ECO Umberto: Der Name der Rose

  • Welch ein Roman !!!


    In erster Linie mal ein Kriminalroman der Sonderklasse mit einem sehr eigenwilligen Profil und raffinierter Machart. Schon die Zeit und das Milieu wo die Handlung angesiedelt ist ungewöhnich für einen Kriminalroman. Eine fiktive italienische Benediktinerabtei im Jahre 1327. Hauptfiguren sind der ebenfalls fiktive Franziskanerpater William von Baskerville und sein ihm anvertrauter Novize Adson von Melk, die in politischer Mission unterwegs sind und diese in ebendiesem Kloster erledigen sollen,. Es gab dort aber korz vor deren Eintreffen einen Todesfall und der Abt ersucht den überdurchschnittlich intelligenten William die Sache aufzuklären.Im laufe der Handlung kommt es zu weiteren Zwischenfällen, wir erleben die Beziehungen der Mönche zueinander, werden mit den Gepflogenheiten in der Abtei, aber auch den Eigenheiten der einzelnen Personen vertraut gemacht. Die handelnden Personen sind zumist fiktiv, aber nicht alle, einige finden wir bei Wikipedia genau beschrieben. Darüber hinaus haben auch Papas und Kaiser indirekten Einfluß auf die Handlung und sogar deren Vorgänger, genauso wie religiöse Sekten , Ketzer Häretiker und Feinde der Kirche und der (real existierende) Inquisitor Bertrand Gui.

    Die handelnden Personen, Mönche und Kirchenleute sind ebenso streitbar wie manch Mitglieder unseres Forums, nur daß sie sich mit Zitaten von verstorbenen Theologen und Philosophen bekriegen, die natürlich alle in lateinischer Sprache sind, und üblicherweise auch so im Buch abgedruckt werden. Im Anhang finden sich (mit vorangestellter Seitenzahl) etliche Übersetzungen ins Deutsch - aber natürlich längst nicht alle. Kernstück der Abtei ist eine riesige Bibliothek mit alten Pergamenten und Büchern , die indes vom Bibliothekar eifersüchtig bewacht wird. Man kann ein gesuchtes Buch aus einem im Scriptorium (Klosterschreibstube) befindlichen Buch auswählen - aber nicht alle dürfen eingesehen werden....

    Neben den Zitaten gibt es in diesem 660 Seiten umfassenden Buch ein kurzes Verzeichnis mit lateinischen Wörtern, ein Verzeichnis der handelnden Personen und ihrer Aufgabe, sowei einen Plan der Abtei und einige weitere Skizzen die es ermöglichen sollen sich in diesem mittelalterlichen Wirrwar zurechtzufinden..

    Man merkt den wissenschaftlichen Anspruch des Werkes uns daß der Autor sehr in die Tiefe schürft (was die einen begeistern, die anderen abschrecken wird')

    Ich bin kaum mit dem Lesen weitergekommen, well ich andauernd in Wikipedia unerwegs war und über all die griechischen und römischen Philosophen, sowie die mittelalterlichen Kirchenlehrer, Ordensgründer, Sektierer, Häretiker, Päpse und Gegenpäpste nachgelesen habe. Darüber hinaus lässt einen die eigentliche Handlung kaum zeit zum Verschnaufen - es geht Schlag auf Schlag.

    Ein Buch für Leute mit guter Allgemeinbildung und willens diese zu vertiefen, aber auch ein spannendes Buch für diese Leute.

    mehr möchte ich zur Einleitung nicht verraten, lediglich, daß Leute die mit Geschichte. Literatur und Philosophie, sowie Religion nichts am Hut haben sich entsetzlich lanbgeweilen werden - auch das musste mal gesagt werden......


