Friedrich Schiller (1759-1805):
DON KARLOS,
INFANT VON SPANIEN
Ein dramatisches Gedicht in fünf Akten
Uraufführung am 29. August 1787 in Hamburg, Theater im Opernhof am Gänsemarkt
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Philipp II., König von Spanien
Elisabeth von Valois, seine Gemahlin
Don Carlos, Kronprinz
Alexander Farnese, Prinz von Parma, Neffe des Königs
Infantin Clara Eugenia, ein Kind von drei Jahren
Herzogin von Olivarez, Oberhofmeisterin
Damen der Königin:
Marquise von Mondecar
Prinzessin von Eboli
Gräfin Fuentes
Granden von Spanien:
Marquis von Posa, ein Malteserritter
Herzog von Alba
Graf von Lerma, Oberster der Leibwache
Herzog von Feria, Ritter vom goldenen Vlies
Herzog von Medina Sidonia, Admiral
Verschiedene Charaktere
Don Raimond von Taxis, Oberpostmeister
Domingo, Beichtvater des Königs
Der Großinquisitor des Königreichs
Der Prior eines Karthäuserklosters
Ein Page der Königin
Don Ludwig Mercado, Leibarzt der Königin
Damen, Granden, Pagen, Offiziere, Leibwachen und stumme Personen
Das Geschehen ereignet sich 1568 in Spanien.
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
Der spanische Kronprinz Don Karlos hält sich in der königlichen Sommerresidenz Aranjuez auf. Sein Jugendfreund Marquis von Posa, der inzwischen Abgeordneter der niederländischen Provinzen in Brüssel ist, sucht ihn auf, um ihn zu gewinnen, sich vom König als Statthalter in Flandern einsetzen zu lassen. Dort begehren nämlich die protestantischen Niederländer gegen die katholisch-spanischen Besatzer auf. Posa glaubt, dass der Infant langfristig die unruhige Lage befrieden kann, doch Karlos überrascht den Jugendfreund mit der Ablehnung des Plans: Ihn plagt der Liebeskummer: Objekt seiner Begierde ist Elisabeth von Valois, seine ehemalige Braut und jetzige Ehefrau seines Vaters, somit Königin und seine Stiefmutter. Verzweifelt erzählt er Posa, dass er einmal unter vier Augen mit Elisabeth reden möchte, doch die strenge Hofetikette und das eifersüchtig-wachsame Auge seines Vaters wissen das zu verhindern.
Posa beschließt, ein klammheimliches Treffen zu arrangieren. Da er mit Elisabeth schon lange befreundet ist, glaubt er das bewerkstelligen zu können. Dieses Treffen kommt tatsächlich zustande, geht für Karlos aber nicht gut aus: Er gesteht nämlich im Verlaufe der Unterhaltung Elisabeth seine immer noch bestehende Liebe, und entsetzt sie damit. Sie antwortet, dass sie inzwischen nicht nur dem Volk gegenüber Pflichten und Verantwortung hat, sie ist ihrem Gemahl inzwischen auch menschlich nähergekommen. Und dem Volke zu dienen sollte sich der Infant auch zur Aufgabe machen.
ZWEITER AKT
Inzwischen ist Karlos von Aranjuez wieder nach Madrid gereist und hat sich offensichtlich anders orientiert: Er tritt in einer Audienz vor seinen Vater und bittet diesen - ganz im Sinne Posas - um den Posten als Statthalter in Flandern. Philipp aber lehnt ab, denn der Infant ist nach seiner Meinung zu schwach, feige und vor allen Dingen unbesonnen. Als den neuen Statthalter hat er den Herzog von Alba erwählt, der größere Erfahrung für das Amt mitbringt. Karlos ist enttäuscht und schäumt innerlich, musste er sich doch für diesen Auftritt vor seinem ungeliebten Vater überwinden, und hat nichts erreicht.
