Friedrich Schiller (1759-1805):
KABALE UND LIEBE
Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Akten
Uraufführung am 13. April 1784 in Frankfurt am Main
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Präsident von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten
Ferdinand, sein Sohn, Major
Hofmarschall von Kalb
Lady (Emilie) Milford, Mätresse des Fürsten
Wurm, Haussekretär des Präsidenten
Miller, Stadtmusikant
Dessen Frau
Louise, deren Tochter
Sophie, Kammerjungfer der Lady
Kammerdiener des Fürsten
Nebenpersonen
Die Handlung ist als Zeitgeschehen zu betrachten.
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
Im Hause des Stadtmusikers Miller.
Die Millers unterhalten sich beim Frühstück über ein leidiges Thema, nämlich die Beziehung ihrer Tochter Louise zu Ferdinand, dem Sohn des Präsidenten. Vater Miller lehnt die Liaison ab, weil er um den guten Ruf der Familie fürchtet; er möchte zum Präsidenten von Walter gehen und ihm von der Beziehung erzählen. Frau Miller hat gegen den jungen und hübschen Mann nichts einzuwenden und begründet ihre Zustimmung mit den so schön geschriebenen Liebesbriefen an Louise. Die beweisen ihr, dass Ferdinand es ernst meint und Louise nicht nur als Gespielin sieht. Und sie hofft auf einen gesellschaftlichen Aufstieg der Tochter.
Wurm, der Sekretär des Präsidenten, kommt zu den Millers, um die ihm versprochene Louise zu besuchen. Frau Miller erzählt, dass ihre Tochter in der Kirche ist und macht dann immer wieder Andeutungen von einer Beziehung Louises mit Ferdinand. Miller wird über das Plappermaul von Eheweib wütend und fordert sie mehrfach auf, die Anwesenheit von Wurm nicht beachtend, ihren Mund zu halten. Wurm dagegen versichert Miller, dass er Louise ein guter Ehemann sein werde. Der wiederum hat es sich inzwischen anders überlegt und will Wurm nicht mehr als Schwiegersohn akzeptieren. Er ist auch nicht bereit, seine Tochter zu zwingen; sie soll selbst entscheiden. Dann wird er sogar drastisch: für Männer, die Väter benötigen um an die Tochter heranzukommen, hat er nur Verachtung übrig. Wurm verlässt aufgebracht das Haus. Miller ist sich aber sicher, dass der Sekretär mit seinem Herrn über die Beziehung zwischen Ferdinand und Luise sprechen wird. Und das kommt zum Hoftratsch und von da aus in die Stadt.
Luise kommt aus der Kirche und erzählt ihren Eltern, dass sie Ferdinand nicht vergessen kann und immer an ihn denken muss. Aber hat sie auch das innere Gefühl, etwas Unrechtes zu tun. Vater Miller versucht erneut, seiner Tochter die Liebelei mit Ferdinand auszureden. Es ist ein Moment der Traurigkeit, der Louise sagen lässt, dass sie dann wohl nur im Himmel mit Ferdinand glücklich werden kann. Unerwartet wird Ferdinand angekündigt.
Als er in den Raum tritt, wird Louise blass, sinkt stumm in einen Sessel, ehe sie doch aufspringt und ihm um den Hals fällt. Er gesteht ihr seine Liebe und sagt dann, dass er es ohne sie nicht mehr ausgehalten hat. Jetzt lobt er ihre Schönheit, sagt aber auch, dass sie ihm bedrückt vorkommt. Sie gibt es zu und ergänzt, dass sie mit Ängsten wegen des Standesunterschiedes kämpft. Vielleicht, so meint sie, müssen sie sich auf Wunsch seines Vaters sogar trennen. Ferdinands Versuche, ihr diese Ängste zu nehmen, haben letztlich sogar Erfolg, denn Louise zeigt sich tatsächlich erleichtert und beide verlassen den Raum.
Szenenwechsel in das Haus des Präsidenten von Walter.
