Bertolt Brecht (1898-1956):
LEBEN DES GALILEI
Episches Stück in 15 Szenen
Uraufführung am 9. September 1943 in Zürich, Schauspielhaus
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Galileo Galilei
Andrea Sarti, Galileis Schüler
Frau Sarti, Mutter von Andrea und Haushälterin von Galilei
Virginia, Tochter von Galilei, Verlobte von Ludovico
Ludovico Marsili, Schüler Galileis und Verlobter Virginias
Sagredo, Freund von Galilei
Federzoni, Linsenschleifer, Helfer Galileis
Der kleine Mönch (Fulganzio)
Barberini, Kardinal und Mathematiker
Bellarmin, Kardinal und Freund von Barberini
Inquisitor
Herr Priuli, Kurator der Universität in Padua
Clavius, höchster Astronom des Vatikans
Cosmo de Medici, Großherzog der Toskana
Vanni, Eisengießer
Das Geschehen ereignet sich zwischen 1609 und 1642 in Padua, Florenz und Rom.
INHALTSANGABE
Galilei und sein Schüler Andrea Sarti führen ein Gespräch über das Weltbild des Kopernikus. Der Domherr aus Thorn hatte nach intensiven Forschungen die Erde ins Zentrum des Alls gestellt und sich damit vom allgemeingültigen Weltbild des Ptolemäus abgewandt. Galilei legt seinem Schüler nahe, viel zu forschen, aber auch vieles zu hinterfragen. Ein weiterer Schüler, Ludovico Marsili, führt dem Gelehrten eine neue holländische Erfindung vor, ein Fernrohr. Allerdings kennt Galilei es schon, hat es sogar verbessert, und „seine Erfindung“ einem seiner Finanziers vorgeführt, ohne ihm jedoch zu gestehen, dass es nicht seine Erfindung ist, sondern er das Fernrohr nur weiterentwickelt hat. Jener Finanzier, ein venezianischer Kurator, war begeistert und hat die Dotation für Galilei sofort erhöht.
Galilei und sein Freund Sagredo arbeiten schon seit längerer Zeit zusammen und es gelingt ihnen tatsächlich, durch Beobachtung der Jupitermonde die Forschungen des Kopernikus zu bestätigen. Den beiden wird nun die Nachricht überbracht, dass ein Schiff aus Holland mit einer Ladung Fernrohren eingelaufen ist. Die Folgen sind für Galilei unangenehm, denn nun fliegt nicht nur sein Schwindel auf, sondern der Kurator entzieht ihm aus Verärgerung seine Gunst. Trotzdem denkt Galilei nicht weiter darüber nach, sondern kündigt an, nach Florenz ziehen zu wollen um die Mönche dort über seine Forschungsergebnisse zu informieren - und zu überzeugen. Sagredo hält von diesem Plan nichts, er rät mit Verve von der Reise ab.
Im Gelehrtenzimmer Galileis diskutierten Andrea und Cosmo (de Medici) über die beiden Weltbilder des Ptolemäus und des Kopernikus. Dabei zerstören die beiden versehentlich das Modell des Ptolemäus. Entsetzt, aber auch ängstlich verkriechen sie sich in eine Ecke, als Gelehrte ins Zimmer treten. Die beachten das zerstörte Modell aber nicht, sondern diskutieren heftig über Galileis Fernrohr. Trotz mehrfacher Aufforderung Galileis lehnen sie es strikt ab, hindurch zu blicken, und gehen schließlich wieder hinaus.
Als die Pest ausbricht, viele Menschen erkranken und sterben, und wer es kann, aus der Stadt flieht, bleibt Galilei mit anderen Wissenschaftlern vor Ort und treibt seine Forschungen weiter voran. Auch Frau Sarti hat sich infiziert und stirbt; Galilei sorgt dafür, dass Andrea Sarti und seine Tochter Virginia aus der Stadt gebracht werden. Andrea gelingt es jedoch, unterwegs der Kutsche zu entkommen und zu Galilei zurückzukehren. Der nimmt ihn notgedrungen wieder auf und Andrea hilft ihm, Argumente für die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes zusammenzutragen. Er kündigt Andrea an, nach Rom zu reisen, um den Klerus zu überzeugen und seine Erkenntnisse dort zu verbreiten.
