Die Probleme der Operette im 21. Jahrhundert

  • M.E. sind sowohl Musik als auch Stoffe der meisten Operetten zu zeitgebunden. Was völlig o.k. und vielleicht seinerzeit sogar die Stärke der Operetten gewesen ist.

    Aber es passt eben nicht so gut zu dem Status eines erlauchten Klassikers, in dem selbst einige komische Opern ganz gut überleben können. (Das gilt bis in die Antike: Die erhaltenen Tragödien werden noch/wieder gespielt, von den Komödien aber nur sehr wenige, die (pornographisch-skatologischen) Satyrspiele oder irgendwelchen hellenistischen oder römischen Hirtenidylle nie.) Die allermeisten Opern (zumal komische) sind ja ganz genauso verschwunden wie die Operetten, nur liegt es eben noch länger zurück.

    Man kann ja mal vergleichen: Wie viele heitere Sprechtheaterstücke zwischen 1870 und 1940 sind heute noch gängig?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Man muß der Rheinoper zugute halten, das dort mit großem Erfolg Operette häufiger aufgeführt wird wie das Feuerwerk, der Vetter aus Dingsda und die Cascardasfürstin.

  • Lieber Alfred,


    Als Kind habe ich die Operetten natürlich geliebt. So mit dem Erwachsenwerden hat sich die Begeisterung gelegt. ...


    Meines Erachtens ist es nicht klar, dass, nur weil ich auch gerne Zeitgenössisches höre, sich mir die Operette verschließen muss.

    Ich hatte ebenfalls als Kind die Operette geliebt - dann kamen die Beatles. Erst als über 60 jähriger habe ich die Operette wieder entdeckt. Vielleicht musst Du nur etwas Geduld haben.


    Volker Klotz hatte sich ebenfalls lange Jahre auf zeitgenössische Musik spezialisiert - heue nennt man ihn den Operetten-Papst. Er hat den Begriff kreiert: "Operette - eine unerhörte Kunst".


    :) Uwe

  • M.E. sind sowohl Musik als auch Stoffe der meisten Operetten zu zeitgebunden. Was völlig o.k. und vielleicht seinerzeit sogar die Stärke der Operetten gewesen ist.

    Ich stimme dem zu, aber manche damals aktuelle Themen sind auch heute noch oder wieder zeitgemäß. Drei Beispiele:


    1. Die Rose von Stambul behandelt die Konflikte zwischen Tradition und Moderne im Islam bzw. zwischen Orient und Abendland.

    2. Der Rastelbinder behandelt das Thema Migration (damals aktuell die jüdische aus den Gebieten der heutigen Slowakei nach Wien)

    3. Boccaccio behandelt die Emanzipation der Frauen und ist gleichzeitig ein ganz klassischer Stoff.


    Auch die Inszenierungen von Kosky, ich denke dabei an "Die Perlen von Cleopatra" stellen, wie schon zu Offenbachs Zeiten ständig Bezüge zum Hier und Jetzt her.


    Uwe

  • Warum muss der Frosch immer dieselben Scherzchen machen?

    Gibt es keinen Darsteller, der sich etwas Neueres einfallen lässt?

    Manche gibt es doch noch, denen wir dann Hinreissendes verdanken.


    Für mich ist der Frosch eine Zentralfigur: Die einzige Person im ganzen Stück, die weder lügt noch betrügt, der seiner alkoholimprägnierten Zunge freien Lauf lässt.

    Wer kann es da mit ihm aufnehmen?


    Erich

  • Wo ist das eingestellte Sample?

    Hab ich vergessen - wurde jetzt nachträglich eingefügt- Sorry

    Und warum ausgerechnet und nur die Fledermaus nicht altmodisch sein sollte,

    Eine interessante Bemerkung.

    Ich hab drüber nachgedacht - und kam zu folgendem Schluss:


    Die Fledermaus brauch - um Wirkung zu entfallten, die Pracht , der bei der Wiener Staatsoperninszenierung von Schenk gezeigt wird, mit dem Blick auf die Seitenblicke-Gesellschaft. ("Seitenblicke" ist eine österreichische Fernsehsendung, wo Prominiente, Pseudoprominente und solche, die es gern wären ihre Statements abgeben - eine Parade der Eitelkeiten) Hier finden wir die "Fledermaus-Gesellschaft in fast unveränderter Form wieder, bis hin zum russischen Oligarchen (ocht oder nicht) dem die (vorgebliche ?) Elite zu Füssen gibt. So ist das Fest bein Prinzen Orlofsky - zumindest in Wien - auch noch heute vorstellbar. Das Clicheè des "versoffenen Beamten" ist zwar in der Tat überholt - aber noch nicht lange. Diese s Clicheé hat aber die Realität überdauert - und wirrd das vermutlich noch lange tun. Ein Archetypus, wie es viele vergleichbare in der Welt gibt....