Wie Miller es geahnt hat, berichtet Wurm dem Präsidenten von der Beziehung zwischen Louise und Ferdinand. Doch Herr von Walter sieht das Verhalten seines Sohnes sportlich, meint, dass Ferdinand Amüsement gesucht und gefunden hat. Er merkt aber sofort, dass sein Sekretär eifersüchtig ist und fügt hinzu, dass er seinen Filius mit Lady Milford (der Mätresse des Herzogs) zu verheiraten gedenkt; dass es ihm auch um mehr Einfluss geht, verschweigt er geflissentlich. Wurm ist skeptisch, äußert die Vermutung, dass Ferdinand das Spiel seines Vaters nicht mitspielen wird. Er schlägt listig vor, Ferdinand auf die Probe zu stellen, um herauszufinden, ob die Liaison mit Louise ernst gemeint ist.
Hier wird das Gespräch unterbrochen, denn Hofmarschall von Kalb kommt hinzu - und der Zuschauer kommt nicht umhin, den Mann in seiner ordensbehängten Uniform als Witzfigur anzusehen. Die Witzfigur salutiert und nimmt des Präsidenten Ordre entgegen, nämlich in der Stadt die bevorstehende Vermählung Ferdinands mit der Lady Milford zu verkünden. Bei der Lady soll er Ferdinand außerdem als Besucher ankündigen. Mit unterwürfigen Verbeugungen geht von Kalb ab und von Walter fordert Wurm auf, seinen vor der Tür wartenden Sohn hereinzuholen. Er will ihn mit seinen Plänen vertraut machen und ihn gleichzeitig zu den umlaufenden Gerüchten befragen.
Die nächste Szene ist des Präsidenten Versuch, den Sohn seinen Plänen gefügig zu machen. Im Laufe der Unterhaltung gesteht von Walter seinem Sohn ein ungeheuerliches Verbrechen: Um ihm das gesellschaftliche Parkett zu bereiten hat er seinen Amtsvorgänger ermordet. Hat Ferdinand richtig gehört? Sein Vater ein Mörder? Ferdinand ist schockiert und distanziert sich von seinem Vater und seinem Erbe. Ungerührt fährt von Walter im Gespräch fort und fordert, dass Ferdinand Lady Milford heiratet. Ferdinand lehnt ab mit der Begründung, dass er Louise Miller liebe. Des Vaters neuen Vorschlag, statt der Lady Milford die Gräfin von Ostheim zu ehelichen, findet auch kein Gehör. Es wäre, meint Ferdinand, an seiner lieben Louise ein Betrug. Von Walter kann jedoch Ferdinand dazu bringen, Lady Milford seine Aufwartung zu machen.
ZWEITER AUFZUG
Im Hause der Lady Milford, die Lady mit ihrer Zofe im Boudoir.
Lady Milford und ihre Kammerzofe Sophie unterhalten sich während der Toilette und sind in Erwartung von Ferdinand; die Lady gesteht ihrer Zofe, in den jungen von Walter verliebt zu sein. Ihre Position in der Rolle einer Mätresse des Herzogs ist ihr inzwischen zuwider. Davon einmal abgesehen, dass sie den Herzog nicht mehr liebt, sind ihr auch die Intrigen bei Hofe mittlerweile ein Graus. Einlassungen der Kammerzofe lassen sie jedoch zugeben, dass sie gerne die erste Dame spielt und die angenehmen Vorzüge ihrer Stellung mitnimmt. Aber sie will nicht mehr und hat sich mit dem Gedanken einer Heirat mit Ferdinand angefreundet.