Tatsächlich wird Galilei in Rom im Vatikan empfangen, darf auch die Forschungsergebnisse zum kopernikanischen Weltbild der hohen und höchsten Geistlichen vortragen. Das Ergebnis ist ein allgemeines Hohngelächter der Purpurträger, das erst erstirbt, als Clavius, Astronom des Heiligen Stuhls, Galileis Theorie bestätigt. Es sieht so aus, als habe Galilei einen Triumph errungen, denn er nennt das Ergebnis seines Vortrags einen Sieg der Vernunft.
Abseits der Vorstellung im Vatikan gibt es auch andere Gelegenheiten für Galilei, Gespräche mit hochrangigen Personen zu führen, z.B. mit den Kardinälen Bellarmin und Barberini. Die führen eine Diskussion um das weite Gebiet der Astronomie. Dass Galilei die Ideen zum kopernikanischen Weltbild auch öffentlich vorstellen kann, erfüllt sich jedoch nicht, da der Domherr aus Thorn von der Inquisition als Ketzer gilt. Das hat die Folge, dass jeder, der dessen Thesen öffentlich verbreitet, mit rechtlichen Schritten und Folter bedroht ist. Virginia und ihr Verlobter Ludovico tanzen währenddessen vergnüglich und unbeschwert auf einem der vielen Bälle.
Galilei diskutiert mit dem „kleinen Mönch“ über die Konflikte zwischen der Kirche und der Wissenschaft. Dabei erweist sich die Diskrepanz zwischen dem ptolemäischen und dem kopernikanischen Weltbild als Hauptproblem. Der kleine Mönch jedenfalls stellt für sich fest, dass er erhebliche Zweifel an seinem bisherigen Wissenstand bekommen hat. Und Galilei spricht ihm gegenüber offen über die Gefahren, in die er geraten könnte, wenn er seine Forschungen öffentlich verbreitet. Er spürt durchaus, dass die Inquisition dem Individuum die Freiheit der Meinung und der Forschung nehmen will.
Eine neue Szene spielt etwa acht Jahre später. Galilei hat sich inzwischen aus der Forschung über das kopernikanische Weltbild zurückgezogen und konzentriert sich auf gänzlich andere Gebiete. Beispielsweise ist er gerade mit seinem Schüler Andrea, dem kleinen Mönch und dem Linsenschleifer Federzoni mit Eisstückchen beschäftigt. Unterdessen bereiten Virginia und Ludovico ihre Hochzeit vor. Während das verliebte Paar verständlicherweise in einer Hochstimmung ist, macht Galilei einen eher lustlosen Eindruck bei den Wasserforschungen; die können ihn offensichtlich nicht befriedigen. Was die drei aber aufschreckt, ist die plötzlich eingehende Nachricht, dass der Papst im Sterben liegt und Kardinal Barberini als einer der Nachfolger im Gespräch ist. Dass Kardinal Barberini Papst werden könnte, löst bei Galilei ein Freudegefühl aus. Denn er glaubt, in dem Kardinal einen Wesensverwandten gefunden zu haben; jedenfalls ist Barberini an der Astronomie interessiert. Sofort gibt sich Galilei wieder den astronomischen Forschungen hin. Dabei entdeckt er die Sonnenflecken und setzt sich mit den Theorien über diese Erscheinungen auseinander.
Während der florentinischen Fastnacht spielt Galilei insofern eine wichtige Rolle, als dass die Menschen den Gelehrten bereits als Berühmtheit wahrnehmen und sich als Galilei verkleiden. Es werden Gedichte auf ihn geschrieben und vorgetragen, und Lieder auf ihn und seine Theorien verfasst und allgemein verbreitet.
