Ich weiß: keine Sachbücher, aber das Buch, das ich kurz vorstellen möchte ich eine Art hybrides Werk. Es vereint Kenntnisse, die zu historischen Personen aus Akten gewonnen wurden, mit der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, reiht diese aber nicht einfach auf, sondern erzählt das 20. Jahrhundert bzw. einige seiner Ausschnitte im Spiegel des Schicksals einer Person.
Gudrun Sailer erzählt auf Basis einer profunden Kenntnis von Quellen das Leben der später zum Katholizismus konvertierten Jüdin Hermine Speier, geb. 1898 in Frankfurt am Main, einer Dame, die einzig fachlich etwas verbildeten wie mir etwas sagen dürfte, da sie mit der Herausgabe des „Helbig“, einem wichtigen Führer durch die Museen Roms, einige Bekanntheit im Fach erlangte. Sie hatte gleich verschiedene Besonderheiten. Sie war eine der ersten weiblichen Angestellten im Vatikan und wirkte als Fotothekarin. Dorthin vermittelte sie der damalige Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, Ludwig Curtius, ihr Doktorvater, sie sie 1934 als Angestellte des Instituts nicht mehr schützen konnte. Zuvor hatte sie nachdem Studium in Heidelberg (dort Kontakt zum Gerorgekreis) zum Aufbau des Archäologischen Instituts in Königsberg beigetragen (wo sie sich nicht wohlfühlen). Das ist der eine Erzählstrang, der zweite, der immer wieder eingeflochten wird, ist derjenige der Verlobung mit Umberto Nobile, dem bekannten Expediteur zum Nordpol, mit aller Hoffnung auf eine Heirat. Es ist die Geschichte eines persönlichen Schicksals, eng verwoben mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die für mich greifbarer wird, in allem Schrecken, aller Tragik, aller Angst, aber auch den kleinen Lichtblicken.
Mir hat die Lektüre, die ein wenig zurückliegt, gut gefallen.
Mit besten Grüßen
JLang