Der Lady Diener tritt auf und bringt ihr Juwelen, ein Geschenk des Herzogs. Sie fragt den Diener nach dem Preis der Kleinodien und bekommt zur Antwort, dass der Herzog 7000 Männer nach Amerika verkauft hat. Nach einer Pause fügt er hinzu, dass die Männer sich freiwillig melden mussten, wer sich wehrte, wurde kurzerhand erschossen. Zu seinem Leidwesen sind auch seine eigenen Söhne rekrutiert worden. Der Lady steht das Entsetzen im Gesicht geschrieben und sie weist das Geschenk abrupt zurück. Weil der Diener sich jedoch nicht traut, dem Herzog die Juwelen zurückzugeben, gibt sie an, die Klunker verkaufen zu wollen und den Erlös an Bedürftige zu geben. Die Zofe widerspricht und gesteht ihr Unverständnis zum Handeln der Lady. In diesem Moment, wird Ferdinands Ankunft gemeldet und die Lady wird nervös.
Als Ferdinand vor sie tritt und sagt, dass er bei ihr vorspricht sei eigentlich nur dem Befehl seines Vaters geschuldet, nicht etwa Interesse an ihrer Person, muss Lady Milford schlucken. Auch was Ferdinand dann sagt, schlägt ihr auf den Magen: es ist für ihn unvorstellbar, dass sich eine gebürtige Engländerin einer Heirat unter Zwang beugt. Lady Milford kommt schnell wieder zu sich und erklärt, sie habe sich immer für das Volk durch Einfluss auf den Herzog eingesetzt. Als sie dann aber ihr Herz öffnet und ihm ihre Liebe gesteht, reagiert Ferdinand schockiert und offenbart ihr, dass es für ihn nur eine Liebe gebe, und das sei Louise Miller. Die Lady bleibt aber dabei: sie will ihn heiraten.
Szenenwechsel in das Millersche Haus.
Vater Miller verlangt, weil ein Diener des Präsidenten vor der Tür steht, nach seiner besten Kleidung. Seine Frau versucht, ihn mit der Bemerkung zu beruhigen, der Lakai könne ja auch aus einem anderen Grund vorgesprochen haben, er solle ihn doch erst einmal anhören. Aufgebracht macht Miller seiner Frau Vorwürfe, weil sie die Beziehung der beiden jungen Menschen für sich behalten hat. Er sinniert über eine Flucht mit Louise, bis der Ärger verflogen ist.
In diesem Augenblick taucht Ferdinand auf und fragt unvermittelt, ob sein Vater schon hier gewesen sei. Die Frage löst bei den Millers Schrecken und böse Vorahnungen aus. Ferdinand geht auf Louise zu, nimmt sie mit dem Versprechen in den Arm, dass er immer zu ihr stehen werde. Louise aber ist nicht zu trösten, vermutet, dass Ferdinand sie ausgenutzt hat und sucht bei ihrem Vater Trost. Ferdinand ist dagegen bemüht, die Lage richtig zu stellen und antwortet, dass sie Opfer einer Intrige sind. Als er gehen will, um mit seinem Vater zu sprechen, läuft er diesem direkt in den Arm.
Präsident von Walter hält sich nicht mit langen Vorreden auf, sondern fragt Louise zu ihrer Beziehung zu seinem Sohn. Dabei ist unüberhörbar ein verächtlicher Tonfall wahrzunehmen. Ferdinand ist aufgeregt und unterbricht ständig seinen Vater. Anders Louise: sie antwortet in einem höflichen Ton, obwohl sie offensichtlich gekränkt ist, denn der Präsident fragt sie frei heraus, welchen Betrag sie von seinem Sohn für ihre Dienstleistungen erhalten habe. Die Fragen, die eindeutig erkennen lassen, dass man sie für eine Hure hält, bringt Ferdinand in Rage und er zieht, außer sich vor Zorn, seinen Degen - um ihn schnell wieder einzustecken. Herr Miller war bisher still, verlangt aber jetzt vom Präsidenten die Höflichkeit eines Gastes in seinem Haus zu wahren, andernfalls werde er ihn hinauswerfen. So einen Ton ist der Herr Präsident nicht gewohnt, er lässt Miller von seinen Dienern verhaften (womit er natürlich auch verhindert, dass Miller beim Herzog vorspricht).
