DONIZETTI, Gaetano: OTTO MESI IN DUE ORE OSSIA GLI ESILIATI IN SIBERIA

  • Gaetano Donizetti ( 1797 – 1848 )

    Otto mesi in due ore ossia Gli esiliati in Siberia

    (Acht Monate in zwei Stunden oder Die Verbannten in Sibirien)


    Melodramma romantico in drei Akten

    Libretto: Domenico Gilardoni

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung: Neapel 1827


    PERSONEN DER HANDLUNG

    Der Zar, Tenor

    Der Großmarschall, Bass

    Graf Stanislao Potoski, Tenor

    Gräfin Fedora, seine Gattin, Mezzosopran

    Elisabetta, ihre Tochter, Sopran

    Maria, Elisabettas Kindermädchen, Mezzosopran

    Michele, ihr Sohn, Kurier des Zaren, Tenorbuffo

    Iwano, ehemals Bojar 1), jetzt Fährmann am Kama 2), Bariton

    Alterkhan, Oberhaupt eines Tartarenstammes, Bass

    Orzak, ein weiteres Tartarenoberhaupt, Tenor

    Ritter,Tartaren, Bergsteiger, Bauern, Soldaten


    Ort und Zeit der Handlung: Saimka 3), am Kama und in Moskau, frühes 18. Jahrhundert


    VORGESCHICHTE

    Graf Potoski ist aufgrund einer Verschwörung des Großmarschalls und des Bojaren Iwano zu Unrecht nach Sibirien verbannt worden und lebt dort seit Jahren im Dorf Saimka mit Frau Fedora, Tochter Elisabetta, die inzwischen erwachsen ist, und deren ehemaligem Kindermädchen Maria. Maria hat auch einen Sohn, den sie damals verlassen musste, der es aber inzwischen zum Kurier des Zaren gebracht hat.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT

    Innenraum einer armselig ausgestatteten Holzhütte

    Die Gräfin Fedora und Maria warten mit Bangen auf die Heimkehr des Grafen Potoski und seiner Tochter Elisabetta, die sich auf die Jagd begeben haben. Bauern kommen, um den Geburtstag Elisabettas zu feiern. Schließlich trifft auch der Graf ein, jedoch ohne die Tochter, die sich nach seiner Aussage unterwegs von ihm getrennt habe. Potoski schickt die Bauern, sie zu suchen. Inzwischen unterhalten sich Potoski, Fedora und Maria über das etwas trotzige und wagemutige Mädchen. Maria versucht den Grafen und seine Gattin zu beruhigen. Sie werde ihren Sohn Michele einschalten und sie werden ihren Ruhm und ihre Güter wieder erhalten.

    Dann kommt auch Elisabetta. Sie bittet ihre Eltern, nicht so ängstlich zu sein. Wer kann schon der Jagdleidenschaft widerstehen? Als die Jagd vom Wege abgekommen sei, sei sie nicht nur gelaufen, sondern „geflogen“, um nach Hause zu kommen. Für die anderen Anwesenden nicht vernehmlich, erfahren wir von Maria, dass sie (insgeheim) ein kühnes Vorhaben plant.

    Auf den Tadel ihrer Mutter äußert sie, dass sie wisse, wie man Gefahr vermeidet. Man spricht über Elisabettas Geburtstag und die Bauern, die ihr gratulieren wollten. Elisabetta sagt, dass sie die Bauern getroffen habe und diese mit ihr zurückkehren wollten. Aber da sei der neue Gouverneur erschienen und die Bauern mussten ihm folgen. Nun befürchtet man neue Repressalien und kommt auf die Verbannung und den Bojaren Iwano zu sprechen, der falsche Gerüchte über den Grafen Potoski verbreitet habe. Elisabetta forscht weiter nach, ob es keine Fürsprecher gebe. Sie erfährt, dass jeder bestraft werde, der einen solchen Versuch wagen würde. Zwar bestrafe man keine Frauen, aber welche Frau könnte eine solche Fürsprache riskieren, da sie so weit von Moskau entfernt wären.