Die nächste Szene spielt viele Jahre später und zeigt einen gealterten und erblindeten Galilei. Auf dem Weg zum Großherzog, bei dem er um eine Audienz nachgesucht hat, soll ihn seine Tochter Virginia begleiten. Grund für den Besuch bei Cosmo de Medici, dem ehemaligen Schüler, ist die Präsentation seines Buches über das heliozentrische Weltbild des Kopernikus. Zuvor rät ihm der Eisengießer Vanni eindringlich nicht nur vom Besuch beim Großherzog ab, sondern legt ihm nahe, Florenz zu verlassen, da er in der Stadt nicht mehr sicher ist. Er glaubt sagen zu können, dass Galilei in einer der anderen Provinzen Italiens seinen Forschungen wesentlich ruhiger nachgehen kann, als hier. Doch Galilei will nicht aus Florenz fort, er kann Vannis Rat nichts abgewinnen. Er begibt sich also mit Virginia zum Großherzog und erhält dort die Order der Inquisition, nach Rom zu kommen.
Dort kommt es zu einer Verhandlung mit dem zum Papst Urban VIII. gewählten Kardinal Barberini und dem Inquisitor. Letzterer hält dabei einen Vortrag, der Galilei schwer belastet und der in der Forderung gipfelt, die Forschungsergebnisse zu verbieten. Der Papst zweifelt die Forderungen des Inquisitors an, denn er ist von Galileis Erkenntnissen durchaus angetan. Der Inquisitor aber findet, dass die Kirche in seinen Schriften in ein schlechtes Licht gerückt wird und deshalb das Verbot nötig sei. Papst Urban gerät zwar in einen Gewissenskonflikt, sieht sich jedoch letztlich gezwungen, dem Inquisitor nachzugeben und die Schriften Galileis zu verbieten.
Galilei folgt gehorsam dem Verdikt und zieht alle Veröffentlichungen zum heliozentrischen Weltbild des Kopernikus zurück. Doch nicht nur das, er bezeichnet die Aussagen sogar als falsch und verflucht sie. Das nutzt Galilei aber nichts, da er trotzdem zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt wird. Aber er kommt am 23. Tag wieder frei. Während er wieder in Freiheit ist, verkündet die Kirche das ptolemäische Weltbild als das wahre und einzig gültige. Galilei ist zwar gerettet, aber seine Schüler und Anhänger sind enttäuscht. Sie hatten erwartet, dass er auf seiner Meinung besteht und sie unter Lebensgefahr verteidigt. Doch Galilei ist ein Mensch mit Ängsten und kein Heros.
Galilei erhält Besuch von Andrea und der erfährt dabei von seinem ehemaligen Lehrherrn, dass er in der letzten Zeit trotz Überwachung durch die Inquisition eine Abschrift seiner Forschungsschriften herstellen konnte. Die Originale hat die Inquisition nämlich eingezogen. Diese Kopien möchte Galilei ins Ausland geschmuggelt wissen, er selbst fühlt sich allerdings dazu nicht mehr in der Lage. Andrea, der zum Forschen in die Niederlande gehen will, bietet sich an, die Schriften dorthin mitzunehmen. Tatsächlich gelingt Andrea der Schmuggel, denn seine Kutsche wird nur sehr oberflächlich kontrolliert.
Die letzte Szene zeigt Andrea in einem Dialog mit einem Jungen, in dem Galileis ehemaliger Schüler erklärt, dass es wichtig ist, immer aufmerksam zu sein und ständig mehr wissen zu wollen, da die Menschheit noch längst nicht am Ende ihrer Entdeckungen ist. Nur so kommt man Geheimnissen auf die Spur…
Gehört wurde diese gekürzte Aufnahme der Deutschen Grammophon Gesellschaft
Regie: Manfred Wekwerth und Joachim Tenschert
Musik: Hanns Eisler
Aufnahme im Frühjahr 1979 im Berliner Ensemble
Weitere Angaben fehlen