Das Geschehen hat Louise in Ohnmacht sinken lassen. Der Präsident weist die Dienerschaft an, sie ebenfalls wegzuführen. Ferdinand mischt sich erneut ein und verteidigt Louise mit der Waffe. Vater Miller ist in Wallung und versucht, obwohl an den Händen gefesselt, seiner Tochter beizustehen, doch von Walter hat seinen Degen gezogen und hält Miller in Schach. Er droht ihm zusätzlich den Tod am Galgen an und Miller gibt Ruhe. Ferdinand dagegen bleibt in Kampfesstimmung und verletzt einen Diener. Schließlich geht er rigoros gegen seinen Vater mit der Frage vor, ob er verraten solle, wie er an das Präsidentenamt gekommen ist. Sofort lässt der Präsident Louise frei und geht wortlos ab.
DRITTER AKT
Ein Saal im Palais des Präsidenten, der mit Wurm auf der Szene ist.
Der Präsident und Wurm sprechen über den missglückten Versuch, Ferdinand zum Verzicht auf seine Liebe zu Louise zu bewegen. Da der Präsident nicht ratlos und Wurm sich sicher ist, weder seinen Rivalen ausstechen zu können noch Unterstützung von den Eltern zu erhalten, bleibt doch nur, eine Intrige zu spinnen: Es gilt, Zwiespalt zu streuen und Vertrauen zwischen den Liebenden zu erschüttern. Der Plan sieht vor, dass man Louises Eltern in Haft nimmt - Millers Beleidigungen sind dafür eine Steilvorlage -, dann muss Louise unter Bewachung von Wurm kommen. Ein „satanisches Gewebe“ nennt es der Präsident.
Der Hofmarschall von Kalb wird herbeizitiert; er soll seinen Namen für eine angebliche Liaison mit Louise hergeben. Von Walter macht ihm klar, dass Ferdinand den gemeinsamen Mord an seinem Vorgänger publik machen will. Der Hofmarschall sieht eine Gefahr auf sich zukommen, wenn Ferdinand sein Vorhaben wahrmacht und ist bereit mitzuspielen. Wurm hat derweil einen Brief in Louises Namen aufgesetzt. Der Präsident liest ihn und ist es zufrieden.
Szenenwechseln in Millers Haus.
Louise ist allein, ahnt nicht im Geringsten, dass ihre Eltern bereits verhaftet wurden. Als Ferdinand sie aufsucht, herrscht eine gedrückte Stimmung, denn sie hat keine Hoffnung mehr auf ein gemeinsames Leben mit ihm, er dagegen sieht für Pessimismus keinen Anlass: dass sie in Gefahr sind, ist richtig, aber das schweißt doch nur noch mehr zusammen. Louise aber ist klargeworden, dass der Standesunterschied eine unüberwindbare Schranke ist. Außerdem hat der Präsident sie mit Beleidigungen übelster Art geschockt. Es bleibt ihr nur der Rückzug, wenn sie ihre Ehre behalten will - Ferdinand wäre dann aber auch für die Heirat mit der Lady frei. Es zeigt sich, dass Ferdinand ganz anderer Meinung ist, denn ihm geht es um das Niederreißen aller Standesschranken, und er will mit ihr und dem Vater fliehen. Louise lehnt ab - das kann sie nicht übers Herz bringen. Ferdinand stutzt und macht ihr den Vorwurf, sie liebe ihn nicht mehr. Das Misstrauen ist da, und Eifersucht kommt in ihm hoch. Dann geht er ratlos davon.
