Welches Timbre bevorzugt ihr (und warum)

  • Liebe Taminos,


    hier wird oft und auf hohem Niveau über Gesang diskutiert. Zweifellos gibt es Möglichkeiten, einer Stimme Vokabel zuzuordnen. Manchmal erinnert mich das an eine Weinverkostung, wenn eine Stimme "honigsüß" klingt oder ihr ein "bronzenes", "silbriges" oder gar "goldenes" Timbre attestiert wird.

    In den Tiefen des Forums wurde das Thema auch schon mehrmals angesprochen, etwa hier: Die Beurteilung von Stimmen und Gesang
    Darum möchte ich die Frage anders angehen, gerne aber auch zu grundlegender Debatte einladen: Welches Timbre von welchen Sängern spricht euch ganz besonders an? Es geht mir nicht um Vortragsstil, Spitzentöne, Leidenschaft, Gesangstechnik. Nur der Klang der Stimme soll zählen. Der Farbenreichtum im Timbre sozusagen. Kann man das erklären? Wer es versuchen möchte, gern.

    Wenn ich die Augen schließe, wünsche ich mir hier und jetzt den Klang der Stimme von ... zu hören. Das kann sich natürlich ändern und es muss auch nicht auf einen Kandidaten beschränkt bleiben.

    Bei mir wäre es in letzter Zeit und immer wieder: Giuseppe Campora!


    Ich liebe die Spitzentöne eines Bonisollis, den langen Atem eines Del Monacos, die Wucht eines Giacominis, die feine Technik eines Geddas, das Gesamtpaket Björling, die Leidenschaft und den Ausdruck eines di Stefanos ... aber in der Mittellage geht doch nichts über das unverkennbare Timbre Camporas?

  • Lieber Greghauser,

    selbstverständlich kann man recht oberflächlich ein Timbre, einen Stimmklang beschreiben, z. B. warm. hell, strömend, wohlklingend, betörend, dramatisch usw. Will man jedoch genauer, individueller, persönlicher vorgehen glaube ich, dass das nicht abstrakt geht. Dann muss man den für diesen Sänger typischen Stimmklang intensiv hören, in sich aufnehmen und versuchen, diesen in verständliche Worte zu fassen. Machen wir doch bitte dazu ein Experiment. Ich beschreibe nachstehend eine Stimme und wer mitmachen will, versucht, auf den allgemein bekannten Sänger zu schließen: Diese Stimme zeichnet sich aus durch:samtene Schwärze, menschliche Wärme, erschütternde Ausdruckskraft, , Macht und Wucht, schwebende, verinnerlichte Zartheit, Schönheit und strömendes Melos des Gesangs, vor allem jedoch durch das Herz und die Seele, die in dieser Stimme mitschwingen.

    Nun bin ich gespannt, ob es klappt. Welcher Sänger könnte dies sein?

    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Danke für die Antwort, lieber Hans.


    Tja, ob das wohl ein Sänger ist, in dessen Gesellschaft du früher gern persönlich warst?

    Und kann diese heute, weil das Leben nun einmal endlich ist, nur noch als eingetragener Verein bestehen?

  • Tja, ob das wohl ein Sänger ist, in dessen Gesellschaft du früher gern persönlich warst?

    Und kann diese heute, weil das Leben nun einmal endlich ist, nur noch als eingetragener Verein bestehen?

    ... und dieser eingetragene Verein von einem namhaften hochgeschätzten Präsidenten geführt wird?

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich beschreibe nachstehend eine Stimme und wer mitmachen will, versucht, auf den allgemein bekannten Sänger zu schließen: Diese Stimme zeichnet sich aus durch:samtene Schwärze, menschliche Wärme, erschütternde Ausdruckskraft, , Macht und Wucht, schwebende, verinnerlichte Zartheit, Schönheit und strömendes Melos des Gesangs, vor allem jedoch durch das Herz und die Seele, die in dieser Stimme mitschwingen.

    Nun bin ich gespannt, ob es klappt. Welcher Sänger könnte dies sein?


    Das ist sehr einfach, lieber operus, du meinst hier ganz sicher Hans Rolf Rippert.;)


    Ich liebe die Spitzentöne eines Bonisollis, den langen Atem eines Del Monacos, die Wucht eines Giacominis

    Lieber greghauser2002,


    darin finde ich mich wieder. Tenöre mit "stählernen Bronzeklang" (Kesting über MDM) mit baritonalem Fundament, lang gehaltenen Spitzentönen und gern auch mal ein im Schmetterstil vorgetragener "vokaler Machismo" finde ich schon "geil". Es sollte nur halbwegs zur interpretierten Rolle passen.


