Gaetano Donizetti ( 1797 – 1848 )
Otto mesi in due ore ossia Gli esiliati in Siberia
(Acht Monate in zwei Stunden oder Die Verbannten in Sibirien)
Melodramma romantico in drei Akten
Libretto: Domenico Gilardoni
Originalsprache: Italienisch
Uraufführung: Neapel 1827
PERSONEN DER HANDLUNG
Der Zar, Tenor
Der Großmarschall, Bass
Graf Stanislao Potoski, Tenor
Gräfin Fedora, seine Gattin, Mezzosopran
Elisabetta, ihre Tochter, Sopran
Maria, Elisabettas Kindermädchen, Mezzosopran
Michele, ihr Sohn, Kurier des Zaren, Tenorbuffo
Iwano, ehemals Bojar 1), jetzt Fährmann am Kama 2), Bariton
Alterkhan, Oberhaupt eines Tartarenstammes, Bass
Orzak, ein weiteres Tartarenoberhaupt, Tenor
Ritter,Tartaren, Bergsteiger, Bauern, Soldaten
Ort und Zeit der Handlung: Saimka 3), am Kama und in Moskau, frühes 18. Jahrhundert
VORGESCHICHTE
Graf Potoski ist aufgrund einer Verschwörung des Großmarschalls und des Bojaren Iwano zu Unrecht nach Sibirien verbannt worden und lebt dort seit Jahren im Dorf Saimka mit Frau Fedora, Tochter Elisabetta, die inzwischen erwachsen ist, und deren ehemaligem Kindermädchen Maria. Maria hat auch einen Sohn, den sie damals verlassen musste, der es aber inzwischen zum Kurier des Zaren gebracht hat.
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
Innenraum einer armselig ausgestatteten Holzhütte
Die Gräfin Fedora und Maria warten mit Bangen auf die Heimkehr des Grafen Potoski und seiner Tochter Elisabetta, die sich auf die Jagd begeben haben. Bauern kommen, um den Geburtstag Elisabettas zu feiern. Schließlich trifft auch der Graf ein, jedoch ohne die Tochter, die sich nach seiner Aussage unterwegs von ihm getrennt habe. Potoski schickt die Bauern, sie zu suchen. Inzwischen unterhalten sich Potoski, Fedora und Maria über das etwas trotzige und wagemutige Mädchen. Maria versucht den Grafen und seine Gattin zu beruhigen. Sie werde ihren Sohn Michele einschalten und sie werden ihren Ruhm und ihre Güter wieder erhalten.
Dann kommt auch Elisabetta. Sie bittet ihre Eltern, nicht so ängstlich zu sein. Wer kann schon der Jagdleidenschaft widerstehen? Als die Jagd vom Wege abgekommen sei, sei sie nicht nur gelaufen, sondern „geflogen“, um nach Hause zu kommen. Für die anderen Anwesenden nicht vernehmlich, erfahren wir von Maria, dass sie (insgeheim) ein kühnes Vorhaben plant.
Auf den Tadel ihrer Mutter äußert sie, dass sie wisse, wie man Gefahr vermeidet. Man spricht über Elisabettas Geburtstag und die Bauern, die ihr gratulieren wollten. Elisabetta sagt, dass sie die Bauern getroffen habe und diese mit ihr zurückkehren wollten. Aber da sei der neue Gouverneur erschienen und die Bauern mussten ihm folgen. Nun befürchtet man neue Repressalien und kommt auf die Verbannung und den Bojaren Iwano zu sprechen, der falsche Gerüchte über den Grafen Potoski verbreitet habe. Elisabetta forscht weiter nach, ob es keine Fürsprecher gebe. Sie erfährt, dass jeder bestraft werde, der einen solchen Versuch wagen würde. Zwar bestrafe man keine Frauen, aber welche Frau könnte eine solche Fürsprache riskieren, da sie so weit von Moskau entfernt wären.
Da trifft Michele, der Sohn Marias, ein. Er berichtet, wie er es in der Zeit der Trennung von seiner Mutter zum Kurier des Zaren gebracht habe. Michele schildert auch seine Erkundungen, die er gemacht hat. Er berichtet unter anderem, dass der Bojar Iwano, der die ungerechte Verbannung der gräflichen Familie mit verschuldet hatte, inzwischen in Ungnade gefallen ist. Schließlich äußert Elisabetta, dass sie mit Michele allein sprechen möchte. Als ihre Mutter, die Gräfin Fedora, sie auffordert, mit ihr zu kommen, um für das Wohl des Gastes zu sorgen, bittet Elisabetta, bleiben zu dürfen. Fedora nimmt stattdessen Maria und ihren Gatten mit.