Louise bleibt allein zurück und denkt sehnsüchtig an ihre Eltern. Plötzlich kommt Sekretär Wurm und erklärt ohne Umschweife, dass ihre Eltern verhaftet wurden. Für ihren Vater, sagt er, sieht es nicht gut aus, denn die Beleidigungen gegen den Präsidenten haben den Bogen überspannt und er wird angeklagt werden. Außerdem beabsichtigt der Präsident, seinen Sohn zu enterben, wenn er die Heirat mit Lady Milford weiter ablehnt. Das hört sich alles nicht gut an, aber Wurm weiß einen Ausweg: Er wird ihr einen Brief an den Hofmarschall von Kalb diktieren, in dem sie nicht nur den Verzicht auf Ferdinand erklärt, sondern diesen Verzicht auch mit einer Beziehung zu von Kalb begründet. Und auch das gehört in das Schreiben: sie schwört, dass der Brief ohne Zwang und freiwillig geschrieben wurde. Wenn sie, sagt Wurm, den Brief schreibt, steht der Entlassung ihrer Eltern aus der Haft nichts mehr im Wege. Louise willigt ein, die Rettung Ihrer Eltern im Hinterkopf, und Wurm hat nichts Eiligeres zu tun, als ihr erneut einen Heiratsantrag zu machen, den Louise jedoch rundheraus ablehnt.
VIERTER AKT
Ferdinand und Kammerdiener im Saal des Präsidenten.
Der von Louise geschriebene Brief hat seinen Empfänger, Ferdinand, erreicht. Aufgebracht kommt er mit dem Schreiben in den Saal gestürmt. Ein Diener fordert ihn auf, unverzüglich zu seinem Vater zu kommen. Aber Ferdinand denkt nicht daran, jenes „unverzüglich“ wörtlich zu nehmen, er beschäftigt mit dem Brief Louises in einem Monolog, der seine ganze Beziehung zu ihr offenlegt. An der Echtheit des Schreibens hat er keinen Zweifel, denn es ist eindeutig Louises Handschrift. Inhaltlich macht er auch Sinn, denn aus welchem Grund sollte sie ihn sonst gebeten haben, die Lady zu heiraten und seine Bitte, gemeinsam mit dem Vater zu fliehen, abgelehnt haben? Er ist völlig ratlos und spricht sich Menschenkenntnis ab, denn dass Louise so intrigant gewesen sein soll, ist ihm entgangen.
In diesem Augenblick tritt von Kalb in den Saal und Ferdinand hält ihm sofort den Brief unter die Nase. Der Hofmarschall spielt den Überraschten und Nervösen, damit Ferdinand ihm die angebliche Liebesbeziehung zu Louise abnimmt. Als Ferdinand ihn jedoch zum Pistolenduell fordert, gerät von Kalb in Panik und versucht dem Duell zu entkommen. Ferdinand ist wütend und verschließt, den Hofmarschall dabei beleidigend, die Türen. Er will von ihm wissen, ob er mit Louise intim war und der Hofmarschall gesteht schließlich unter Ferdinands hohem verbalen Druck, dass das Schreiben eine Lüge sei und er Louise überhaupt nicht kenne. Das erstaunt Ferdinand und er lässt von Kalb gehen.
Erneut alleine hält Ferdinand für sich fest, dass er nach wie vor Louise liebt und nicht auf sie verzichten will. Selbst in der Hölle vereint will er sie nicht missen, denn sie verbinden viele Liebesschwüre. Andererseits ist er wankend geworden, glaubt, dass sie für ihn verloren ist und denkt darüber nach, sie zu töten.
Sein Vater betritt den Saal und Ferdinand bemüht sich um Höflichkeit. Es ist ihm ein Bedürfnis, dem Vater gute Absichten zu unterstellen und ihn um Verzeihung für sein Verhalten zu bitten. Der Präsident spielt seine intrigante Rolle weiter - wodurch er Ferdinand noch tiefer in die Verzweiflung stürzt - indem er ihm nun bestätigt, dass er jetzt von Louises Tugend überzeugt ist und sich sogar mit einer Heirat anfreunden kann. Ferdinand reagiert erstaunt, ist jedoch zugleich sichtlich überfordert, weil er dessen Lügen glaubt. Außerdem ist er sich nun sicher, dass Louise auch seinen Vater betrogen hat und eilt aus dem Zimmer. Nach einer kurzen Pause folgt ihm der Präsident.
Szenenwechsel in einen prächtigen Saal bei Lady Milford.
