Gaetano Donizetti ( 1797 - 1848 )
Il paria
Opera seria in zwei Akten
Libretto: Domenico Gilardoni
Originalsprache: Italienisch
Uraufführung: Neapel 1929
PERSONEN DER HANDLUNG
Neala, für den Sonnenkult bestimmt, Sopran
Akebare, ihr Vater, oberster Priester, Anführer der Kaste der Brahmanen, Bass
Idamore, Anführer der Kriegerkaste, Tenor
Zarete, Idamores Vater, Bass
Empsaele, Brahmane, Vertrauter Akebares, Tenor
Zaide, Priesterin, Alt
Brahmanen, Priester, Priesterinnen, Bayaderen1), Krieger, Trompeter, Fakire2), Tempelwächter, Volk
Ort und Zeit der Handlung: Bei Benares (Indien), 16. Jahrhundert
VORBEMERKUNGEN
Das hinduistische Kastensystem, das heute im praktischen Leben nicht mehr die Rolle wie im 16. Jahrhundert spielt, aber sich doch noch teilweise auf die Partnerwahl auswirkt, hat fünf Stufen. In der Kastenhierarchie an oberster Stufe standen die Brahmanen, aus denen sich auch die Priester rekrutierten. Die zweite Stufe bestritten die Krieger. Die Paria (die Unberührbaren, die von Brahma3) Verfluchten) bildeten die unterste Stufe. Eine Heirat zwischen der Kaste der Brahmanen und der Paria war ausgeschlossen.
Idamore ist ein siegreicher Krieger. Er konnte bisher sein Geheimnis verbergen, dass er der Kaste der Paria entstammte.
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
1. Bild: Ein Palmenwald mit Vorraum des Brahmatempels. Sonnenaufgang.
Der Oberpriester Akebare und sechs Brahmanen begrüßen die Sonne. Sie erwarten den siegreichen Anführer der Krieger, Idamore, der mit neuen Trophäen heimkehrt. Akebare hasst ihn, weil Idamore die Menschenmassen begeistert und er selbst als Oberpriester immer mehr in den Hintergrund gerät.
Brahmanen, Priester, Priesterinnen, Wächter, Trompeter, Krieger strömen herbei. Die Bayaderen tanzen. Volk und Fakire bringen Opfergaben. Die Brahmanen, Priester und Priesterinnen singen einen Hymnus auf die Schöpfung. Mit ihnen preisen alle den Sonnengott, dass er Idamore den Sieg gewährt hat. Sie knien nieder.
Neala, die Tochter Akebares und ebenfalls Sonnenpriesterin, kommt aus den Gemächern der Priesterinnen. Sie zittert und weint. Auf die Nachfrage ihres Vaters erzählt sie von einem schrecklichen Traum: Als sie ihre Hand auf den Altar legte, verblasste die heilige Flamme, der Dreifuß schwand und der Tempel bebte. Eine Schlange habe sie erfasst und in die Erde gezogen zur ewigen Verdammnis. Alle fordern Akebare auf, das Geheimnis zu erklären. Doch er erklärt, er werde Neala von ihrem Gelübde entbinden und sie einem Krieger zur Gattin geben, dessen Namen er noch nicht nennt. Dann fordert er die Brahmanen auf, mit ihm in den Tempel zu gehen. Alle anderen ziehen sich zurück, nur Neala und die Priesterinnen bleiben. Neala hegt Todesgedanken, da sie nicht ahnt, dass ihr Vater mit dem künftigen Gatten Idamore meint. Ihr Vater hasst ihn doch, aber sie liebt ihn. Der Priesterin Zaide übergibt sie als Abschiedsgeschenk ein Schmuckstück.
