Alexander von Dusch 1877-1939

  • auf meinen Streifzügen durch die umfangreiche Petrucci Library bin ich auf Lieder von Alexander von Dusch gestoßen und ich möchte herausfinden, ob ich als einziger diesen Komponisten kenne und schätzen gelernt habe?

    Auf meiner Facebookseite unter dem Titel "Musik zum Einschlafen" finden sich mittlerweile mehrere Aufnahmen von Katharina J.A. Gebauer, Sopran und mir.

    Speziell möchte ich die geschätzte Aufmerksamkeit gleich auf Duschs op. 12 richten,

    die Noten sind unter imslp.org/wiki/9_Gedichte%2C_Op.12_(Dusch%2C_Alexander_von) zu finden.
    Die Texte sind von Alfred Bassermann.


    1 Die Sirenen, ein spannungsvolles Stimmungsbild, welches eine Bandbreite von Verführung bis Grauen umfaßt

    2 Riviera, Eine Schilderung mit harmonischen Wendungen - typische Musik der Jahrhundertwende mit überraschenden Wendungen von G nach Ges Dur.

    3 Letzte Fahrt, hier überrascht der raffinierte Rhythmus der Begleitung, der den 3/8 Takt der Singstimme mit Synkopen überlagert

    4 Allerseelen, gerade im Vergleich zum gleichnamigen Strausslied fällt mir die unvergleichlich bessere Konzeption auf, die aus einer düsteren Stimmung in eine freudige Erinnerung wechselt und wieder zum Anfang zurückkommt.

    5 Mittagszauber - mein persönlicher Favorit, eine zarte Atmosphäre, die mit Orchesterfarben von Debussy dargestellt werden könnte.

    6 Heimblick, eine melancholische Abschiedsszene.

    7 Das alte Lied - auch musikalisch mit dem Zitat "Innsbruck, ich muß dich lassen" deutlich stilistisch anders gestaltet, bzw. gekonnt in einem alten Stil gehalten.

    8 Ogiers Ausfahrt ist eine spannende Ballade, deren Inhalt an Carl Loewe erinnert. Die musikalische Form auch, jedoch mit modernerer Tonsprache.

    9 Quanto e bella giovinezza, der Text beschreibt Eindrücke aus Florenz, die Medici werden als Personen angesprochen. Der musikalische Satz könnte in der harmonischen Vielfalt auch von Richard Strauss stammen.

    Besonders hervorzuheben sind die schwierigen Klaviersätze, die außergewöhnliche Fähigkeiten des Pianisten und eine fantasiereiche Erfindungsgabe demonstrieren.
    Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil als Qualitätsbeweis für große Kompositionen fast immer an erster Stelle die Instrumentaltechnik steht... quasi: "was zu leicht zu spielen ist, kann keine große Kunst sein"


    Die Internetsuche brachte kaum Ergebnisse, 4 Briefe (kalliope-verbund.info/de/query?q=ead.creator.gnd%3D%3D%22117731587%22) und ein paar Bibliotheksfunde, jedoch so gut wie keine biographischen Details.

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf mein langfristiges Thema: Vergessene Komponisten in Deutschland in der ersten Hälfte des 20.Jh hinweisen, ein bis heute brisantes Thema, bei dem ich aufzeigen möchte, wie einzelne Komponisten und Künstler nur wegen gezielter Förderung zu Bekanntheit gekommen sind, während andere offensichtlich gezielt nicht gefördert werden.
    Es lassen sich hier auch keine einfachen politischen Linien ziehen (Pfitzner und Egk sind ja nach wie vor im Bewußtsein...), meine Vermutung geht in die Richtung purer marktwirtschaftlicher Strategie: ein Drängen in die Öffentlichkeit, das letztlich mehr Eindruck hinterläßt als künstlerische Qualität...