Lady Milford hat Sophie, ihre Kammerzofe, zu Louise geschickt, um ihr eine Einladung zu überbringen. Louise ist dieser Einladung auch sofort gefolgt; sie wäre am nächsten Tag von sich aus zur Lady gegangen. Um Louise einzuschüchtern hat sie ihre besten Kleider und den kostbarsten Schmuck angelegt. Genau das bemängelt Sophie, findet es schäbig, dass die Herrin auf diese Weise den Standesunterschied herausstellt. Über diese Argumentation ist die Lady wütend, weil sie sich selbst nicht so wahrnimmt. Als ein Kammerdiener eintritt und die Ankunft Louises ankündigt, schickt die Lady Sophie hinaus.
Louise wird von der Lady arrogant empfangen, indem sie sie nur durch den Spiegel mustert. Auch im Gespräch ist die Lady sehr herablassend, doch lässt sich Louise nicht beindrucken, selbst der Lady Bemerkung, dass Schönheit nur eine Frage des Alters sei und schnell vergehe, bringt Louise nicht aus der Ruhe. Nach diesem Vorgeplänkel kommt Madame zur Sache und bietet Louise die Stellung ihrer Zofe an, da diese bald heiraten werde. Als Louise das Angebot ablehnt, entgegnet Lady Milford mürrisch, dass Louise als Bürgerliche kaum eine bessere Stellung finden werde. Louises Antwort ist wieder ablehnend, aber sie stellt die Gegenfrage, ob Madame glücklich sei. Die Gefragte wird wütend, weniger über die Frage, als über sich selbst und die Unmöglichkeit, so ruhig zu reagieren wie ihr Gegenüber. Als sie dann Louise Geld anbietet, damit sie Ferdinand frei gibt, überrascht Louise sie mit der Bemerkung, dass sie freiwillig auf ihn verzichten will. Nach einer Kunstpause fügt sie hinzu, dass sie die Lady für die Zerstörung ihrer Liebe zu Ferdinand verantwortlich macht, und dass Gott ihr deshalb keinen Segen zur Heirat geben werde. Sie geht davon und kündigt dabei ihren Suizid an.
Alleine im prächtigen Saal gesteht sich die Lady, dass Louise charakterliche Größe gezeigt hat. Und sie sieht ein, dass eine Heirat mit Ferdinand schon wegen der Suizid-Abkündigung Louises nicht mehr in Frage kommt. Nach reiflicher Überlegung kommt sie zu dem Schluss, dass sie sich Louises Verhalten zum Vorbild nehmen und mehr Tugendhaftigkeit an den Tag legen muss. Weiter sagt sie sich, dass man die Liaison zwischen Ferdinand und Louise nur retten kann, wenn sie ihre Beziehung zum Fürsten kappt und das Land verlässt. Sie beginnt sofort dem Fürsten zu schreiben. Plötzlich kommen der Kammerdiener und Sophie mit der Nachricht, dass Hofmarschall von Kalb im Entrée warte, und sie bittet ihn herein, schreibt aber weiter dem Brief. Als sie geendigt hat, lässt sie den Hofmarschall nicht zu Worte kommen, sondern übergibt ihm das Schreiben mit der Bitte, es dem Fürsten persönlich zu übergeben. Währenddessen ist Sophie, die Louise aus dem Haus hat herausstürmen sehen, besorgt, weil die Lady ihr den Auftrag gab, alle Kleider einzupacken und die Kutsche zur Abreise vorzubereiten.
Der Hofmarschall ist derweil im Hintergrund stehengeblieben und liest den Brief. Er nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass die Lady dem Herzog vorwirft, sein Volk zu unterdrücken und dass sie das Land verlassen werde, da sie das Verhalten nicht mehr vor sich selbst goutieren kann. Der Hofmarschall liest die Unterschrift mit vor und das Publikum erfährt daraus, dass der richtige Name der Lady „Johanna von Norfolk“ ist. Vor ihrer Abreise bedankt sie sich bei ihrer Dienerschaft mit der Übergabe des gesamten Schmucks.