    LG....MDM :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Welches Timbre von welchen Sängern spricht euch ganz besonders an? Es geht mir nicht um Vortragsstil, Spitzentöne, Leidenschaft, Gesangstechnik. Nur der Klang der Stimme soll zählen.

    Lieber "greghauser2002",


    ein spannendes Thema mit Fragen, die nicht so leicht zu beantworten sind. Gerade weil du viele "objektivere" Kriterien zur Beurteilung von Gesangsleistungen ganz bewusst beiseite lassen willst, was ich völlig legitim finde, nähern wir uns völlig entbößt dem ganz subjektiven Teil der Stimmwahrnehmung. Spricht der Klang einer Stimme, also ihr Timbre, mich besonders an oder eben nicht? Stellt sich bei mir ein "Wow"-Effekt ein, wenn ich diesen Stimmklang höre, oder eben nicht? Ich finde, dass das wirklich total subjektiv ist und sich nicht mal allgemein für bestimmte Stimmfächer beantworten lässt, jedenfalls nicht von mir, ob ich z.B. eher klarere, vibratoarmere, metallischere oder vibratoreichere Stimmen bevorzuge.


    Sänger, deren Stimmklang mich zum Beispiel ganz besondern anspricht sind, z.B.:

    - Elisabeth Grümmer mit ihrem leichten unruhigen Tremolo, das ihre an sich blütenreine Stimme aber nicht unrein, sondern einfach nur interessant macht.

    - Eva-Maria Bundschuh mit ihrer vibratösen Stimme und gleißendem Höhenschwall, für mich Emotion pur

    - Magdalena Hajossyova, deren Stimme klar und leuchtend, aber auch besonders mädchenhaft für meine Ohren klingt

    - Uta Priew, die ein ganz besonders klares und reines Timbre ihr Eigen nennen kann, wenn ich meinen Ohren trauen darf. Eine eher vibratoarme Stimme, die mich sehr anspricht.

    - eine Stimme, deren weiten vibratoreichen Klang ich ganz besonders liebe, ist die des finnischen Heldentenors Heikki Siukola, für mich eine echte Wow-Stimme (bei allen Abstrichen, die man in anderen Dingen wie Intonation, Musikalität, Textarikulation und Spielfreude, machen muss, aber um die geht es ja hier nicht, sondern um das Timbre, und da muss man bei ihm überhaupt keine Abstriche machen, das finde ich einfach nur hinreißend)

    - ähnlich weit und vibratös mit absolutem "Wow"-Effekt klingt für mich die Stimme von Joseph Calleja.

    Ich kann mich aber auch mit dem bronzenen Timbre von Plácido Domingo wie auch mit dem luftigeren, auch etwas metallischen Timbre von Luciano Pavarotti sehr anfreunden und kann nicht klar sagen, welches der beiden ich stets dem anderen vorziehen würde. Das hängt auch sehr von den Rollen, aber auch ein bissl von meiner Tagesverfassung ab. Aber beide Stimmen finde ich einzigartig und unverwechselbar, auf ihre Weise herausragend. Bei den Heldentenören begeistert mich das sieghafte Metall eines Lauritz Melchior, aber wenn ich dann im Januar dieses Jahres in der Dresdner "Meistersinger"-Premiere sitze und Klaus Florian Vogt als Stolzing höre, dann fasziniert mich dieser helle, leuchtende Stimmklang, der so unglaublich mühelos über das riesige Orchester trägt, auch sehr.

    Und so wie ich bei Sopranen und Tenören keine klare Präferenz zu eher vibratoreichen oder vibratoarmen Stimmen habe, habe ich diese bei den "Baritonnen" und Bässen auch nicht. Bei den Baritonen beeindrucken mich helle, besonders reine und lyrische Stimmen wie die von Siegfried Lorenz oder Dietrich Fischer-Dieskau vom Klang her ebenso wie eher "dreckigere", unreinere und damit aber auch farbigere Stimmen wie die von Tito Gobbi, Ekkehard Wlaschiha oder Andrzej Dobber. Alle Genannten haben ungeachtet dessen einen ganz besonderen, unverwechselbaren Stimmklang. Es gibt Sänger, die technisch mindestens eben so gut sind, aber im Stimmklang einfach monochroner und für mich langweiliger, die mich daher weit weniger ansprechen.

