DONIZETTI, Gaetano: LA LETTERA ANONIMA

  • Gaetano Donizetti ( 1797 – 1848 )

    La lettera anonima

    (Der anonyme Brief)


    Farce in einem Akt

    Libretto: Giulio Genoino nach Pierre Corneille

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung: Neapel 1822


    PERSONEN DER HANDLUNG

    Filinto, Marinekapitän, Tenor

    Gräfin Rosina, seine Verlobte, Sopran

    Melita, junge Witwe, Mieterin bei Don Macario und heimliche Liebhaberin Filintos,Mezzosopran

    Graf Don Macario, Rosinas Onkel, Bariton

    Lauretta,Kammermädchen der Gräfin, Sopran

    Giliberto, Haushofmeister des Don Macario, Bass

    Flageolet, Tanzlehrer. Bariton

    Diener, Kellner, ein Geiger


    Ort und Zeit der Handlung: Neapel, 17. Jahrhundert


    INHALTSANGABE


    Elegantes Zimmer im Haus des Grafen Don Macario

    Der Haushofmeister Giliberto und die Diener erinnern den Grafen Don Macario an den heutigen Tag, nämlich die Hochzeit seiner Nichte. Er glaubt, dass sie Geld von ihm haben wollen und protestiert. Sie möchten ihn jedoch nur darauf hinweisen, dass er als Edelmann bei einer solchen Gelegenheit wohl fürstliche Geschenke machen müsse. Er tut so, als ginge ihn das nichts an. Die Diener wollen enttäuscht wieder an ihre Arbeit gehen.

    Die Nichte des Grafen, Rosina, kommt, elegant gekleidet, hinzu. Sie verteilt Geld an jeden, wofür sie die Diener und der Onkel loben. Dann bittet sie die Diener, alles für die Hochzeit vorzubereiten. Sie wünscht außerdem, dass Giliberto ihr ihre Kammerdienerin Lauretta schicke.

    Mit dem Onkel allein, lobt sie ihre neue Kammerdienerin, die es verstehe, eine Braut erlesen zu kleiden und elegant zu frisieren. Das weitere Gespräch dreht sich um ihr Aussehen, wobei der Onkel sie ein wenig damit hänselt. Als Lauretta nicht schnell genug eintrifft, erklärt Don Macario sich bereit, sie zu holen.

    In der Zwischenzeit denkt Rosina über ihre Freundin Melita nach, die Anzeichen von Eifersucht zeige.

    Lauretta kommt. Die ungeduldige Rosina tadelt sie, dass sie schneller sein müsse. Dann geht es wieder um Rosinas Äußeres, mit dem sie noch nicht ganz zufrieden ist. Als man Schritte hört, schickt Rosina Lauretta fort.

    Filinto tritt ein. In dem folgenden Liebesduett klingt bei der eifersüchtigen Rosina schon ein kleiner Zweifel an seiner Treue an, den Filinto aber zerstreuen kann. Als dann Filinto ihr elegantes Aussehen anspricht, erklärt Rosina ihm, dass es das Werk Laurettas sei, die er ihr empfohlen habe. Wir erfahren, dass Lauretta unglücklich sei, weil ihr Vater, ein Amtsschreiber – wie Filinto meint, unschuldig – im Gefängnis sitze. Er habe an eine Madame Seville um Hilfe geschrieben, aber keine Antwort erhalten.

    Rosina gibt ihrer Kammerdienerin Geld für den Vater. Aber Filinto soll sie in Gefängnis begleiten. Es könnte ja sein, dass Melita hier auftaucht, und mit ihr will sie Filinto nicht allein lassen. Sie gehen.

    Der Graf und Giliberto kommen herein. Giliberto bringt einen Brief, der an Don Macario gerichtet ist. Der Graf will ihn jedoch nicht lesen, weil es bei ihnen der Brauch sei, dass Rosina seine Briefe lese. Er fragt Giliberto, ob alles für die Hochzeit gerichtet sei, was dieser bejaht. Als sie bemerken, dass sich jemand nähert, brechen sie das Gespräch ab.