    Da trifft Michele, der Sohn Marias, ein. Er berichtet, wie er es in der Zeit der Trennung von seiner Mutter zum Kurier des Zaren gebracht habe. Michele schildert auch seine Erkundungen, die er gemacht hat. Er berichtet unter anderem, dass der Bojar Iwano, der die ungerechte Verbannung der gräflichen Familie mit verschuldet hatte, inzwischen in Ungnade gefallen ist. Schließlich äußert Elisabetta, dass sie mit Michele allein sprechen möchte. Als ihre Mutter, die Gräfin Fedora, sie auffordert, mit ihr zu kommen, um für das Wohl des Gastes zu sorgen, bittet Elisabetta, bleiben zu dürfen. Fedora nimmt stattdessen Maria und ihren Gatten mit.

    Mit Michele allein geblieben, trägt Elisabetta ihm ihren Plan vor: Sie wolle sich auf den Weg zum Zaren begeben, um dort die Unschuld ihrer Eltern zu beweisen und um Gnade zu bitten. Michele solle sie bis nach Tobolsk 4), wo er zu tun habe, mitnehmen. Den Rest des Weges werde sie sich allein durchschlagen. Michele warnt sie vor den Gefahren einer solch weiten Reise, verspricht ihr aber schließlich, sie mitzunehmen und gegenüber den Eltern und seiner Mutter zu schweigen. Dann geht er.

    Elisabetta schreibt einen Abschiedsbrief an ihre Eltern. Dabei überrascht sie ihr Vater. Sie fleht ihn an, ihr die Bitte zu gewähren, ihre Reise antreten zu dürfen. Aber Potoski weigert sich und geht, um Fedora herbeizuholen.

    Michele erscheint noch einmal am Fester und berichtet Elisabetta, dass er schon in einer Stunde abreisen müsse.

    Potoski kommt mit Fedora und Maria herein. Fedora befiehlt Maria, das Haus abzuschließen und den Schlüssel ihrem Mann zu übergeben. Potoski und Fedora versuchen, Elisabetta zu beruhigen und nehmen sie mit aus dem Zimmer.

    Inzwischen klopft Michele an die verschlossene Tür. Maria, die das Geheimnis nicht durchschaut, öffnet ihm schließlich das Fenster, durch das er hereinkommt.

    Elisabetta schleicht herbei und bittet darum, leise zu sein. Maria kann sie nicht davon abbringen, mit ihrem Sohn zu gehen. Beide entfernen sich durch das Fenster.


    ZWEITER AKT

    Wilde Berggegend am Fluss Kama mit einer Schilfhütte und einem aus Brettern gebildeten Grabhügel

    Iwano trauert am Grab seiner Tochter. Seine Schuldgefühle, Freunde verraten zu haben, lassen ihn nicht los. Schließlich geht er in seine Hütte.

    Elisabetta, nun von Michele getrennt, erscheint – stark geschwächt – am anderen Ufer. Iwano holt sie über den Fluss und bietet ihr etwas von seiner kargen Nahrung an, um sie zu stärken.

    Dann befragt Iwano Elisabetta über ihre Reise. Sie erklärt, dass sie aus Saimka komme und nennt ihren Vornamen. Iwano würde sie, die er elternlos vermutet, gerne bei sich behalten und sie anstelle seiner gestorbenen Tochter aufnehmen.

    Doch sie erzählt ihm, dass sie sich auf diesen weiten und gefahrvollen Weg gemacht habe, um ihre Eltern zu rehabilitieren. Da kommt in Iwano ein böser Verdacht auf. Als sie dann den Namen ihres Vaters nennt, bekennt der einstige Verschwörer ihr seine Schuld und fleht sie um Vergebung an. Von fern hört man die Tartaren heranmarschieren. Als diese sich nähern, umarmt Elisabetta Iwano als Zeichen ihrer Vergebung. Dann versteckt er sie in seiner Hütte.

    Die Tartaren erscheinen am gegenüberliegenden Ufer und lassen sich von Iwano übersetzen. Vor einem Raubzug, den sie vorhaben, wollen sie – da ein Sturm bevorsteht – erst einmal hier Rast machen und ein Zechgelage abhalten. Dabei singen sie ein tartarisches Trinklied. Das gefällt Iwano verständlicherweise nicht. Als der Anführer Alterkhan dann noch nach seinen Lebensumständen fragt, gibt er an, hier allein zu wohnen. Doch der zweite Anführer Orzak hat das Mädchen in der Hütte entdeckt und Alterkhan verlangt, dass Elisabetta vorgeführt wird.