    Bei den Bassisten fasziniert mich der unruhige, Emotion transportierende Stimmklang eines Boris Christoff, aber ich mag auch eher klarere Stimmen wie die eines Siegfried Vogel oder Matti Salminen.


    Das war jetzt meine höchst subjektive Antwort auf die Frage, welches Timbre von welchen Sängern mich ganz besonders anspricht. Eine allgemeine Tendenz in die eine oder andere Richtung gibt es dabei nicht, nur die Tendenz zu Stimmen, die in ihrem Fach besonders unverwechselbar sind - was aber weiß Gott nicht für alle gilt, denn es gibt eine ganze Anzahl von Sängern, deren besonders individuelles Timbre mich klanglich überhaupt nicht anspricht, sondern vielmehr abstößt. Ich möchte jetzt keine Beispiele nennen, aber das macht mir die große Subjektivität der Einschätzung, ob einem ein Stimmtimbre zusagt oder eben nicht, wieder sehr bewusst. Letztlich ist das wirklich zuallererst eine Geschmacksfrage und die Geschmäcker sind nunmal verschieden. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Stimmenliebhaber",


    angesichts deines Namens musste dich die Frage ja reizen ;).

    Deine Antwort fällt entsprechend interessant aus.


    Besonders die Rolle des Vibrato hast du nachvollziehbar hervorgehoben.


    Es bleibt wohl ein persönliches, rätselhaftes Empfinden, wie sehr einen eine Stimme anspricht. Das ist bei optischen Reizen ja nicht anders.

    Dennoch gibt es ein paar Kriterien, die offenbar recht vielen Menschen gefallen.

    Kaum jemand wird sagen, dass ihm das Timbre des jungen Carreras nicht gefällt. Spielt man jemanden Nicolae Herlea vor, wird er wohl mit Sicherheit sagen, die Stimme sei schön!

    Und umgekehrt wird kaum ein Opernfreund behaupten, dass die Callas rein vom Timbre zu den besten Sopranistinnen gehört. Gerade deswegen werden ja immer ihre anderen Vorzüge so sehr betont.

    Es scheint also doch Facetten im Wohlklang zu geben, der beinahe objektiv als schön zu bewerten sind.


    Mir fällt da noch eine Frage zu Opernstimmen ein, aber die stelle ich erst in ein paar Tagen. Vielleicht gibt es zuvor ja noch Antworten auf diese hier.

  • Und umgekehrt wird kaum ein Opernfreund behaupten, dass die Callas rein vom Timbre zu den besten Sopranistinnen gehört.

    Aber gerade deren Timbre spricht mich unglaublich an, ist auch in seiner gewissen Herbheit und Vielfarbigkeit reizvoll und interessant.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es bleibt wohl ein persönliches, rätselhaftes Empfinden, wie sehr einen eine Stimme anspricht

    So geht es mir auch. Wenn mich eine Stimme begeistert, dann habe ich das Gefühl, die Erde zu verlassen, zu schweben. Ich kenne etliche Opernfreunde, denen ähnliche Empfindungen wichtiger sind als theoretische Abhandlungen zur Stimmbildung. Leider kenne ich die ganz großen Sänger des vergangenen Jahrhunderts kaum von der Bühne. Trotzdem gibt es Sänger, die mich in den Himmel schweben lassen, nicht in jeder Rolle, denn nicht jede Rolle liegt jedem.

    Bei "Che gelida manina" ist es z.B. Jussi Björling, die Stretta aus dem Troubadour begeistert mich mit Mario del Monaco, mit Björling und mit Rosvaenge. Wenn Ramey einen der "Teuflischen" singt und spielt, bin ich vollends weg. Komischerweise reizt mich Alfredo Kraus und di Stefano weniger. Pavarotti und Domingo sowie Corelli gefallen mir fast immer. Giacomini habe ich kürzlich mit einer Arie aus "dem goldenen Westen" gehört, und ich war begeistert.

    Bei Koloraturen ist Gruberova dicke das (habe sie ja auch mehrfach erlebt), die junge Callas war unschlagbar, später die Scotto und Freni. Und bei den Baritönern Hvorostovski, Gobbi, Panerai, Bastianini sowie viele Amis.


