Josef Herrmann (1903-1955)

  • Josef Herrmann (1903-1955)

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    Angesichts seiner Bedeutung ist es überraschend, dass es bis jetzt keinen Thread über diesen Sänger gibt. Also allerhöchste Zeit.


    Josef Herrmann, geboren am 20. April 1903 in Darmstadt, gestorben am 19. November 1955 in Hildesheim, war ein deutscher Opernsänger (Heldenbariton).


    Herrmanns Vater war Oberlokführer bei der Großherzoglich Hessischen Eisenbahn, seine Mutter entstammte dem Adelsgeschlecht derer von Adelsdeck; zudem hatte er eine Schwester sowie einen Bruder. Bereits als Kind zeigte er eine musikalische Begabung und sang im Kinder- und Kirchenchor. Gleichwohl begann er auf den elterlichen Wunsch hin zunächst eine Ausbildung zum Schlosser. Ein großherzogliches Stipendium ermöglichte ihm gegen den Widerstand der Eltern eine Gesangs- und Schauspielausbildung in Darmstadt.


    Während seines Studiums agierte er als Statist und Bühnenarbeiter am Staatstheater Darmstadt, wo auch seine ersten Gesangsauftritte erfolgten. Es schlossen sich Engagements in Königsberg, Stettin, Nürnberg, Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe, in der Folge auch in Mailand, Bordeaux, Marseille, New York und San Francisco an.


    1937 lernte er in Leipzig die Sopranistin Margarete Düren (1904-1988) kennen, die er später heiratete; die Ehe blieb kinderlos und wurde nach Kriegsende geschieden. Hierauf heiratete er die gebürtige Renate Heine (1927-1977); dieser Ehe entstammte eine Tochter.


    Dresden entwickelte sich während des Zweiten Weltkrieges zum Zentrum der Tätigkeit Josef Herrmanns. Die Sächsische Staatsoper verlieh ihm den Titel eines Kammersängers. Sein Repertoire umfasste vor allen Dingen Wagner-Rollen, doch sang er u. a. auch in Figaros Hochzeit, Der Freischütz und Undine.


    Nach dem Krieg ging Herrmann nach Berlin und trat dort an allen drei Opernhäusern auf. Den Gipfel seines Ansehens erreichte er - gesundheitlich bereits schwer angeschlagen - bei der Festaufführung der Meistersinger von Nürnberg als Hans Sachs anlässlich der Wiedereröffnung der Deutschen Staatsoper in Berlin am 4. September 1955.


    Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich danach rapide, so dass er auf ärztliches Anraten einen längeren Erholungsurlaub in der Schweiz nehmen wollte; dort sollte er nie ankommen: Auf dem Wege dorthin erlag er am 19. November 1955 in einem Hildesheimer Rasthof einem Herzinfarkt.


    Das Neue Deutschland schrieb am 23. November 1955:


    Ein großer deutscher Sänger

    Zum Tod von Nationalpreisträger Kammersänger Josef Herrmann


    Die Stimme, die in der ganzen Welt Berühmtheit besitzt, ist verstummt. Nationalpreisträger Kammersänger Josef Herrmann ist, auf der Höhe seiner Laufbahn, unerwartet gestorben. Ein kurzer Erholungsurlaub sollte den Heldenbariton der Deutschen Staatsoper nach dem Süden führen; unterwegs in Hildesheim ist er, erst 52jährig, einem Herzschlag erlegen.


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    Grabmal von Josef Herrmann und seiner zweiten Gemahlin Renate auf dem Waldfriedhof Dresden-Weißer Hirsch

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dresden entwickelte sich während des Zweiten Weltkrieges zum Zentrum der Tätigkeit Josef Herrmanns. Die Sächsische Staatsoper verlieh ihm den Titel eines Kammersängers. Sein Repertoire umfasste vor allen Dingen Wagner-Rollen, doch sang er u. a. auch in Figaros Hochzeit, Der Freischütz und Undine.

    Einige seiner Dresdner Rollen (nicht alle, aber viele) siehe hier:


    Besetzungen ausgewählter Dresdner Inszenierungen

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Besten Dank für den Hinweis!



