Liebe Freunde schöner Stimmen,
wie dem Bariton Georg Ots aus Estland wird ebenso dem lettischen Tenor Janis Zabers auch heute noch posthum in seinem Heimatland eine geradezu hymnische Verehrung zuteil, was nicht nur an dem tragisch frühen Tod des Sängers mit erst 37 Jahren liegt. Cirka 300 Opernvorstellungen und rund 1500 Konzerte haben in nur elf Jahren den Namen Janis Zabers im Baltikum und in einigen Städten der UdSSR bekannt gemacht. Durch Rundfunk- und Fernsehsendungen war er auch der weitgehend ländlich geprägten Bevölkerung Lettlands ein Begriff, zumal der Tenor seine Herkunft als Landwirt nicht verleugnete und in seinen Konzerten stets das Volksliedgut seiner Heimat berücksichtigte. Der Ehrenname „Sänger des Volkes“ traf auf ihn voll und verdient zu.
Geboren wurde Janis Uldis Zabers am 11. 8. 1935 in dem Dorf Veca cepla (Alt-Cepla) in der Gemeinde Meirani (Bezirk Madona) im Osten Lettlands. Seine Familie betrieb seit Generationen die Landwirtschaft. Der Vater, Oskars Zabers, zwei ältere Brüder und eine Schwägerin von Janis waren daneben auch Laienmusiker, sie sangen und spielten in einer kleinen Kapelle, die in den umliegenden Dörfern und Gemeinden zum Tanz aufspielte. Der junge Janis trat gelegentlich mit seinen Verwandten auf; er hatte eine hübsche Gesangsstimme, sang gerne lettische Volkslieder (die aber offiziell durch das Sowjet-Regime verboten waren) und spielte schon in jungen Jahren mehrere Instrumente (Piccoloflöte, Zither, Klavier und Gitarre).
Er ging in Meirani zur Schule, wo die Musiklehrerin Marija Mezule sein Gesangstalent bemerkte und ihm nach dem Schulabgang ein Studium an der Musikschule „Jazeps Medins“ in Riga empfahl. Dort wurde er allerdings abgewiesen, so dass er für ein Jahr in Lubana (gelegen am gleichnamigen größten See Lettlands) seine Stimme bei der Lehrerin Mirdza Tetere trainierte. Bei einem erneuten Vorsingen wurde er 1954 an der Rigaer Musikschule schließlich angenommen und drei Jahre lang im Stimmfach 'Bariton' ausgebildet. 1957 wechselte er an das Staatliche Konservatorium in Riga (u. a. war er in der Gesangsklasse des Tenors Aleksandrs Vilumanis, dessen Sohn gleichen Namens ein bekannter Dirigent wurde); erst in seinem zweiten Studienjahr erkannte man, dass er eigentlich ein Tenor war.
Kurz vor dem Ende des Studiums erhielt er ein Engagement an das 'Staatliche Opern- und Ballett-Theater der Lettischen SSR' in Riga; sein Debüt war am 14. 1. 1960 als 'Narraboth' in der „Salome“. Es folgten die Titelrolle in Gounods „Faust“ (einmal auch als Partner des gastierenden Jerome Hines), der 'Vladimir' in „Kniaz Igor“ von Borodin, der 'Rodolfo' in „La Bohème“, der 'Alfredo' in „La Traviata“, der 'Turiddu' in „Cavalleria rusticana“ - von den drei letztgenannten Opern existieren Mitschnitte des Lettischen Rundfunks - aber auch der 'Don Basilio' in „Le nozze di Figaro“. Natürlich trat er auch in Opern des heimischen Repertoires auf: „Put, vejini“ ('Die Winde wehen') von Arvids Zilinskis, „Audrini“ und „Sniegputenos“ ('Im Schneesturm') beide von Olgerts Gravitis, „Nabagu Opera“ ('Die Armen-Oper') von Margeris Zarins, „Uguns un Nakts“ ('Feuer und Nacht') von Janis Medins und „Amerikas tragedija“ ('Eine amerikanische Tragödie' nach Theodore Dreisers berühmten Roman) des litauischen Komponisten Vytautas Klova. Insgesamt sang Janis Zabers während seiner elfjährigen Zugehörigkeit zum Ensemble der Rigaer Oper 24 große Partien in ca. 300 Vorstellungen, wobei die Rolle des 'Antins' in der Uraufführung von Arvids Zilinskis' „Zelta zirgs“ ('Das goldene Pferd') am 7. 2. 1965 den Sänger zum 'Verdienten Künstler der LPSR' ('Lettische Sozialistische Sowjet-Republik') machte.