    Natürlich ist es dankbar, daß Komponisten, die in den 30er Jahren nicht die modernen Stile bedienten, auch weniger Aufmerksamkeit bekamen.
    Aber im Nachhinein sollte die Aktualität einer Komposition keine Rolle spielen, sonst hätte z.B: der Rosenkavalier nie akzeptiert werden dürfen, denn der künstlerische Rückschritt nach der Elektra dorthin ist frappant.

    mit neugieriger Erwartung,
    Wolfgang (Tastenwolf) Fritzsche

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Lieber Tastenwolf,

    generell ist es verdienstvoll, an Komponisten zu erinnern, die sonst im Nirwana des Vergessens versinken würden. Ebenfalls sehr interessant ist, dass Du, diese von Dir selbst als schwierig zu bewältigenden Klaviersätze, aufführungsreif spielen kannst. :jubel:

    Nun hast Du mir und sicherlich auch anderen den Mund wässrig gemacht. Wo kann man diese Lieder möglichst mit Deiner Mitwirkung hören, bzw. kannst Du Sie einstellen?

    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf mein langfristiges Thema: Vergessene Komponisten in Deutschland in der ersten Hälfte des 20.Jh hinweisen, ein bis heute brisantes Thema, bei dem ich aufzeigen möchte, wie einzelne Komponisten und Künstler nur wegen gezielter Förderung zu Bekanntheit gekommen sind, während andere offensichtlich gezielt nicht gefördert werden.
    Es lassen sich hier auch keine einfachen politischen Linien ziehen (Pfitzner und Egk sind ja nach wie vor im Bewußtsein...), meine Vermutung geht in die Richtung purer marktwirtschaftlicher Strategie: ein Drängen in die Öffentlichkeit, das letztlich mehr Eindruck hinterläßt als künstlerische Qualität...

    Das, lieber Tastenwohl, ist ein sehr weites Feld. Es dürften mehr Komponisten vergessen als in unserer Wahrnehmung präsent sein. Alexander von Dusch ist ein extremes Beispiel. Seine Spuren muss man mit der Lupe suchen. Gut, dass Du Dich seiner annimmst. Warum jemand vergessen ist, dafür würde ich nicht nur marktwirtschaftliche Gründe ausmachen wollen. Ich gehe ehr davon aus, dass die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert auch für die Kunst im weitesten Sinne eine scharfe Zäsur waren. Entwicklungen und Strömungen wurden jäh unterbrochen, später nicht wieder aufgenommen, weil sich andere Themen auf die Tagesordnung schoben. Ich habe auch so einige Kandidaten auf meinem Schirm. Darauf würde ich zu gegebener Zeit auch zurück kommen. Einer von ihnen ist Gustav Adolf Gunkel (1866-1901). Der hätte natürlich weiter ins 20. Jahrhundert hinein wirken können, wäre er nicht in einer Dresdener Straßenbahn erschossen worden. Er war ja die gleiche Generation wie von Dusch.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich gehe eher davon aus, dass die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert auch für die Kunst im weitesten Sinne eine scharfe Zäsur waren. Entwicklungen und Strömungen wurden jäh unterbrochen, später nicht wieder aufgenommen, weil sich andere Themen auf die Tagesordnung schoben.

    Ja, davon bin ich auch überzeugt, vor allem am Beispiel Max Regers, dessen Todeszeitpunkt als unglücklich bezeichnet werden kann. Nach Ende des Weltkriegs schoben sich andere Leute ins Rampenlicht, Reger hat in der Orgelmusiknische überlebt, ist aber im Konzertbetrieb kaum präsent. In seinem Fall würde ich davon sprechen, daß mehrere Generationen nach ihm künstlerisch zurückgefallen sind in der Behandlung der Tonalität: Reger konnte seine extravaganten Akkorde bis ins Detail erklären anstatt bloß "Etwas gut Klingendes" aneinanderzureihen. Ein seltsamer Vorwurf an andere Komponisten vielleicht, aber die klassische Moderne und die Entwicklung der Atonalität im deutschen Sprachraum haben immer mit dem Argument der Beliebigkeit zu tun.

    Die französische Entwicklung (trotz Debussy) war viel linearer...