    Ich habe diesen Sänger viele Jahre nicht beachtet, was ich auf einen ziemlichen Verriss von Herrmanns mutmaßlich letzter Aufnahme, der genannten Meistersinger-Aufführung vom 4. September 1955 aus der Deutschen Staatsoper, zurückführe. Im Forum wurde mal geschrieben, Herrmann habe dort "um sein Leben gesungen", was es sehr gut auf den Punkt bringt. Jetzt beim Wiederhören fand ich diesen Mitschnitt viel besser als vor Jahren. Die Intensität ist frappierend. Mag er auch stimmlich nicht mehr auf der Höhe sein, so ist die Gestaltung doch für meine Begriffe sensationell.




    Interessant auch, dass sich diese Verschleißerscheinungen noch in den Meistersinger-Auszügen unter Ferdinand Leitner von 1954 (DG, später bei Preiser - Dokumente einer Sängerkarriere) nicht feststellen lassen, ganz zu schweigen vom Fliedermonolog von 1944 unter Kurt Striegler (Edition Staatskapelle Dresden Vol. 23 - Profil/Hänssler). Der krankheitsbedingte stimmliche Niedergang scheint also erst im letzten Lebensjahr voll eingesetzt zu haben.



    Bezwingend auch die weiteren Auszüge in der genannten Staatskapelle-Edition aus verschiedenen Wagner-Opern, die ebenfalls 1944 unter Striegler und Karl Elmendorff eingespielt wurden, dazu noch einiges mehr in der entsprechenden Ausgabe von Preisers Lebendige Vergangenheit, allesamt aus den frühen 1940er Jahren. Besonders imponierend Wotans Abschied, 1943 aus Wien unter Rudolf Moralt und 1944 aus Dresden unter Elmendorff.



    Es gibt desweiteren eine Gesamtaufnahme der Walküre unter Ferenc Fricsay aus der Städtischen Oper Berlin von 1951.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eigentlich bin ich in diese Stimme verliebt, sei ich seinen Wanderer und Gunther im Scala-"Ring" unter Furtwängler (1950) kennen lernte.



    Auch der Jochanaan in der Dresdner Keilberth-"Salome" neben Christel Goltz ist beeindruckend gesungen.



    Es gibt viele weitere lohnende Aufnahmen, darunter einen Miller in Verdis "Luisa Miller", natürlich deutschsprachig.



    Geradezu rufschädigend finde ich hingegen seinen Sachs im September 1955 zur Wiedereröffnung der Staatsoper Berlin Unter den Linden, da hätte er besser abgesagt oder sich zumindest eine Radioübertragung verbeten, er war für diese riesige Partie einfach gesundheitlich schon viel zu sehr angeschlagen. Also: Mit dieser Aufnahme des Sängers sollte man nun wirklich nicht starten. (Das Besondere an Herrmann war ja, dass er das dramatische Fach wirklich recht unforciert singen konnte und nicht brüllen musste, dabei einen wunderbaren Klang erzeugte. Das war im September 1955 nicht mehr so.)


    P.S.: Übrigens Danke für die Eröffnung dieser Rubrik, aber ich nehme für mich in Anspruch, mit meinem Lieblingsrolleninterpreten-Spiel zumindest indirekt den Anstoß dafür gegeben zu haben. ;):hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Gerade hörte ich nacheinander den Wahnmonolog in der Studioaufnahme unter Leitner (Preiser), danach live unter Konwitschny (Walhall) Dabei fiel mir auf, dass es in letzterer einen hörbaren Schnitt gibt vor "Ein Kobold half wohl da" - offenbar fehlen hier im Live-Mitschnitt circa zwei Minuten, die man mit der Studioaufnahme ergänzt hat. Am Ende des Monologs wechselt es wieder zu live. Entweder man wollte hier einen Schmiss korrigieren oder auf dem Tonband des Mitschnitts gab es einen kurzen Aussetzer. Kurios allemal.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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    In diesem deutsch gesungenen "Don Carlos" von 1948 aus der Städtischen Oper Berlin ist Herrmann als Großinquisitor besetzt. Er wirkt relativ jung. Er ist der scharf kalkulienrende Intellektuelle in der Kutte des obersten Glaubenshüters, der keinen Zweifel daran aufkommen lässt, wer die eigentliche Macht im Staate hat. Greindl als König mag ihm stimmlich überlegen sein, nicht aber in der hoch individuellen Ausgestaltung von dessen Rolle. Es ist beeindruckend, was Herrmann daraus macht. Denn für einen von Haus aus idealen Großinquisitor halte ich ihn nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der oben gezeigte Meistersinger-Mitschnitt von 1955 ist bekanntlich aus verschiedenen Gründen eher problematisch. Nachdem ich mir jetzt einige Szenen nochmal angehört habe (darunter den Großteil der Festwiese), erscheint mir allerdings eher Erich Witte als Stolzing die eigentliche Schwachstelle zu sein. Ich könnte mich auch nicht wirklich erinnern, ihn ansonsten im Heldentenor-Fach gehört zu haben. Der junge Theo Adam (damals keine 30) als Pogner interessanterweise nach meinem Eindruck noch deutlich dunkler und insofern wirklich eher an einen Bass gemahnend, daher gar nicht schlecht besetzt (wie man meinen könnte). Und Josef Herrmann für meine Begriffe durchaus noch respektabel, gestalterisch eine Wucht. Selbst im Schlussmonolog besser als mancher andere Sachs, den ich live erlebte. Da kann ich auch kein hohles Pathos erkennen. Man fühlt wirklich mit. Auf der Bühne dürfte das seinerzeit durchaus seine Wirkung hinterlassen haben.