    Die Palette ich gewaltig, aber wie gesagt, nicht jeder in jeder Arie.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Guten Morgen,


    ein interessantes Thema. Die Sänger und ihre Stimmen und Gerstaltungskunst sind für mich das A und O der Oper.


    Mir haben seit jeher die Tenöre, dabei die rauheren, gleichsam naturbelassenen, in ihrer Wirkung nicht ausschließlich auf stimmlichen Wohlklang ausgerichteten Stimmen besonders fasziniert. Solche Stimmen mit individuellem Timbre, die sofort erkennbar sind.

    Reinen Wohlklang finde ich ermüdend und auf Dauer langweilig.

    Vor allem folgende Sänger halte ich dabei seit jeher hoch in Ehren: Bernd Aldenhoff, Jussi Björling, Rudolf Schock, Mario del Monaco und James McCracken, den ich auch noch live gehört habe.

    Bernd Aldenhoff war wohl einer der letzten großen dunkel getönten dramatischen Tenöre. Drama ist das, was mir bei seinen Aufnahmen zuerst einfällt, etwa seinen Wehding-Aufnahmen aus den späten 40er Jahren. Bei Jussi Björling fasziniert mich der strahlende, immer aber etwas melancholisch umflorte Ton und bei allem Glanz auch kraftvolle Mittellage. Bei Rudolf Schock neben seiner ausgezeichneten Gesangstechnik und vorbildlichen Artikulation das stets vorhandene Gefühl, hier arbeitet jemand am Gesang, man kann ihm bei der "Gesangsarbeit" richtiggehend zusehen. Bei James McCracken denke ich seine gigantische Bühnegestalt mit. Er war ein "Bühnentier, vor allem als Otello, die Schallplatte/CD hält seine Auasdrucksgewalt nur unzureichend fest. Sein Canio, Samson und Otello waren wohl für viele, die ihn erlebten, unvergleichliche Eindrücke. In den USA wird er daher von vielen Tenorfans hoch verehrt. Zu del Mario Monaco bedarf es keiner Erklärung. Seine Stimme ist sofort erkennbar, dunkel, nicht glatt geschliffen. Einfach ein machtvoller, aber sehr kluger und bewußter Sänger. Dass er kein Nemorino oder Rodolfo sein konnte, ist ihm nicht vorzuwerfen.


    Vielleicht noch einen Satz: Mitte der 60er Jahre erschien das Buch "Die Krise der Gesangskunst" von Wolf Rosenberg, der damals als "Papst" der Stimmkritik galt. Er machte aus seinen Vorlieben und Abneigungen (vor allem gegen "jenen Tenor", gemeint war der unvergleichliche Mario del Monaco, dem er angebliches Einheitsforte vorwarf) keinen Hehl. Damals habe ich seinem Urteil geglaubt, heute und viele Aufnahmen später, die Rosenberg noch garnicht kennen konnte (zum Beispiel die Live- Aufnahmen del Monacos) halte ich sein Buch für schädlichen Unsinn. das zeigt, mit dem kritischen Urteil über Sänger sollte man vorsichtig sein.

    Viele Grüße

    Otello50

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  • James McCracken besaß in der Tat ein einmaliges Timbre. Er hat etwas in der Stimme, man kann es schwer beschreiben, das mich sehr anspricht. Mir fällt dazu höchstens "voluminöser Schmelz" ein.


    Dein letzter Satz ist wohl wahr, daher bitte ich hier ja auch die Stimmenfreunde ihre Lieblings-Timbres zu nennen und zu beschreiben. Und das hast du eindrucksvoll getan. Danke.

  • Liebe Freunde,


    die Frage nach dem Timbre zu stellen ist interessant und wäre sicherlich noch lohnender, wenn darauf eine halbwegs allgemein gültige Antwort gefunden werden könnte. Genau dies bezweifle ich, weil wir bei den gewählten Attributen unterschiedliches verstehen und assoziieren. Ich möchte dies mit einem Beispiel untermauern:

    Was bedeuten die Begriffe Schwarz. Schwärze, oder schwarzer Bass?