Mit Michele allein geblieben, trägt Elisabetta ihm ihren Plan vor: Sie wolle sich auf den Weg zum Zaren begeben, um dort die Unschuld ihrer Eltern zu beweisen und um Gnade zu bitten. Michele solle sie bis nach Tobolsk 4), wo er zu tun habe, mitnehmen. Den Rest des Weges werde sie sich allein durchschlagen. Michele warnt sie vor den Gefahren einer solch weiten Reise, verspricht ihr aber schließlich, sie mitzunehmen und gegenüber den Eltern und seiner Mutter zu schweigen. Dann geht er.
Elisabetta schreibt einen Abschiedsbrief an ihre Eltern. Dabei überrascht sie ihr Vater. Sie fleht ihn an, ihr die Bitte zu gewähren, ihre Reise antreten zu dürfen. Aber Potoski weigert sich und geht, um Fedora herbeizuholen.
Michele erscheint noch einmal am Fester und berichtet Elisabetta, dass er schon in einer Stunde abreisen müsse.
Potoski kommt mit Fedora und Maria herein. Fedora befiehlt Maria, das Haus abzuschließen und den Schlüssel ihrem Mann zu übergeben. Potoski und Fedora versuchen, Elisabetta zu beruhigen und nehmen sie mit aus dem Zimmer.
Inzwischen klopft Michele an die verschlossene Tür. Maria, die das Geheimnis nicht durchschaut, öffnet ihm schließlich das Fenster, durch das er hereinkommt.
Elisabetta schleicht herbei und bittet darum, leise zu sein. Maria kann sie nicht davon abbringen, mit ihrem Sohn zu gehen. Beide entfernen sich durch das Fenster.
ZWEITER AKT
Wilde Berggegend am Fluss Kama mit einer Schilfhütte und einem aus Brettern gebildeten Grabhügel
Iwano trauert am Grab seiner Tochter. Seine Schuldgefühle, Freunde verraten zu haben, lassen ihn nicht los. Schließlich geht er in seine Hütte.
Elisabetta, nun von Michele getrennt, erscheint – stark geschwächt – am anderen Ufer. Iwano holt sie über den Fluss und bietet ihr etwas von seiner kargen Nahrung an, um sie zu stärken.
Dann befragt Iwano Elisabetta über ihre Reise. Sie erklärt, dass sie aus Saimka komme und nennt ihren Vornamen. Iwano würde sie, die er elternlos vermutet, gerne bei sich behalten und sie anstelle seiner gestorbenen Tochter aufnehmen.
Doch sie erzählt ihm, dass sie sich auf diesen weiten und gefahrvollen Weg gemacht habe, um ihre Eltern zu rehabilitieren. Da kommt in Iwano ein böser Verdacht auf. Als sie dann den Namen ihres Vaters nennt, bekennt der einstige Verschwörer ihr seine Schuld und fleht sie um Vergebung an. Von fern hört man die Tartaren heranmarschieren. Als diese sich nähern, umarmt Elisabetta Iwano als Zeichen ihrer Vergebung. Dann versteckt er sie in seiner Hütte.
Die Tartaren erscheinen am gegenüberliegenden Ufer und lassen sich von Iwano übersetzen. Vor einem Raubzug, den sie vorhaben, wollen sie – da ein Sturm bevorsteht – erst einmal hier Rast machen und ein Zechgelage abhalten. Dabei singen sie ein tartarisches Trinklied. Das gefällt Iwano verständlicherweise nicht. Als der Anführer Alterkhan dann noch nach seinen Lebensumständen fragt, gibt er an, hier allein zu wohnen. Doch der zweite Anführer Orzak hat das Mädchen in der Hütte entdeckt und Alterkhan verlangt, dass Elisabetta vorgeführt wird.
Iwano will ihnen den Zutritt verweigern, doch sie überwältigen ihn. Elisabetta kommt schreiend aus der Hütte und bittet um Gnade für Iwano. Als die Tartaren wissen wollen, wer das Mädchen sei, bekennt Iwano, dass sie auf dem Wege sei, ihre Eltern aus der Verbannung zu retten, in die sie durch seine Schuld geraten seien. Die Tartaren bewundern Elisabettas Mut und bieten ihr Geld und Geleit an. Doch sie lehnt beides ab und will allein weitergehen. Dann entfernen sich die Tartaren.