    Melita kommt hinzu. Sie weiß etwas von einem Brief und ist nun neugierig, dessen Wirkung zu erkunden. Da der Brief noch nicht gelesen wurde, erfährt sie nicht, was sie wissen möchte. Die beiden Männer verspotten sie lediglich wegen ihres gezierten Verhaltens. Der Graf wirft ihr außerdem vor, ständig neugierig am Fenster zu stehen.

    Rosina kehrt zurück und wird von Melita überschwänglich begrüßt. Rosinas Kleid tut Melita aber als unschicklich ab. Flageolet, der Tanzlehrer, kommt mit einem Geiger, dem er jedoch erst einmal zeigen muss, wie man eine Geige stimmt. Dann beginnt Rosinas Tanzstunde. Nachdem Rosina einige Tanzschritte vorgeführt hat, meint der Tanzlehrer, es sei schon recht gut, es fehle nur noch der Tanzpartner. Diesen Tanzpartner hat der Graf auf Wunsch von Rosina bestellt und nun ist er der Ansicht, der Brief, den er erhalten habe, sei dessen Antwort. So gelangt der Brief in die Hände von Rosina, die zunächst feststellt, dass er nicht unterschrieben ist. Sie liest ihn vor und erblasst. Der Schreiber teilt dem Grafen mit, dass er die Ehre seiner Nichte retten wolle. Filinto sei bereits mit einer jungen Frau aus Triest verheiratet. Rosina entlässt Tanzlehrer und Geiger. Sie fühlt sich betrogen, und Melita versucht scheinheilig, sie zu trösten.

    Als Filinto hereinkommt, weist ihn Rosina sofort hinaus. Sie und auch Melitta bezeichnen ihn als Betrüger. Don Macario überreicht dem Ahnungslosen den Brief. Filinto liest ihn und wird über die Verleumdung zornig. Die Anderen – außer Melita, die an dieser Stelle erstmals (für sich) ihre Schuld erkennt – halten die Zornesausbrüche Filintos für ein Eingeständnis seiner Schuld. Rosina verlässt – auf Melita gestützt – den Raum.

    Filinto möchte ihnen folgen, doch der Graf hält ihn auf. Dann weist er ihn zur Tür hinaus und folgt ihm.

    Lauretta sucht ihre Herrin und begegnet Giliberto. Dieser klärt sie über die Lage und den Inhalt des anonymen Briefes auf. Sie hält zwar nichts von solchen Briefen, aber es tut ihr leid um ihre Herrin und sie würde – wenn es wahr wäre – einen solchen Mann auch nicht haben wollen.

    Flageolet kommt mit Filinto. Der Tanzleherer hat ihn um einen Gefallen (vermutlich den Tanzpartner für Rosina zu spielen) gebeten. Doch Filinto weigert sich und wird zornig. Er will diese Frau, die ihn so ehrenrührig beleidigt hat, nie wiedersehen. Alle Versuche der Anderen, ihn zu beruhigen, scheitern. Er schwört Rache und verlässt den Raum.

    Giliberto und Flageolet sehen die Hochzeit schwinden. Lauretta schlägt vor, anhand des Briefes festzustellen, wer der Schreiber sein könnte. Aber der Brief befindet sich im Besitz Filintos.

    Der Graf erscheint und erkundigt sich, ob Flageolet seinen Auftrag, erfüllen konnte, Filinto zurückzuhalten. Da das nicht gelungen ist, muss nun die Hochzeit ausgesetzt werden. Aber wer soll die vielen Absagen schreiben? Der Graf ist im Schreiben nicht mehr geübt. Giliberto ist zwar bereit, bittet aber um Mithilfe. Lauretta erklärt, dass sie des Schreibens unkundig sei. Da erklärt sich schließlich Flageolet bereit, Giliberto zu helfen. Alle gehen ab.

