätze. Ansonsten hält das Booklet einige Überraschungen bereit. Es ist zweisprachig (schwedisch und englisch) und enthält eine 11-seitige lesenswerte Biografie Ehrlings mit Anekdoten, Lebenslauf, Werdegang, etc.! Man kann die Biografie als zu lang und zu beweihräuchernd sehen, mir gefällt sie aber sehr gut und ich halte sie für äußerst informativ.

Außerdem enthält das Booklet die originalen LP-Texte sämtlicher Sinfonien der Metronome-Ausgabe UND der Mercury-Ausgabe, also doppelte Informationen (in englischer Sprache). Famos! Das Booklet lässt also schon Tolles vorahnen.

Bei der Ehrling-GA handelt es sich (wie auch bei der Collins-GA) um reine Mono-Aufnahmen. Klanglich war also kein großer Wurf zu erwarten. Grundsätzlich habe ich die Aufnahmen per Kopfhörer gehört, anschließend noch Auszüge über Lautsprecher.

Den Klang würde ich als Laie mit nicht dem besten Equipment als in Ordnung bezeichnen. Über Kopfhörer hört man oftmals gerade zu Beginn einer Sinfonie ein deutliches Rauschen (am extremsten zu Beginn der 45.), zum Teil auch mal während leiser Stellen. Der Klang ist generell etwas entfernt und dunkel, Streicher und Trompeten sind in der Höhe jedoch auch gerne mal scharf unterwegs und übersteuern manchmal. Die Holzbläser sind manchmal etwas sehr leise, die Hörner leider auch. Die Pauken rangieren je nach Sinfonie von kaum wahrnehmbar bis ganz gut hörbar. Mit dem Kopfhörer fallen einem die meisten Schwächen besonders auf, über Lautsprecher empfinde ich den Klang als angenehmer, dafür grummeln Bässe, Fagotti, Tuba und Pauken stärker als über Kopfhörer, wo der Klang in der Tiefe besser ist.

Das klingt jetzt vielleicht alles sehr negativ, die Aufnahmen sind aber auch vom Anfang der 50er, dafür klingt es wirklich in Ordnung. Ich hatte einen schlimmeren Klang erwartet, ich habe auch schon deutlich schlechtere Monoaufnahmen gehört. Für jemanden wie teleton dürften die Aufnahmen also nichts sein, mir reichte die Klangqualität aus (es geht mir ja auch um die Interpretationen).

1. Satz (10:27):

Der Anfang rauscht ein wenig, ist aber trotzdem gut durchhörbar. Die Klarinette hat einen schönen, fahlen Klang. Das folgende Allegro energico ist mit punkt. Halbe = 92 langsamer als Sibelius Metronomangabe (punkt. Halbe = 108). Die folgenden Rhythmen lässt Ehrling immer sehr schön scharf spielen (vor allem in den Bläsern), was sich generell durch Ehrlings GA zieht. Vor E bereitet die Harfe den Holzbläsereinsatz sehr schön vor und ist gut zu hören. Das Tranquillo (3 vor G) gehört zu meinen Lieblingsstellen der Sinfonie. Ehrling bereitet diese Stelle schön vor und lässt das Orchester gut an Spannung und Dramatik zulegen. Die mit immer kürzerem Abstand erklingenden Paukenschläge sind leider dumpf, per Lautsprecher dann aber gut wahrnehmbar. Diese Paukenstellen liebe ich in Bernsteins Wiener Aufnahme, da sind die Pauken richtig laut und in den Vordergrund gestellt, was große Spannung erzeugt (wenn auch nicht ganz partiturgetreu). Ab H sind leider die Streicher zu sehr im Vordergrund, was die Wirkung wieder etwas abschwächt.

Auch die Parallelstelle am Ende des Satzes gelingt Ehrling an sich mit einem schönen Spannungsaufbau, diesmal stagniert er diesen aber vor Z ein klein wenig, hätte also durchaus noch etwas mehr aus der Stelle herausholen können. Der abschließende Blechchoral ist sehr langsam genommen, entfaltet aber doch seine Wirkung. Leider sind die letzten beiden pizzicati-Akkorde der Streicher nicht zusammen, was wirklich schade ist. Die ansonsten tolle Artikulation und die wirklich schöne Satzeinleitung machen das aber wieder wett.

2. Satz (9:38):

Auch hier ist Ehrling mit Halbe = 44 etwas langsamer als von Sibelius festgelegt (Halbe = 54), musiziert ansonsten aber wie im 1. Satz partiturtreu. Der Satz gelingt Ehrling sehr schön wehmütig, nur die sehr laute und scharfe/harte Triangel bei G und das nicht exakte Becken bei 4 vor N sind kleine Rückschläge.

