CORNELIUS, Peter: DER CID

  • Peter Cornelius (1824-1874):


    DER CID

    Oper in drei Akten - Libretto vom Komponisten nach Guillén de Castro und Victor Aymé Huber


    Uraufführung am 21. Mai 1865 in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    König Fernando von Kastilien (Tenor)

    Luyn Calvo, Bischof (Bass)

    Chimene, Gräfin von Lozan (Sopran)

    Ruy Diaz, Graf von Vibar, genannt Campeador (Tenor)

    Alvar Fanez, ein kastilischer Ritter (Tenor)

    Ein Herold (Bass)

    Bote/Alkalde (Bass)

    Chor/Statisterie: Hofstaat, Würdenträger, Geistliche, maurische Fürsten, maurische und spanische Soldaten, Volk


    Die Handlung geht um das Jahr 1064 im spanischen Burgos vor sich.



    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT

    Im Schloss zu Burgos.


    In einer großen Chorszene wird der König von Kastilien als Wahrer des Rechts und als Schild des christlichen Glaubens gerühmt. Der Ritter Graf Ruy Diaz von Vibar verleiht den Befehlen seines Königs kraft seiner überragenden Statur und seines Mutes den nötigen Respekt und die Mauren nennen ihn, durchaus ehrenvoll, „El Cid“- mein Herr. Zu den königlichen Aufgaben gehört die Ausübung der Gerichtsbarkeit bei schwerwiegenden Verbrechen. Dabei darf nicht nur der Adel anwesend sein, sondern auch das gemeine Volk. Der Herold kündigt die Anklägerin, die Gräfin Chimene von Lozan an, der ein Trauermarsch folgt. Danach setzt der Herold seine Rede mit der Erklärung des Angeklagten, im Duell gesiegt zu haben, fort.


    Der Opernbesucher muss wissen, dass ein Urteil oft mit einem Waffengang der Parteien fällt, was dann als göttliches Urteil galt. Und dann liegt das Recht immer auf der Seite des Siegers, denn Gott irrt nicht. Hier und heute behauptet der Angeklagte, Ruy Diaz von Vibar, auf die Vorwürfe der Gräfin Chimene, er habe die Beleidigungen des alten Grafen von Lozan gegen seine Familienehre nicht dulden können, und in einem Duell dann seinen Gegner besiegt. Es wird schwer für den Ritter Alvar Fanez, der der Gräfin Chimene beistehen will, gegen El Cid anzutreten, dessen Charisma im Volk groß ist.


    Ruy Diaz wirft seinen Fehdehandschuh hin und Alvar Fanez hebt ihn auf, um für die Rechte Chimenes zu kämpfen. Die Kontrahenten haben, das zeigt sich an gegenseitig ausgetauschten Höflichkeiten, Respekt voreinander, dennoch muss das Gottesurteil ausgefochten werden. Es ist allerdings Bischof Luyn Calvo von Burgos, der das verhindert: Er beschwichtigt mit einer Rede die Streithähne, verlangt von Ruy Diaz die Herausgabe seines Schwertes und El Cid willigt ein.


    Plötzlich kommen drei Boten und verkünden aufgeregt, dass die feindlichen Mauren auf dem Vormarsch seien. Der Chor kommentiert diese Nachrichten und fordert die Hilfe durch den Compeador. Er soll ein Heer gegen die Feinde anführen - Gräfin Chimene muss derweil auf ihre Rache verzichten, denn die Heimat hat jetzt andere Sorgen. Ruy Diaz aber will im Kampf gegen die Mauren den Tod finden, womit Gräfin Chimene doch noch ihre Rache bekäme. Sie legt das Schwert auf die Stufen vor dem Thron des Königs ab; aus der Hand des Herrschers wird El Cid dann die Waffe entgegennehmen, um damit Tod und Verderben über die Feinde zu bringen.



    ZWEITER AKT

    Im Schloss der Familie Lozan.


    Die Dämmerung kommt und die Hofdamen empfehlen Chimene, ihren Schmerz in der Ruhe der Nacht zu vergessen. Doch die Gräfin möchte nicht alleine sein, ihr geht ständig der Mord an ihrem Vater durch den Kopf. Und das sind nicht nur Gedanken, es ist auch das Gesicht des Mörders, das sich immer wieder zeigt. Chimene zwingt sich, an den Kampf von El Cid gegen die Mauren zu denken, sie sieht ihn gegen die Feinde reiten. Wird er siegen? Sie geht zum Betstuhl, kniet nieder und bittet Gott um Vergebung ihrer Sünden, wobei aus dem Solo aber klar wird, dass sie nicht ganz die Wahrheit sagt, denn sie will und kann "den Mord nicht vergeben".


    Ritter Alvar Fanez kommt hinzu und teilt ihr mit, wie es im Kampfe gegen die Mauren steht: El Cid erkämpft einen Sieg nach dem anderen, aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, die Mauren sind schließlich auch gute Kämpfer! Nachdem Fanez gegangen ist, ist es Bischof Calvo, der als Besucher bei Chimene seine Bedenken ausgeräumt wissen will, ob sie wirklich jeder Rache abgeschworen hat. Er ist bibelbewandert und kennt genügend Sprüche, die er der Gräfin zum Nachdenken mitgibt.