    Iwano will ihnen den Zutritt verweigern, doch sie überwältigen ihn. Elisabetta kommt schreiend aus der Hütte und bittet um Gnade für Iwano. Als die Tartaren wissen wollen, wer das Mädchen sei, bekennt Iwano, dass sie auf dem Wege sei, ihre Eltern aus der Verbannung zu retten, in die sie durch seine Schuld geraten seien. Die Tartaren bewundern Elisabettas Mut und bieten ihr Geld und Geleit an. Doch sie lehnt beides ab und will allein weitergehen. Dann entfernen sich die Tartaren.

    Der Sturm beginnt. Iwano will sofort einen Brief schreiben, in dem er seine Schuld bekennt. Elisabetta verspricht, dass sie alles tun werde, um Gnade für ihn zu erwirken. Das Unwetter nimmt zu und der Fluss steigt über die Ufer. Da das Fährboot abgetrieben wird, kann sich Elisabetta nur auf der hochgeschwemmten Holzabdeckung des Grabes durch die Fluten retten. Iwano wird von Bergsteigern in Sicherheit gebracht.


    DRITTER AKT

    Innenhof des Kreml in Moskau

    Der Großmarschall wandelt, in trübe Gedanken versunken, auf dem Hof umher: Wird der neue Zar, der sich um die kleinsten Dinge kümmere, hinter das Komplott kommen, das er gegen Potoski angezettelt hatte? Aber wer könnte ihn verraten außer Iwano, den er ja aus dem Palast verbannt hat? Was mag der Kurier Michele, der gerade ankommt, herausgefunden haben?

    Der Großmarschall befragt Michele, wieweit er mit seinen Erkundigungen gekommen sei, ob er etwas über Potoski gehört habe und ob dieser noch lebe. Doch er erhält nur ausweichende Antworten. Wütend lässt er Michele stehen.

    Auch Elisabetta ist endlich angekommen. Sie trifft Michele, der die völlig Erschöpfte und Abgemagerte, die er tot wähnt, erst nach einem kurzen Gespräch erkennt.

    Dann erzählt Michele ihr von seiner Überfahrt über den Fluss Kama, wo er von den Tartaren hörte, dass sie wahrscheinlich in den Fluten umgekommen sei.

    Er habe auch Iwano getroffen, der ihm sterbend ein Papier für sie mitgegeben habe. Dieses überreicht er Elisabetta, die darin erfreut den Beweis der Unschuld ihres Vaters erkennt. Damit möchte sie sofort zum Zaren eilen. Michele lässt sie zunächst einmal allein, als er sieht, dass der Großmarschall sich nähert. Er möchte herausfinden, wie dieser sich verhalten wird. Elisabetta verlangt, zum Zaren vorgelassen zu werden. Das sei in dieser Aufmachung vergebens, entgegnet der Großmarschall. Als sie sich als Tochter Potoskis zu erkennen gibt und sogar gesteht, dass sie ein Geständnis von Iwano besitze, das ihren Vater entlaste, stockt dem Großmarschall der Atem. Er überlegt, wie er sich aus der Bedrohung herauswinden kann.

    In diesem Augenblick eilt Michele – ohne dass er bemerkt wird – herbei und vernimmt, wie der Großmarschall versucht, Elisabetta das Papier abzunehmen unter dem Vorwand, dass er es dem Zar selbst übergeben werde. Er kann verhindern, dass Elisabetta das Geständnis dem Großmarschall aushändigt, indem er es ihr im letzten Moment entreißt. Der wütende Großmarschall will Elisabetta und Michele von den Wachen entfernen lassen.

    Da übergibt ihm Michele ein anderes Papier, dass den Großmarschall erkennen lässt, dass er verloren hat.

    Der Zar nähert sich mit seinem Geleitzug. Elisabetta und Michele verlassen den Raum und der Großmarschall bereitet sich darauf vor, den Zug zu empfangen.