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,

    dafür dass Du mir die Vorstellung dieses Buches in gewisser Weise vorweggenommen hast, so dass ich nicht am Text darüber verzweifeln musste, danke ich Dir. Es ist eines jener Bücher, in denen man mit jedem Lesen neue Facetten erschließen kann, und die Übersetzung ist wirklich exzellent, ich bin nach meiner ersten Lektüre auf Deutsch noch zu Schulzeiten während des Studiums einmal am italienischen Original etwas verzweifelt und hebe es mir für die Zukunft mit viel (?) Zeit auf. Mittlerweile habe ich es ein zweites Mal auf Deutsch gelesen, Es ist ein Glanzpunkt im Werk eines an hochwertigen Werken nicht gerade armen Autors. Eine spannende, äußerst gelehrte Erzählung mit zahllosen Anleihen aus der Scholastik und einer tollen Erklärung über die Existenz (oder das Abbrechen) textlicher Traditionen der Antike. Herzliche Grüße JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Es gab damals oder etwas später, Ende der 1980er, vermutlich nachdem das Buch durch die Verfilmung einen weiteren Popularitätsschub erhalten hatte, eine Art Kommentarband. Mir begegnete der aber auch erst später bei einem Bekannten, nachdem ich das mit ca. 15 schon einmal nicht ohne Mühe und sicher in Ignoranz zahlreicher Anspielungen und Querverbindungen gelesen hatte. (Die Verfilmung setzt m.E. zu einseitig auf die Schock und Horrorelement und versucht nicht einmal die Vielschichtigkeit des Buches zu erreichen, geschweige denn das Mittelalter anders als abergläubische Horrorzeit darzustellen. Außerdem kann, wie bei "Die unendliche Geschichte" die Verfilmung eines Bucher, das nicht unwesentlich von Büchern handelt, kaum gelingen.)

    Zwar muss ich zugeben, dass ich von Ecos weiteren Büchern nur Foucaults Pendel gelesen, ein anderes (ich glaube das mit dem Schiffbruch) nach recht kurzer Zeit abgebrochen und Baudolino noch ungelesen im Regal habe, aber anhand dieser Eindrücke scheint mir "Der Name der Rose" von den Romanen Ecos mit Abstand das gelungenste Werk. Er kann natürlich seine Bildungshuberei nie lassen, aber hier gelingt eine nahezu bruchlose Einbindung in einen spannenden und atmosphärischen Roman, der eben auch noch ganz gut verständlich ist, wenn man sich bei den Häresien des Mittelalters überhaupt nicht auskennt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe das Buch noch in der DDR gelesen. Dort ist es seinerzeit ebenfalls erscheinen (Verlag Volk und Welt) und sorgte für großes Aufsehen, ohne dass den Oberen klar gewesen sein dürfte, dass Jorge de Burgos im Geiste einer der Ihnen war. Sie hatten aber nur seine Gefährlichkeit, nicht seine Intelligenz. Für mich ist der blinde Mönch eine der faszinierenden Gestalten der Literatur.

    (Die Verfilmung setzt m.E. zu einseitig auf die Schock und Horrorelement und versucht nicht einmal die Vielschichtigkeit des Buches zu erreichen, geschweige denn das Mittelalter anders als abergläubische Horrorzeit darzustellen. Außerdem kann, wie bei "Die unendliche Geschichte" die Verfilmung eines Bucher, das nicht unwesentlich von Büchern handelt, kaum gelingen.)

    Die erste Verfilmung fand ich eigentlich ganz gelungen. Aber wie das immer bei solchen Filmen ist, sie bleiben zu stark in der Handlung stecken und können die inhaltliche Tiefe nicht erreichen, allenfalls streifen. Keinesfalls aber ersetzt der Film das Buch selbst - trotz seiner hinreißenden Besetzung. Als opulente TV-Serie gelangte der Roman "Der Name der Rose" 2019 ebenfalls auf DVD:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Er kann natürlich seine Bildungshuberei nie lassen

    Das ist aber IMO ein sehr wichtiger Bestandteil des Buches - Wobei mich wundert wie berühmt diese Roman wurde. So vielle intelligente Menschen gibt es meiner Meinung nach überhaupt nicht.:stumm::untertauch:

    Ich stehe "historischen" Romanen , wo einst lebenden Personen Worte in den Mund gelegt werden, die sie vermutlich in dieser Form nie gesagt wurden immer ein wenig skeptisch gegenüber. Hier aber ist die virtuelle Annäherung IMO so gut gelungen, daß ich die Einwände über Bord geworfen habe.

