DONIZETTI, Gaetano: GIANNI DI CALAIS

  • Gaetano Donizetti (1797 – 1848 )

    Gianni di Calais

    (Johann von Calais)


    Opera semiseria in drei Akten

    Libretto: Domenico Gilardoni

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung: Neapel 1828


    PERSONEN DER HANDLUNG

    Der König von Portugal, Bass

    Metilde, seine Tochter und Ehefrau von Gianni, Sopran

    Gianni, ein Reeder, Tenor

    Rustano, Anführer der Seeleute Giannis

    Adelina, Herzogin und Freundin von Metilde, Sopran

    Arrigo, Page der Herzogin, Kontra-Alt

    Rogiero, ein Adeliger des Reiches, Tenor

    Corrado, Rogieros Freund, Tenor

    Guido, Leuchtturmwärter, Bass

    Ein Beamter, Tenor

    Ermanno, kleiner Sohn von Gianni, stumme Rolle

    Knappen, Seeleute, Hofdamen, Volk


    Ort und Zeit der Handlung: Portugal, frühes 15. Jahrhundert


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT

    Hafen von Lissabon mit Leuchtturm, Haus des Leuchtturmwärters Guido und Gaststätte.

    Der Freund des Adligen Rogiero, Corrado, kommt mit Knappen. Er berichtet, ein Wachtposten habe entdeckt, dass der Leuchtturmwärter Guido einer Fremden Asyl gewährt habe. Man klopft an seiner Haustür und Guido kommt heraus. Auf die Frage, wer die Fremde sei, weiß er keine Antwort. Er erzählt, dass er in der Nacht geweckt wurde. Ein Knabe habe ihn um Asyl für sich und seine Mutter gebeten. Die verschleierte Frau habe ihm nicht geantwortet, wer sie sei, sondern ihm lediglich eine Geldbörse und einen Brief für die Herzogin Adelina übergeben. Dann habe sie ihr Antlitz noch tiefer verhüllt. Corrado fordert Guido auf, mit ihm zu Rogiero zu kommen, um das rätselhafte nächtliche Geschehen dort vorzutragen. Ehe Guido sich mit dem den Knappen fortbegibt, kann sich Arrigo, der Page der Herzogin, gerade noch rechtzeitig eine kurze Auskunft von Guido über die Art der beherbergten Personen einholen. Dann eilt der Page fort, um seiner Herrin zu berichten.

    Da tritt die Fremde (Metilde) aus dem Hause. Sie hat Geräusche gehört und ist nun erstaunt, niemanden vorzufinden. Guido ist noch nicht zurück und ihre Freundin Adelina ist bisher nicht erschienen.

    Endlich kommt diese mit dem Pagen und ihren Hofdamen. Adelina erkennt Metilde, aber diese bittet sie, ihre Identität noch nicht zu verraten, denn sie sieht nun Rogiero mit Gefolge kommen. Ihr Geheimnis will sie Adelina später erzählen. Sie hüllt sich wieder in ihren Schleier.

    Rogiero rückt mit Corrado, Guido und Gefolge an. Auf seine Frage an Adelina, wer die Frau sei, sagt diese, dass sie schweigen werde. In einem Ensemble

    - äußert sich Rogiero, der auf den Königsthron spekuliert, wütend, dass er sich an Adelina für ihr Schweigen rächen werde, wenn er einmal auf dem Thron säße,

    - fragt sich Metilde, wie Rogiero wohl reagieren wird, wenn sie sich zu erkennen geben und ihm ihren Gatten und Sohn vorstellen werde,

    - denkt Adelina daran, wie der König, der um den Verlust seiner Tochter trauert, sich nun freuen werde, diese wiederzusehen,

    - rätseln alle Übrigen, was wohl hinter dem Geheimnis dieser Frau stecke.

