FRANCK, César: LES BEATITUDES

  • César Franck (1822-1890):


    LES BEATITUDES (Die Seligpreisungen)

    Oratorium in acht Teilen mit Prolog - Text aus Matthäus 5 und von Mme. (Joséphine-Blanche Bouchet) Colomb


    Erstaufführung mit Schülern und Klavierbegleitung in Francks Haus am 20. Februar 1879 (am Klavier: Vincent d’Indy)

    Erstaufführung mit der vervollständigten Orchesterfassung postum am 15. Juni1891


    Besetzung:

    Vokal: Sopran, Mezzosopran, Alt, 2 Tenöre, Bariton und 2 Bässe; 4stg. gemischter Chor

    Instrumental: 2 Fl, 1 Picc, 2 Ob, 2 Klt, 2 Fg, 4 Cor, 4 Tr, 3 Trb, Tuba, Timp, Becken, 2 Harfen, 2 Vl, Va, Kb, Orgel



    INHALTSANGABE



    Im Prolog berichtet der Solo-Tenor (ohne explizit die Zeiten zu benennen) von den Epochen, in der die Menschen, beladen von Übeln und Verbrechen, Henkersopfer waren. Doch dann war da plötzlich eine „süße Stimme“, die den Entrechteten Hoffnung gab, die sie die Blicke zum Himmel erheben ließ und die Engel „um den göttlichen Meister herum“ laut singen hörten:

    Gepriesen sei, der die Hoffnung in den entmutigten Herzen wieder erblühen lässt.


    Dann beginnt der erste Abschnitt des Oratoriums:


    1. Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.


    Der Irdische Chor lobt Reichtum und sinnliche Genüsse, beklagt aber auch, dass die Not der Welt, die es natürlich gibt, die Fröhlichkeit der Herzen verletzt. Deshalb muss man das Elend „vor unseren Augen“ entfernen. Die Stimme Christi setzt dem angeschlagenen Ton, Lob alles Irdischen, sein Lob der Genügsamkeit entgegen. Die Entgegnung gipfelt in dem Satz:

    Wahrlich, ich sage Euch: Selig der Mensch, dem die heilige Barmherzigkeit das himmlische Königreich eröffnet.

    Eine Verheißung, die der Himmlische Chor nicht nur textlich, sondern auch musikalisch von der Bariton-Stimme Christi übernimmt.


    Der zweite Abschnitt, die zweite Seligpreisung des Oratoriums


    2. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen


    ist geprägt durch die dramatische Klage des Irdischen Chores, dass der Mensch einsam wurde und ihm kein Strahl der Hoffnung leuchtet:

    Vergeblich erhebt sich die empörte Seele gegen ihr Elend, das Schicksal knechtet sie mit unerbittlicher Hand.

    Der Himmlische Chor bedauert, vertont mit einer volkstümlich-tröstenden Weise, die armen Wesen, und empfiehlt dringend, die Ketten der irdischen Güter durch die „heilige Anmut der Seele“ zu ersetzen. Dann trägt Christi Stimme die zweite Seligpreisung vor.


    Im dritten Teil werden reale Szenen geschildert: Eine Mutter beweint den Tod ihres Kindes, ein Waisenkind beklagt seine Verlassenheit, eine Gattin trauert um ihren verstorbenen Mann und ein Gatte gedenkt wehmütig seiner dahingeschiedenen Frau. Der Chor übernimmt die Klage und ruft als Sklavenchor sehnsüchtig nach der verlorenen Freiheit. Die Philosophen teilen die Klagen der Menschheit über den unversöhnlichen Herrscher, dessen „furchtbare Hand“ das menschliche Herz zerbricht. Es ist wieder die Stimme Christi, die den Trost mit der dritten Seligpreisung verkündet:


    3. Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.


    Diese Worte übernimmt der Himmlische Chor mit paraphrasierendem Text und beendet den dritten Teil als großes Ensemble.