    Zudem soll der Roman ja auch versteckte Anspielungen auf italienische politische Verhältnisse der Entsehungszeit (also um ca 1980) enthalten, der vermutlich nur politinteressierte Italiener verstehen werden. Abgesehen davon habe ich während des gesamten Buches immer wieder bei Wikipedia über dort zitierte Personen und Gruppierungen, sowie Päpste und Heilige nachgeschlagen und keine relvanten Fehler oder Verfremdungen gefunden.

    Das Buch spricht also IMO zumindest DREI Gruppen von Lesern an

    I) Historisch interessierte Personen

    a) Mittelalter- und oder kirchenbezogen

    b) Intgeressiert an der Antike


    II) Politisch kritische Leser, die versteckte Anspielungen zur Gegenwart suchten


    III) Krimi- und Gruselroman Leser


    Zum Threma Verfilmungen:


    Wenn man selbst Filme dreht, auf welchem Niveau immer, dann stellt man sich die Frage, ob man (so man alle Techniken und Darsteller zur Verfügung hätte) in der Lage wäre, das Thema ädiquat zu verfilmen.

    Im konkreten Fall war meine Antwort NEIN, denn das Buch enthält als Kern hauptsächlich Gedanken - und Gedanken kann man nur schlecht verfilmen

    (Man erinnere mich, daß ich das dereinst im Falle "Agatha Christie" darlege)


    Die Verfilmung setzt m.E. zu einseitig auf die Schock und Horrorelement und versucht nicht einmal die Vielschichtigkeit des Buches zu erreichen, geschweige denn das Mittelalter anders als abergläubische Horrorzeit darzustellen

    Das geht ja auch gar nicht anders.

    Man zeigt gewissermaßen die Hülle, die Oberfläche der Handlung ohne die tieferen Schichten auch nur anzustreifen.

    Das kann aber durchaus effektvoll gemacht sein und cinematisch gelungen, ebenfalls Spannung vermitteln

    Es wird somit ein anderes Publikum erreicht.

    Das Buch mit allen Dialogen und Gedankengängen zu ferfilmen würde einen 24 Stunden film (wenn das überhaupt reicht) hervorbringen, den die meisten Leute nicht verstehen würden und der unverkäuflich wäre.


    Ich habe (erst gestern !!) einige Standfotos aus dem Film und der später gemachten Fernsehserie gesehen und möcht nun in absehbarer Zeit BEIDE besitzen, da ich der Meinung bin, daß die Typen durchaus gut getroffen werden.

    Ich erwarte hier nicht die Qualität des Buches, das ist IMO unmöglich. Auf Wunsch werde ich in einem anderen Bereich das Literaturforums auch gern erklären WARUM.


    Filme müssen mit anderen Maßstäben gemessen werden wie Romana und diese mit anderen Maßstäben wie die Realität - notabene wie selbst dies nur schemenhaft bekannt ist....


    Es gibt auch im - sehr akribisch historisch recherchierten Buch - Der Name der Rose - Redewendungen, welchen man anmerkt, daß sie hier den Zeitgeist des späten 20. Jahrhunderts wiedergeben, etwa das äusserst freigeistige Verhältnis -auf Augenhöhe - zwischen dem Novizen Adson und seinem Lehrer /Mentor William von Baskerville.


    Ich habe sehr viel gelernt , z. B. über die Offenbarung des Johannes.

    Da ich "Das Buch mit Sieben Siegeln" nie gehört habe war mir auch der textliche Inhalt nicht bekannt - etwas, das ich noch dieses Jahr nachholen werde...


