Dr. Pingel´s Führer durch den Bibeldschungel, Buch III, Josef und seine Brüder

  • 1. Einleitung zu Genesis 37-50

    Diese Geschichte ist ein kleiner Roman oder eine Novelle (Luther: "...eine schöne und lustige Historie") und gut zu lesen, was im AT nicht so die Regel ist. Theologisch kommt die Geschichte praktisch ohne Gott aus. Parallelen gibt es in der ägyptischen Literatur, etwa das "Zweibrüdermärchen". Da dies eines der bekanntesten Stücke des AT ist, gebe ich den Inhalt nur stichwortartig wieder.

    Der hebräische Name für Ägypten ist "mizrajim", ein Dual, der auf die Zweiheit von Ober- und Unterägypten anspielt. Markant ist die Verdoppelung im Erzählstrang. Ob es sich hier um zwei Quellen oder die orientalische Erzählweise handelt, ist für uns ohne Belang.

    Josef erscheint als Yusuf in der 12. Sure des Koran. Philip von Zesen, Grimmelshausen und Thomas Mann (Josef und seine Brüder; "...tief ist der Brunnen der Vergangenheit...") verarbeiteten diese Geschichte zu Romanen.

    Die Entstehungszeit der Novelle ist umstritten, wahrscheinlich ist das 9.-7. Jahrhundert (ante). Schon in der Antike gab es einen Josefsroman, "Josef und Aseneth", in dem aber die ägyptische Frau Josefs, Asenath, die Hauptrolle spielt.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • 2. Inhalt


    37 (die Zahlen in dieser Schreibweise bezeichnen die Kapitel): Josef ist 17, er ist Hirte. Der bunte Rock. Der Traum von den Garben, der Tram von den Gestirnen. Josef wird zu seinen Brüdern geschickt. Ruben verhindert seinen Tod. Er wird in die Grube geworfen. Er wird an eine Karawane verkauft. Ein Bock wird geschlachtet, das Blut an Josefs Rock als das eines Löwen ausgegeben. Jakobs Trauer. Josef wird an den obersten Offizier der Leibgarde des Pharaoh, Potiphar, verlauft.

    38 Juda und Thamar (erstmal überspringen, siehe Anhang)

    39 Josef wird Verwalter in Potiphars Haus. Die Sache mit Potiphars Frau. Josef im Gefängnis.

    40 Der Traum des Mundschenks; der Traum des Bäckers. Der mundschenk vergisst Josef.

    41 Die Träume des Pharaoh (die Kühe; die Ähren). Josef deutet die Träume. Er wird Ministerpräsident (mit 30) und verwaltet die angelegten Vorräte.

    Der Pharaoh verheiratet ihn mit Asenath, der Tochter des Sonnenpriesters zu Heiliopolis. Seine Söhne Efraim und Manasse.

    Speicher werden gebaut.

    42 43 44 Die Reisen der Brüder; die Verhaftung Benjamins.

    46 Jakob geht nach Ägypten (V.8-27 überspringen)

    47 Jakob vor dem Pharaoh (13-26 überspringen). Jakob will nicht in Ägypten begraben werden.

    48 (überspringen)

    49 1-28 überspringen. Segen und Tod Jakobs

    50 Totenklage und Bestattung Jakobs in der Höhle Machpela.

    Josef stirbt un d wird in Ägypten begraben.

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  • 3. Anhang (Bilder)

    Bei der Besprechung der Geschichte durfte sich in der 6. Klasse jedes Kind eine Geschichte zum Ausmalen aussuchen, sodass wir am Ende eine Bildergeschichte zu Josef hatten. 5 der Bilder gibt es hier.

    (bitte genau hier die Bilder einfügen, der Text ist schon auf jedem Bild vorhanden, diesen Satz dann löschen!)

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  • 4. Exkurs: Juda und Tamar (Gn 34)


    Dies ist eines der Kapitel, von dem man weder von liberalen Theologen je was hört ("peinlich, moralisch verwerflich") noch von unseren Frommen (Erzvater Juda als Gesetzesbrecher). Es ist übrigens leicht zu sehen, dass diese Geschichte später in den Josefsroman eingefügt wurde.

    Juda hat drei Söhne; der erste ist verheiratet mit einer fremden Frau, Tamar. Dieser Sohn stirbt. Nach den Gesetzen damals ist nun der zweite Sohn, Onan, verpflichtet, Tamar zu heiraten und vor allem ihr Kinder zu verschaffen. Das ist der zentrale Punkt: das Konzept unserer Liebesheirat ist erstens sehr jung und auch nicht so erfolgreich (nach 7 Jahren Scheidungsquote bei 50%).

