Voctave - Eindrucksvollste a cappella-Musik

  • Hallo liebe Taminos,

    ich möchte euch ein mMn wirklich großartiges Ensemble vorstellen, den zur Zeit 11-köpfigen Chor "Voctave".


    Genau genommen passt das Oberthema "KLASSIK allgemein" hierzu nicht wirklich, den Voctave singt eigentlich keine klassischen Werke, sondern quasi fast ausschließlich eigene Arrangements von Disney-Songs, Musicaltiteln, Weihnachtsliedern, etc.

    Warum ich diesen Chor dennoch hier vorstelle ist ganz einfach: Überschneidungen mit anderen Chören wie z.B. Pentatonix sind zwar gegeben, das Repertoire, die Arrangements und auch die Videos von Voctave gehen deutlich stärker in die "klassische" Richtung. Ebenso hat es dieser Chor mMn wirklich verdient, noch bekannter zu werden.


    Voctave gibt es erst seit Winter 2015, seine 11 Sänger und Sängerinnen haben alle eine klassische oder Musical-Vorbildung. Die Mitglieder sind (von mir grob nach Stimmen eingeteilt, die Übergänge sind fließend und teilweise wechseln die Sängerinnen und Sänger auch):


    Sopran: Kate Lott, Tiffany Coburn & Ashley Espinoza

    Alt: Sarah Whittemore & Chrystal Johnson

    Tenor: E.J. Cardona, Drew Ochoa & James "Jamey" Ray

    Bass: Kurt von Schmittou, Aaron Stratton & Karl Hudson

    sowie ehemals: Tony De Rosa & J.C. Fullerton


    Die Besonderheit dieses Ensembles liegt einerseits in einem unfassbaren Tonumfang. Die Bässe kommen je nach Arrangement wirklich in tiefste Tiefen, während vor allem Kate Lott im Sopran für extrem hohe Noten (teilweise bis zum dreigestrichenen ges) bekannt ist, und diese dabei auch noch schön klingen lassen. Das führt direkt zur zweiten Besonderheit, nämlich einer unglaublichen Flexibilität zwischen solistischem Singen und einem chorischen Gesamtklang. Die Stimmen verschmelzen wunderbar, die jeweiligen Besonderheiten (z.B. Kate Lotts und auch Tiffany Coburns hohe Töne, E.J. Cardonas Fähigkeit, hohe Bruststimmtöne über einen sehr langen Zeitraum zu halten oder die gewaltige Tiefe der Bässe) werden durch die eigenen Arrangements, für die James "Jamey" Ray verantwortlich ist, großartig in Szene gesetzt. Weiterhin übernehmen einzelne Mitglieder in vielen der Arrangements solistische Parts.



    Dies alles lässt den Eindruck eines wirklich hochqualifizierten und absolut beeindruckenden Ensembles erwecken, die Verbindung zwischen solistischem Singen und Chorgesamtklang gelingt wunderbar, dennoch bleiben auch in den nicht solistischen Teilen die jeweiligen Besonderheiten jeder Stimme deutlich wahrnehmbar.


    Die Eigenarrangements von Ray sind deutlich von klassischen Stücken inspiriert. Die jeweiligen Steigerungspunkte der Stücke kulminieren häufig in sehr dissonanten Akkorden, die die Auflösung dieser umso befriedigender werden lassen. An ausgewählten Stellen kommen zudem einfache Kadenzen und Vorhalte mit großer Wirkung zustande. Gerade in solistischen Stücken werden die hohen Töne von Kate Lott oftmals für himmlische Umspielungen und Verzierungen genutzt.


    Nun einmal ein paar Klangbeispiele. Ich selber bin über die Disney-Medleys per Youtube auf dieses Ensemble gestoßen, weshalb ich vor allem von diesen einige imposante Beispiele vorstellen möchte (aufgrund des hohen Tonumfangs bitte über Kopfhörer hören):


    1. Disney Love Medley

    Dieses Medley war mein Einstieg und vereint die Stücke "I See The Light" (Aus: Tangled/Rapunzel neu verföhnt, 2010), "You'll Be In My Heart" (Aus: Tarzan, 1999) und "Go The Distance" (Aus: Hercules, 1997), als solistische Gäste sind die Pentatonix-Sängerin Kirstin Maldonado und ihr damaliger Verlobter Jeremy Michael Lewis mit dabei.


    Das Medley ist zumindest auf Youtube das bekannteste Video der Gruppe. Hier wird Rays klassischer Ansatz besonders deutlich, in den Solostimmen werden ab You'll Be In My Heart immer wieder Rückbezüge auf Melodien der jeweils vorherigen Songs gemacht, die große Steigerung gegen Ende beginnt zudem mit einer Passage, die sehr ähnlich zu einer solchen im Choral in der Finalcoda von Bruckners 5. Sinfonie ist (Minute 4:40). In den letzten Takten schwingt sich Kate Lott bis zu dem oben erwähnten ges''' auf - großartig! Maldonado und Lewis sind immer wieder sichtlich beeindruckt und fassungslos von der Qualität des Ensembles.


    2. Disney Showstoppers Medley

    Dies ist eines der kürzeren Medleys, bestehend aus "Under The Sea" (Aus: Arielle, 1989), "I Just Can't Wait To Be King" (Aus: The Lion King/Der König der Löwen, 1994) und "Be Our Guest" (Aus: Beauty and the Beast/Die Schöne und das Biest, 1991).