    Viele gute Vorsätze - aber der laufende Fortschritt zwingt uns quasi zu wählen - zu kurz ist die Lebensspanne.


    Eine der Fragen, die ich mir immer gestellt habe , war, womit beschäftigten sich gelehrte Menschen im Mittelalter, als so viele große Denker noch nicht geboren waen und zahlreiche Erfindungen noch nicht gemacht waren.

    In dem Buch komt trefflich ghervor, daß die Pflanzenkunde sehr gut beherrscht wurde, wogegen die Fauna fremder Länder weitgehend der Fantasie und der Legende entsprach, zu als Beispiel das "Einhorn" und die ihm zugeschriebenen Eigenschaften.


    mfg aus Wien

    Alfred


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Als Theologe war dieses Buch für mich ein gefundenes "Fressen". Ich habe es bisher drei Mal gelesen und immer Neues entdeckt. Es geht um viele theologische Themen, z.B. über die Armutstheologie des Franziskus, diskutiert anhand der Frage: Hatte Jesus Geld? Darf die Kirche Reichtümer besitzen? (Übrigens fragen sich heute viele Katholiken, ob die Katholische Kirche nicht aus dem eigenen übergroßen Reichtum - etwa Immobilien in Kölns Hoher Straße - die Missbrauchsopfer großzügig entschädigen müsste).

    Der andere wichtige Punkt ist der Streit um "Realismus" und "Nominalismus", wobei die beiden Begriffe so ziemlich das Gegenteil bedeuten. Die "Realisten" sahen die Dinge der Welt (nach Platon) als irdische Abbilder der himmlischen Dinge, die Nominalisten sagten, dass die Dinge so heißen, wie wir sie benennen. Demnach ist die Rose eine Rose eine Rose, weil wir sie Rose nennen. Darauf spielt der Titel an. Auch eines der beiden Vorbilder der Figur des William von Baskerville ist hier verewigt, nämlich der Scholastiker Wilhelm von Occam. Der ist auch berühmt durch das Occamsche Rasiermesser, was besagt, dass bei verschiedenen Theorien die einfachste immer die beste ist.

    Der dritte Punkt bezieht sich auf die Poetik des Aristoteles. Eco erfindet, dass es einen zweiten Band dieser Poetik gibt, die Jorge von Burgos eifersüchtig bewacht. In dieser Poetik soll angeblich stehen, dass die Lust am Leben angenehm und erlaubt ist. Jorge ist einer von den vielen Kirchenführern, die die Lust als teuflisch diskreditieren. Da Aristoteles unter den Scholastikern einen so bedeutenden Ruf genießt, darf sie nicht gelesen werden. Diese Abwertung der Lust, des Körpers ist ja in der Katholischen Kirche heute noch aktuell. Beispiele braucht es hier nicht.

    Alle diese wichtigen Ideen können in einem Film natürlich nicht dargestellt werden.

    P.S. Es gibt viele köstliche Details im Buch, z.B. dieser running gag, dass der Abt beständig erzählt, dass er zu denen gehörte, die damals den toten Thomas Aquinas die Treppe herunter getragen haben.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • dass der Abt beständig erzählt, dass er zu denen gehörte, die damals den toten Thomas Aquinas die Treppe herunter getragen haben.

    Das war ja -in der Geschichte des Buches - die "Lebensleistung" des Abtes. Entgegen späterer poshumer idealisierendern Abbildungen (oft hunderte Hahre nach seinem Tod) ist überliefert das Thomas von Aquin mehr als korpulent gewesen sein soll, nämlich über alle Maßen DICK.

    Das ist gut und glaubwürdig überliefert, weil er ja dafür durch seine Mitbrüder (zu Lebzeiten war er noch nicht heilig - und eben auch nicht sacrosanct) stets gehänselt wurde. Der gebildete Theologe und Philosoph antwortete darauf stet mit einem Zitat von Aristoteles:

    Dicke Männer sind intelligenter als dünne

    (Ich bemühe mich gerade etwas Intelligenz abzubauen)

    Und in diesem Sinne ist die Leistung des (damals noch nicht) Abtes zu sehen, denn der Leichnam war so schwer und dick, daß einige meinten, es wäre unmöglich ihn die enge Wendeltreppe unversehrt hinunter zu bringen.... (anno 1274) also 53 Jahre bevor unsere Geschichte spielt.



