Bayreuther Strukturen infrage gestellt

  • "Bund stellt Strukturen der Wagner-Festspiele infrage" berichten heute ZEIT-Online und andere Zeitungen. Sie beziehen sich auf Äußerungen der deutschen Kulturstaatsministern Monika Grütters. Sie fordere eine Prüfung der Strukturen des Festivals, heißt es. Es sollte überlegt werden, ob die geltenden Satzungen noch zeitgemäß seien. Wie das Land Bayern und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth halte der Bund 29 Prozent der Anteile an der Bayreuther Festspiele GmbH. Die Stadt sei mit den restlichen 13 Prozent dabei. An der herausgehobenen Position der Familie Wagner will Grütters den Berichten zufolge nicht rütteln. "Bei den Bayreuther Festspielen muss und sollte man die Rolle der Familie angemessen würdigen", sagte die Kulturstaatsministerin. "Die Familie verteidigt dort mit Recht ihre Mitwirkungsansprüche." Im zu Ende gehenden Jahr waren die Festspiele angesichts der Pandemie abgesagt worden. 2021 sollten sie nach Aussage der Ministerin aber stattfinden. Geplant seien nur 22 Vorstellungen unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen statt der üblichen 32.


    Nach den Ausführungen der Politikerin geht es vornehmlich darum, "wie wir das Publikum erreichen". Die Festspiele würden zu einem Großteil mit Steuereinnahmen finanziert. Da müsse man einfach fragen, ob die "Bringschuld eines national und international bedeutsamen Opernfestivals eingelöst" werde. Würden die Erwartungen des Publikums angemessen berücksichtigt? Seien die Strukturen geeignet, damit ein Höchstmaß an künstlerischer Leistung erbracht werden könne? "Da hat es in der Vergangenheit manchmal doch Reibungsverluste gegeben", sagte Grütters ZEIT-Online zufiolge.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nach den Ausführungen der Politikerin geht es vornehmlich darum, "wie wir das Publikum erreichen".

    Werkgerechte Inszenierungen und Wagner-würdige Besetzungen wären schon mal ein Anfang. Beides war in den letzten Jahren (nicht nur nach meiner Einschätzung) doch eher mangelhaft und wurde den Bayreuther Festspielen mit ihrem hehren Anspruch nicht gerecht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Über diesen Beitrag war ich auch gestolpert, lieber Rheingold1876, und es stieß mir dann doch etwas sauer auf. Wer traut sich denn ein Urteil über die Erwartungen zu. Diese sind doch viel zu vielfältig, ich denke, dass die Reibungsverluste gerade dadurch höher werden, wenn man hier nun auch noch politisch mitspielen will. Man wäre aus meiner Ansicht besser beraten, sich nicht in die Inhalte einzumischen und das klang dann zwischen den Zeilen doch durch. Hohe musikalische Qualität zu erreichen, ja, das ist ein prima Ziel, schwer genug zu erreichen, mehr Entscheider helfen da erfahrungsgemäß wenig. Für mich ein weiterer Beweis für die wenig glückliche Richtung, in die Kulturpolitik in den letzten Jahren betrieben wird. Das klingt abschließend viel zu negativ, das weiß ich, aber mich hat die von Frau Grütters ausgedrückte Haltung tatsächlich etwas geärgert. Es geht nicht darum, dass ich nicht meine, man könnte an den Festspielen etwas verändern, nur sollte diese Veränderung aus einer anderen Richtung kommen. herzlich JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich habe den Artikel ebenfalls in meiner Zeitung gelesen. Ich fürchte aber, dass sich an den schrecklich entstellenden Inszenierungen von Wagners Werken nichts ändern wird, solange Katharina Wagner das Regiment hat. Damit wird man den größten Teil des Publikums nicht mehr erreichen. Das zeigt der Rückgang der Verkaufszahlen für Eintrittskarten, die mit steigender Verhunzung der Werke auch immer teurer geworden sind. Es ist bezeichnend, dass man früher 10 Jahre vorher bestellen musste, wenn man einen Platz erhalten wollte und einem heute Karten noch im Veranstaltungsjahr, ja sogar noch während der laufenden Veranstaltungen angeboten werden. Deshalb hat der Fortfall in diesem Jahr wohl nur wenigen Leuten wehgetan. Unter den derzeitigen Umständen würde es mich nicht rühren, wenn diese Festspiele, die heute den Namen nicht mehr verdienen, verschwinden würden.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Unter den derzeitigen Umständen würde es mich nicht rühren, wenn diese Festspiele, die heute den Namen nicht mehr verdienen, verschwinden würden.