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    – Luís de Camões

  • Ich kenne (besser: kannte) Leute, die in der Premiere waren und mir gegenüber etwas despektiertlich davon sprachen, dass die Aufführung wie ein "Heldenfriedhof" geklungen habe. da bezog sich sowohl aug Herrmann (den sie auch noch anders gehört hatten), als auch auf Witte und Pflanzl. Adam als Pogner sei in diesem "Heldenfriedhof", zumindest in der Meistergilde, der einzige Lichtblick gewesen. Wenn ich den Mitschnitt höre (das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her), kann ich diesen Live-Eindruck nachvollziehen. Leider scheint es von Herrmann als Sachs keinen bessere, also früheren Gesamtmitschitt zu geben, oder weiß jemand was anderes?


    Erich Witte hat in den Jahren nach dem Krieg an beiden(!) großen Berliner Opernhäusern nahezu alles gesungen: Florestan, Erik, Stolzing, Parsifal, Radames, Otello, Hoffmann, José, Cavaradossi, Pinkerton, die Berliner Erstaufführung von Peter Grimes und und und, ja in den Fünfzigern sogar den Tristan. Ein ideal klingender Stolzing ist er sicher nicht, aber hunderte Vorstelungen in diesen großen Partien binnen weniger Jahre, das muss ihm heute erst einmal einer nachmachen. Was Witte in einem Jahr weggesungen hat, singen die heutigen in fünf Jahren nicht. Jeden zweiten Tag irgendeine andere große Rolle. Irgendwann hört man das natürlich. Aber er ist alt geworden...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Leider scheint es von Herrmann als Sachs keinen bessere, also früheren Gesamtmitschitt zu geben, oder weiß jemand was anderes?

    Lieber Stimmenliebhaber,


    entschuldige, falls ich jetzt etwas zeige, was schon genannt wurde, ich habe ein wenig den Überblick über alle genannten Aufnahmen verloren, die ja auch in unterschiedlichen Sammlungen immer wieder aufgegriffen werden; aber hilft vielleicht diese Einspielung weiter?




    Diese Mono-Aufnahme aus der BnF-Reihe ist, wie meistens in dieser Edition, nur als Download erhältlich.

    Liebe Grüße

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  • Es sind Aufzüge, als klassischer Querschnitt einst bei Deutsche Grammophon in diversen Aufmachungen erschienen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der Querschnit aus der "Luise Miller" mit Herrmann und Cebotari gehört zu meinen liebsteb Schallplatten, Beeindrucken immer und jederzeit das Duett Vater - Tochter, besonders an der Stelle wo Luise von Flucht spricht.

    Fragend seine Reaktion, bis zur Klage "Dann ziehn wir fremd und heimatlos" verkörpert Herrmann den ganzen Jammer, bevor er optimistischere Töne findet.

    Dazu die herrliche Musik, das ganze ist eine wunderbare Oper.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die Auszüge von den Meisteringern sind hier noch als Anhang drauf....