    Die Antwort dürfte wohl lauten: Ein Sänger der sich durch eine besondere Tiefe auszeichnet. Richtig. Aber um eine treffende Charakterisierung des Phänomens "Schwarzer Bass" abzugeben, ist dies m. E. viel zu wenig: Schwärze ist vor allem die Stimmfarbe, die Lage, die dunkel klingende Tönung im gesamten Stimmbereich, die Fähigkeit auch im ganz tiefen Bereich volle, runde, wohlklingende Töne zu produzieren usw.

    Auch bei anderen oft pauschal-verwendeten Begriffen zur Charakterisierung einer Stimme werden sich Schwierigkeiten eindeutiger Definition einer Stimme ergeben. Schlussfolgerung: Timbre/Stimmfarbe sind eine Ausdrucksform des jeweiligen Sängers und der Empfindungen des Hörers. Sie sind also beiderseitig personengebunden und können kaum oder nicht allgemein gültig formuliert werden.


    Herzlichst

    Operus (Hans)


    P. S. Der Begriff " Der schwärzeste Bass" beschäftigt mich schon lange. Wilhelm Furtwängler verpasste Gottlob Frick anerkennend diesen Begriff. Der Sänger selbst und vor allem seine Gattin lehnten diese Pauschalierung, vehement ab weil sie alle anderen Stimmqualitäten des Sängers überstrahlen und verdunkeln. Dadurch werden alle anderen Qualitäten kaum mehr wahrgenommen und erwähnt. Die Gottlob Frick Gesellschaft hat im letzten Jahr in ausgezeichneter, partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Haenssler-Team eine 4 er Box herausgebracht. Die intensivste und konträrste Diskussion gab es über den Namen der Neuauflage. Weil ich die Einstellung des Sängers und die Auswirkungen der Etikettierung kannte, wehrte ich mich gegen die gewollte Namensgebung wurde jedoch am Ende überzeugt (überstimmt), dass aus Marketing-Gesichtspunkten die Edition doch heißen muss: "Gottlob Frick der schwärzeste Bass". Da unsere Erwartungen erreicht, ja übertroffen wurden hatten die Marketingexperten wahrscheinlich doch recht. Ich wollte nur darauf hinweisen, welche Auswirkungen Formulierungen, die so griffig sind für die tiefergehende Beurteilung einer Stimme und eines Sängers doch haben können.

    D.O.

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Oktavisten sind mir eigentlich nur aus russischer, oft sakraler Musik bekannt. Als solche kenne ich sie aus manchen Chören, sie sind schon beeindruckend. Russische Chöre überhaupt, auch in der Interpretation volkstümlicher Musik.

    In Opernrollen sind die Oktavisten mir eigentlich nicht begegnet. Da ist die Bezeichnung "Basso profondo" als "schwarzer Bass" geläufig. Ich gebe operus durchaus recht, daß mit der Bezeichnung "schwärzester aller Bässe" eine Einstufung erfolgt, die nicht nur bei Gottlob Frick, auch bei Karl Ridderbusch häufig verwendet wurde. Letztendlich finde ich, daß damit ein Qualitätsmerkmal, aber keineswegs der komplette Leistungsumfang angesprochen wird.

    Die einseitige Zuordnung z.B. zu Paul Robesons Interpretation von "Ol´man River" finde ich falsch. Direkt mißbraucht finde ich die Bezeichnung "schwärzester Baß" bei Iwan Rebroff.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Schwärzester Bass? Wohl die Oktavisten (Zlatopolsky, Pasjukov)


    Die einseitige Zuordnung z.B. zu Paul Robesons Interpretation von "Ol´man River" finde ich falsch. Direkt mißbraucht finde ich die Bezeichnung "schwärzester Baß" bei Iwan Rebroff.

    Lieber Otello 50, lieber Ulli,


    danke für das Beispiel der Oktavisten. Ich überlegte in meinem Beitrag ob ich sie anführen soll.Hier handelt es sich um Spezialisten, die auf die Produktion tiefster Töne trainiert sind. Sie werden, wie Ulli richtig bemerkt schwerpunktmäßig im russischen Sakral-Gesang zur Stabilisierung und Abrundung des Chorklangs im tiefen Bereich eingesetzt. Sie können den Atem voll konzentriert ausstoßen und dann in einem durch die Kraft erreichten extrem tiefem Bereich einen gering variierenden Tonumfang halten. Das ist im Grunde kein natürliches Singen. Deshalb wird in dieser Lage auch kaum oder nicht solistisch gesungen.