    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, solltest du vielleicht hinzufügen, dass ein Wegfall bzw. eine Nichtexistenz der Festspiele dich auch früher nicht gerührt hätte, da du ja in deinem langen Leben diese niemals besucht hast. Die Festspiele wären auch 2020 zu 100% ausgelastet gewesen. Zumindest die Karteninhaber dürften also zum Ausfall der Festspiele eine andere Haltung haben als du, der du dein Leben lang auf deinem heimischen Sofa (oder sonstwo) gesessen hast, während die Festspiele stattgefunden haben. Zu behaupten, es hätte niemandem wehgetan, ist also mal wieder die Verabsolutierung deines eigenen Standpunktes, ein Verfahren, was du sehr gerne anwendest, was aber rein gar nichts beweist außer die Empathielosigkeit bei demjenigen, der es anwendet.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich äußere mich banal einfach: Es muss Bayreuth würdig musiziert, gesungen und vor allem inszeniert werden. Bayreuth muss wieder für die Werke Richard Wagners richtungsweisend werden. Sicherlich leichter gesagt und gefordert als getan.

    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich äußere mich banal einfach: Es muss Bayreuth würdig musiziert, gesungen und vor allem inszeniert werden.

    Der "Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen 2019 wurde immerhin im Jahrbuch der "Opernwelt" zur Inszenierung des Jahres gewählt, fast alle mit denen ich gesprochen habe und die in der Ausführung waren, haben die Inszenierung als sehr eindrücklich beschrieben. Was genau muss sich also deiner Auffassung nach ändern?

  • Mit Verlaub, hat Frau Grütters grad nix Besseres zu tun? Beispielsweise sich statt um die ohnehin ausreichend subventionierten Bayreuther Festspiele um all diejenigen Kulturbetriebe und- veranstaltungen zu kümmern, die aufgrund der Corona-Situation einfach nur "am Arsch" sind?

  • Auch ich habe mich gewundert über den Vorstoß von Frau Grütters, den ich für wert erachtete, dass er hier im Forum zunächst ohne die Zutat eigener Wertung mitgeteilt wurde. Nach einigem Nachdenken habe ich mich nicht mehr gewundert. Die deutsche Kulturstaatsministerin dürfte kaum unabgestimmt an die Öffentlichkeit gegangen sein. Wollte sie einen Stein ins Wasser werfen? Mal sehen, was passiert? War es ein Zufall, dafür das Luxusprodukt Bayreuth auszuwählen? Für mich steht eines fest: Nach der Pandemie - wann wird das sein? - geht nichts so weiter wie bisher. Die Staaten haben sich exorbitant neu verschuldet wie sich das kaum jemand vorstellen kann. Der Sozialstaat kommt bereits deutlich an seine Grenzen. Das Gesundheitswesen braucht neues Geld, um das Personal zu bezahlen. Das sind nur die aktuellsten Probleme. Die Kultur wird viele Federn lassen müssen. Daran beseht für mich nicht der geringste Zweifel. Und darauf soll wohl eingestimmt werden. So sehe ich das. Wenn irgendwo Strukturen infrage gestellt werden - egal, in welchem Bereich - geht es immer um Einsparung und Verschlankung.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Natürlich, am Ende (der Pandemie, so es denn jemals ein Ende geben wird ...) geht es wohl vor allem ums liebe Geld. Allerdings finde ich es aus kulturpolitischer Sicht viel irritierender, wenn Frau Grütters davon fabuliert, "wie wir das Publikum erreichen". Wieso eigentlich wir? Ist seit neuestem die Kulturstaatsministerein dafür zuständig, wie eine hoffentlich unabhängige künstlerische Leitung sein Publikum erreicht? Mehr noch sieht Frau Grütters eine Bringschuld gegenüber dem Publikum, dessen Erwartungen bitte angemessen zu berücksichtigen sind. Ich persönlich halte nichts davon, wenn sich ein letztlich politisches Amt auf eine solche Art und Weise in die Fragen von Kunstfreiheit einmischen will. Geht Monika Grütters dann auch auf Maestro Thielemann zu: Hallo Christian, Dein Bruckner letztens war ja schön, aber vielleicht etwas zu romantisch. Ist das noch zeitgemäß? Wir haben da ja auch eine Bringschuld gegenüber dem Publikum! oder was hätte sie zu Richard Wagner gesagt? Herr Wagner, ihr Tannhäuser in Paris, nun ja ... musste das mit dem Ballett gleich zu Anfang der Oper sein? Dieser Eklat, weil es doch immer anders gemacht wurde. Schließlich geht es hier auch um unser nationales Ansehen. Meinen Sie nicht, wir hätten da auch eine Bringschuld?


    Und was hier an den fraglos vorhandenen wirtschaftlichen und kulturellen Problemen schlussendlich in den Strukturen des Gesellschaftervertrages begründet liegt, sollte man sicherlich analysieren - ob Frau Grütters Einlassungen hierbei hilfreich sind, sei dahingestellt ...