    Zu Ockham (1288-1347)


    ER war in Glaubensfragen mit dem Papst (Johannes XXII , Papst mit Sitz in Avignon von 1316-1334)in Konflikt und in steter Gefahr, so entfloh er - entgegen dem ausdrücklichen Verbot des Papstes mit einigen Sinnesgenossen, Michael von Cesena, Bonagratio von Bergamo und Franz von Marchia 1328 nach München.


    Hier als beispiel worüber man damasl in theologischen Kreisen nachdachte und diskutuerte


    Ockhan, beispielsweise hält es für unmöglich, dass Gott etwas real Unendliches oder einen räumlich ausgedehnten unteilbaren Körper erschafft, etwas bereits Geschehenes ungeschehen macht oder real existierende Universalien erzeugt, denn all dies würde nach seiner Überzeugung den Satz vom Widerspruch verletzen. Hingegen ist es für Ockham theoretisch möglich, dass Gott sündigt!!!


    Etliches habe ich von Wikipedia zitiert, aber es ist nur ein Bruchteil.

    Dennoch glaube ich die Zielgruppe für dieses Buch "angefixt" zu haben.......


    Und natürlich kann DAS im Film nicht alles gezeigt werden, selbst das Buch kann - bei all seiner Länge - nur einen groben Überblick geben...

    Dennoch ist der Leser gefordert...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wahrlich ein Klassiker, den ich mir schon lange als Buch vorgenommen habe, ihn mir vor Jahren auch zulegte, aber nicht sehr weit mit dem Vorhaben kam.


    In Folge 2 des Literarischen Quartetts vom 3. Juni 1988 wurde Ecos Roman besprochen. Leider ist das eine der wenigen Folgen dieser Reihe, die mir nie über den Weg liefen. Zu gerne hätte ich Marcel Reich-Ranickis Meinung dazu gehört.

    Die beiden genannten Verfilmungen haben für sich genommen durchaus ihre Meriten. Die ältere mit Sean Connery und F. Murray Abraham ist als reine Adaption schon Klasse. Die neuere ist als Serie länger und ausführlicher, in diesem und jenem Punkt sogar überzeugender, in anderen dann wiederum nicht.



    Was ist von der Hörbuch-Fassung mit Gert Heidenreich (26 h 10 m) zu halten? Scheinbar die einzige wirklich komplette auf Deutsch. Da ich mit Hörbüchern bisher ausnahmslos nur gute Erfahrungen machte (wobei ich im Vorab immer testete, ob ich mit dem Sprecher klarkomme), würde mich das evtl. durchaus reizen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es gibt auch im - sehr akribisch historisch recherchierten Buch - Der Name der Rose - Redewendungen, welchen man anmerkt, daß sie hier den Zeitgeist des späten 20. Jahrhunderts wiedergeben, etwa das äusserst freigeistige Verhältnis -auf Augenhöhe - zwischen dem Novizen Adson und seinem Lehrer /Mentor William von Baskerville.

    Es ist schon lange her, dass ich das Buch gelesen habe und seinen Ergänzungsband. Ich kann mich aber noch erinnern, dass Eco in seinem Ergänzungsband auf viele Stellen eingeht, wo sich emotionalisierte Leser aufgeregt haben, dass damals die Menschen anders gesprochen oder agiert hätten und er gerade bei diesen Stellen häufig direkt alte Texte zitiert hatte, während andere Stellen, wo er frei erfunden hatte, nicht reklamiert wurden.


    Nur als ganz dünner Hinweis. Letztlich habe ich momentan keine exakten Stellen und leider auch nicht mehr das Buch zur Hand.