3. Satz (4:51):

Die Pauke klingt etwas dumpf, ist sonst aber gut hörbar. Ehrling gestaltet den Satz mit seiner präzisen Artikulation aufregend, wie es sein soll, wenn auch etwas langsamer als von Sibelius vorgeschrieben. Die Harfe setzt ein tolles Arpeggio (5 nach M), dafür spielt die Pauke im Schlussstretto kein richtiges fff, was aber auch an der Klangqualität liegen kann.

4. Satz (12:06):

Auch den letzten Satz nimmt Ehrling etwas zu langsam, überzeugt dafür mit atemberaubender Spannung bis zum Einsetzen des Hauptthemas (8 nach F). Nach K legt er ein rasantes Tempo an den Tag, was leider ein wenig auf Kosten der Genauigkeit geht, da die Pauken leicht schleppen und auch die Becken kommen bei ihren Offbeat-Achteln zwei Take vor O zu spät.. O ist eine weitere meiner Lieblingsstellen, dort gehen die Pauken leider etwas unter und ausgerechnet hier werden die Rhythmen nicht so scharf gespielt, wie sie hätten werden können. In Takt 286 setzt die Pauke zu früh ein. Das wiederkehrende Hauptthema in U ist wundervoll ausgespielt, den Aufgang dazu verbreitert Ehrling mit einem ritardando. Die Spannung wird bis zum Schluss gehalten, auch die Schlussakkorde stimmen diesmal.

Alles in allem präsentiert Ehrling eine sehr partiturtreue Sicht auf die Sinfonie, lässt auch die Emotionen nicht weg, auch wenn es natürlich spätere Aufnahmen gibt, die einen deulich romantisierenden Ansatz verfolgen.

1. Satz (9:07):

Hier ist diesmal ein durchgängiges Rauschen im Hintergrund vernehmbar. Ehrling schlägt ein passendes Tempo an, leistet sich jedoch viele kleine Temposchwankungen in den Phrasierungen. Dennoch eine schöne Eröffnung der Sinfonie. Ansonsten keine wirklichen Besonderheiten.

2. Satz (13:26):

Leider ist ein stärkeres Rauschen zu hören (vor allem zu Beginn). Ehrling schafft einen schönen Spannungsaufbau mit guten Übergängen zwischen ruhigen und aufbauschenden Teilen, wieder hauptsächlich durch Prägnanz in Rhythmik und Artikulation erzeugt. Zum Teil ist das Tempo wirklich rasant (4 vor P), was einen schönen Kontrast der Tempi setzt. Dies gestaltet den Schluss besonders spannungsreich.

3. Satz (5:46):

Leider sind die genauen Rhythmen der Streicher nicht immer ganz klar (wahrscheinlich klanglich bedingt), ein EIndruck, der auch durch das schnelle Tempo entsteht. Das Oboensolo ab E ist wieder eine meiner Lieblingsstellen, zudem eine der (gefühlt) wenigen Aufnahmen, in denen die Oboe das Tempo vor allem bei den 9 aufeinanderfolgenden gleichen Noten hält! Das gefällt mir sehr gut, ich mag es nicht so sehr, wenn (wie in vielen Aufnahmen) die Oboe sehr langsam beginnt und stark accelleriert, wodurch es oftmals klingt, als ob ein Ton fehlt. In 2 nach E setzt die Oboe nach dem Bindebogen kurz ab, was zwar partiturgetreu ist, aber leider die Linie unterbricht.

Was mir bei E noch so gut gefiel, geht in der Wiederholung des Oboensolos leider daneben, die Oboe bindet die Töne zu eng an und wird schneller, sodass es so klingt, als ob eine Viertel zu wenig gespielt wird. Ich habe mir die Stelle bestimmt 20x angehört und kann nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob wirklich alle Töne gespielt werden. Schade! Dafür aber gelingt der Übergang zum Finale sehr gut.

4. Satz (13:54):

Der Satz beginnt fulminant, das erste Trompetensignal wird aber leider nicht 100%ig gut ausgespielt. Bei F lassen die Celli ab ihren Vierteln leider die taktlangen Bindebögen weg, die sie vorher noch schön ausgespielt haben. Mit Spannung geht es in die Schlusscoda, diese würde ich als würdevoll und erhaben gespielt bezeichnen, kein Bernstein´scher oder Järvi´scher Gefühlsausbruch. Für Mono-Verhältnisse klingen die Pauken wirklich in Ordnung.

Insgesamt eine weitestgehend partiturtreue Interpretation mit einigen Freiheiten.