Janis Zabers war der einzige lettische Sänger, dem die Sowjet-Union im Rahmen eines gegenseitiges Gesangsstudenten-Austauschprogramms mit Italien ein Auslandsstudium gestattete (und auch finanzierte): seine Frau Biruta, eine Sängerin am Rigaer Operettentheater, musste er allerdings zurücklassen. Ende 1962 wurde er Schüler von Giorgio Favaretto - bekannt geworden als bevorzugter Klavierpartner von Renata Tebaldi - an der römischen Accademie di Santa Cecilia und wechselte im März 1963 an die Accademia della Scala, die Abschluss-Hochschule des 'Teatro alla Scala di Milano'; sein Lehrer war hier Gennaro Barra-Caracciolo, der auch Zurab Sotkilava unterrichtete. An der Mailänder Scala nahm Janis Zabers an den Proben für Franco Zeffirellis Neuinszenierung von „La Bohème“ (unter Herbert von Karajan) teil mit der Verpflichtung, eventuell als 'Rodolfo' einspringen zu müssen, wurde aber kurz vor der Premiere (im April 1964) auf Geheiß der Sowjets nach Riga zurückbeordert. (In der Presse wurde es so dargestellt, als sei der Sänger aus Heimweh nach Lettland zurückgekehrt.)
Zurück in Riga wurde er wieder Mitglied des Ensembles der dortigen Oper (u. a. kreierte er 1965 die Hauptrolle in der erfolgreichen Uraufführung der Märchenoper „Zelta zirgs“, sang seinen ersten 'Manrico' in „Il trovatore“ und 1966 einen Aufsehen erregenden 'Hermann' in Chaikovskiis „Pikovaia dama“), bereiste auch wieder mit vielen Konzerten das Land und einige Sowjet-Staaten, gastierte in Leningrad und Moskau - im Laufe seines Lebens wohl insgesamt rund 1500 Auftritte. 1967 vertrat Janis Zabers sein Heimatland bei der Weltausstellung „Expo“ in Montreal und gab Konzerte in Finnland (Helsinki 1968) und in der DDR (Rostock 1969). Doch Ende der 60er Jahre beeinträchtigten zunehmend gesundheitliche Probleme und vorher nicht von ihm gekannte 'Star-Allüren' seine große Beliebtheit; man sprach von stimmlicher Überforderung und auch Gerüchte von Alkoholismus machten die Runde. Doch in Wahrheit litt der Tenor an einer doppelten Lungenentzündung und war an Parkinson erkrankt, so dass er seine Opernlaufbahn beenden musste: der 'Andrei Khovanskii' in Mussorgskiis „Khovanshchina“ war am 20. 12. 1970 sein letzter Bühnenauftritt, dann gab er im April und Mai 1971 noch Konzerte in Riga, Rezekne, Cesis und Liepaja. Kurz danach wurde er wegen eines bei ihm diagnostizierten Magengeschwürs in ein Hospital eingewiesen, wo man zusätzlich auch einen Gehirntumor feststellte. Nach der ersten Operation verlor er seine Stimme und zwei weitere Operationen mitsamt Chemotherapie konnten den Krebs nicht besiegen; am 25. 3. 1973 starb Janis Zabers in der Stradina Klinik in Riga im Alter von nur 37 Jahren. Die Beteiligung der Rigaer Bevölkerung bei seiner Beisetzung war so groß, dass man den Verkehr in der Innenstadt für den Trauerzug sperren musste.