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    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Hallo,


    in der verdienstvollen CD-Reihe "Wiener Staatsoper Live" der Firma 'Koch/Schwann' sind zwei Aufführungen der "Meistersinger von Nürnberg" dokumentiert, u. z. vom 28. 1. 1943 mit Maria Reining (Eva), Martha Rohs (Magdalene), Josef Herrmann (Sachs), Max Lorenz (Stolzing), Peter Klein (David) und Erich Kunz (Beckmesser) und vom 19. 1. 1944 in gleicher Besetzung mit Ausnahme von Torsten Ralf als Stolzing. Beide Aufführungen wurden von Karl Böhm dirigiert; in der letzgenannten Vorstellung wirkten auch Kurt Böhme (Pogner) und Fritz Krenn (Kothner) mit.


    Vol. 23 dieser Edition enthält folgende Ausschnitte aus der Aufführung vom 28. 1. 1943: 'Was duftet doch der Flieder'... 'Guten Abend, Meister' (15,13) / 'Drauf zu! Den Lung'rer mach' ich kalt!'... 'Tralalalei! Als Eva aus dem Paradies von Gott dem Herrn verstoßen' (8,20) / 'Steh' auf, Geselle'... 'Selig wie die Sonne' (6,18) / 'Morgenlich leuchtend in rosigem Schein' (4,24) / 'Verachtet mir die Meister nicht' (4,21). (Vol. 23 enthält ausserdem die bekannte Gesamtaufnahme von "Ariadne auf Naxos" als Mitschnitt vom 11. 6. 1944.)


    In Vol. 18 (19. 1. 1944) sind 12 Tracks von unterschiedlicher Länge enthalten, wobei die Szenen 'Sachs' - 'Eva' aus dem 2. Akt ('Was duftet doch der Flieder'... 'Guten Abend, Meister' (13,55) und 'Jerum! Jerum! Hallo, hallohe'... 'Wie, Meister? Auf?'... 'Den Tag seh' ich erscheinen' (13,41) die längsten sind. Die Gesamtdauer der Ausschnitte beträgt 85 Minuten. (Angekoppelt sind Ausschnitte aus "Lohengrin", mitgeschnitten am 19. 6. 1938.)


    Die klangtechnischen Mängel der Aufnahmen - von dem Wiener Opernenthusiasten Hermann May (mit Billigung der Operndirektoren Clemens Krauss und Karl Böhm) hinter der Bühne der Wiener Staatsoper mit einer privaten Schneideapparatur direkt auf Schallplatten unterschiedlichen Materials geschnitten, manchmal mit Störgeräuschen und wegen dem Plattenwechsel häufig mit 'Aussetzern' - dürften bekannt sein. Aber es sind trotzdem unschätzbar wertvolle Aufnahmen; manche Sänger und Dirigenten sind nur durch diese Mitschnitte akustisch dokumentiert worden.


    Eine komplette "Meistersinger"-Aufnahme mit Josef Herrmann vor 1955 ist mir auch nicht bekannt. Vielleicht taucht eines Tages ein Mitschnitt von einer der 6 Aufführungen an der Mailänder Scala im Februar/März 1952 unter Wilhelm Furtwängler auf (mit Elisabeth Grümmer, Sieglinde Wagner, Hans Beirer, Murray Dickie, Erich Kunz, Josef Greindl und Fritz Krenn); Wunder gibt es immer wieder...


    Carlo


    P. S. Die Gesangsaufnahmen aus der "Meistersinger"-Szenenfolge der 'Deutschen Grammophon Gesellschaft' wurden im Mai 1953 aufgenommen; das Vorspiel zum 1. Akt entstammt einer Stuttgarter Aufnahme von 1951.

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  • Ich habe jetzt mal recherchiert, welche Meistersinger-Aufnahmen es mit Josef Herrmann gibt. Das ist doch einiges, teilweise auch etwas verwirrend. Bei den Aufnahmedaten würde ich eher den offiziellen Ausgaben folgen, in Klammern aber die Alternativangaben bei Preiser. Die mehrfach genannten Auszüge, eingespielt für die DG, dürften eher auf die Jahre 1951-1953 statt auf 1954 (so laut Preiser) zu datieren sein. Das würde die intakte Stimme erklären.