FÜNFTER AKT
Ein großer Raum im Hause Miller.
Miller wurde aus der Haft entlassen und trifft im Haus Louise allein in der Dunkelheit sitzend an. Sie hat an Ferdinand geschrieben und nicht nur dargelegt, wie ihre Beziehung manipuliert wurden, sondern schreibt auch, dass sie einen Eid ablegen musste, der das ganze Geschehen verschleierte. Sie berichtet Ferdinand von ihrem Suizidvorhaben und fordert ihn auf, ebenfalls den Tod zu suchen. Dann, so schreibt sie, werden sie an einem anderen Ort wiedervereinigt sein. Als Miller den Brief liest, ist er ein Schock für ihn. Er hält seiner Tochter vor, das der Selbstmord die größte Sünde ist, die ein Christ begehen kann. Louise bezeichnet ihrem Vater gegenüber daraufhin den Selbstmord als eine Erleichterung. Miller wiederspricht sofort und tatsächlich gelingt es ihm, Louise von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie beschließen, die Stadt zu verlassen.
Zuvor müssen sie aber noch Ferdinand begrüßen, der gerade in das Zimmer tritt. Er erzählt, dass Lady Milford das Land verlassen hat und sein Vater sich inzwischen mit der Heirat seines Sohnes und der Bürgerstochter Louise abgefunden habe. Vater Millers Reaktion ist abweisend und er unterstellt ihm eine Lüge. Nachdem Ferdinand angemerkt hat, dass er schon mal freundlicher empfangen wurde, zieht er den falschen Liebesbrief aus der Tasche und hält ihn Louise unter die Nase. Vater Miller fordert Louise auf, zuzugeben, dass sie den Brief verfasst hat. Sie gibt es zu und bleibt auch nach mehrmaligem Nachfragen Ferdinands dabei. Der ist darüber enttäuscht und wirft ihr vor, jetzt ihr wahres Gesicht zu zeigen. Er will gehen, bleibt dann aber stehen und bittet um ein Glas Limonade.
Louise verlässt den Raum, um die Limonade zu holen, während Ferdinand und Miller zurückbleiben. Ferdinand erinnert sich an die erste Begegnung mit Louise und Miller sagt, dass er seinerzeit wegen des Flötenunterrichts gekommen war. Damals, wirft Ferdinand ein, habe er sich sofort in Louise verliebt, wofür er jetzt einen hohen Preis zahlen müsse. Als Vater Miller erzählt, dass Louise sein einziges Kind sei und dass er sie sehr lieb habe, erwidert ihm Ferdinand kryptisch, dass er alles verlieren könnte. Vater Miller geht nachdenklich aus dem Zimmer, um nach Louise zu schauen.
Der alleine gebliebene Ferdinand trägt einen innerlichen Konflikt aus: Weil er plant, sich und Louise umzubringen, fühlt er sich schuldig, Miller das letzte zu nehmen, was er noch besitzt. Er nennt sich selbst einen Mörder, ringt sich aber zu der Überzeugung durch, Miller einen Gefallen zu tun: Da Louise ihm Liebe nur vorgespielt hat, wird sie ihrem Vater Kindesliebe auch nur vorspielen. Das kann nicht gut gehen, sagt er zu sich selbst.
Miller kommt zurück und sagt, dass Louise gleich die Limonade bringen würde, momentan sitze sie weinend in der Küche. Ferdinand hält fest, dass es für Vater Miller nicht gut sei, nur für Louise zu leben, denn die könne ja unvorhergesehen sterben. Er bietet Louises Vater eine volle Geldbörse an, sozusagen eine Belohnung für seine Zeit mit Louise. Er meint, dass er da, wo er hinwolle, Geld nicht benötige. Miller nimmt entgegen seiner inneren Haltung das Geld an und sagt, er werde es für Louises schönere Zukunft behalten. Ferdinand verlangt von ihm, dass er nicht mehr über Louise sprechen solle und auch keine Musikstunden mehr geben solle. Eine merkwürdige Forderung, findet Vater Miller.