    Der vierte Abschnitt ist kurz und besteht aus einer opernhaft gestalteten Tenorarie, bei der das Orchester sehr stark in den Vordergrund tritt. Erst mit der Stimme Christi, die ruhig die Seligpreisung vorträgt


    4. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden


    und den Text als Paraphrase weiter ausdeutet, wird das musikalische Geschehen dem Inhalt des Vorgetragenen angepasst.


    Der fünfte Abschnitt

    5. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen


    kann als emotionaler Höhepunkt des gesamten Oratoriums gewertet werde: Da schreit die Menge nach Strafe und Rache für die Ungerechten, die Chöre der Irdischen und der Himmlischen kämpfen um die Deutungshoheit (vom Komponisten auch orchestral äußerst opernhaft in Szene gesetzt). Ruhiger wird es erst mit der Stimme Christi, die dennoch mit Deutlichkeit der Menschheit offenbart, wem die Rache zusteht:

    „Mein ist die Rache“, spricht der Herr! Er allein wird euch eines Tages gegen die Unterdrücker verteidigen.

    Bevor der Engel der Vergebung die Menschen auffordert, dem Hass und der Feindschaft zu entsagen und dabei auf den ewigen Richter über Alle hinweist, verkündet Christi Stimme die fünfte Seligpreisung, die vom Chor der Himmlischen übernommen wird.


    Der Abschnitt Sechs vereint in typisierender Form Jüdische und Heidnische Frauen, vier Pharisäer mit dem Engel des Todes zu einer Szene des religiös-kultischen: Die Heiden-Frauen beklagen die Abwesenheit ihrer Götter, beten deshalb um ihre Rückkehr, damit wieder die Gesetze Gültigkeit erlangen; die jüdischen Frauen rufen nach ihrem fernen Gott Jahwe, der den Himmel öffnen soll, damit sein Volk seine Stimme wieder vernehmen kann. Die vier Pharisäer weisen darauf hin, dass sie alle Gesetze erfüllt haben, dass sie die Gebote, die Moses vom Sinai brachte, immer gehalten haben. Und deshalb erwarten sie auch ihren gerechten Lohn. Der Engel des Todes wird deutlich: Kein Erdensohn wird, da er ungereinigt ist, den „König im ewigen Licht sehen“ dürfen. Der Himmlische Chor hat aber Tröstendes mitzuteilen:

    Des Kindes heiliges Unwissen ist dem Allmächtigen angenehm: Ist euer Herz ohne Schuld, kommt mit Zutrauen herbei, denn für euch wird sich der heilige Ort auftun.

    Die Stimme Christi unterstreicht diese Aussage mit der sechsten Seligpreisung:


    6. Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.


    Die Gewissheit des Trostes, dass allen Menschen ehrlichen Willens und reinen Herzens keine der Mächte des Bösen und die des Todes etwas anhaben können, wird mehrmals vom Chor der Himmlischen wiederholt.


    Im siebten Abschnitt erhebt Satan, begleitet vom Chor der Tyrannen, seine Stimme und behauptet, dass ihm die Erde und seine Bewohner gehören. Er ruft sie auf, ihm zu folgen und die Welt mit Krieg und Blut zu überziehen. Das gefällt auch den Heidnischen Priestern und dem lasterhaften Volk; sie wollen nicht die Gnade Gottes und bekräftigen ihre Einstellung in machtvollen Chören. Dem setzt Christi Stimme die siebte Seligpreisung entgegen:


    7. Selig sind, die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.


    Satan gefallen die Töne und Worte nicht, denn er, der aus dem Himmel verstoßene Erzengel, empfindet Schrecken und Ängste bei diesen Worten. Der Chor der Friedfertigen weiß, dass das

    Böse vergeht und flieht. Satans Werk ist vergeblich, es nutzt sich stündlich ab. Vom Guten jedoch […] wird nichts fortgerissen. Es kräftigt sich und währet ewiglich.