    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • "Schwarz" ist ja keine Frage der Tonhöhe, sondern des Timbres, und als besonders "schwarz" wird ein Bass wahrgenommen, der in allen einen Lagen, also in der Tiefe ebenso wie in der Höhe und in der Mittellage, besonders dunkel klingt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Schwarz" ist ja keine Frage der Tonhöhe, sondern des Timbres, und als besonders "schwarz" wird ein Bass wahrgenommen, der in allen einen Lagen, also in der Tiefe ebenso wie in der Höhe und in der Mittellage, besonders dunkel klingt.

    Lieber Stimmenliebhaber,

    das sehe ich ebenso. Nur für mich ist es noch mehr: Die Stimme muss geschmeidig wie schwarzer Samt fließen. Der Ton muss auch bei den tiefsten Stellen noch rund, voll tönend klingen. Der dunkle Strom soll natürlich, frei und unangestrengt klingen und dabei noch verständlich sein. Hohe Anforderungen dabei, in extremer Tiefe ohne Substanzverlust noch einen Triller korrekt singen zu können, wie z. B. Hagen in der Mannenszene in der "Götterdämmerung."

    Schwarz ist also ein Synonym, eine Zusammenfassung der Tugenden eines echten Basso profondo und die sind leider sehr selten.. :hello:


    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Beim Nachdenken über Deine Fragestellung fiel mir auf, lieber greghauser2020, wie stark sich der Eindruck von einer Stimme in Oper und Konzert von dem unterscheidet, was Tonträgerr vermitteln.


    Plattenlieblinge wie Jussi Björling oder Fritz Wunderlich erlebte ich nie live. Wobei ich den Letztgenannten knapp verpasste: wenige Monate nach seinem all zu frühen Unfalltod besuchte ich an der Bayrischen Staatsoper München eine Aufführung des "Don Pasquale". Statt des bereits verstorbenen Fritz Wunderlich hörte ich Adolf Dallapozza.


    Ist es das Timbre, was mich an Björling und Wunderlich begeistert? Es spielt eine Rolle, zweifellos.


    Bei den "sowohl als auch" Künstlern (mir auf Platte und Bühne begegnet) ist Theo Adam ein herausragendes Beispiel für meinen unterschiedlichen Höreindruck. Er überzeugte mich auf der Bühne immer, gefiel mir auf Tonkonserven nie. Sicher auch seinem Timbre geschuldet. Fachleute bitte ich meinen Beschreibungsversuch "ein Loch in der Mitte der Stimme" zu entschuldigen. Mir fällt kein besseres Bild für den gefühlten Mangel ein.


    Ein weniger prominenter Name: Gretel Hartung. Ich kenne diese Sopranistin nur als Mariza in der gleichnamigen Operette, und das ausschließlich von einem Querschnitt auf Platte. Vielen Gesangspuristen vermutlich ein Gräuel, trifft Hartung für meinen Geschmack ins Schwarze, vermittelt mir ideal die Circensik der Figur. Sie hat, wieder ein arg bemühtes Bild "ein Lachen in der Stimme". Gehört das in die Kategorie "Timbre"?


    Stimmfarbe ist für mich ein zentraler Faktor bei der Wiedererkennbarkeit einer Stimme. Sicher kennen das viele von Euch: eine Sängerin, ein Sänger im Radio, und nach ein, zwei Takten ist klar, wer das ist. Bestes Beispiel dafür vermutlich Maria Callas.


    Auf der Opernbühne steht für mich der Gesamteindruck einer Sängerleistung im Vordergrund. Ein beliebtes Schlagwort für das, was ich meine, ist "rollendeckend". Da höre ich im Lauf eines Abends gerne auch über einen Stimmklang hinweg, der mir weniger behagt, Musikalität und darstellerische Intensität rücken in den Fokus.

  • Bei mir ist das Timbre so gut wie immer mit einer bestimmten Arie oder, genauer, Rolle verbunden.