Als sie gehen will, erscheint ein Fremder und kniet vor einem Götzenbild nieder. Aus seinem Gebet erfahren wir, dass es Zarete, der Vater Idamores ist, der seinen Sohn sucht. Als er die Priesterinnen nach dem Ort fragt, wo er sich hier befinde, erfährt er, dass dies der Tempel Brahmas sei. Nun will er fliehen, weil er ein Paria ist und den Zorn Akebares fürchten muss. Neala, die nicht weiß, dass Zarete ein Paria ist, versucht, ihn zu beruhigen.
Da kommt der Brahmane Empsaele. Er verkündet, dass sich Idamore im Triumphzug nähere und begibt sich in den Tempel. So erfährt Zarete, dass der Feldherr sein vermisster Sohn ist. Neala und die Priesterinnen ziehen sich in den Tempel zurück. Zarete freut sich auf das Wiedersehen mit seinem Sohn.
2. Bild: Ein Platz außerhalb des Tempelbezirks mit Grabmonumenten
Idamore nähert sich vorsichtig. Er singt von seiner Liebe, die ihm wichtiger sei als alle Ehre, die ihm seine Siege eingebracht haben. Da findet er an einer Säule ein Schreiben von Neala, in dem sie ihm mitteilt, dass ihr Vater sie von ihrem Gelübde entbinden und einem ihr unbekannten Soldaten vermählen wolle. Sie aber bleibe ihm treu, auch wenn sie daher sterben müsse. Idamore schwört, dass niemand sie ihm wegnehmen werde. Selbst wenn sie tot sei, werde er sie aus dem Grabe holen.
Da nähert sich ein Mann, der sein Gesicht im Gewand verbirgt. Doch nach kurzem Gespräch erkennen sich Vater und Sohn. Als Idamore ihn umarmen will, weist Zarete ihn zurück und macht ihm bittere Vorwürfe, dass er das Vaterhaus verlassen habe. Ausgerechnet für die Brahmanen habe er gekämpft, die die Paria verfluchten und Massaker unter ihnen verübt hätten. Idamore versucht, ihm zu erklären, warum er fortgegangen sei, dass er seinen Vater wie früher liebe und nach Hause zurückkehren wolle. Als Zarete aber hört, dass Idamore die Tochter seines ärgsten Feindes, des Brahmanen Akebare, liebt, gerät er außer sich und will fortgehen.
Aus dem Tempel hört man Gebete. Als Idamore seinen Vater daran erinnert, dass jetzt Betstunde sei, kniet auch dieser nieder. Danach fordert Zarete Idamore auf zurückzukehren. Idamore, der zwischen der Liebe zu seinem Vater und zu Neala schwankt, verspricht, ihm folgen. Er erbittet für sich aber, dass er Neala noch einmal sehen darf, um ihr Lebewohl zu sagen. Sein Vater gewährt ihm die Bitte unter der Drohung, dass er sich töten werde, wenn Idamore sein Versprechen breche.
ZWEITER AKT
1.Bild: Palmenwald wie in Akt 1, Bild 1. Mondnacht
Der Brahmane Empsaele kündigt Akebare die Ankunft Idamores an und geht.
Idamore wundert sich, warum Akebare ihn rufen ließ. Da bietet dieser ihm seine Tochter Neala zur Frau an und zieht sich zurück. Idamore kommt mit seinen Gewissen in Konflikt: Hier die Geliebte, dort der wartende Vater.
Neala kommt und Idamore teilt ihr mit, dass ihr Vater ihn zu ihrem Ehemann bestimmt habe. Doch er macht einen traurigen Eindruck. Neala fragt ihn nach dem Grund seiner Traurigkeit. Doch Idamore möchte sich zunächst vergewissern, wie sehr sie ihn liebe. Als sie ihm ihre Liebe beteuert, fragt er, ob sie auch Mitleid mit einem Menschen habe, der ohne Schuld in die verfluchte Kaste der Paria hineingeboren wurde. Sie begreift zunächst nicht und fürchtet, dass einer dieser Verfluchten den heiligen Bezirk betreten könnte. Sie müsste denjenigen töten. Als er erklärt, dass sich ein Paria hier befinde, greift sie nach seinem Dolch. Da bekennt Idamore, dass er selbst es ist, und sie lässt den Dolch fallen. Neala fordert ihn auf, zu fliehen. Sie hingegen wolle sterben. Sie will gehen, doch er ergreift ihre Hand. Da sich daraufhin keine Anzeichen strafender Götter zeigen, kann er sie davon überzeugen, dass die Paria durch ein Gesetz der Menschen verflucht würden und die Götter dies nicht gewollt hätten. Sie wandelt ihren Sinn. Beide beschließen, zu heiraten und dann gemeinsam zu fliehen.