1. Satz (10:52):

Zu Beginn rauscht es wieder ein wenig, mit Viertel = 116 legt Ehrling ein spannungsreiches, flottes Tempo an den Tag. Nach Ziffer 5 kommt der Satz stark zur Ruhe, die Takte werden wirklich als Ruhepol nach dem flotten Beginn gesehen. Die Holzbläser sind ein wenig schwach/im Hintergrund, was bei Ziffer 8 beim Fagott auffällt. 5 Takte vor Ziffer 12 stimmt die Dynamik leider nicht, ff und f klingen gleich und eher nach einem gehobenen mf. Bei Ziffer 13 ist die Pauke gut hörbar (was sonst eher selten der Fall ist). Vor Ziffer 17 gibt es ein schönes Frage-Antwort-Wechselspiel zwischen Bläsern und Streichern, hervorgehoben durch ein jeweiliges Absetzen der Streicher vor der 1 des Taktes, in dem die Bläser jeweils wieder einsetzen. Den Plagalschluss am Ende des Satzes nimmt Ehrling erstaunlich wuchtig und schwer, ein gewaltiger Abschluss des Satzes. Das habe ich so noch nicht gehört, wirklich toll!

2. Satz (9:31):

Auch hier ist wieder ein leises, durchgängiges Rauschen vernehmbar. Das Tempo ist mit Halbe = 63 eher das eines Adagio. Ziffer 3 ist leider nicht gut durchhörbar, dafür ist Ziffer 6 toll gespielt, eine äußerst traurig-feierliche Lesart, mir schwebte beim Hören das Wort "Abgesang" im Kopf herum. Ziffer 10 ist in den Holzbläsern leider ein wenig ungenau gespielt. Der anschließende Übergang zurück zum Hauptthema gelingt dafür umso besser.

3. Satz (8:37):

Die seltsame Zweiteilung des Satzes von Scherzo und Finale meistert Ehrling sehr überzeugend. Bei Ziffer 8 übersteuert der Klang leider ein wenig. Ehrling nimmt zum Ende des Satzes wieder gut Fahrt auf (was für den 1. Satz der 5. Positives vermuten lässt) und beendet den Satz mit schönem Drive. Dafür ist der Klang gegen Ende nicht mehr so gut wie zuvor.

Insgesamt also eine wirklich tolle, hörenswerte Interpretation. Ich hatte großen Spaß beim Zuhören!

Hier habe ich mir nur sehr wenig notiert, was vor allem durch die große Notentreue begründet ist.

1. Satz (10:57):

Der Klang ist sehr düster und dunkel, zusammen mit den scharfen Bläsern hilft die Mono-Tonqualität sehr dabei, die Abgründe des Werkes aufzuzeigen und die allgemeine Stimmung zu vermitteln. In den Schlusstakten gibt es ein leichtes ritardando.

2. Satz (4:21):

Im zweiten Satz überzeugen die schönen Tempoübergänge besonders, ebenso wie der Kontrast zum düsteren 1. Satz. Sehr positiv ist für mich auch das Fehlen eines Schlussritardandos, was den kurzen Satz abrupt enden lässt.

3. Satz (10:22):

Auch hier wird die trostlose Stimmung des Satzes durch den Klang verstärkt, was etwa den Ausbruch bei G noch mehr wirken lässt. Der Horneinsatz bei A wackelt leider ziemlich. Wie im 1. Satz gibt es ein kleines ritardando zum Ende.

4. Satz (8:30):

Die leidige Frage: Glockenspiel, Röhrenglocken oder sogar beides? Die meisten Musikwissenschaftler (wie etwa Tawaststjerna) gehen davon aus, dass Sibelius ein Glockenspiel meinte. Angeblich hat Sibelius die Uraufführung mit Röhrenglocken dirigiert, andere Quellen sprechen vom Glockenspiel. Im Manuskript steht wohl "Glocken.", später von Sibelius zu "Glockenspiel" geändert, diese Änderung wurde später aber angeblich wieder widerrufen, als Irrtum deklariert und Röhrenglocken gewünscht. Ich mag beides, jedes Instrument hat seinen eigenen Charakter, bin aber eher auf der Glockenspiel-Seite (nicht zuletzt, weil dies auch die vorherrschende Meinung der Musikwissenschaftler ist). Ehrling entscheidet sich ebenfalls für das Glockenspiel. Durch die Klangtechnik sticht das Glockenspiel noch krasser heraus als normalerweise, allerdings klingt es vor I auch nicht wirklich sonor (wie gefordert). Das Klarinettensolo vor D ist etwas unsauber gespielt.