  • Nachdem der Bund 85 Millionen Euro für die Sanierung des Festspielhauses nun locker gemacht hat, ist der politische Wille zum Fortbestand der Bayreuther Festspiele sicherlich jedem ersichtlich.


    Aber wer zahlt, hat auch was mitzureden.

  • Aber wer zahlt, hat auch was mitzureden.

    Ja klar, wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Jedoch, wie weiter oben schon ausgeführt, reden wir hier von Steuergeldern, die durch die Politik ja "nur" verwaltet werden. Und ich als Steuerzahler meine beispielsweise, das vereinfacht gesagt der Staat Kultur zu bezahlen, aber sich nicht einzumischen hat. Genauso meine ich beispielsweise, dass 85 Mio. in die Sanierung des Bayreuther Festspielhauses mehr in meinem Sinne investiert sind, als eine halbe bis dreiviertel Milliarde in die Maut-Eskapaden eines Herrn Scheuer, der dabei offenbar keinerlei Unrechtsbewusstsein an den Tag legt oder auch nur eine Sekunde daran denkt, zurückzutreten.

  • Ich denke, du vermischt da was.


    Als Steuerzahler kannst du dich über die Verwendung der Gelder ärgern, aber die versuchte Einflußnahme des Bundes hat damit nichts zu tun.


    Wenn der Geldgeber eine andere künstlerische Meinung vertritt, wird man das nicht auf die leichte Schulter nehmen können.


    Man wird vorsichtiger agieren müssen oder ....

  • Ich denke, du vermischt da was. Als Steuerzahler kannst du dich über die Verwendung der Gelder ärgern, aber die versuchte Einflußnahme des Bundes hat damit nichts zu tun. Wenn der Geldgeber eine andere künstlerische Meinung vertritt, wird man das nicht auf die leichte Schulter nehmen können. Man wird vorsichtiger agieren müssen oder ....

    Ja und nein, lieber Karl. Du hast natürlich recht, wenn es um einen zumindest im Prinzip unabhängigen Geldgeber, also z.B. um einen Sponsor oder einen Mäzen handelt. Ein solcher kann sicherlich seinen Einfluß geltend machen und dabei finanzielle Zuwendungen als einen Hebel benutzen. Dem Bund und den Ländern jedoch ist eine derartige Einflußnahme m.E. zu untersagen. Zwar hat Frau Grütters wohl recht, wenn sie meint, dass die Bayreuther Festspiele einen bestimmten Teil ihres (ehemaligen) Publikums nicht erreicht. Andererseits ist es aber auch so, dass ein ebensolcher und mitnichten unerheblicher Teil des Publikums durchaus erreicht wird. Das die "Lager" da durchaus gespalten sind, läßt sich ja nicht zuletzt an den entsprechenden Diskussion hier im Forum nachweisen. Was jedoch weiterhin fehlt, ist der Nachweis, welcher Teil des Publikums denn nun größer ist ... Insofern ist es zumindest hierzulande wohl schwierig, die staatlichen Geldflüsse etwa vom persönlichen Geschmack einer Kulturstaatsministerin, geschweige denn einer "dumpfen Ahnung, davon, was das Publikum denn nun wolle" abhänhängig zu machen. Zugegeben, es gibt Länder, wo dies so gehalten wird - Länder, in denen ich nicht leben möchte.


    Und schließlich rein Rational betrachtet ist in Summe der konservative und der progressive Teil des Bayreuther Publikums in Relation zu dem Anteil an der deutschen Bevölkerung, die weder das eine noch das andere ist, so klein, dass man sich dann auch gleich fragen kann, ob derartige Festspiele überhaupt durch den Steuerzahler subventioniert werden sollten ... Damit hier nun keine Missverständnisse entstehen, ich meine ja, trotzdem!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Michael,


    wir wissen, daß Frau Merkel Wagnerianerin ist und jedes Jahr nach Bayreuth kommt.


    Sollte Sie dem eher konservativen Lager zugehören und ...?


    Wäre denkbar.


    Nette Grüße


    Karl

  • wir wissen, daß Frau Merkel Wagnerianerin ist und jedes Jahr nach Bayreuth kommt. Sollte Sie dem eher konservativen Lager zugehören und ...?

    Ja, die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Finde ich sogar ganz spannend, aber durchaus schwer einzuschätzen; genauso traue ich ihr den progressiven Weg zu. Die "Chancen" stehen m.E. 50:50.

  • Klingt alles sehr wenig dramatisch

    Stimmt bezogen auf die Äußerungen der Kulturstaatsministerin ohne Zweifel. Allerdings nicht hinsichtlich der mittel- und langfristigen Sicherung der Festspiele. Wie überall, ist auch in Bayreuth die bange Frage, ob im kommenden Jahr etwas über die Bühne gehen kann. Wenn ja, was - und vor wie vielen Gästen?