    Als Kind habe ich die Operetten natürlich geliebt. So mit dem Erwachsenwerden hat sich die Begeisterung gelegt. Ich halte das aber nicht für ein grundsätzliches Problem schwindender Adoleszenz, sondern das hatte mit dem Zeitumfeld zu tun gehabt.

    Die Aufführungen waren damals mit mehr Liebe gemacht. Allerdings könnte man nocht alles was damals gezeigt wurde in unveränderter Form wiedergeben.

    Indes eine behutsame Anpassung (ich würde eine unveränderte Darstellung in Bezug auf Aussattung für unabdingbar betrachten, ABER mit feinen Anspielungen im Texdt auf unsere Zeit. Soche Aufführungen wurden schon vor Jahrzehjnten realisiert - und somit ist auch der Preis bekannt, den man dafür zahlen muß: Diese entsprechende Inszenierung qalter schnell und ist bald "altmodischer" als das Original.


    Es ist beispielsweise geradezu pervers, wenn man die "kriegerischen " Szenen im Zigeunerbaron abändern will, oder generell den Namen des Stückes.

    und wo man den "Rassismus" ausmerzen will - zumindest sprachlich. Denn an sich ist er ja eine Naturgegebenheit - geschaffen von der Natur - oder wer so will - von Gott.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Volker Klotz hatte sich ebenfalls lange Jahre auf zeitgenössische Musik spezialisiert - heue nennt man ihn den Operetten-Papst

    Der von Dir, lieber Uwe, erwähnte Volker Klotz durfte am vergangenen Sonntag seinen 90. Geburtstag feiern.


    Erfreulich, dass sein Standardwerk


    "Operette: Portrait und Handbuch einer unerhörten Kunst"


    lieferbar ist, seit 2004 bei Bärenreiter.


  • Auch wenn die modernen Regisseure mit der heiteren, unbeschwerten Kunst der Operette wenig anfangen können und dadurch mögliche Aufführungen erschwert oder gar blockiert werden wird die Operette weiter leben, weil sie gerade durch ihre Leichtigkeit und den Melodienreichtum eine Zielgruppe, zu der ich auch gehöre, anspricht.

    Unsere Erfahrungen bei den Open Air Konzerten des Heilbronner Sinfonie Orchesters sind: Sobald Operette oder und Spieloper geboten werden sind die Zuschauerzahlen mit Abstand am höchsten, meistens ausverkauft. Bei keinem instrumentalen Konzert, egal welche Zugstücke dort geboten werden, werden nie so viele Zuhörer erreicht. Bei der Bundesgartenschau im letzten Jahr, war das Blumenkonzert, das ich selbst zusammengestellt habe, mit Abstand die bestbesuchte musikalische Veranstaltung und hat sogar eine vom Programm und den Interpreten gut besetztes Musical- Konzert übertroffen. So lange es Liebe und Romantik gibt, wird die Operette weiter leben - und das ist schön!:jubel:

    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Mir erschließt sich nicht so recht, warum die Diskussion zum Stichwort "Operette tot?" hierher umgezogen

    Dafür gibt es zumindes ZWEI Gründe:


    Zum einen ist das Thema zwar ähnlich, aber eben in Details doch enders gewichtet

    zum anderen ist der ander Thread schon uralt (13 Jahre !!) - und wir wissen aus Erfahrung, daß solche Dinosaurierthreads selten gelesen werden. (442 Einträge)!!

    Er bleibt indes weiter - auch zum Schreiben - geöffnet)


    Die relativ hohe Beteiligung (40 Beiträge und 806 Seitenaufrufe in 4 Tagen) zeigt, aber daß dieser Thread allgemein angenommen wurde :hello:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die relativ hohe Beteiligung (40 Beiträge und 806 Seitenaufrufe in 4 Tagen) zeigt, aber daß dieser Thread allgemein angenommen wurde :hello:

    Vielen Dank für die gut nachvollziehbare Begründung, auch wenn mir scheint, dass die modifizierte Neuauflage das Risiko von Wiederholungen birgt. Sei's drum, doppel genäht hält bekanntlich besser...


    8-)


    Herzlichen Gruß zurück von den Gestaden des Guaiba an die Ufer der Wien


    Udo

  • nein, die inszenierung meine ich nicht, habe ja auch nur gehört ...

    aber es gibt auch arg modernisiert (mit allen möglichen aktuellen musikstilen):

    Ich habe den Musikfilm durchaus mit Spaß zuende gesehen. Auch, wenn mir hier der Film mit Peter Alexander besser gefällt (das liegt wahrscheinlich nur an Peter Alexander :)), hat die Neuverfilmung ihre Meriten und leider auch ein paar Längen.