    Fliedermonolog

    Josef Herrmann

    Staatskapelle Dresden / Karl Böhm

    Aufnahme: 1939 (1941?)

    Edition Staatskapelle Dresden Vol. 22 (Profil/Hänssler); Lebendige Vergangenheit (Preiser)



    Jerum! Jerum!

    Josef Herrmann

    unbek. Orchester / N. N.

    Aufnahme: 1943

    Lebendige Vergangenheit (Preiser)



    Auszüge (darunter Flieder- und Schlussmonolog)

    Josef Herrmann, Erich Kunz, Max Lorenz, Peter Klein, Maria Reining, Martha Rohs

    Orchester der Wiener Staatsoper / Karl Böhm

    Aufnahme: 1943

    Wiener Staatsoper Live Vol. 23 (Koch Schwann)



    Auszüge (darunter Flieder- und Wahnmonolog sowie Jerum! Jerum!)

    Josef Herrmann, Erich Kunz, Torsten Ralf, Peter Klein, Maria Reining, Martha Rohs

    Orchester der Wiener Staatsoper / Karl Böhm

    Aufnahme: 1944

    Wiener Staatsoper Live Vol. 18 (Koch Schwann)



    Fliedermonolog

    Josef Herrmann

    Staatskapelle Dresden / Kurt Striegler

    Aufnahme: 12/1944

    Edition Staatskapelle Dresden Vol. 23 (Profil/Hänssler)



    Schlussmonolog

    Josef Herrmann

    Chor der Staatsoper Dresden & Großes Rundfunkorchester Dresden / Hans-Hendrik Wehding

    Aufnahme: 01.01.1948

    Semperoper Edition Vol. 3 (Profil/Hänssler)



    Auszüge (darunter Flieder-, Wahn- und Schlussmonolog)

    Josef Herrmann, Wolfgang Windgassen, Richard Holm, Annelies Kupper, Hertha Töpper

    Chor des Bayerischen Rundfunks, Münchner Philharmoniker & Württembergisches Staatsorchester Stuttgart / Ferdinand Leitner

    Aufnahme: 1951-1953 (1954?)

    (Deutsche Grammophon Gesellschaft); Dokumente einer Sängerkarriere (Preiser) [nur die drei Monologe]



    Gesamtaufnahme

    Josef Herrmann, Theo Adam, Heinrich Pflanzl, Gerhard Niese, Erich Witte, Gerhard Unger, Ruth Keplinger, Anneliese Müller u. a.

    Chor der Deutschen Staatsoper Berlin & Staatskapelle Berlin / Franz Konwitschny

    Aufnahme: 04.09.1955

    (Walhall)


    P.S. Carlo kam mir zuvor und hat es teilweise noch besser recherchieren können.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Um auch mal ein Klangbeispiel einzustellen:


    Hier die oben genannte Einspielung des Schlussmonologs des Hans Sachs, aufgenommen am 1. Jänner 1948 in Dresden. Interessant auch das doch sehr rustikale Dirigat von Hans-Hendrik Wehding.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    die Recherche war nicht schwer, weil ich die Edition "Wiener Staatsoper Live" komplett habe.


    Der Vollständigkeit halber nenne ich nun alle Tracks aus Vol. 18 (Vorstellung vom 19. 1. 1944):


    Vorspiel 1. Akt (8,18)*

    'Am stillen Herd in Winterszeit' (4,56)

    'Was duftet doch der Flieder'... 'Guten Abend, Meister' (13,55)*

    'Jerum! Jerum! Hallo, hallohe!'... 'Wie, Meister? Auf?'... 'Den Tag seh ich erscheinen' (13,41)*

    'Darf ich mich Meister nennen'... 'Hört, ihr Leut' und lasst euch sagen' (4,50)

    Vorspiel 3. Akt - 'Gleich, Meister, hier?' (8,o2)*

    'Wahn! Wahn! Überall Wahn'... 'Grüß Gott, mein Junker' (8,22)*

    'Ein Werbelied! Von Sachs!' (4,41)

    'O Sachs, mein Freund'... 'Ein Kind ward hier geboren' (4,53)

    'Jetzt all' am Fleck'... 'Sankt Crispin, lobet ihn!' (4,46)