Der Sturm beginnt. Iwano will sofort einen Brief schreiben, in dem er seine Schuld bekennt. Elisabetta verspricht, dass sie alles tun werde, um Gnade für ihn zu erwirken. Das Unwetter nimmt zu und der Fluss steigt über die Ufer. Da das Fährboot abgetrieben wird, kann sich Elisabetta nur auf der hochgeschwemmten Holzabdeckung des Grabes durch die Fluten retten. Iwano wird von Bergsteigern in Sicherheit gebracht.
DRITTER AKT
Innenhof des Kreml in Moskau
Der Großmarschall wandelt, in trübe Gedanken versunken, auf dem Hof umher: Wird der neue Zar, der sich um die kleinsten Dinge kümmere, hinter das Komplott kommen, das er gegen Potoski angezettelt hatte? Aber wer könnte ihn verraten außer Iwano, den er ja aus dem Palast verbannt hat? Was mag der Kurier Michele, der gerade ankommt, herausgefunden haben?
Der Großmarschall befragt Michele, wieweit er mit seinen Erkundigungen gekommen sei, ob er etwas über Potoski gehört habe und ob dieser noch lebe. Doch er erhält nur ausweichende Antworten. Wütend lässt er Michele stehen.
Auch Elisabetta ist endlich angekommen. Sie trifft Michele, der die völlig Erschöpfte und Abgemagerte, die er tot wähnt, erst nach einem kurzen Gespräch erkennt.
Dann erzählt Michele ihr von seiner Überfahrt über den Fluss Kama, wo er von den Tartaren hörte, dass sie wahrscheinlich in den Fluten umgekommen sei.
Er habe auch Iwano getroffen, der ihm sterbend ein Papier für sie mitgegeben habe. Dieses überreicht er Elisabetta, die darin erfreut den Beweis der Unschuld ihres Vaters erkennt. Damit möchte sie sofort zum Zaren eilen. Michele lässt sie zunächst einmal allein, als er sieht, dass der Großmarschall sich nähert. Er möchte herausfinden, wie dieser sich verhalten wird. Elisabetta verlangt, zum Zaren vorgelassen zu werden. Das sei in dieser Aufmachung vergebens, entgegnet der Großmarschall. Als sie sich als Tochter Potoskis zu erkennen gibt und sogar gesteht, dass sie ein Geständnis von Iwano besitze, das ihren Vater entlaste, stockt dem Großmarschall der Atem. Er überlegt, wie er sich aus der Bedrohung herauswinden kann.
In diesem Augenblick eilt Michele – ohne dass er bemerkt wird – herbei und vernimmt, wie der Großmarschall versucht, Elisabetta das Papier abzunehmen unter dem Vorwand, dass er es dem Zar selbst übergeben werde. Er kann verhindern, dass Elisabetta das Geständnis dem Großmarschall aushändigt, indem er es ihr im letzten Moment entreißt. Der wütende Großmarschall will Elisabetta und Michele von den Wachen entfernen lassen.
Da übergibt ihm Michele ein anderes Papier, dass den Großmarschall erkennen lässt, dass er verloren hat.
Der Zar nähert sich mit seinem Geleitzug. Elisabetta und Michele verlassen den Raum und der Großmarschall bereitet sich darauf vor, den Zug zu empfangen.
Der Chor begrüßt jubelnd den neuen Zaren. Dieser verspricht, für das Volk zu sorgen, die Unschuldigen zu schützen und den Verrat zu bestrafen. Den Großmarschall fordert er auf, die Unglücklichen vorzuführen. Dieser holt – vor Furcht zitternd – Elisabetta und Michele herbei. Der Zar, der bereits informiert ist, stellt den Höflingen Elisabetta vor und berichtet zum Erstaunen aller, dass sie sich acht Monate unter größter Gefahr nach Moskau durchgeschlagen habe, um Ihren Vater zu rehabilitieren. Das Papier von Iwano benötige er nicht mehr, da er den Verräter bereits kenne. Er verbannt den Großmarschall und erklärt, dass er das Amt bereits dem von ihm zu Schaden Gekommenen (Graf Potoski) übertragen habe. Dann lässt er Potoski, Fedora und Maria hereinführen, die er bereits nach Moskau hat holen lassen. Nach der Begrüßung klingt die Oper unter Freudenkundgebungen und Jubel für den Zaren aus.
1) Adelige im Rang unterhalb des Zaren
2) Nebenfluss der Wolga
3) Dorf in Sibirien
4) Stadt östlich des Ural