    Auch im achten und damit letzten Abschnitt des Oratoriums


    8. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich


    meldet sich Satan noch einmal zu Wort, und behauptet, dass seine Macht ungebrochen ist, denn nichts hält Hass und Meineid, Unrecht und Gemetzel von der Erde fern. Alles wird bleiben, wie bisher. Deshalb merk auf, du Christ, ich bin nicht besiegt! Schau nur genau hin und wenn Du es wagst, dann preise das Glück Deiner Kinder. Der Chor der Gerechten tritt des Bösen lange Beweisführung dreimal entgegen, aber erst die Mater Dolorosa besiegt Satan. Und die Stimme Christi bekräftigt:

    Kommt, ihr Seligen meines Vaters, kommt her zu mir! […] Zur ewigen Herrlichkeit bereitet Euch mein Kreuz den Weg,

    der Himmlische Chor ruft Euch und die Engel nehmen Euch bei der Hand. Ein großes Hosianna des Himmlischen Chores beendet in strahlendem Dur das Werk.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Die Idee einer Vertonung der Seligpreisungen aus Matthäus 5 hat César Franck zehn Jahre lang beschäftigt. Nach einigen Quellen ist dieser Beginn 1869 anzusetzen, nach anderen erst 1872 oder 1873. 1879 jedenfalls war das Oratorium soweit vollendet, dass der Komponist eine Aufführung vor Freunden und Bekannten in Betracht zog. Diese „Uraufführung“ am 20. Februar 1879 in seiner Pariser Wohnung, mit reduziertem Chor und nur mit Klavierbegleitung (ausgeführt von Vincent d’Indy), war ein Reinfall. Die Chroniken berichten von „kläglich“ oder „misslungen“ und wissen, dass etliche Anwesende nicht bis zum Ende ausharrten. Lange Zeit blieb das Werk aus Gründen des Unverständnisses „in der Schublade“, denn die erste vollständige Aufführung fand erst am 14. Juni 1891 in Dijon statt, ein Jahr nach dem Tod Francks, der sein Oratorium als „Opus magnum“ ansah.


    Dem Aufbau der Seligpreisungen entsprechend, besteht das Werk aus acht Teilen, denen ein Prolog vorangestellt ist, in dem der Solo-Tenor ein Bild der „alten Welt“ schildert, dem dann die Seligpreisungen als Verheißung gegenübergestellt werden. Als wichtiger musikalischer Baustein dient im Prolog ein synkopiertes Motiv, das Franck im weiteren Verlauf des Werkes nicht nur der Stimme Christi zuordnet, sondern sogar als Leitmotiv in verschiedenen Varianten durch sein Oratorium zieht.


    Das Libretto von Mme. Colomb, einer Anhängerin des damals in Frankreich weit verbreiteten Herz-Jesu-Kultes, gibt dem Komponisten immer wieder Möglichkeiten, die irdisch-leidvolle der himmlisch-erlösenden Sphäre gegenüberzustellen. Die musikalischen Mittel, die in den irdischen Chorszenen zum Einsatz kommen, sind ohne Zweifel der Grand Opera entnommen, während sich in den Himmelschören impressionistische Klangempfindungen niederschlagen.


    Bis auf die rein solistische vierte Seligpreisung weisen alle weiteren eine aus Solo- und Chorabschnitten gemischte Grundstruktur auf. Am Beginn steht immer die Schilderung von negativen Lebensverhältnissen, verkörpert in typisierten Gestalten wie Ehegatten, Mutter, Waisenkind, Tyrannen, Sklaven, Philosophen, Pharisäern, Todesengel und schließlich Satan (Bass); darauf erklingt, tröstend und verheißend, die Bariton-Stimme Christi (in Fis-Dur), die dann bekräftigt wird von dem der himmlischen Sphäre zugeordneten Chor.



    © Manfred Rückert für den Tamino-Oratorienführer 2020

    unter Hinzuziehung des Librettos

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  • Diskographische Hinweise


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