    Der Chor begrüßt jubelnd den neuen Zaren. Dieser verspricht, für das Volk zu sorgen, die Unschuldigen zu schützen und den Verrat zu bestrafen. Den Großmarschall fordert er auf, die Unglücklichen vorzuführen. Dieser holt – vor Furcht zitternd – Elisabetta und Michele herbei. Der Zar, der bereits informiert ist, stellt den Höflingen Elisabetta vor und berichtet zum Erstaunen aller, dass sie sich acht Monate unter größter Gefahr nach Moskau durchgeschlagen habe, um Ihren Vater zu rehabilitieren. Das Papier von Iwano benötige er nicht mehr, da er den Verräter bereits kenne. Er verbannt den Großmarschall und erklärt, dass er das Amt bereits dem von ihm zu Schaden Gekommenen (Graf Potoski) übertragen habe. Dann lässt er Potoski, Fedora und Maria hereinführen, die er bereits nach Moskau hat holen lassen. Nach der Begrüßung klingt die Oper unter Freudenkundgebungen und Jubel für den Zaren aus.


    1) Adelige im Rang unterhalb des Zaren

    2) Nebenfluss der Wolga

    3) Dorf in Sibirien

    4) Stadt östlich des Ural

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Anmerkungen

    Die Inhaltsangabe wurde nach dem in der Sammlung „Tutti i Libretti di Donizetti“ enthaltenen Libretto verfasst. Das Libretto wurde mehrmals bearbeitet u.a. 1835 von Jacopo Ferretti für eine Aufführung in Turin. Es gibt auch eine französische Fassung von Adolphe de Leuven unter dem Titel „Élisabeth ou La fille de l'exilé“ (bzw. „La fille du proscrit), in der vor allem größere Änderungen im dritten Akt vorgenommen wurden.

    Das Werk mit seinen spektakulären Bühneneffekten (vor allem im zweiten Akt) war sehr erfolgreich und erlebte nach der Uraufführung noch zahlreiche weitere Aufführungen. Es gab auch Aufführungen - wie z.B. die bereits genannte in Turin - sowie in Florenz, Mailand, Livorno und anderen italienischen Theatern. Die für Paris gedachte französische Fassung wurde wohl zu Lebzeiten Donizettis dort nicht aufgeführt.

    Die Partitur war lange vergessen. 1984 wurden der erste und dritte Akt der französischen Fassung, 1986 auch der zweite Akt im Keller des Royal Opera House gefunden, dem Donizetti die Partitur angeboten hatte. Eine (halbszenische) Aufführung fand 2003 beim Caramoor Summer Music Festival in Katonah im Staat New York statt.

    Eine Aufzeichnung auf CD oder DVD habe ich nicht gefunden. Allerdings gibt es auf youtube verschiedene Ausschnitte zu hören.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat von Gerhard Wischniewski

    Eine Aufzeichnung auf CD oder DVD habe ich nicht gefunden.

    41HMG9JZ2AL.jpgKlick

    Sehr sehr empfehlenswert!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Hier ist die komplette Oper


    Elisabetta............................Brigitte Hahn
    Potoski..............................Luca Canonici
    Fedora.........................Christine Barbaux
    Maria......................Alessandra Palomba
    Michele.....................Alfonso Antoniozzi
    Gran Maresciallo..........Nikola Mijailovic
    Iwano..................................Valery Ivanov
    Alterkan..........................Jérôme Varnier
    Imperator............................Yann Beuron

    Orchestre Philharmonique de Montpelier Languedoc-Roussillon
    Choeurs de la Radio Lettone

    Ich bin dann mal weg.

  • Gerhard Wischniewski

    Hat den Titel des Themas von „DONIZETTI, Gaetano: OTTO MESI IN DUE ORE OSSIA Gli ESILIATI IN SIBIRIA“ zu „DONIZETTI, Gaetano: OTTO MESI IN DUE ORE OSSIA GLI ESILIATI IN SIBERIA“ geändert.
  • Lieber Fiesco,


    danke für den Hinweis. Ich habe eine Aufnahme bei verschieden Firmen im Internet gesucht, aber nicht gefunden. Vielleicht habe ich etwas falsch gemacht. Es ist doch erfreulich, wenn hier einige Mitglieder - eventuell auch in weiteren Angaben zum Werk - ergänzend mitwirken.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • „ÉLISABETH OU LA FILLE DE L'EXILÉ" und "ELISABETTA“ (Gaetano Donizetti)