    Was das Verhältnis von Adson zu seinem Lehrer angeht, bin ich auch nicht sicher. William von Canterbury (von Occam) wird ja klar als Freigeist dargestellt, was, wenn ich der Wikipedia glauben darf, so falsch nicht ist. Ich habe das damals für mich zum Anlass genommen, mir das Mittelalter wesentlich lebendiger und intelligenter vorzustellen, als es mir die Schulweisheit beibringen wollte ;)

  • Tatsache ist, daß mir das Buch das Mittelalter näher gebracht hat.

    Und da erwachen dann auch alte Erinnerungen, wo ich in meiner Jugend eine zweistündige Führung durch Stift Zwettl machen durfte, wo auch die mittelalterlichen Laternen gezeigt wurden, aus Metall mit kleinen Löchern , die Licht durchlassen solten - und natürlich einem ausgestanzten Kreuz.

    Wir neigen ja dazu uns von den alten verrotteten und verrosteten, modrigen und verblassten Dingen beeindrucken zu lassen, aber die Gebrauchsgegenstände des Mittelalters waren ja damals neu - sieh den Luxus der Brillen - hier ist Eco ganz nahe an der Realität, ebenso, wenn er sich mit Heil- und giftpflanzen beschäftigt. Das hat schon was....

    Auch wenn ich FESTGESTELLT - nicht BEANSTANDET habe, daß die Sprache damals teilweise anders gewesen sein muß - im Original hätten wir sie ohnedies nicht verstanden. Siehe die Lieder des Oswald von Wolkensten - ich versteh sie zwar weitgehend (Ich besass mal eine Schallpklatte, da war der Originaltext und die Übersetzung drauf - aber ich möchte nicht ein ganzes Buch in dieser Sprach lesen müssen...


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Da es in der Antike bekanntlich Komödien gab, ist die Erfindung eines verschollenen zweiten Buches der Poetik über die Komödie (im Buch geht es in einer berühmten Szene über das Lachen, nicht über Lust i.A.) gar nicht so abwegig.


    Das MA war natürlich viel intelligenter und lebendiger als die Klischees uns weismachen wollen. Auch wenn irgendwelche Lehren verworfen wurden, wurden sie vorher normalerweise ausgiebig öffentlich unter Experten ausdiskutiert und nicht einfach nur mit Autorität oder Gewalt zurückgewiesen (offensichtliche Vergleiche zur Gegenwart bleiben als Hausaufgabe für den Leser). Zumindest im Prinzip ist das Vorgehen bei einer scholastischen Quaestio intellektuell weit redlicher als viele spätere Wissensdarstellungen; es werden nämlich immer als erstes übersichtlich die möglichen Einwände genannt und Punkt für Punkt abgehandelt. (Man schaue mal dagegen in einem typischen Philosophen der Neuzeit wie Hume oder so, die tun immer so, als hätten sie allein das Rad gerade neu erfunden und alle anderen seien eh doof. Natürlich ist das in beiden Fällen erstmal nur die rhetorische Präsentation, aber es ist eben auch ein Unterschied, ob der Auftritt bescheiden im vollen Bewusstsein, nur ein kleiner Teil einer mächtigen Tradition zu sein, oder als nassforscher besserwisserischer Bilderstürmer, der meint, Jahrhunderte verstaubten Unwissens hinwegwischen zu können, erfolgt.)

    Fast kein neuerer Historiker hängt mehr Ideen eines scharf abgegrenzten Epochenwechsels Ende des 15. Jhds. an. Selbst wenn ich vor 30 Jahren in der Schule noch eher Epochen gelernt habe, wurde das 13. u. frühe Jhd. (vor der Pest, also einschl. des Zeitpunkts an dem NdR spielt) besonders hervorgehoben (Friedrich II, Hochscholastik, Marco Polo, Dante etc.)


    Das andere Vorbild für WvB ist Roger Bacon, der von William im Buch auch erwähnt und zitiert wird (oder werden ihm dessen Ideen technischen Fortschritts in den Mund gelegt).