    Während Chimene den Bischof am Portal verabschiedet, schleicht sich Ruy Diaz unbemerkt ins Haus. Er fragt sich, warum er in dieses Haus gegangen ist - hat ihn des Toten Stimme gerufen? Da ist aber noch eine andere innere Stimme, und die rät ihm, am Leben zu bleiben und zu lieben. Chimene kommt zurück und erschrickt, als sie leise ihren Namen rufen hört. Sie sieht im Kerzenschein einen Schatten und denkt an einen Todesboten. Als die Gestalt den schützenden Mantel fallen lässt, erkennt sie ihn: Ruy Diaz, der Mörder ihres Vaters, aber auch die Hoffnung auf den Mauren-Sieger. Sie reagiert fast panisch und fordert den ungebetenen Gast auf, zu gehen. Doch der Mann bleibt, gibt sich unterwürfig und bittet Chimene um ein freundliches Wort. Tatsächlich kommt es zu einem Dialog, der Annäherung erahnen lässt.


    Die Trompeten schmettern und mit seinen Soldaten begibt sich Feldherr El Cid in die Schlacht. Die Soldateska stimmt Kampfesgesänge an und bringt damit Zuversicht zum Ausdruck, schließlich hat der Heilige Jakob den Kriegsherrn noch immer geschützt. Ein Wort des Abschieds hat Chimene noch auf Bitten von Ruy Diaz übrig: Sie verzeiht ihm den Mord am Vater und wünscht ihm Glück für den Kampf. Allerdings muss sie sich etwas ausdenken, wie den ruhelosen Geist des Ermordeten versöhnen kann.



    DRITTER AKT

    Vor den Toren von Burgos.


    König und Bischof loben El Cids Leistung; Calvo fügt hinzu, dass es Gott war, der den Sieg gegeben hat. Danach fühlt sich das Volk berufen, festzustellen, dass Kastilien befreit wurde, dass der Halbmond keine Gefahr mehr darstellt, das Kreuz Christi den Sieg errang. Drei gefangene Maurenkönige berichten von ihrer Niederlage, nennen Ruy Diaz anerkennend El Cid (mein Herr) während Soldaten die Beute an Schmuck und Wertsachen ausbreiten.


    Aber wo ist der Sieger? Es ist eine Missachtung des Königs, fernzubleiben. Der Bischof weist plötzlich den König auf Ritter Alvar hin, der das Schwert, das er für Chimene eingesetzt hat, der Gräfin zu Füßen legt. Alle glauben nun, dass Alvar El Cid besiegt hat, auch Chimene, die niedergeschlagen ihre Liebe zu dem Helden öffentlich zugibt. Aber Alvar Fanez hat ihn nicht getötet; er berichtet, dass der Campeador gewonnen und ihn beauftragt hat, ihn bei Hofe anzukündigen. Und dann tritt El Cid auf, worauf der König erleichtert aufsteht und ihm nicht nur einige Städte Kastiliens schenkt, sondern auch die Hand Chimenes.



    INFORMATIONEN ZU KOMPONIST UND WERK


    (Carl August) Peter Cornelius wird 1824 in Mainz als Sohn einer Schauspielerfamilie geboren und kommt deshalb früh mit dem Theater in Berührung. Er ist nicht nur musikalisch, sondern auch dichterisch begabt, weshalb der Vater ihn als Schauspieler und Nachfolger sieht.


    Obwohl Peter Cornelius schon früh das Geigenspiel erlernt und 1841 als erster Violinist an einer Tournee seines heimatlichen Mainzer Theaters nach London teilnimmt, beginnt er nach Beendigung der Realschule eine Karriere als Schauspieler in Mainz und wird 1843 zum herzoglich-nassauischen Hofschauspieler ernannt. Erst nach dem Tod seines Vaters kann sich der Zwanzigjährige der Musik zuwenden und zieht zu seinem in den Adelsstand erhobenen Onkel, den Maler Peter von Cornelius, nach Berlin. Dort kann er seine schauspielerischen Misserfolge schnell vergessen. Er beginnt bei Siegfried Dehn, der auch Glinka und Anton Rubinstein unterrichtet, ein Studium der Kontrapunktik und Harmonik. Sein Lehrer weist ihn auf die Musik der alten Meister hin, bspw. Lasso und Palestrina, und es wundert nicht, dass Cornelius‘ erste Kompositionen aus dem Bereich der katholischen Kirchenmusik stammt. Durch die Vermittlung seines Onkels lernt er Franz Liszt kennen, wird dadurch endgültig für die Musik gewonnen und schließt sich 1852 Liszts Kreis an. Zunächst ist er allerdings für die „Neue Zeitschrift für Musik“ als Musikkritiker tätig.