Die Prinzessin Eboli hat Karlos einen Brief geschrieben, in dem sie ihn um ein Treffen in einem abgelegenen Teil des Escorial bittet. Dieser Brief stiftet nun Verwirrung: Karlos glaubt, dass seine geliebte Elisabeth die Absenderin ist und geht in geradezu euphorischer Stimmung zu dem verabredeten Treffpunkt. Er fällt aus allen Wolken, als er dort die Eboli antrifft, kann sich aber schnell wieder fangen. Als die Prinzessin ihm dann in völliger Verkennung der Lage ihre Liebe gesteht, ist er völlig ratlos. Die Situation wird für ihn noch komplizierter, als die Eboli ihm einen Brief zu lesen gibt, aus dem hervorgeht, dass sie des Königs Mätresse werden soll und, der Schein muss gewahrt werden, deshalb den Grafen von Silva heiraten muss. Obwohl Karlos, nachdem er die Ungeheuerlichkeit erfasst hat, empört reagiert, kann er der Eboli nur Freundschaft, aber keine Liebe anbieten, denn, das gibt er offen zu, er liebt eine andere Frau. Den Brief aber will er behalten und der Königin zeigen. Diese Aussage öffnet nun wiederum der Eboli die Augen; sie begreift, wen der Infant meint, nämlich die Königin, und beschließt, sich an der ihr und Karlos zu rächen.
Der Eboli erwachsen in dem Herzog von Alba und dem Pater Domingo unwissentlich zwei Verbündete, denn beide können es nicht mit dem Infanten. In einem Gespräch versuchen sie, die Eboli für ihren Plan zu gewinnen, Karlos‘ Liebe zur Königin an Philipp zu verraten und möchten, das die Eboli kompromittierende Schreiben der Königin findet und stiehlt. Dass der Plan ihren eigenen Intentionen entgegenkommt, behält die Eboli geflissentlich für sich.
Karlos trifft erneut auf Posa und berichtet ihm von dem Fauxpas bei der Eboli und von der Untreue seines Vaters gegenüber Elisabeth. Der hält ihn nur mit Mühe davon ab, der Königin den Brief seines Vaters an die Eboli zu zeigen, erinnert ihn aber an die einst beschworenen Ideale für ein gerechtes Königtum.
DRITTER AKT
Der Herzog Alba ist beim König und enthüllt diesem das geplante Treffen von Elisabeth und Karlos. Philipp, ohnehin das Misstrauen in Person, fühlt sich von seiner Frau betrogen und denkt darüber nach, seine Gemahlin und den Infanten töten zu lassen. Ihn quält aber auch das Wissen, nur von unterwürfigen Hofschranzen umgeben zu sein, und keinen aufrichtigen Freund zu haben. Der müsste den Mumm haben, ihm auch mal zu widersprechen - und diesen mutigen Mann glaubt er in dem Marquis von Posa gefunden zu haben.
Er lässt ihn zu sich rufen um ihn zu seinem engsten Berater zu ernennen. Der Marquis, vor dem Herrscher stehend, will aber nicht in des Königs Dienste treten, lehnt die Position ab. Aber er fühlt sich durch Philipps Offenheit ermutigt, für Spanien Freiheit und Menschlichkeit zu fordern. Die erwartete scharfe Reaktion des Königs fällt aus, Philipp sieht sich in seiner Meinung über den Marquis bestätigt und ernennt ihn, die Ablehnung Posas nicht beachtend, zu seinem engsten Berater. Und er hat auch schon den ersten Auftrag: Posa soll ausspionieren, in welchem Verhältnis sein Sohn und seine Frau zueinanderstehen. Zum Schein geht der Marquis darauf ein.
VIERTER AKT
Unmittelbar nach der Unterredung mit Philipp begibt sich Posa zu Elisabeth. Er will sie dazu bringen, Karlos zu überreden, nach Brüssel zu reisen und die Niederländer gegen die Spanier anzuführen, denn er glaubt, dass der Infant auf lange Sicht dazu in der Lage ist. Tatsächlich setzt Elisabeth ein entsprechendes Schreiben an Karlos auf, und Posa bringt es nach der Unterredung mit Elisabeth zu Karlos. Vom Infanten erbittet er die Brieftasche, die Karlos ihm auch ohne weiteres aushändigt.
Der Königin ist inzwischen der Diebstahl ihrer Briefe aufgefallen; sie ist überzeugt, dass ihr Gatte dahintersteckt, eilt deshalb zu ihm und wirft ihm vor, ihre Privatsphäre zu missachten. Der emotionale Auftritt Elisabeths führt zu einem Streit unter den Eheleuten. Den unterbricht Posa durch seinen Auftritt, bei dem er Philipp die Brieftasche von Karlos übergibt. Als der König in der Brieftasche den Brief der Eboli an seinen Sohn entdeckt, gibt er wütend Posa nicht nur die uneingeschränkte Handlungsvollmacht, sondern befiehlt auch die Verhaftung des Infanten. Graf Lerma wird beauftragt, Karlos diese Entscheidung zu überbringen.