    Es ist nicht so, dass die Tamar dem Onan nicht gefällt, darüber wird gar nicht nachgedacht. Kurz, er weigert sich sie zu heiraten, vor allem aber weigert er sich, ihr Kinder zu machen. Er praktiziert das, indem er kurz vor dem Höhepunkt seinen Samen auf den Boden fallen lässt. Daraus hat man den Begriff Onan-ie abgeleitet, was natürlich unsinnig ist, es handelt sich um einen Coitus interruptus. Das aber ist eine schwere Sünde und Onan muss nach Gottes Willen sterben.

    Nun bleibt noch Judas dritter Sohn, der ist aber noch sehr klein. Tamar ist bereit, zu warten, denn Kinder muss sie unbedingt haben. Als der dritte Sohn erwachsen ist, gibt ihn Juda der Tamar trotzdem nicht zum Mann.

    Da sieht sie, dass sie sich auf die Männer der Familie nicht verlassen kann, weil keiner ihr verschafft, worauf sie als jüdische Frau Anrecht hat: Kinder, am besten Söhne.

    Sie verhüllt sich, markiert eine Hure und verführt am Stadtrand - Juda, ihren Schwiegervater. Klugerweise lässt sie sich zum späteren Beweis ein paar persönliche Besitztümer von Juda geben. Nach drei Monaten wird die Schwangerschaft Tamars bemerkt. Juda, von dem das Kind ist, sagt, dass die Mutter verbrannt werden müsse. Da zeigt sie die Beweisstücke vor...

    In diesem Kapitel lernt man viel über die Strukturen von Sexualität und Familie im Alten Orient. Wenn wir für Familie "Clan" einsetzen und deren Verhalten bei uns betrachten, wird man gewahr, wie uralt diese Strukturen sind. (Ich breche hier ab, denn eine Diskussion würde jetzt tatsächlich gegen die Forumsregeln verstoßen).


    Es ist mir immer ein Rätsel gewesen, wieso fromme Menschen die Erzväter so verehren. Hier etwa bricht Juda den Ehevertrag seines dritten Sohnes mit Tamar, später dann begeht er Ehebruch, indem er eine Prostituierte aufsucht. Dafür hätte er gesteinigt werden müssen.


    Nachbemerkung. Aus den hier verhandelten Strukturen heraus wird auch verständlich, warum sich das Judentum so strikt gegen Homosexualität wandte: Homosexualität ist unfruchtbar. Darauf stand die Todesstrafe.

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  • 5. Nachwort


    Trotz aller Gewalt und allen Unrechts ist doch die Genesis eine farbige und erzählerisch gekonnte Geschichte, besonders natürlich hier in der Pingel-Version:pfeif:.

    Für normale Leser hat dieses Buch durchaus einen großen Reiz, trotz der großen Schwächen, ja Verbrechen der legendären Erzväter. Ich frage mich immer, wie unsere fundamentalistischen Freunde, die so auf der Irrtumslosigkeit der Bibel bestehen, mit der Tatsache zurecht kommen, dass ihre Idole z.T. schwere Straftaten begangen haben, die man nicht gerade als vorbildlich bezeichnen kann.

    Noch nie ist ein Theologe auf die Idee gekommen, analog zu Ernst von Piddes "Richard Wagners Der Ring des Nibelungen im Licht des deutschen Strafrechts" ein ähnliches Werk zu verfassen.


    1. Adam und Eva lügen und übertreten ein zentrales Verbot (trespassing).

    2. Kain bringt seinen Bruder um.

    3. Noah betrinkt sich.

    4. Seine Töchter betreiben Blutschande.

    5. Abraham bereitet einen Mord vor. Außerdem verstößt er Ismael, seinen Sohn, und Hagar, Ismaels Mutter und die Magd von Sara.

    6. Jakob ist ein notorischer Betrüger (an Laban und an seinem Vater).

    7. Jakob lässt seine Söhne in Sichem ein Blutbad anrichten.

    8. Josefs Brüder machen sich erst des Mordversuchs, dann des Menschenhandels schuldig.

    9. Juda bricht einen Ehevertrag und begeht Ehebruch mit seiner eigenen Schwiegertochter.


    Eine große Frage bleibt noch: warum heißen die Juden nach Judas?

    Vor der Zeitenwende hießen sie noch Israeliten, das geht auf den Beinamen Jakobs (=Israel) zurück.

    Warum heißen sie nicht Abrahamiten, Jakobiten, Josefiten?

    Es gibt darüber eine Untersuchung des jüdischen Historikers Michael Wolffsohn, die ich aber noch finden muss.

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  • Mit dem Ende des Buches Genesis findet dieses Thema ihr natürliches Ende.

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