    Rogiero fordert Corrado und sein Gefolge auf, mit ihm zum König zu gehen, um ihm über die Geschehnisse zu berichten. Guido begibt sich in den Leuchtturm. Nun bekennt Metilde ihrer Freundin, dass sie verheiratet sei und einen Sohn habe. Sie erzählt, dass sie an dem für ihre Hochzeit festgesetzten Tag fortgelaufen sei. Sie hasse Rogiero, mit dem sie verheiratet werden sollte. Sie habe am Ufer ein kleines Boot gefunden, mit dem sie fliehen wollte, sei dann aber in die Hände eines Piraten gefallen. Der Reeder Gianni habe sie gerettet, sie hätten sich ineinander verliebt und er wäre dann ihr Ehemann geworden. Einzig Rustano, der Anführer der Seeleute Giannis, wisse, wer sie wirklich sei. Er habe geschworen, sie nicht zu verraten. Nun werde Gianni bald hierher kommen. Sie habe Bilder von sich und ihrem Sohn Ermanno auf seine Segel malen lassen, die er bei Ankunft zeigen solle. Um aber die Überraschung ihres Vaters und die Wut Rogieros zu mildern, habe sie sich ohne Wissen ihres Mannes schon hierher begeben. Sie wolle versuchen, eine Lösung des Konfliktes zu finden. Adelina schlägt vor, dass ihr Page Arrigo den kleinen Ermanno in passender Kleidung dem König vorstellen solle. Sie werde vorausgehen und den König auf Metildes Ankunft vorbereiten. Adelina eilt mit den Hofdamen davon und Metilde begibt sich mit Arrigo in das Haus zu ihrem Sohn.

    Rustano, der Anführer der Seeleute Giannis, landet mit einem kleinen Boot und wenigen Leuten im Hafen von Lissabon. Singend vertäut er das Boot. Da tritt Metilde mit Sohn Ermanno und Arrigo aus dem Haus. Rustano wundert sich, die Prinzessin hier zu finden, aber sie winkt ihm, zu schweigen, und entfernt sich. Nun beginnt er zu begreifen, welche Bedeutung die Bilder auf den Segeln haben und freut sich auf ein amüsantes Abenteuer.

    Guido, der das Schiff von Gianni erkannt hat, kommt. Rustano berichtet ihm, dass die Frau, die er beherbergt habe, verschwunden sei.

    Während Rustano in die Gaststätte geht, um Unterkünfte für die Matrosen vorzubereiten, hat das Schiff im Hafen geankert und Gianni steigt von Bord. Er lässt Rustano von einen einem Matrosen herbeiholen und bittet Guido, auf das Schiff zu gehen und die Segel setzen zu lassen, wie er es seiner Frau Metilde versprochen hatte.

    Gianni hält Rustano für einen außergewöhnlichen Menschen, der schon viele Jahre unermüdlich für ihn tätig gewesen ist, ohne dass er jemals etwas über seine Herkunft und Person erfahren hätte. Auch auf Giannis Fragen, wer er sei und warum er die Matrosen hier einquartieren wolle, gibt er nur ausweichende Antworten. Rustano erinnert Gianni an seine eigene Frau, von der dieser auch nicht wisse, wer sie in Wirklichkeit sei. Er deutet Gianni aber an, dass er seine Frau schon in Kürze wiedersehen werde. Gianni hält das wegen der Entfernung zwischen Lissabon und Calais nur für einen Scherz des immer gut gelaunten Seemanns. Rustano will nun allein in die Herberge gehen. Auf die erstaunte Frage Giannis deutet er an, dass er selbst ein hochrangigeres Logis erhalte, und verweist ihn auf die Segel. Er werde vom König eingeladen werden. Gianni hält ihn für verrückt. Plötzlich taucht am Hafen viel Volk auf, das die Frau auf den Segeln zu kennen scheint. Auch kommt, wie von Rustano vorausgesagt, ein Beamter und meldet ihm, dass der König ihn, den Reeder, zu sprechen wünsche. Völlig verwirrt entfernt sich Gianni mit dem Beamten und Rustano folgt ihnen.


    ZWEITER AKT

    Garten mit einem kleinen Tempel

    Metilde und ihr Sohn werden von Adelina hereingeleitet. Die Königstochter hat Bedenken, ihrem Vater nach sechs Jahren Abwesenheit entgegenzutreten. Ihre Freundin spricht ihr Mut zu. Als Rustano, der Gianni vorausgeeilt ist, auftaucht, führt sie Metilde und das Kind in den Tempel.

    Rustano nähert sich dem Tempel. Da tritt Adelina heraus und fragt ihn nach seinem Begehr. Er nennt seinen Namen. Nun weiß sie, dass er der Vertraute Giannis und Metildes ist. Sie erklärt ihm, die Freundin Metildes zu sein und beide beschließen, gemeinsam vorzugehen. Es gelingt Adelina schließlich auch, ihm das Geheimnis seiner Identität zu entlocken: Er sei der Sohn eines Seemanns, den Gianni aus einen gefährlichen Sturm gerettet habe. Dafür sei er ihm so dankbar, dass er ihm sein Leben geweiht habe. Als sie Gianni mit dem Beamten kommen sehen, verschwinden beide.

    Der Beamte führt Gianni in den Garten. Gianni erhält auf die Frage, was der König von ihm wolle, keine Antwort. Der Beamte weist ihn nur an, hier zu warten, und geht dann.