    Die solistischen Parts werden hierbei von Jamey Ray, E.J. Cardona und Kurt von Schmittou übernommen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Songs sind hier unglaublich geschickt gemacht, einmal melodisch durch Überschneidungen in den Begleitungsmotiven und einmal wirklich einfallsreich über den Text und eine große Steigerung. Ansonsten ist dieses Medley deutlich verspielter und mehr an Musical angelehnt, der Spaß der Truppe lässt sich jedoch förmlich spüren.


    3. Disney Princess Medley

    Das hier ist wohl mein liebstes Medley des Ensembles, bestehend aus "Someday My Prince Will Come" (Aus: Snow White/Schneewittchen. 1937), "Once Upon A Dream" (Aus: Sleeping Beauty/Dornröschen, 1959), "Part Of Your World" (Aus: Arielle, 1989), "Reflection" (Aus: Mulan, 1998) und "Colors Of The Wind" (Aus: Pocahontas, 1995).


    Hier treten alle Frauen des Ensembles solistisch auf, jeder einzelne Teil ist ein Ereignis. Viel "disneymäßiger" als Kate Lott kann man den Einstieg wohl kaum singen, Sarah Whittemore klingt wie die originale Arielle und die Umformung dieses Songs hin zu einer eindrucksvollen Steigerung mit toller Chromatik in den Bässen. "Reflection" ist mein absoluter Lieblings-Disney-Song und Ashley Espinoza singt ihn fantastisch. Die zweite Hälfte des Refrains (4:26) klingt absolut himmlisch mit Kate Lotts gehaltenem Ton, der über allem anderen schwebt. Einzig bei "Colors Of The Wind" scheint mir Chrystal Johnsons Stimme und Aussprache nicht hundertprozentig zum Stück zu passen, das Ergebnis ist aber trotzdem klasse. Entgegen dem üblichen gewaltigen Ende gibt es hier einen leisen Schlussabschnitt, der einzelne Melodieteile der vorherigen Stücke verschmelzen lässt.


    4. Disney Heroes and Villains Medley

    Dieses Medley stammt vom Ende letzten Jahres erschienenen Album "The Corner of Broadway & Main Street Vol. 2". Die Konzeption dieses Medleys besteht darin, immer abwechselnd einen Schurken-Song und einen Helden-Song der Disneyfilme zu behandeln. Im Gegensatz zum Princess-Medley treten hier nur die Herren solistisch auf. Das Medley bearbeitet: "Friends On The Other Side" (Aus: The Princess and the Frog/Küss den Frosch, 2009), "Go The Distance" (Aus: Hercules, 1997), "The Mob Song" (Aus: Beauty and the Beast/Die Schöne und das Biest, 1991), "A Whole New World" (Aus: Aladdin, 1992), "Be Prepared" (Aus: The Lion King/Der König der Löwen, 1994) und "Out There" (Aus: The Hunchback of Notre Dame/Der Glöckner von Notre Dame, 1996).


    Dr. Facilier ("Friends On The Other Side", gesungen von Karl Hudson) und Scar ("Be Prepared", gesungen von Kurt von Schmittou) klingen herrlich böse und bestechen durch enorme Tiefe (Hudson) und beängstigenden Wahnsinn (von Schmittou). Ray singt "Go The Distance" im Vergleich zu Maldonado/Lewis aus dem Disney Love Medley erstaunlich schlicht, dennoch mit eigenem Charme, was dem Stück wirklich gut tut. Das abschließende "Out There", gesungen von E.J. Cardona ist schlicht überwältigend, auch hier tritt wieder einmal eine Bruckner-Kadenz gegen Ende auf. Cardona hält seinen letzten Ton knapp 20 Sekunden lang - Wahnsinn!


    5. O Come, All Ye Faithful

    Um noch einen anderen Blick auf dieses Ensemble abseits der Disney-Medleys zu bieten, hier einmal ihre Adaption des altbekannten "Adeste fideles". Diese Version ist nichts für Traditionalisten, bietet aber klangliche Opulenz allererster Güte. E.J. Cardona übernimmt eine Wechselrolle aus Solist und Chorsänger und liefert einen der gewaltigsten Schlüsse eines Stückes, die ich je gehört habe (ab 3:55). Gegen Ende singt er knapp 25 Sekunden lang auf einen einzigen Atemzug - mit integriertem Tonsprung!


    Natürlich sind alle diese Beispiele sehr auf große Wirkung aus, keine Frage. Dennoch sind die Leistungen absolut überragend, seit ich dieses Ensemble entdeckt habe, höre ich sie immer wieder mit großem Genuss, auch wenn die Gefahr des "Satthörens" gegeben ist.


    Mehr Informationen und sämtliche CDs des Ensembles sind auf ihrer Website zu finden, mehr zu hören gibt es dagegen auch auf dem Youtube-Kanal von Voctave. Von den CDs kann ich insbesondere The Corner of Broadway & Main Street Vol. 1 & 2 empfehlen, ebenso die Weihnachts-CDs. Die Orchester-CDs halte ich dagegen für weniger gut gelungen, die a cappella-Fassungen gefallen mir besser, zudem sind hier die Spielzeiten sehr kurz.


    Ich hoffe, ich konnte trotz des nicht klassischen Repertoires dieses Ensemble dem ein oder anderen hier schmackhaft machen ;)


    Viel Spaß beim Hören und Entdecken!


    Liebe Grüße,

    Amdir