Karlos, mit dem Haftbefehl des Königs von Graf Lerma konfrontiert, reagiert mit Wut und Fassungslosigkeit, begibt sich dann eiligst zur Eboli, die er immer noch für seine Verbündete ansieht; dort trifft er auf Posa, der ihn ohne zu Zögern um seinen Degen bittet und in Haft nimmt. Karlos ist durch die Handlung seines Jugendfreundes völlig überrumpelt und lässt alles über sich ergehen.
Nach dem Abgang von Posa und Karlos kommt es zu einer Begegnung zwischen der Eboli und der Königin. Dabei gesteht die Prinzessin ihrer Herrin den von ihr begangenen Diebstahl der Briefe. Elisabeth ist fassungslos und verbannt schließlich die Eboli vom Hofe. In einem anderen Auftritt muss der Marquis von Posa erkennen, dass sein Plan gescheitert ist. Aber er ist nicht mutlos, sondern fasst einen neuen und fordert Elisabeth bei einem Treffen auf, ihren Stiefsohn an seinen Schwur zu erinnern, einen Staat zu schaffen, in dem keine Friedhofsruhe herrscht, sondern in dem es sich leben lässt.
FÜNFTER AKT
Posa besucht den Infanten im Gefängnis und klärt ihn über die falschen, ihn, den Marquis, belastenden Briefe auf, die er selbst dem König hat zukommen lassen. Der Herzog von Alba unterbricht das Gespräch und teilt Karlos mit, dass seine Majestät ihn für fei erklärt habe, er das Gefängnis verlassen dürfe. Doch Karlos schickt den Herzog fort mit der Bemerkung, dass er nur vom König selbst rehabilitiert werden und seine Freiheit erlangen will.
Nach Herzog Albas Abgang berichtet Posa seinem Freund vom Verrat der Eboli und macht ihn mit seinem neuen Plan bekannt, wonach er sich für den Freund opfern will. Plötzlich fällt ein Schuss und Posa sinkt tödlich getroffen zu Boden und in die Zelle tritt König Philipp, um seinen Sohn in die Freiheit zu entlassen. Er äußert aber auch seine Enttäuschung über Posa und wirft ihm Verrat an seinem König vor. Karlos unterbricht seinen Vater, nennt ihn einen Mörder und klärt ihn dann über sein Verhältnis zum Marquis auf. Der König will gehen als ein Offizier vortritt und von einem Aufstand der Bürger in der Stadt berichtet, die den Infanten in Freiheit sehen wollen.
Philipp eilt davon und der zurückbleibende Graf von Lerma versucht, Karlos zur Flucht nach Brüssel zu überreden. In einer anderen Szene führt der Großinquisitor dem König vor Augen, dass er eine zu große menschliche Schwäche besitzt. Diese Aussage lässt Philipp wütend reagieren, doch der Großinquisitor bleibt bei seinem Standpunkt und verlangt den Infanten als Opfer der Staatsräson.
Karlos hat sich inzwischen in der Verkleidung als Geist seines Großvaters in das Zimmer der Königin geschlichen. Dort findet ihn Philipp und übergibt ihn dem Großinquisitor.
© Manfred Rückert für den Tamino-Schauspielführer 2021
unter Hinzuziehung folgender Aufnahme des Bayerischen Rundfunks von 1953
König Philipp II. (Walter Richter)
Don Karlos (Hans Quest)
Marquis von Posa (Max Eckard)
Elisabeth von Valois, Königin (Solveig Thomas)
Prinzessin Eboli (Hilde Krahl)
Herzog von Alba (Wolfgang Büttner)
Pater Domingo (Ernst Ginsberg)
Graf von Lerma (Willy Rösner)
Der Grossinquisitor (Kurt Stieler)
Herzogin von Olivarez (Lina Carstens)
Don Mercado (Robert Michal)
Offizier (Otto Arneth)
Page (Hans Clarin)
Regie (Hans-Günther Stamm)