Louise kommt mit der Limonade zurück; man sieht deutlich ihr verweintes Gesicht. Gerade übergibt Ferdinand an Miller einen Brief für seinen Vater, in dem er das gemeinsame Essen an diesem Tage absagt. Louise reicht Ferdinand die Limonade und fühlt sich sichtbar unwohl. Sie schlägt vor, ihren Vater zum Präsidenten zu begleiten und signalisiert damit, dass ihr der Gedanke, mit Ferdinand alleine zu sein, nicht geheuer ist. Aber ihr Vater will alleine gehen; er argumentiert mit der Dunkelheit, die für sie zu gefährlich sei. Ferdinand schlägt vor, dass sie ihren Vater dann wenigstens zur Tür bringt. Als Louise aus dem Zimmer ist, schüttet er das Gift in die Limonade.
Louise und Ferdinand sind nun alleine und schweigen sich an. Eine Bemerkung Louises über eine Belanglosigkeit soll ein Gespräch in Gang bringen, doch Ferdinand schweigt und sieht dabei nachdenklich aus. Plötzlich kommt er auf ihre Beziehung zu sprechen, redet von einem törichten Verhalten seinerseits und von Enttäuschungen, zwischendurch trinkt er von der vergifteten Limonade und bietet dann Louise das Glas an. Kaum dass sie getrunken hat, bricht er in Tränen aus und beklagt das Scheitern ihrer Liebe. Seine Bitte, dass sie ihm die Wahrheit sagt, überhört sie und hält damit den Eid, deutet aber ehrenwerte Motive für ihr Handeln an. Als Ferdinand jedoch darlegt, dass sie beide gerade vergiftete Limonade getrunken haben, ist Louise bereit, das Geheimnis um den Liebesbrief zu offenbaren. Die zu Tage kommenden Verwicklungen um den Liebesbrief lassen Ferdinand zwar erstaunt aufhorchen, aber er glaubt Louise nun den wahren Sachverhalt. Kurz bevor sie den letzten Atemzug macht, verzeiht sie Ferdinand.
Von Walter, den Brief Ferdinands in der Hand, Sekretär Wurm und Vater Miller stürmen ins Zimmer. Sie finden Louise bereits tot und Ferdinand, der sein Vorhaben in dem Brief an den Vater offensichtlich angekündigt hat, sterbend vor. Das Gespräch zwischen Vater und Sohn gipfelt in dem Vorwurf Ferdinands, dass die Schuld für die Intrigen und deren Folgen bei ihm, dem Vater, liegt. Der wiederum schiebt alle Schuld von sich und verweist auf Wurm, der sich den Schuh allerdings nicht anzieht und hochnäsig sagt, dass man auf seine Ratschläge ja nicht hätte hören müssen. Wurm wird verhaftet, lässt aber, bevor er abgeführt wird, durchblicken, dass er den Mord an von Walters Vorgänger öffentlich machen werde. Vater Miller gibt dem sterbenden Ferdinand das Gold wieder, der schiebt es ihm wortlos wieder zu, der Präsident wird von Gerichtsbütteln verhaftet und weggeführt, wobei Ferdinand ihm noch die Hand geben kann, ehe er stirbt.
© Manfred Rückert für den Tamino-Schauspielführer 2021
unter Hinzuziehung der folgenden Aufnahme von den Salzburger Festspielen 1955
Mitwirkende:
Präsident von Walter: Walter Franck
Ferdinand, sein Sohn: Will Quadflieg
Hofmarschall von Kalb: Leopold Rudolf
Lady Milford: Heidemarie Hatheyer
Wurm, Sekretär: Bruno Hübner
Miller, Stadtmusikant: Ewald Balser
Seine Frau: Adrienne Gessner
Louise, beider Tochter: Maria Schell
Sophie, Kammerzofe der Lady Milford: Nicole Heesters
Kammerdiener des Herzogs: Erich Ponto
Bedienstete des Präsidenten und der Lady: Statisten