    'Seht, Meister Sachs!'... 'Wach auf, es nahet gen den Tag'... 'Mit allem Hab und Eigen' (5,21)

    'Das Lied, fürwahr, ist nicht von mir' (2,21)


    Hans Sachs - Josef Herrmann / Veit Pogner - Kurt Böhme / Kunz Vogelgesang - Richard Sallaba / Konrad Nachtigall - Georg Monthy / Sixtus Beckmesser - Erich Kunz / Fritz Kothner - Fritz Krenn / Balthasar Zorn - Egyd Toriff / Ulrich Eisslinger - Hermann Gallos / Augustin Moser - William Wernigk / Hermann Ortel - Hans Schweiger / Hans Schwarz - Roland Neumann / Hans Foltz - Franz Worff / Walther von Stolzing - Torsten Ralf / David - Peter Klein / Eva - Maria Reining / Magdalene - Martha Rohs / Nachtwächter - Karl Ettl / Chor und Orchester der Wiener Staatsoper / Dirigent: Karl Böhm. (* = mit Unterbrechung)


    Viele Grüße!


    Carlo


    P. S.

    Ich habe gerade in meinem Buch "La Scala 1946/1966" nachgesehen und dort ist ein großes Szenenfoto aus dem 1. Akt (mit Hans Beirer als Stolzing im Kreis der Meistersinger) abgebildet. Deutlich sind drei auf der Bühne postierte Mikrofone zu sehen, was bedeutet, dass eine der sechs Aufführungen 1952 an der Mailänder Scala entweder live im Rundfunk übertragen wurde oder aber für eine spätere Rundfunksendung ein Mitschnitt erfolgte. Andererseits ist bekannt, dass der überkritische Wilhelm Furtwängler oft nur Rundfunkübertragungen ohne Anfertigung eines Mitschnitts zustimmte bzw. manchmal Rundfunkbänder löschen ließ. In Bayreuth hat er 1954 eigenhändig die Stecker der Aufnahmegeräte des Bayerischen Rundfunks gezogen; die Techniker schnitten die Aufführung der 'Neunten' von Beethoven (mit Gré Brouwenstijn, Ira Malaniuk, Wolfgang Windgassen und Ludwig Weber) heimlich mit, doch der Rundfunk schickte diese Aufnahme damals nicht über den Äther...

  • ... in meinem Buch "La Scala 1946/1966"

    Lieber Carlo, lohnt such die Anschaffung dieses Buches? Es ist antiquarisch noch zu haben. Mich würde interessieren, ob sich darin auch eine Aufstellung aller Inszenierungen bzw. Aufführungen dieses Zeitraumes findet.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,


    ich würde sagen: Sofort zugreifen!


    Der schwere Bildband in sehr guter Druckqualität mit den auf Cellophan gedruckten berühmten Jahres-Spielplänen der Mailänder Scala (394 Seiten mit ca. 250 sehr seltenen Fotos in s/w und farbigen Bühnenbild-Entwürfen) gibt alle Premieren-Besetzungen - bis in die kleinste Nebenrolle, so wie ich es liebe - der zwanzig Jahre von 1946 bis 1966 an der Mailänder Scala an. Es gibt einen kurzen Einführungsartikel des Intendanten Antonio Ghiringhelli und zu den Fotos interessante Hintergrundinformationen. (Meinem Exemplar lag sogar der Nachdruck einer Zeitungsseite des 'Corrriere della sera' vom 12. 5. 1946 über die Wiedereröffnung dieses Opernhauses bei.) Und bemerkenswert ist, dass es auch ein ausführliches Namensregister gibt, was bei deutschen Büchern jener Zeit eher selten der Fall war.