Die letzten Takte der Sinfonie ritardiert Ehrling ein ganz kleines bisschen, traut sich damit aber leider nicht, wie in der Partitur den Satz wirklich abrupt zu beenden.

Hier also eine sehr partiturtreue Lesart, durch die Klangtechnik wird auch die Stimmung super eingefangen.

1. Satz (11:43):

Zu Beginn der 5. rauscht es die ersten paar Sekunden sehr stark, was sich aber direkt wieder legt. Das Tempo ist recht schnell, ab I bremst Ehrling jedoch ein wenig ab. Das Fagottsolo in K ist nicht immer mit dem Orchester zusammen. Bei der Verbindung der ehemaligen Sätze I und II (ab Takt 104) baut Ehrling erst gut die Spannung auf, setzt dann aber vor Takt 106 leicht ab, was leider wieder Spannung herausnimmt. Die folgenden Takte haben in der Trompete nicht ganz die Größe, die wünschenswert wäre. Zudem ist die Stelle durch die Klangqualität nicht wirklich durchhörbar, man kann das gemeinsame Auftreten der verschiedenen Rhythmen und deren Funktionen (modifiziertes Anfangsmotiv der Trompeten, synkopierte Achtelaufgänge der Streicher und Pedaleffekt der Holzbläser) nicht gut wahrnehmen. Der Übergang ins neue Tempo klappt dafür aber vorbildlich. Auch der Übergang in die Coda erfolgt sehr organisch und mit tollem Tempo. Vor allem aus rhythmischer Sicht überzeugt die Coda, durch die dumpfe Pauke fehlt aber der letzte Pfiff.

2. Satz (7:08):

Mit einem Tempo von Halben = 88 ist Ehrling wirklich fix unterwegs. Der Satz wirkt generell sehr leicht und damit weniger als ein langsamer Satz, wie er in vielen Aufnahmen erscheint. Dies fällt vor allem auch bei F auf, wo wirklich ein sehr flottes Tempo an den Tag gelegt wird. Hier ist die Vorwegnahme des Schwanenmotives des 3. Satzes in den Kontrabässen sehr gut wahrnehmbar, ein Übergang also gut gegeben. Kontrastierende Teile wie etwa bei C wirken im Gegensatz besonders romantisch, auch wenn die Tonqualität den letzten Schmelz vermissen lässt. Bei I kommen die Streicher zu spät, in Takt 208 (dem letzten Einsatz in Fl., Ob. und Klar.) ist Ehrling dann langsamer als zuvor zu Beginn des Satzes. Auch wird er zum Ende langsamer und lässt den letzten Ton nicht staccato spielen. Das ist in zweifacher Hinsicht schade, denn erstens schreibt die Partitur ein Tempo I sowie staccato vor, zweitens sorgt dies dafür (solange nicht verlangsamt wird), dass das Ende des 2. Satzes sich tempomäßig dem Schlusssatz annähert, was dem Charakter der Sinfonie als sich entwickelndes, zusammenhängendes Werk gerechter wird. Ehrling behandelt die Sätze tempomäßig also eher als jeweils für sich stehend, während die Herausarbeitung des Schwanenmotivs gleichzeitig für eine Verbindung der Sätze sorgt.

3. Satz (8:28):

Der Beginn des Finalsatzes ist in etwa so laut wie das Ende des 2. Satzes, was nicht sein darf (f im 3. Satz vs. pp im 2. Satz). Der Paukenauftakt zum Schwanenmotiv in D ist rein gar nicht hörbar. Das Schwanenmotiv an sich ist schön ausgespielt, die Hörner sind nur etwas zu leise. Die Modulation von Es-Dur nach C-Dur verzögert Ehrling minimal, diese gelingt dafür wirklich gut. In C-Dur angekommen fehlt ein wenig die Emotion, dafür sind die Kontrabässe sehr gut zu hören (wenn auch etwas grummelig).

5 Takte Vor P setzen die Streicher partiturgetreu vor den zwei Achteln ab, dies zerstückelt aber ihre Linie. Die nach P auftretenden akzentuierten Trompetendissonanzen klingen durch die Klangqualität noch schärfer und bedrohlicher. Auch die Emotionalität kommt nicht zu kurz. Ab R verzögert Ehrling wie in den meisten Aufnahmen die zwei Höhepunkte durch ritardandi, die zwar nicht in der Partitur stehen, für mein Empfinden zum Spannungsaufbau aber notwendig sind. Die Pauken sind in der Coda leider nicht so gut zu hören, was die Schlusswirkung abmildert. Vor den letzten Akkorden nimmt Ehrling das Tempo noch einmal zurück, was große Spannung erzeugt. Die Schlussakkorde kommen exakt in den wie in der Partitur vorgeschriebenen Abständen - gut gemacht!