    Adelina kommt zurück. Auch von ihr erfährt Gianni nur, dass der König vorhabe, ihn zu ehren. Er solle sich darauf einstellen, dass sich ab heute sein Leben ändern werde. Dann entfernt sie sich. Gianni ahnt immer noch nicht, was hier geschieht. Er möchte kein Höfling sein und wolle sich dazu auch nicht überreden lassen. Sein Beruf sei die Seefahrt und er wolle zurück nach Calais zu Frau und Sohn.

    Auch Rustano erscheint wieder. Er berichtet, dass er einen guten Freund am Königshofe getroffen habe, der jetzt Page beim König sei. Der Page habe ihm erlaubt, bei ihm am Hofe zu verweilen und zu beobachten, welche Ränke Rogiero gegen Gianni schmiede. Gianni gerät immer mehr ins Staunen, denn er kennt keinen Rogiero, der sein Feind wäre. Rustano gibt an, das wisse er von Metilde. Und dann verkündet er Gianni geheimnisvoll, er solle sich vorstellen, dieser kleine Tempel stünde in Calais. Wenn er nun zärtlich riefe, würde seine Frau daraus hervortreten.

    Gianni kann noch immer nicht glauben, dass seine Frau ihm gefolgt ist und tut das Ganze als lächerlich ab. Doch dann fügt er sich – immer noch zweifelnd – dem Drängen Rustanos und ruft seine Frau bei Namen. Gianni ist verblüfft, als Metilde tatsächlich aus dem Tempel tritt und ihn zärtlich anspricht.

    Metilde lässt sich von Rustano bestätigen, dass er Gianni noch nicht verraten hat, wer sie wirklich ist. Als Gianni in den Tempel eilen will, um seinen Sohn zu sehen, hält Metilde ihn auf. Er müsse hier warten, bis der König komme. Die Sache erscheint Gianni immer mysteriöser.

    Da hört man den König kommen und Metilde will sich entfernen. Doch Gianni will sie zurückhalten und dem König als seine Frau vorstellen. Aber das lehnt sie ab. Rustano bittet beide, sich zu verstecken, Metilde im Tempel und Gianni im benachbarten Hain, bis der König ihn rufe. Er selbst werde sich auch verstecken, um herauszufinden, welch finstere Pläne gegen Gianni ausgeheckt werden.

    Der König tritt mit Rogiero, Adelina, Arrigo, Knappen und Hofdamen auf. Er hat das Porträt auf dem Segel gesehen, das seiner Tochter gleicht. Adelina verspricht, dem König die auf den Segeln abgebildete Frau zuzuführen. Zuerst solle man jedoch den Schiffseigner befragen. Rogiero hegt einen bösen Verdacht. Ein Beamter führt Gianni herbei. Dieser gibt auf die Fragen des Königs nach den Personen auf dem Segel an, dass dies seine Frau und sein Sohn seien. Über die Herkunft der Frau könne er jedoch keine Angaben machen. Er habe sie vor sechs Jahren aus den Händen eines Piraten gerettet. Als er jedoch den Namen Metilde nennt, erkennen alle, dass sie des Königs Tochter ist. Gianni ist nun völlig verwirrt.

    Adelina hat inzwischen Metilde und ihren Sohn Ermanno herbeigeholt. Metilde wirft sich ihrem Vater zu Füßen und Ermanno sich in die Arme seines Vaters. Gianni fürchtet nun, dass er Frau und Sohn verlassen muss, weil er nur ein gewöhnlicher Seemann ist.

    In einem Sextett („Tu in grembo all'innocenza“)

    - nimmt Gianni Abschied von seinem Sohn

    - fragt der König Metilde, warum sie ihn verlassen habe und macht ihr bittere Vorwürfe,

    - bekennt Metilde, dass der ihr zugedachte Gatte Rogiero sie vertrieben habe, sie aber bei aller Liebe zu ihrem Mann und Sohn immer an den Vater gedacht habe,

    - drückt Rogiero seine Wut und seine Rachegedanken aus, und seine Knappen stimmen seinen Absichten zu,

    - beobachtet Adelina die Reaktion des Königs und Rogieros,

    - hoffen Arrigo und die Hofdamen, dass der König seiner Tochter verzeihen, ihr Mann und Sohn zurückgeben und Rogiero schließlich bestrafen werde.

    Als Metilde sich Gianni nähert, wirft er sich vor der Königstochter, seiner Frau, nieder. Aber sie schwört ihm, dass sich an ihrer Liebe nichts geändert habe. Gianni stellt nun dem König seinen Enkel vor.