    LG


    Carlo

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  • Und noch eine Operngesamtaufnahme mit Josef Herrmann komplettiert die Diskographie dieses Sängers. Es ist an die zehn Jahre her, dass Preiser mit der Carmen von Elisabeth Höngen überraschte. Für eine österreichische Firma war das Ehrensache. Diese Sängerin wurde an der Wiener Staatsoper vergöttert wie eine Heilige. Da fiel es nicht sonderlich ins Gewicht, wenn die Aufnahme aus dem fernen Dresden stammte. Zumal auch noch Karl Böhm dirigierte. Schließlich hat die Höngen die Rolle auch in Wien gesungen, zwischen 1944 und 1955 sage und schreibe dreiunddreißigmal. Das ist vergleichsweise viel. Böhm hingegen, der ein Gespür für die Dramatik des Werkes hatte, stand in Wien 1944 nur noch bei vier Vorstellungen am Pult. In Dresden wählte er gedehnte Tempi, die es ihm ermöglichten, Steigerungen und Höhepunkte besonders wirkungsvoll aufzubauen. Sängern, einschließlich Chor, kommt das sehr entgegen. Schon das Vorspiel wirkt wie ein Kondensat seines musikalischen Konzepts. Lange vor Preiser hatte BASF 1973 eine Schallplatte mit Szenen veröffentlicht. Wenn sich aber Profil Edition Günter Hänssler mit einer neuen Folge aus der Semperoper Dresden meldet, können die Ersten schnell die Letzten sein, wenigstens aber auf die Plätze verwiesen werden. Hörte sich die Preiser-Ausgabe schon sehr gut an, punktet Hänssler mit den originalen Bändern. Als würde sich der Vorhang tatsächlich heben. Der Klang ist in Tiefe und Breite gestaffelt, entfaltet sich also räumlich. Stereophonie ist schon zum Greifen nahe. Wenngleich zu Beginn die Straßenjungen ausmarschieren, kommt ihr Gang über die Bühne der Wirklichkeit nahe. Überhaupt sind die großen Ensembleszenen von großer Klarheit und nie übersteuert. Hänssler bietet mit seiner "Carmen" mehr als nur ein beliebiges historisches Tondokument.


    Ein deutsch gesungene "Carmen" dürfte nicht unbedingt das Ereignis sein, nach dem man sich heutzutage verzehrt. Höngen hin oder her. Mit dieser Edition aber wird ein spannendes Kapitel Musikgeschichte beleuchtet. Das macht die Ausgabe aus. Beigaben in Form von Texten, Biografien und Fotos wachsen sich zum kleinen Buch aus, das zudem noch sehr sinnlich gestaltet ist. Beigesteuert werden Erinnerungen von Gertrud Döhnert, der persönlichen Mitarbeiterin von Böhm in seiner Dresdener Zeit, die sogar seine Briefe öffnen durfte. Nichts anderes war zu erwarten. Wenngleich man gern ein anderes Datum lesen würde – die Oper wurde am 4. und 5. Dezember 1942 mitgeschnitten. Ein größerer Widerspruch zwischen Kunst auf der einen und politischer Wirklichkeit auf der anderen Seite ist kaum vorstellbar. Während also Carmen auf der Bühne behauptete, dass „die Liebe von Zigeunern“ stamme, tobte der von Hitlerdeutschland entfesselte Krieg an allen Fronten. Die Ermordung der europäischen Juden war beschlossene Sache. Und der Untergang Dresdens nicht mehr weit, wenngleich zum damaligen Zeitpunkt unvorstellbar.


    Im Booklet wird auf den Abdruck des Librettos in der weithin bekannten Übersetzung durch den Österreicher Julius Hopp (1819-1885), der auch komponierte, verzichtet. Das ist nicht weiter schlimm, weil man eh jedes Wort versteht und für alle Fälle gewiss eine alte Reclam-Ausgabe vorrätig hat. Noch Christa Ludwig sang 1961 auf den Text für ihre Einspielung bei der Electrola. Wer sich also auf den Mitschnitt einlässt, Vorbehalte zurückstellt und die Aufnahmen in der Originalsprache oder in der ursprünglichen Fassung als Opera comique im Schrank lässt, erlebt ein Wunder an gesanglicher Akkuratesse. Diese musikalische Genauigkeit, diese Deutung von einzelnen Wörtern, Gesten und Gedanken durch die Höngen vollzieht sich ganz unabhängig von der Partie. Sie hätte auch Orlofsky oder Herodias singen können. Die Wirkung würde wohl dieselbe sein. Kein Ton wird vereinzelt herausgestellt. Sie verbindet Noten und Text zu einer in sich geschlossenen Kette als ob sie im jeweiligen Moment schon das erfasst, was erst noch komme und was schon hinter ihr liegt. Dies geschieht mit Leichtigkeit und ohne jede Anstrengung. Stimmlich ist sie ideal. Niemand, der ihr zuhört, käme auf die Idee, dass Singen Schwerstarbeit und höchste Konzentration ist. Was sie von sich gibt, ist nicht die zehnte Wiederholung im Studio, um es besser und noch besser zu machen. Es ist faktisch live. Im Freundeskreis kursiert eine Anekdote aus Wien. Dort blieb eine Sängerin als Azucena hinter den Erwartungen im Publikum zurück. Darauf ein Besucher: "Jetzt fehlt mir aber die Höngen." Viele Jahre konnte ich mit diesem Seufzer nichts anfangen. Nun verstehe ich ihn. Diese Sängerin – sie lebte zwischen 1906 und 1997 – ist für ihre Zeit gut dokumentiert. Im unmittelbaren Vergleich schneiden die Aufnahmen für mich sehr unterschiedlich ab. Kaum eine erreicht das in sich geschlossene Niveau der Dresdener Carmen.