    In Weimar entsteht unter dem Einfluss der Neuen Deutschen Schule seine erste Oper „Der Barbier von Bagdad“, die 1858 unter der Leitung von Liszt uraufgeführt wird, die aber keinen Erfolg hat und letzthin auch für den Rückzug Liszts aus Weimar verantwortlich ist. Die Oper wird zu Cornelius‘ Lebzeiten auch nicht mehr aufgeführt; der Erfolg kommt erst allmählich nach dem Tod des Komponisten. Cornelius siedelt sich in Wien an, wo er Friedrich Hebbel kennenlernt und seine zweite Oper „Der Cid“ schreibt, die 1865 auch in Weimar und mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt wird. Ironie der Geschichte: Der bei der Uraufführung ausgepfiffene „Barbier“ avanciert zum dauerhaften Bühnenerfolg, „Der Cid“ dagegen ist ein Werk für die Schublade geworden.


    Obwohl Cornelius schon 1852 Richard Wagner durch Liszt kennenlernte, woraus sich eine Freundschaft entwickelte, durch die Cornelius zu einer Art „Gesellschafter“ oder „Assistent“ bei Wagner wurde, lässt sich das kompositorisch in seiner Musik kaum feststellen. Vielfach ist zu lesen, dass der Einfluss von Mozart, Lortzing und von Berlioz überwiegt, trotzdem aber eigenständig ist. Lange Zeit wurde der „Barbier“ als „wagnerisch“ eingestuft, dürfte, so ist zu lesen, an der verfälschenden Bearbeitung durch Felix Mottl und Hermann Levi liegen. Die Originalpartitur von Cornelius wirkt dagegen herb, die temperamentvolle Atmosphäre Kastiliens und ihrer Protagonisten fehlt - manchmal wird die Darstellung der Helden mit „kühl und hölzern“ beschrieben. Trotzdem erkennt man eine große musikalische Begabung.


    1865 zieht Cornelius nach München, wo er, wie Wagner, von König Ludwig II. protegiert wird; 1867 wird er Professor für Komposition an der neuen Königlichen Musikhochschule. Im selben Jahr heiratet er seine Jugendliebe Bertha Jung, die ihm eine Tochter und drei Söhne schenkt. Cornelius wird in München jedoch nicht heimisch und so kehrt er vor seinem Tod nach Mainz zurück, wo er bereits mit fünfzig Jahren an den Folgen seiner Zuckerkrankheit stirbt. Er hinterlässt die unvollendete, heute vergessene nordisch-mythologische Oper Günlöd (Uraufführung der fertiggestellten Oper in Weimar 1891).


    Übrigens haben sich mehrere Komponisten mit dem Cid -Thema beschäftigt. Zu erwähnen sind Farinelli (1797), Aiblinger (Rodrigo und Zimene, 1821), Pacini (1853) und Wagenaar (1916). Die bekannteste Oper stammt von Jules Massenet, dessen „Le Cid“ von 1885 und nach Pierre Corneille gestaltet, noch immer aufgeführt wird.




    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2020 unter Hinzuziehung der bei Koch / Schwann erschienenen Aufnahme:


    Cornelius: Der Cid (Gesamtaufnahme) (Aufnahme Berlin 1993)

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    MUSIKWANDERER

  • Hallo,

    ich habe mir vor ein paar Jahren die o.g. Aufnahme auch zugelegt und war sehr neugierig. Leider habe ich festgestellt, dass mir die Aufnahme gar nicht gefiel, nicht nur, weil die Musik nicht besonders gut ist, sondern vor allem auch wegen der unzureichenden Leistung einiger Sänger, wovon ich Gertrud von Ottenthal und Endrik Wottrich ausdrücklich ausnehme.

    Gibt es nicht eine andere Aufnahme, die eher zur Referenzaufnahme taugt?

    Schöne Grüße

    wega

  • Guten Morgen, wega!


    Ich kann Dir leider keine andere Aufnahme nennen, denn es sieht so aus, als sei diese schon in die Jahre gekommene CD- Produktion die einzige von Cornelius' Oper. Und ich selber besitze sie auch nicht, sondern habe sie mir ausleihen können.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Hallo,

    ich habe mir vor ein paar Jahren die o.g. Aufnahme auch zugelegt und war sehr neugierig. Leider habe ich festgestellt, dass mir die Aufnahme gar nicht gefiel, nicht nur, weil die Musik nicht besonders gut ist, sondern vor allem auch wegen der unzureichenden Leistung einiger Sänger, wovon ich Gertrud von Ottenthal und Endrik Wottrich ausdrücklich ausnehme.

    Gibt es nicht eine andere Aufnahme, die eher zur Referenzaufnahme taugt?

    Schöne Grüße

    wega

    Lieber wega, das kann ich in manchem ganz gut nachvollziehen.

    Die Aufnahme ist technisch sehr schlecht, jedoch die Musik finde ich schon ganz gut, naja, die Sänger sind nicht gerade erste Sahne, Gertrud Ottenthal (ohne >von<) ist für meine Ohren so schlecht nicht wogegen Robert Schunk

    mir auch überhaupt nicht zusagt und Albert Dohmen wabert sich durch die Partie. Die Ensembles sind noch ziemlich gut gelungen und auch ganz schön dramatisch!

    Aber was soll's seien wir froh überhaupt eine Aufnahme zu haben um das Werk kennen zu lernen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)