    1827 komponierte Gaetano Donizetti als erste der für den Impresario des Teatro Nuovo in Neapel, Domenico Barbaja, bestimmten Opern: „Otto mesi in due ore" (‚Acht Monate in zwei Stunden') mit einem Libretto von Domenico Gilardoni nach dem Roman „Élisabeth ou Les exilés en Sibérie“ von Sophie Cottin und dem darauf basierenden Schauspiel „La fille de l’exilé ou Huit mois en deux heures“ von René Charles Guilbert de Pixérécourts. Der Roman, das Schauspiel und die Oper orientieren sich an der wahren Geschichte der Praskovia Lupolova, die im Jahre 1803 fast ein Jahr lang zu Fuß von Sibirien bis nach Moskau lief, um dort vom Zaren Aleksandr I. die Aufhebung der ungerechtfertigten Verbannung ihres Vaters zu erreichen, was er auch gewährte. Praskovia ging ins Kloster und nahm den Namen ‚Elisaveta‘ an; 1809 ist sie an den Folgen der Strapazen mit 25 Jahren gestorben. Zweihundert Jahre später hat man der mutigen jungen Frau in Ishim in Sibirien ein Denkmal gesetzt.


    Die Uraufführung der Oper „Otto mesi in due ore“ am 13. 5. 1827 in Neapel (mit Caterina Lipparini in der Hauptrolle) war sehr erfolgreich und sie wurde z. B. - unter dem neuen Titel "Gli esiliati in Siberia" ('Die Exilanten in Sibirien') - 1831 an der Mailänder Scala (mit Giuditta Grisi und einem neuen Finale) und 1832 in Rom am Teatro della Valle (mit Caroline Unger und einer neuen Arie der Elisabetta im 1. Akt) gegeben. Für diese römische Aufführung nahm Donizetti weitere Änderungen vor, zu denen Jacopo Ferretti – der Librettist von Rossinis „La Cenerentola“ - einen neuen Text schrieb. In Turin kam die Oper 1835 unter ihrem ursprünglichen Titel "Otto mesi in due ore" auf die Bühne des Teatro Carignano mit einem komplett neuen dritten Akt. Spätere Kompositionen betrafen einzelne Arien für gerade zur Verfügung stehende Solisten; auch eine Version für Maria Malibrans Schwester, Pauline Garcia (später verehelichte Viardot), gibt es. Donizetti muss diese Oper sehr geschätzt haben, dass er sich immer wieder mit ihr beschäftigte. (Dass die Vaterrolle des Grafen Potoski einem Tenor zufiel, entsprach der Tradition der neapolitanischen Oper; ebenso durfte auch der Buffo, der im Dialekt sang, nicht fehlen, hier ist es der Michele, von dem es sowohl eine Bass- als auch eine Tenorvariante gibt.)


    Nach der Premiere der französischen Fassung von „Lucia di Lammermoor“ am Théâtre de la Renaissance in Paris wurden 1840 bei Donizetti zwei weitere französische Opern bestellt: „L’ange de Nisida“ (aus der später „La favorite“ wurde) und „Élisabeth“ (als Neufassung von „Otto mesi in due ore“ mit dem französischen Text von Adolphe de Leuven; mit u. a. den neuen Kompositionen einer Ouvertüre, einem Chor der sibirischen Exilanten, einem Vater-Tochter-Duett, einem Terzett und einem virtuosen Walzer-Finale der Titelheldin), doch das Theater ging bankrott. 1841 lockte der Impresario des Her Majesty’s Theatre in London, Benjamin Lumley, Donizetti mit 12.000 Francs zur Komposition einer neuen Oper („Circe“ für Giuditta Grisis Schwester Giulia), zu der Felice Romani das Libretto schreiben sollte, doch dieser ‚lieferte‘ nur einige kurze Szenen und Donizetti verlor den Auftrag. War die - offensichtlich von Gaetano Donizetti selbst verfasste - italienische Übersetzung des französischen Librettos von „Élisabeth“ der Versuch, Lumleys Auftrag doch noch zu erfüllen? Oder entstand diese Version erst 1845, als Lumley erneut dem Komponisten 21.000 Francs bot für eine neue italienische Oper in London?