Obwohl ein paar Opernvorstellungen aus Riga („La Bohème“, „La Traviata“, „Cavallerie rusticana“, „Zelta zirgs“ und „Khovanshchina“) mit Janis Zabers im lettischen Rundfunk übertragen wurden, konnte ich bisher nur die 1958 auf ein eigenes Libretto - nach einem Schauspiel von Janis Rainis aus dem Jahre 1909 - komponierte dreiaktige Oper „Zelta zirgs“ des lettischen Komponisten Arvids Zilinskis (1905-1993) in einem Mitschnitt vom 2. 10. 1965 feststellen, der am 8. 8. 2020 noch einmal gesendet wurde und auf 'YouTube' zu hören ist:
„Zelta zirgs“ ('Das goldene Pferd') (Zilinskis): Karalis (Der König) – Olgerts Krastins (Bass) / Princese Saulcerite (Prinzessin Saulcerite) – Auguste Klinka (Sopran) / Antins – Janis Zabers (Tenor) / Bagatais princis (Der reiche Fürst) – Mikelis Fisers (Tenor) / Bierns – Maigurs Andermanis (Bariton) / Lipsts – Arturs Frinbergs (Tenor) / Tevs, kalpa virs – Aleksandrs Daskovs (Bass) / Baltais tevs – Peteris Gravelis (Bariton) u. a. / LPSR Valsts Operas un Baleta Teatra Koris un Orkestris, Riga (Chor und Orchester des Staatlichen LPSR Opern- und Ballett-Theaters, Riga) / Chorltg. Rudolfs Vanags / Dirigent: Rihards Glazups (Riga, Opernhaus, 2. 10. 1965). Die Märchenoper handelt von einem mutigen jungen Mann, der auf einem goldenen Pferd reitet und eine Königstochter aus ihrem Gefängnis auf einem gläsernen Berg befreit. (LPSR bedeutet Latvijas Padomju Socialistiska Republika, also Lettische Sowjetische Sozialistische Republik.)
Auf Schallplatten gibt es die folgenden Ausschnitte aus dieser Oper, vermutlich aufgenommen 1968: Das Duett Saulcerite und Antins mit Chor (3. Akt) – Die Szene der Saulcerite mit dem König, dem Fürsten und einem Frauenchor (3. Akt) – Das Arioso des weißen Mannes – Die Arie des Antins (1. Akt) – Die Arie des reichen Fürsten / Saulcerite – Vera Davidone / Antins – Janis Zabers / Der schwarze Prinz – Arturs Frinbergs / Der baltische Gesandte – Peteris Gravelis / Der König – Arturs Lepe / Latvijas Televizijas un Radio 'T. Kalnina' Koris (Der 'T. Kalnin'-Chor des Lettischen Fernsehens und Rundfunks) / LPSR Valsts Simfoniskais Orkestris (Das LPSR Staatliche Symphonie.Orchester) / Dirigent: Jazeps Lindbergs (1 LP-Seite, gekoppelt mit Ausschnitten aus der Oper „Put, vejini“ von Arvids Zilinskis). 'Melodiia' M 10-42641/42 (Lettland 1981, 30 cm, mono)
Ebenfalls bei 'Melodiia' erschien eine EP mit den Arien des Antins aus dem 1. und 2. Akt (gesungen von Janis Zabers), der Arie des Fürsten aus dem 2. Akt (mit Arturs Frinbergs) und dem Gesang des Balten aus dem 1. Akt (mit Peteris Gravelis). Jazeps Lindbergs dirigiert das Orchester des Lettischen Rundfunks (Latvijas Radio Orkestris). 'Melodiia' D 00016755/56 (Lettland, o. J., 17 cm, mono)
Auf einer LP der Lettischen Firma 'Latvian Music' sind die zwei Arien des Antins und ein Duett Saulcerite-Antins mit Regina Frinberga-Malina und Janis Zabers enthalten. Das Orchester des Lettischen Rundfunks wird von Jazeps Lindbergs geleitet. (Außerdem enthält die Schallplatte noch Kompositionen von Jazeps Vitols, Valters Kaminskis, Janis Cimze, Emils Darzins und Emils Melngailis). 'Latvian Music' LP 030 (Lettland, o. J., 30 cm, mono)
In der nächsten Woche beginne ich mit der Auflistung der kommerziellen Aufnahmen von Janis Zabers.
Carlo