    Die anderen Mitwirkungen haben es nicht leicht gegen sie, obwohl sie sich nicht zu verstecken brauchen. Allen voran die lyrische Elfriede Weidlich als mütterliche Micaela, die bis 1950 eine der Lieblinge des Dresdener Publikum auch als Susanna, Zerline oder Mimi gewesen ist. Danach verließ sie die 1949 gegründete DDR und wirkte fortan in Hannover. Torsten Ralf, der schwedische Tenor, der 1935 nach Dresden kam und drei Jahre später den Apollo in der Uraufführung der Daphne von Strauss sang, erfüllt als Don José alle Anforderungen, die an einen lyrischen Heldentenor gestellt sind. In Dresden genoss er Kultstatus weit über seine Zeit hinaus. Das ging so weit, dass Peter Schreier, der ihn auch verehrte, seine Söhne die Vornamen Torsten und Ralf gab, wie im Booklet zu erfahren ist. Der 2019 verstorbene Tenor hatte die Schirmherrschaft über die Semper-Oper-Edition. Auch in der neuen Folge wird er in dieser Funktion noch genannt. Bemerkenswert ist, wie Ralf die unterschiedlichsten Situationen, in die die Figur gestellt ist, stimmlich erfasst und anrührend gestaltet. Als Sergeant auf der Wache gibt er den Macho, im Zusammentreffen mit Micaela ist er der liebevolle Sohn, der sich um die Mutter sorgt, gegenüber Carmen überwindet er anfängliche Scheu, um sie schließlich ohne jede Rücksicht für sich zu verlangen. In seinem Besitzanspruch kann er das Wesen dieser Frau nicht verstehen. Er, der schon einmal unbeherrscht getötet hat, muss auch sie töten.


    Josef Herrmann – auch er in Dresden hoch geehrt – ist 1942 noch im Vollbesitz seiner Stimme. Darauf verlässt er sich und unternimmt keine nachhaltigen Versuche, in die etwas eindimensionale Rolle mehr gestalterisches Profil zu investieren. Noch ist Elfride Trötschel die Frasquita. 1949 wird sie die Micaela sein. Und das ist auch nachzuhören. Die Hänssler-Edition hält neben der Gesamtaufnahme eine Bonus-CD mit eigenem ebenfalls verschwenderisch ausgestatteten Booklet bereit. Drauf finden sich neben vielen anderen historischen Dokumenten drei Szenen aus einer Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks unter der Leitung von Hans Löwlein, mit der die Wiederaufnahme der Oper im Jahr 1950 in Dresden begleitet wurde. Mehr ist nicht erhalten. Dabei wurde auch schon für die Aufnahme eine Anregung des Musikwissenschaftlers Ernst Krause aufgegriffen, Carmen in der neuen Übersetzung des Intendanten der Komischen Oper Berlin, Walter Felsenstein, einzustudieren. Fragte Jose Micaela bisher, „Wie? Du kommst von der Mutter?", will er nun in Gestalt von Heinz Sauerbaum wissen, "Wie geht’s meiner Mutter?" Klanglich kann es die Aufnahme des kompletten Werkes im Opernhaus mit der Studioeinspielung allemal aufnehmen. Direkt vor die Mikrophone gestellt, können die Sänger jedoch nicht annähernd die Bühnenatmosphäre erzeugen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent