Jeder Klassikfreund hat in seinem Regal Aufnahmen, die in der Lukaskirche Dresden gemacht wurden. Die Begründung ist einfach: Der Sakral-Bau hat eine sehr gute Akustik, und das wussten die Plattenmacher des VEB Schallplatten mit ihrem Klassik-Label Eterna. So kam es auch immer wieder zu Kooperationen zwischen der DDR-Firma und den westlichen Pendants wie Capriccio, EMI oder DG. Ich meine, dass es unter diesem Gesichtspunkt nicht überzogen ist, die Lukaskirche Dresden als musikgeschichtlich wichtigen Ort zu bezeichnen.
Die Sächsische Staatskapelle nahm hier regelmäßig auf. Neben der Sängerelite der DDR, Burmeister, Schreier, Adam (um nur einige wenige zu nennen), waren dann auch die Künstler aus dem Westen vor Ort: Kollo, Altmeyer, Salminen, Schwarz, Nöcker - und, und, und. Natürlich waren auch Instrumentalsolisten wie (beispielsweise) Annerose Schmidt oder Hélène Grimaud in diesem Kirchenstudio. Auch die West-Koryphäen mit dem Dirigentenstab kamen hier hin: Böhm, Karajan, Kleiber.
In den 1950er Jahren ließ der VEB Deutsche Schallplatten den durch Kriegseinwirkungen stark beschädigten Bau zu einem Aufnahmestudio herrichten. Für die Lukaskirchengemeinde waren die nun fließenden Mieteinnahmen wahrlich ein Segen, denn aus eigenen Mitteln hätte sie den Wiederaufbau der Kirche niemals aufbringen können. Übrigens wurde die Kirche 1972 für Gottesdienste neu geweiht.
Interessant ist, was eine der für die „Schallplatte“ (wie das DDR-Label verkürzt genannt wurde) tätige, heute grauhaarige Dame, Hildegard Miehe, in einem Interview berichtet hat: Sie war hinter dem Altarraum tätig, denn dort war der Schneideraum mit den Tonbandmaschinen von Viertel-, Halb- und Einzoll und sie die Musikschnittmeisterin. Hier hat sie die Aufnahmen „mit Schere und Klebeband“ zusammengefügt und sich oft mit dem verantwortlichen Tonmeister „gezofft“.
Einige wenige Beispiele, wahllos aus den dort entstandenen Aufnahmen ausgewählt, seien hier angeführt:
Euryanthe von Carl Maria von Weber. Mit Jessye Norman, Nicolai Gedda, Tom Krause, Siegfried Vogel, Harald Neukirch u.a. Chor des Leipziger Rundfunks, Staatskapelle Dresden, Leitung Marek Janowski
Leonore von Ludwig van Beethoven mit Edda Moser, Richard Cassilly, Theo Adam, Helen Donath, Karl Ridderbusch; Chor des Leipziger Rundfunks, Staatskapelle Dresden, Leung Herbert Blomstedt
Anton Bruckner: Sinfonien Nr.1-9 mi der Staatskapelle Dresden unter Eugen Jochum
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium mit Arleen Augér, Annelies Burmeister, Peter Schreier, Theo Adam; Dresdner Kreuzchor, Dresdner Philharmonie; Martin Flämig
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Hochzeit des Figaro (in deutscher Sprache) mit Hilde Güden, Herman Prey, Anneliese Rothenberger, Walter Berry, Edith Mathis, u.a. Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Otmar Suitner
Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel mit Springer, Schreier, Adam, Schröter, Hoff; Staatskapelle Dresden unter Otmar Suitner
Heinrich Schütz: Schwanengesang mit u.a. Jochen Kowalski, Werner Marschall;
Berliner Solisten, Cappella Sagittariana Dresden; Leitung Dietrich Knothe
Albert Lortzing: Zar Und Zimmermann mit Hermann Prey, Gottlob Frick, Peter Schreier, Erika Köth, Nicolai Gedda, Anneliese Burmeister; Chor des Leipziger Rundfunks und die Staatskapelle Dresden unter Robert Heger
Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion mit Schreier, Adam, Stolte Burmeister, Rotzsch, Leib; Dresdner Kreuzchor, Thomanerchor Leipzig, Gewandhausorchester; Leitung Erhhard Mauersberger
Richard Strauss: Ariadne auf Naxos mit Gundula Janowitz, Hermann Prey, Theo Adam, Adele Stolte, Peter Schreier, Siegfried Vogel u.v.a.; Staatskapelle Dresden unter Rudolf Kempe
Carl Maria von Weber: Der Freischütz mit Gundula Janowitz, Edith Mathis, Peter Schreier, Theo Adam, u.a.; Staatskapelle Dresden unter Carlos Kleiber
Richard Wagner: Rienzi mit Kollo, Wennberg, Martin, Adam, Schreier, Hillebrand; Leipziger Rundfunkchor, Chor der Staatsoper Dresden, Staatskapelle Dresden unter Heinrich Hollreiser
Richard Wagner: Tristan und Isolde mit Margaret Price, René Kollo, Brigitte Fassbaender, Dietrich Fischer-Dieskau, Kurt Moll, u.a.; Staatskapelle Dresden unter Carlos Kleiber
Vielleicht haben ja die "geborenen DDR-Bürger" aus eigener Erfahrung etwas beizutragen!?