    Bei Dusch vermute ich eher, daß er keine "Lobbyarbeit" für seine Musik betrieben hat, bzw. eigentlich zur eigenen Freude komponiert hat, ohne berufliche Ambitionen bzw. den Druck, Geld verdienen zu müssen. Das bedeutet, daß er vermutlich zu Lebzeiten auch nicht in den Metropolen präsent war, sondern eher innerhalb seines Umfeldes.


    Ob sich wirklich sagen läßt, daß Themen sich auf die Tagesordnung schoben, weiß ich bezüglich der Kompositionsausbildung nicht... die Tendenz, nach den beiden Kriegen neue Bewegungen zu erschaffen, hatte jedesmal einen monopolistischen Anspruch, als dürfe Musik nicht mehr anders geschrieben werden (Donaueschingen...), aber es gab neben den Avantgardisten immer auch Menschen mit einem Personalstil, die eigene Lösungen suchten und dadruch nicht klassifiziert werden konnten. (z.B: Walter Braunfels) und Konservative, die eine vorsichtige Erneuerung versuchten.


    Ich bin bezüglich der Zwischenkriegszeit ein wenig verärgert über die Einengung des Repertoires, die sich viel zu lange erhalten hat. Das begründet auch meine stärker werdende Ablehnung von Richard Strauss, dessen Bekanntheitsgrad ich immer mehr einer strikt marktwirtschaftlichen Einstellung und einem gezielten Networking zuschreibe, nicht der künstlerischen Qualität.


    Daher behaupte ich mal ganz unverfroren, daß es zahlreiche Komponisten gab, die zumindest gleichwertig, wenn nicht besser geschrieben haben...

    Aus dieser Diskussion müssen nur die Hoffmannsthal-Opern ausgeklammert werden, das war sicher ein kluger Schachzug, diesen Librettisten zu wählen und die Ergebnisse der Zusammenarbeit sind beinahe konkurrenzlos.

    Aber aus meinem Liedrepertoire werde ich Strauss langsam entfernen und bessere Werke auswählen.


    Vielen Dank für die Empfehlung mit Adolf Gunkel.

    Es dürften mehr Komponisten vergessen als in unserer Wahrnehmung präsent sein.

    schon in meiner musikalischen Früherziehung hab ich nur den starren deutschen Kanon von Bach bis Brahms gelernt, immerhin mit Verdi, Bizet und Bartok angereichert, aber beschränkt auf das, was man heutzutage "das Beste aller Zeiten nennen" würde...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Nun hast Du mir und sicherlich auch anderen den Mund wässrig gemacht. Wo kann man diese Lieder möglichst mit Deiner Mitwirkung hören, bzw. kannst Du Sie einstellen?

    Lieber Operus,

    vielen Dank für die Aufforderung, ich muß allerdings einiges vorausschicken:

    es handelt sich um eins meiner Coronaprojekte, daß darin besteht, unbekannte Musik, deren Musik ich auf der Petrucci Library finde, mit meiner genial blattsingenden Partnerin gemeinsam auf Internetstreams zu veröffentlichen.

    es handelt sich also nicht um geplante Studioaufnahmen mit technischer Nachbearbeitung, da es in jeder Hinsicht kostenfrei zustandekommt. Das heißt natürlich, daß es klanglich nicht mit Studioaufnahmen vergleichbar ist und wir arbeiten mit minimaler Vorbereitungszeit, wodurch die erwartete Perfektion nicht immer erreicht wird.

    Wenn du dich damit abfinden kannst, sozusagen eine Rohfassung dieser Musik zu hören, dann besuche folgenden Link: https://fb.watch/1s2Fw62_0p/ bzw. https://www.facebook.com/musikzumeinschlafen

    Bisher haben wir viele Lieder von Robert Franz aufgenommen, dazu Johanna Kinkel, Franz Abt, Josephine Lang (!) und Alexander von Dusch, aber auch zeitgenössische Lieder von Hatto Ständer

    Weitere Vorschläge seltener Komponisten nehmen wir gern entgegen, geplant sind z.B: Alexander Fesca und Christian Sinding

    Schönen Abend,
    TastenWolf-gang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)