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zu Roger Bacons wissenschaftlichen Lesitungen - siehe bei WIKIPEDIA.

    Die Großartigkeit des Buches con Umberto ECO kann man schon daraus ersehen, daß hier so ausführlich darüber diskutuiert wird - und zwar nicht über den verfilmbaren Teil, sondern über die Tieferen Schichten, über das Umfeld, wo wie die realen Geistesgrößen seines Umfelds, aber auch die aus der (damaligen) Vergangenheit stammenden, die noch Einfluß auf den Zeitgeist hatten.

    Die Offenbarung des Johannes mit seinen Posaunen wird vermutlich in den Augen von Menschen unserer Zeit lächerlich wirken - wobei ich mich nicht zu sagen getraue - ob zu Recht. Und auch nicht ob das damals wörtlich gemeint war - aus einem mittelalterlichen Weltbild wo der Aberglaube weit verbreitet war - oder aber als Symbolik gedeutet werden muß.

    MEINE persönliche Deutung ist, daß man in gebildeten Kreisen das alles nicht geglaubt hat - diese plakativen Blder wurden speziell für das gemeine Volk gemacht um es in Schach zu halten und zu einer von den Eliten gewünschen Lebensweise anzuhalten. Dazu zählen auch die Geschichten von den Hexen, wo man sich einige Gegebenheiten zunute gemacht hat so z.B. daß diese Kräuterwissenden mit bewusstseinserweiternden Drogen experimentierten (c. B. Bilsenkraut)


    Zu den wissenschaftlichen Erkennnissen um 1327: Eco hat hier in komprimierter Form viele Errungenschaften seiner Zeit erwähnt, durchwegs in der Person des geradezu allwissenden William von Baskerville, er erwähnt Marco Polo, kennt die Lesebrille und einige andere Errungenschaften der Zeit.

    Ich bezweifle allerdinges, daß es um 1327 GROSSE Spiegel gegeben hat, die sich einer in Labyrinth dieses Romans befindet......


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meine Rezension bei amazon aus dem Jahre 2002, habe natürlich 5 Sterne gegeben


    Eco entführt die Leser mit seinem als Roman getarnten philosophischen Meisterwerk in ein mittelalterliches Ambiente.
    Tatsächlich sind die Diskussionen aus der Sicht der Gedankengeschichte der Neuzeit geführt, wenn diese auch an Themen aufgebaut werden, die anscheinend damals "in" waren.
    Wie kann man "Gut" und "Böse" unterscheiden? Sind Heilige und Häretiker nicht eigentlich der gleichen Klasse von Fanatikern zuzuordnen (aktuell: "One man's terrorist is the other man's freedom fighter"). Ist die Daseinsberechtigung von Kirche nicht lediglich die Angst der Menschen vor dem Tod, und somit das Versprechen des ewigen Lebens ihr einziges "Produkt" ? Darf man - oder muß man nicht sogar - die Unterdrückung Einzelner oder einen ganzen Schicht von Menschen tolerieren, um das Überleben des Ganzen (Kirche) zu sichern?
    Diese Fragen werden in exzellenter Sprache, die Event-Fanatikern allerdings durchaus als langatmig erscheinen kann, detailreich ausgebreitet und an verschiedenen Stellen aufgegriffen, wiederholt und vertieft, so daß der Leser auch die verschiedenen Irrungen und Wirrungen nachzuvollziehen vermag, bis das Buch in einem gloriosen Argumentationsfinale (Show-Down) gipfelt, bei dem die Inkorporationen des bösen Heiligen (Faschist) und des libertinistischen Zweiflers (Individualist) aufeinanderprallen.
    Schließlich siegt aber keiner dieser beiden gleichstarken und intelligenten Kontrahenten, sondern die Macher, die sich weniger um wohlbegründete Theorien scheren, es siegt nicht die Philosophie, sondern, wie auch heute, die normative Kraft des Faktischen, die "science of muddling through".