    Der amerikanische Musikologe und Dirigent Will Crutchfield fand 1984 im Archiv der Oper Covent Garden in London (die 1847 die neue Spielstätte des Her Majesty’s Theatre wurde) eine Partitur, die mit ‚never finished or performed‘ gekennzeichnet war und sich als der 1. und der 3. Akt von Donizettis „Elisabetta“ entpuppte. Der Dirigent Richard Bonynge, der an gleicher Stelle vier Jahre später nach unveröffentlichten Ballett-Kompositionen suchte, fand den fehlenden 2. Akt. (Für Verwirrung sorgten spätere umfangreiche Funde in der Pariser Nationalbibliothek, die darauf schließen lassen, dass ein gewisser Uranio Fontana, angeblich ein Schüler Donizettis, die Partitur schon 1853 für eine nicht zustande gekommene Aufführung an der Opéra-Comique in Paris ‚in Ordnung‘ gebracht haben will - und damit für noch mehr Unordnung sorgte.) Der Musikologe Roger Parker stellte mit einem Team in Oxford schließlich aus dem in London gefundenen Material eine Aufführungsversion zusammen und am 16. 12. 1997 wurde die Oper „Elisabetta“ konzertant in der Royal Festival Hall in London dem Publikum präsentiert; die BBC schnitt die Aufführung mit und sendete sie am 22. 12. 1997 in ihrem dritten Programm.


    Die in den Beiträgen Nrn. 3 und 4 gezeigte Aufnahme von ‚Actes Sud‘ (2 CDs; 2001) ist der Mitschnitt eines Konzerts in italienischer Sprache von Radio France vom 12. 7. 1999 in Montpellier. Annalisa Bini von der Accademia di Santa Cecilia in Rom schuf dafür eine Mélange aus den Fassungen für Rom (1832) und Turin (1835) unter dem Titel "Gli esiliati in Siberia"; im Konzert erklangen dazu keine Rezitative, deren Text wurde aber im Programmheft abgedruckt. Die Sopranistin Brigitte Hahn vom Opernhaus in Hannover ersang sich - vor allem mit der für Giuditta Grisi komponierten Schluss-Arie 'O me beata... Se la clemenza, o Sire" - einen großen Erfolg. (Statt der als Gräfin Fedora vorgesehenen Michèle Lagrange sang Christine Neithardt-Barbaux diese Rolle.) Die ‚World Premiere‘ der französischen „Élisabeth“ - in der Rekonstruktion von Will Crutchfield - war am 17. 7. 2003 beim Caramoor Festival in Katonah im Bundesstaat New York.


    „Elisabetta“ (Gaetano Donizetti): Il conte Stanislao Potoski – Juan Diego Flórez (statt Giuseppe Sabbatini) / La contessa Fedora – Leah-Marian Jones / Elisabetta – Andrea Rost / Maria – Anne Marie Owens / Michele – Alessandro Corbelli / Ivano – Alastair Miles / Alterkan – Jeremy White / Il maresciallo - Roderick Earle / Lo zar – Robin Leggate / The Chorus and Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden / Chorltg.: Terry Edwards / Dirigent: Carlo Rizzi (London, Royal Festival Hall, 16. 12. 1997). Erschienen bei ‚House of Opera‘ und ‚Charles Handelman‘ als MP3-CD.


    „Élisabeth ou La Fille de l’exilé“ (Gaetano Donizetti): Le comte Potoski – Yegishe Manucharyan / La comtesse Fedora – Victoria Avetisyan / Élisabeth – Irini Tsirakidis / Marie – Madeleine Gray / Michel – John Osborn / Ivan – Daniel Mobbs / Alterkan – Douglas Jabara / Le Grand Maréchal – Daniel Borowski / Nizza – Arianna Zukerman / The Bel Canto at Caramoor Chorus / The Orchestra of St. Luke’s / Dirigent: Will Crutchfield / Regie: Melanie Helton (Katonah/New York, Venetian Theater, 17. und 19. 7. 2003). Es gibt einen Privat-Mitschnitt der Bühnen-Uraufführung der Oper beim Caramoor Festival 2003 in französischer Sprache mit den französisch übersetzten Rezitativen der italienischen „Elisabetta“ statt der Dialoge. (Ein neu hinzugekommenes Stück der Partitur ist das Lied einer Tatarin, gesungen von Arianna Zukerman.)


    Die Sopranistin Eva Lind singt die Arie der Élisabeth (mit Chor) aus der französischen Fassung der „Elisabetta“ (‚Pardon, pardon, mon père‘) auf ihrem Recital von 1988 mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks und dem Münchner Rundfunkorchester unter Heinz Wallberg bei ‚Philips‘.


    Dank an Gerhard Wischniewski für die ausführliche Inhaltsangabe – und natürlich auch für viele weitere ‚Opernführer‘!


    Carlo