    Hier meine vorläufige Liste:

    Nicolai Ghiaurov: Boris, Don Giovanni, Gorjantschikow (Totenhaus)

    Helen Donath: Kind (L´enfant et les sortilèges), Ighino (Palestrina), Gänsemagd (Königskinder)

    Fischer-Dieskau: Der Abschied (Lied von der Erde)

    Wunderlich: Mazal (Die Ausflüge des Herrn Broucek)

    Helena Tattermuschowa: Füchslein

    Colette Lorand: Emilia Marty (Makropulos), nur live

    Christoph Prégardien: Evangelist (Bach)

    Ursula Koszut: Regina (Mathis der Maler)

    Nuria Rial: La Calisto

    Maria Bayo: La Calisto

    Cesare Siepi: Figaro

    Gundula Janowitz: alles


    Insgesamt bin ich ein Liebhaber leichter Stimmen, aber nicht nur, bei Bässen möchte ich richtige Tiefe haben.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Bei den "sowohl als auch" Künstlern (mir auf Platte und Bühne begegnet) ist Theo Adam ein herausragendes Beispiel für meinen unterschiedlichen Höreindruck. Er überzeugte mich auf der Bühne immer, gefiel mir auf Tonkonserven nie. Sicher auch seinem Timbre geschuldet.

    Hallo, Udo

    Ich war zwar nie ein Fan von Theo Adam, aber Deinen Eindruck kann und möchte ich Dir gern bestätigen, zumindest eine Partie betreffend.

    Ich habe ihn einmal 1/3 als Wotan, aber viele, viele Male als Scarpia live auf der Bühne in der Berliner Staatsoper erlebt.

    Und da muß ich sagen - in dieser Partie war er überragend - sowohl darstellerisch, wie auch stimmlich.

    Auch ins Nachhinein - für mich immer noch mit Abstand der beste Scarpia, ich kann mir keinen besseren vorstellen.


    CHRISSY


    Theo Adam als Scarpia in

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Auf der Opernbühne steht für mich der Gesamteindruck einer Sängerleistung im Vordergrund. Ein beliebtes Schlagwort für das, was ich meine, ist "rollendeckend". Da höre ich im Lauf eines Abends gerne auch über einen Stimmklang hinweg, der mir weniger behagt, Musikalität und darstellerische Intensität rücken in den Fokus.

    Nachvollziehbar, lieber "udohasso".

    Aber andererseits ist es mir ab und zu (leider nicht sehr oft) passiert, dass ich auf der Bühne einen Sänger oder eine Sängerin gehört habe und praktisch vom ersten Ton an fasziniert war. Da wusste ich noch nicht, ob dieser Interpret/diese Interpretin rollendeckend oder ob die Technik ausgereift ist. Ein spontanes Ansprechen des Timbres ist auch auf der Bühne möglich. Und wenn das passiert, ist das wunderbar. Tenöre, deren Farben mich faszinierten: Franz Supper, Vincent Schirrmacher, Timothy Richards.

  • andererseits ist es mir ab und zu (leider nicht sehr oft) passiert, dass ich auf der Bühne einen Sänger oder eine Sängerin gehört habe und praktisch vom ersten Ton an fasziniert war. Da wusste ich noch nicht, ob dieser Interpret/diese Interpretin rollendeckend oder ob die Technik ausgereift ist. Ein spontanes Ansprechen des Timbres ist auch auf der Bühne möglich. Und wenn das passiert, ist das wunderbar

    Lieber Greghauser

    Das kann ich Dir aus eigener Erfahrung genau so bestätigen.

    Meine erste erlebte Oper in der Berliner Staatsoper war "La Bohéme". Ich war völlig ahnungslos, kannte keine Abendbesetzung, kannte nicht

    einen einzigen Namen. Auf der Bühne als Rodolfo ein Tenor, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, von dem ich absolut nichts wußte.

    Aber sofort (!!!) war ich fasziniert und begeistert. Die Folgejahre, wo ich ihn dann noch in vielen anderen Opern erlebte,

    bestätigten meine spontane Anfangsbegeisterung - er wurde zu meinem Lieblingstenor.

    Auch heute geht es mir noch so. Im "Trovatore" erlebte ich als "Azucena" eine Gastsängerin aus Prag.

    Inzwischen habe ich sie mehrmals in dieser Partie erlebt und ich sage - natürlich fahre ich wegen der Oper, wegen der Musik

    und dem gesamten Ensemble hin. Aber alleine wegen ihr, sie wieder zu erleben, lohnt es sich immer wieder erneut hinzufahren.

    Schon jetzt bin ich voller riesiger Vorfreude, sie irgendwann demnächst, wieder live in dieser Partie zu hören und zu sehen.


    Herzliche Grüße

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...