    Der König umarmt das Kind. Dann wird gemeldet, dass der Rat der Großen des Reiches auf den König warte, um ihm und seiner Tochter zu huldigen. Der König bittet alle – außer Gianni – ihm zu folgen. Über Gianni müsse nach einem alten Gesetz erst der Rat entscheiden.

    Der Akt endet wiederum mit einem Ensemble, in dem

    - Gianni Metilde tröstet: Wenn sie ihm die geschworene Treue halte, werde er - auch fern von ihr - glücklich sterben in der Gewissheit, dass sie ihn nicht verraten habe,

    - Metilde noch einmal beschwört, dass sie bis zum Tode treu zu ihm halten werde,

    - Rogiero und seine Knappen ihre Rachegelüste bekräftigen,

    - König, Arrigo, Adelina und ihre Hofdamen wünschen, dass Gnade vor Recht ergehen möge und die Eheleute glücklich wieder vereint werden.


    DRITTER AKT

    1. Bild: Säulenhalle mit Blick auf einen Garten. Nächtliche Dunkelheit

    Rustano kommt, in einen Mantel gehüllt. Er vermutet Feinde rundum und eine große Gefahr für seinen Herrn. Corrado schleicht mit als Matrosen verkleideten Männern heran und Rustano versteckt sich hinter einer Säule. Dann gesellt sich auch Rogiero zu den Verschwörern. Rustano vernimmt, dass dieser eine Mitteilung Giannis an Metilde abgefangen hat. Diese Nachricht sollen sie Metilde zeigen, dann würde sie ihnen ihren Sohn anvertrauen. Das Kind solle dann mit Gianni getötet werden. Rustano schleicht sich davon, um Gianni zu unterrichten. Die Verschwörer versprechen, alles nach Rogieros Order auszuführen. Danach zieht Rogiero sich zurück.

    Während Corrado letzte Anweisungen erteilt, mischt sich Rustano – ebenfalls als Matrose gekleidet – unter die Verschwörer. Nun kommt Metilde. Man hat ihr mitgeteilt, dass hier die Mannschaft Giannis auf ihren Sohn warte. Corrado überreicht Metilde Giannis Nachricht , in der er ihr mitteilt, sein Sohn sei in der Nähe Rogieros in Gefahr. Ohne Argwohn übergibt Metilde ihren Sohn. Dieser wird von „Matrose“ zu „Matrose“ weitergereicht, bis er bei Rustano ankommt. Der versteckt ihn unter seinem Mantel. Corrado befiehlt den Abmarsch. Nur Rustano bleibt in der Dunkelheit zurück. Er übergibt Metilde ihren Sohn und klärt sie über die Absichten Rogieros auf. Sie brauche aber keine Angst zu haben, denn er habe auch Gianni vor dieser Gefahr gewarnt. Rustano bittet Metilde, mit ihrem Sohn zum König zu gehen und diesen über die Verschwörung zu unterrichten. Er selbst werde sich zu Gianni begeben, um zu helfen, die Verbrecher zu überwältigen und dem König vorzuführen.


    2. Bild: Im Inneren des Palastes

    Adelina mit ihren Hofdamen trifft auf die erregte Metilde. Sie beruhigt sie: Gianni sei gerettet und der König wisse bereits alles. Schließlich kommt der König mit Gianni, Rustano und Höflingen. Der König erklärt, dass Rogiero bestraft werde. Dann vereint er Gianni mit Metilde und fordert auch Rustano auf, am Hofe zu bleiben. Mit einem freudigen Chor aller Anwesenden und einer Betrachtung Rustanos („Non vi è bene senza pene....Es gibt nichts Gutes ohne Leid...") klingt die Oper aus.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Anmerkungen:

    Die Oper war sowohl in Neapel als auch in Rom ein Erfolg. Das war sicher auch dem Libretto Gilardonis mit den bis zum Schluss für Gianni geheimnisumwitterten Personen seiner Frau Metilde wie auch des Anführers seiner Seeleute Rustano zu verdanken. Die Figur des treuen Rustano in seiner stets heiteren und das Geheimnis bis zum Schluss wahrenden Art finde ich einfach genial dargestellt.

    Über die weitere Aufführungsgeschichte konnte ich kaum etwas finden. Ebenso wenig fand ich eine Gesamtaufnahme dieses Werks auf CD oder DVD. So sind mir nur die wenigen Ausschnitte (wie das Auftrittlied Rustanos „Una barchetta in mar solcando va“ aus dem 1. Akt oder das Sextett „Tu in grembo all'innocenza“ aus dem 2. Akt) bekannt, die man auf youtube hören kann.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)