    Rosina beklagt sich bei Melita, dass Filinto verschwunden ist. Sie will immer noch nicht glauben, dass er schuldig ist. Doch Melita bestärkt sie darin, diesen „Unwürdigen“ zu vergessen.

    Lauretta bittet, eintreten zu dürfen. Sie bedauert ihre Herrin, aber sie glaubt, dass die Angelegenheit wohl bald geklärt sein wird. Dann fragt Rosina, ob sie Filinto gesehen habe. Lauretta sagt, dass sie ihn getroffen habe. Er habe seine Unschuld beteuert und wolle nicht eher ruhen, bis er den Schreiber des Briefes gefunden habe. Melita gerät immer mehr in Verlegenheit. Rosina möchte Filinto gerne selbst befragen und will ihm einen Brief schreiben. Lauretta erklärt sich bereit, ihm den Brief zu überbringen, doch die Rosina will, dass Giliberto ihn Filinto übergeben solle. Melita vermutet, dass Rosina auf Lauretta eifersüchtig sei. Dann gehen alle drei ab.

    Don Macario kommt mit Giliberto und Dienern. Der Graf hat viele Briefe in der Hand. Er beauftragt nun jeden einzelnen Diener, wer welchem eingeladenen Gast die Absagen überbringen solle. Giliberto schaltet sich ein: Man möge keine Zeit verlieren und den Boten die Briefe übergeben. Sie könnten doch selbst die Adressen lesen.

    Ehe die Diener aber forteilen können, halten Flageolet und Filinto sie auf. Es gebe gute Nachrichten. Filinto bittet, Rosina zu rufen, die auch sofort mit Melita erscheint. Dann gibt er bekannt, dass er den Verfasser des verleumderischen Briefes gefunden habe. Es sei eine boshafte Frau. Melita beginnt zu zittern. Als Filinto aber den Namen nennt, erstaunen alle: Lauretta. Flageolet hat das herausgefunden, indem er den anonymen Brief mit dem von Laurettas Vater an Madame Seville verglichen habe. Dieser habe also den Brief für Lauretta geschrieben. Rosina lässt Lauretta rufen.

    Lauretta ist verwirrt über die Vorwürfe, die man ihr macht. Sie weiß nichts von einer Schuld, aber ihre Verwirrung wird von den Anderen als Schuldeingeständnis gewertet. Schließlich übergibt Filinto ihr den Brief und sie erkennt die Schrift ihres Vaters. Um diesen nicht zu gefährden, schweigt sie. Da will Filinto zu ihrem Vater gehen, um die Angelegenheit mit ihm selbst zu klären. Nun kann Melita ihr schlechtes Gewissen nicht mehr länger ertragen. Da ohnehin mit der Befragung von Laurettas Vater alles ans Licht kommen würde, bekennt sie endlich, dass sie Laurettas Vater den Brief aus blinder Liebe diktiert habe. Laurettas Vater aber sei unschuldig. Als Filinto sein Schwert ziehen will, fällt ihm Rosina in den Arm. Sie vergibt Melita und fragt Filinto, ob er sie trotz des Unrechts, das sie ihm angetan hat, noch liebe. Er versichert ihr leidenschaftlich seine Liebe. Nun kann – nach einem festlichen Abschlusschor – die Hochzeit stattfinden.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Anmerkungen:

    Obwohl, wie Donizetti selbst schreibt, das Stück von einen unerfahren Sänger teilweise ruiniert wurde, scheint es insgesamt gut aufgenommen worden zu sein und erlebte noch 20 Aufführungen. Über die weitere Aufführungsgeschichte ist wenig bekannt. Zumindest aber gibt es eine historische Live - Aufnahme von 1972 aus Neapel auf CD.

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    Ich könnte mir denken, dass die Oper wegen des neapolitanischen Dialekts, den der Graf ausschließlich spricht und der einen weiten Raum im Text einnimmt, an anderen Stellen kaum aufgeführt wird.

    Einzelne Teile der Oper kann man sich auf youtube anhören.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)