    Es findet sich hier die aktualisierte Replik auf die Stelle in der Fledermaus mit dem Klaps auf den Po. Es ist der rechte Haken zum Ex mit der Bemerkung der Freundin, ob sie sie demnächst zum Singen mitnimmt. Das ist doch schon mal was, auch für ein moderneres Rollenverständnis ;).....


    Leider gibt's die Stelle nicht auf youtube, sondern nur den Trailer.


  • Ich glaube, da wären viele Kabarettisten, die sich dieser Aufgabe annehmen, ziemlich beleidigt... Gerhard Ernst wird hoffentlich ab nächster Saison wieder häufiger zu erleben sein... unübertroffene Komiker gibt es für mich nur innerhalb einer Generation, die Nachfolgenden erfassen die Texte anders und wollen neue Pointen.

    Die Veränderung der Sprache ist wohl das Hauptproblem der Operette. Unglaublich viele Bemühungen um Neufassungen bleiben erfolglos - es wird wohl das: neuer Wein in alte Schläuche- Problem sein.
    Die Themen sind veraltet (z.B. fideler Bauer) - selbst, wenn es mit viel Fantasie gelingt, Parallelen zu ziehen, hat es weniger Wirkung und selten Zugkraft.
    Gesellschaftliche Probleme des 19.Jh. ständig aufwärmen zu wollen, ist schon fragwürdig.
    Und für den historisch-musealen Aspekt sollten DVDs doch ausreichen.

    Wer hat etwas von Paul Hertel: Die Rose des Kaisers mitbekommen?



    Eine nette Nachschöpfung mit bedenkenlosen musikalischen Zitaten, kombiniert mit einem turbulenten Filmdrehbuch der 60er Jahre.
    Zweifellos unterhaltsam...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Ich habe den Musikfilm durchaus mit Spaß zuende gesehen.

    Dazu braucht es einen guten Magen.

    Wenn ich sowas sehe, dan frage ich mich, ob es überhaupt noch ein Publikum für MEINEN Film geben wird, der am ehesten Humor a la Loriot bringen wird.

    Aber HIER ist alles proletarisiert - und die Opertte ist wirklich entstellt.

    Mag aber auch sein, daß dies ein Film ist der den "Freidenkern" gefällt, die allerdings dabei sind sich selbst auszulöschen.....


    Ich pflichte aber bei, daß zahlreiche Operetten "antiquiert" sind - aber das ist die Geschichte von Maria Stuart in letzter Konsequenz auch.

    Das Schlimmst, was man machen kann, ist eine Operette zu "aktualisieren"

    Zwar darf man - und SOLL man" die berühmten Coupleteingagen und Zugaben aktualisieren - das war schon eingeplant - aber Figuren "anzupassen"

    das ist IMO ein arger Kunstfehler. Will man etwa den Kaiser Franz Joseph - eine unverzichtbare Schablon dieser Oper - durch einen Politiker ersetzen ?



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kaiser Franz Joseph wird dann eben durch den neuen Salvator Austriacus ersetzt. So wie's dem heutigen Zeitgeist entspricht und wie er's nicht anders verdient. :pfeif:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da würden dann weder Lied noch Sprechtexte passen, beispielsweise die Stelle wo der Kaiser sagt:


    "Als Kind wollte ich immer Lokomotivführerwerden - und was bin ich geworden - (resignierend) ein Kaiser"


    Und auch die Musiknummer "S ist amal im Leben so" würde nicht mehr passen

    Denn der neue Salvator austriacus

    ist jung und dynamisch, selbstbewusst und erfolgsgewohnt

    Auch wenn man den Text änderte -

    Die Melodie bleibt melancholisch.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dazu braucht es einen guten Magen.

    Den habe ich natürlich ;). Ich kann hier zum Teil Deine Probleme schon nachvollziehen. Alles ist hier sehr plakativ. Der Film scheint eine ironisierende Schneiderarbeit zu sein. Das führt zum Eindruck der Entstellung und ist natürlich auch wieder nicht jedermanns Geschmack.

  • Die Gegenwart und Zukunft der Operette sind eigentlich nicht mein Thema.

    In Grammophone stand aber in dem vorletzten Heft ein sehr ausführlicher Artikel, der Manchen hier im Forum vielleicht interessieren könnte.


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    The Art of Operetta

    Richard Bratby

    Friday, January 15, 2021

    Richard Bratby discovers that operetta – traditionally considered the poor relation of operatic works – is deceptively difficult to pull off, requiring musicians to dig beneath its polished surface in order to express hidden emotional depths


    Der Text kann - zumindest jetzt - kostenlos eingesehen werden

    https://www.gramophone.co.uk/f…cle%2Fthe-art-of-operetta


    Caruso41


    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!