Insgesamt also eine nicht ganz so partiturgetreue Aufnahme, die dafür in puncto Emotionalität positiv hervorsticht.

Auch hier habe ich nicht zu viele Notizen, wieder eine sehr partiturtreue Aufnahme. Vom Klang her habe ich das Gefühl, dass dieser Sibelius Vorstellung von "kaltem Quellwasser" entgegen kommt.

1. Satz (7:55):

In meiner absoluten Lieblingsstelle 10 nach A sind sich Holzbläser und Violen vom Tempo uneins, sodass sie nach und nach beginnen leicht zu eilen, ansonsten ist die Stelle aber wundervoll ausgespielt. Generell sind die Holzbläser hin und wieder mal etwas unsauber, so etwa die Flöte (2 nach B) oder die Oboe (6 nach C). 4 vor L sind die Streicher etwas indifferent. Den Satz beschließt ein kleines ritardando. Ansonsten aber wieder einmal eine sehr notentextnahe Lesart.

2. Satz (5:40):

Der 2. Satz wird ziemlich unspektakulär präsentiert. Das Streicherflautato bei G klingt trotz der eingeschränkten Tonqualität gut. 5 Takte vor Schluss gibt es eine kleine Zäsur vor dem Tempo I (steht nicht in der Partitur), es gibt wieder ein kleines ritardando in den letzten Takten.

3. Satz (3:40):

Auch dieser Satz erscheint sehr unspektakulär, erst etwas vor Schluss kommt richtig Spannung und Fahrt auf. Bei F klingt die Harfe sehr schön im Vordergrund.

4. Satz (9:24):

Für ein Allegro molto ist das Tempo zu langsam. Der Hörnereinsatz 3 vor G schwächelt leider etwas. Beim Doppio piú lento verdoppelt Ehrling zwar wie gefordert das Tempo, wird aber bis zum Schluss unmerklich nach und nach langsamer. Im Vergleich vom Beginn dieser Stelle zu den Schlusstakten fällt dies jedoch auf. Mir hätte ein Halten des Tempos eher zugesagt. Ansonsten auch hier gewohnt partiturtreu.

Insgesamt ist auch die Aufnahme der 6. Sinfonie nah an der Partitur, ansonsten aber wahrscheinlich der schwächste Part dieser GA.

Eine Besonderheit bietet sich direkt schon im Paukenauftakt: Wird dieser in quasi fast allen Aufnahmen mit zwei 32steln anstelle von 16teln zu schnell gespielt, ist er hier wirklich exakt im Tempo. Wie gewohnt notentreu geht es zum ersten Auftauchen des Aino-Themas. Dieses ist sehr gut vorbereitet, auch der Streicheraufgang weckt Spannung. Davon fehlt im Höhepunkt das letzte Quäntchen, die Soloposaune klingt etwas wackelig. Die folgenden Tempoübergänge, etc. klappen alle wie erwartet sehr gut. Einen Takt vor G spielen die Streicher jedoch aus mir unerfindlichen Gründen ein decrescendo statt des vorgeschriebenen crescendos, obwohl ein diminuendo erst zwei Takte später eingezeichnet ist. Bis auf einen misslungenen Hörnerlauf (14 vor O), der eher wie ein glissando klingt, klappt jedoch sonst alles ohne Probleme. Die großen Emotionen werden nicht geboten, aber das kennt man ja so schon mittlerweile. Dafür setzt Ehrling auf seine wie gewohnt gute und scharfe Artikulation. Eine weitere Besonderheit: Den Schlussakkord lässt Ehrling nicht als Fermate aushalten, wie es oft getan wird, sondern winkt schon recht schnell ab. Wieder ein Zeichen für Ehrlings Partiturtreue, auch das hört man selten. Ehrling setzt ein weiteres Plädoyer für die Partiturtreue.

Muss man Ehrlings Zyklus also haben? Meiner Meinung nach: Ja! Alleine der historische Wert rechtfertigt den Kauf. Die in weiten Teilen penible Partiturtreue sorgt dafür, dass man einige Stellen neu entdecken kann. Auf emotionaler Basis sind die Interpretationen als eher moderat anzusiedeln, die schöne Artikulation tut aber ihren Teil. Die Klangqualität ist natürlich schwierig, für die Aufnahmezeit aber in Ordnung. Die Aufmachung der Finlandia-Ausgabe lohnt sich mit dem außergewöhnlichen und tollen Booklet aber allemal.