2. Bild: Antike Tempelruine
Zarete, der auf seinen Sohn gewartet hatte, musste aus dem Tempelbezirk fliehen und befindet sich nun an dem Ort, an dem viele Parias ermordet wurden. Er erinnert sich an die Gräuel, die hier geschahen. Dann hört man aus der Ferne den Chor der Priester, die zu Ehren von Nealas`und Idamores` Vermählung singen. Zarete will es nicht glauben. Wenn sein Sohn ihn im Stich gelassen habe, werde er seinen Vater zu seinen Füßen sterben sehen. Er werde sich dem grausamen Akebare ausliefern.
3. Bild: Majestätischer Innenhof. Am Ende Blick auf das Innere des Brahmatempels
Priesterinnen und Priester strömen herein und singen ein Gebet an Brahma.
Idamore tritt ein. Er sorgt sich, was aus seinem Vater geworden ist, den er aufsuchen wollte, wenn er mit Neala getraut wäre. Ihn hat er nun über die vereinbarte Zeit warten lassen.
Akebare bringt seine Tochter herein. Er betet, dass kein Paria das Heiligtum entweihen möge, worauf Neala und Idamore erzittern. Dann verkündet er den Anwesenden, dass er seine Tochter Idamore geben wolle, einem Mann aus der Kaste der Krieger. Neala und Idamore knien vor den Altar nieder und schwören sich ewige Treue.
Als Akebare gerade seinen Segen sprechen will, wird er von dem Brahmanen Empsaele unterbrochen: Der Ritus sei entweiht, denn ein Paria sei anwesend. Allgemeines Entsetzen. Akebare fordert den sofortigen Tod des Verfluchten.
Zarete wird von den Wachen hereingeschleppt. Die Anwesenden verlangen ebenfalls, ihn sofort zu töten Sie treibt die Angst, dass sonst der Tempel zusammenstürzen werde, da Brahma ihnen zürnte. Zarete bekennt, dass er für sich den Tod wünsche. Zuvor aber belehrt er Akebare, dass die Menschen alle gleich seien, nach dem Tode keiner besser gestellt werde und Brahma ein Gott für alle Menschen sei. Während Akebare Zarete als Schurken bezeichnet, fleht Idamore seine Braut an, den Mann zu retten. Neala wirft sich vor Akebare nieder und bittet um Gnade für Zarete. Doch Akebare weist sie mit den Worten zurück: Ein Paria verdiene keine Gnade.
Idamore wirft den Wachen seine Waffen zu Füßen und bekennt: Er werde mit dem Vater sterben. Akebare befiehlt, beide hinzurichten. Neala will ihnen folgen, doch Akebare hält sie zurück. Auch sie sei schuldig, weil sie einen Ausgestoßenen geliebt habe. Und wenn sie nicht lerne, wie man eine solche frevelhafte Liebe in sich auslösche, werde auch sie ewig verdammt sein. Idamore verabschiedet sich von Neala: Sie aber beteuert, ihm zu folgen. Unterdessen triumphiert Akebare, da er im Volke nach dem Tode seines Rivalen nun wieder als die unangefochtene Autorität wahrgenommen wird.
1) Tempeltänzerinnen
2) hinduistische Asketen
3) einer der Hauptgötter des Hinduismus