Johannes Brahms Werke - Welches sind Eure Lieblingsinterpretationen?

  • Im Mai 2020 hatte Wolfgang Kaercher diese Fragestellung für Beethoven im Jubiläumsjahr 2020 gestellt.

    Dieser Beethoven-Thread hatte mit über 400 Beiträgen bis zum heutigen Tage einen unglaubliche Resonanz. Sehr interessant zu lesen, welche Interpretationen bevorzugt werden - aber Jubiläum "hin und her", auch für Johannes Brahms, ohne derzeitiges Jubiläum, wäre diese Fragestellung von grösstem Interesse.


    Als aufgestellte vereinfachte Regeln möchte ich die gleichen auf Brahms angepassten Regeln verwenden, die auch Wolfgang Kaercher 05/2020 bei Beethoven verwendete:


    *** Alle Werke von Brahms mit eigener Opus – Zahl (und auch ohne Opuszahl) sind zugelassen. Dabei werden die Werke einzeln betrachtet, d. h. es kommt beispielsweise keine Gesamteinspielung aller Sinfonien zum Einsatz, sondern zur jeweiligen Sinfonie die von den Taminos am meisten geschätzten Interpretationen.


    *** Jeder kann zu einem Werk bis zu drei Lieblingsinterpretationen benennen. Gerne mit entsprechenden Links auf die CD oder eine Youtube-Aufnahme. Dabei gerne mit einer kurzen Begründung. "Die kritische Auseinandersetzung mit Vorschlägen anderer sollte nicht hier im Thread erfolgen. ", schrieb Wolfgang Kaercher.

    :!:Ich finde, wenn einer etwas zu einer nominierten Lieblingsinterpreatation zu sagen hat, kann er dies ruhig kundtun !


    ***Als weitere Voraussetzung möchte ich bitten, nur solche Interpretationen einzustellen, die irgendwann auf Platte oder CD veröffentlicht wurden.


    *** Auch Wikipedia bietet hier (wie bei Beethoven) einen guten Überblick seiner Werke: Brahms Wikipedia


    :!:Da hier nicht nur Sinfonische Werke in Frage kommen, sondern auch Kammermusik von Brahms, habe ich diesen Thread bei den Allgemeinen Themen zu Klassik und Romantik platziert.



    :hello: Ich hoffe, wie bei Beethoven, auf eine rege Beteiligung und dabei viel Spass und neue Brahms-Erkenntnisse für alle.

    8) Die Zusammenfassungen werde ich auch mal vornehmen -- aber nicht so zackig direkt, wie Wolfgang Kaercher bei Beethoven.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang (teleton),


    ein tolles Projekt. Ich bin zwar mit Beethoven noch nicht durch (für mich läuft noch das Jubiläumsjahr, es hat für mich mit dem taufdatum im dezember letzten jahres erst begonnen !), werde aber parallel hier mitmachen. Er hat ja 'gottseidank' nicht 32 sondern nur 3 Klaviersonaten komponiert :).


    LG Siamak

  • Lieber Wolfgang,


    ich finde auch, dass das ein sehr interessantes Projekt werden könnte.

    Johannes Brahms ist ein geschätzter, etablierter Komponist, nächstes Jahr wird dem 125. Todestag gedacht (also befindet er sich im "Vorfeld" eines Jubiläums), und im sinfonischen Bereich gibt es nicht ganz so viele Werke zu bewerten wie bei Beethoven.


    Ich bin also dabei...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Wolfgang,


    ein glänzender Vorschlag, an dem ich mich - soweit es meine Zeit erlaubt - gerne beteiligen werde.


    Als Auftakt habe ich das Violinkonzert ins Auge gefaßt. Da nenne ich gleich meinen absoluten Anwärter auf Platz 1:



    Brahms: Violin Concerto, Alto Rhapsody, Haydn Variations -PAPILLON  COLLECTION: Amazon.de: Musik

    Henryk Szeryng (Violine) und das London Symphony Orchestra, Dirigent: Pierre Monteux (Aufnahme: 6/1958, STEREO).


    Allerdings wird es schwer halten, weitere zwei der "besten" auszuwählen, denn es gibt wirklich eine Fülle von ganz hervorragenden Aufnahmen (wie praktisch von allen Brahms-Werken). Jedenfalls keine leichte Aufgabe.


    Schönen Sonntag nach Bonn, und

    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich habe mich für die erste Sinfonie entschieden;

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    Takashi Asahina überwindet dies sehr schön und effektiv, indem sie die Musik so natürlich wie möglich entfalten lässt. Zu diesem Zweck erweitert er das Tempo am Anfang und hält es bis zum letzten Takt fest. Und er zeigt viele Details auf dem Weg, indem er sein Orchester- Osaka Philharmonic Orchestra in einer großartigen Form ermutigt, jede Note sorgfältig und mit viel Klarheit zu spielen.




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    Der Kopfsatz beginnt im perfekten Gleichgewicht der Stimmen, ist kraftvoll und im perfektem Tempo. So meisterlich geht es hin zum Finalsatz mit seinem außergewöhnlichen zart und einfühlsamen gespielten Hauptthema.





    Genau das mach Szell deutlich: das Ringen von Brahms um und in der Sinfonie. Da plätschert kaum einmal die Musik leicht und perlend dahin- Szell und das Orchester mühen und plagen sich hörbar. Eine einzigartige Aufnahme- eher herb und kraftvoll




    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Violinkonzert D-Dur op.77 (1879)


    Der Thread fängt ja heute schon sehr gut an. Danke für die Zustaimmung.

    Allerdings wird es schwer halten, weitere zwei der "besten" auszuwählen, denn es gibt wirklich eine Fülle von ganz hervorragenden Aufnahmen (wie praktisch von allen Brahms-Werken). Jedenfalls keine leichte Aufgabe.

    Ja, lieber nemorinio, so geht es mir beim Brahms-VC auch.

    :thumbup:Hier schliesse ich mich Dir zu 100% mit Szerying / LSO / Monteux (RCA, 1958) an. Bereits auf LP hatte ich diese glänzende Int schon auf der RCA-VICS-LP (;) alte LP-Hasen kennen die VICS-Serie noch). natürlich habe ich diese Aufnahme später auf einer Doppel-CD mit VC-Werken von Lalo, Tschaikowsky erworben.

    :!:Doch erst heute bin ich von der am besten remasterten CD-Ausgabe in meiner Monteux-8 CD-Box (RCA) erst wirklich zufrieden.


    Gute Aufnahmen des VC, die sich irgendwann dazu gesellten, waren Kremer / Wiener PH / Bernstein (DG), Heifetz / Chicago SO / Reiner und

    Oistrach / Cleveland Orchestra / Szell (EMI), sowie die neuere mit Hilary Hahn / AOTMITF / Marriner (SONY).

    :) Doch habe ich ewig, wenn das Brahms _ VC zum Hören ausgewählt wurde am liebsten zum Favorit Szerying / Monteux gegriffen.

    Man sagt über Kremer / Bernstein das es eine der besten Aufnahmen der Klassik vom einem Dutzend ist ... nun ja, die ist schon ausgefeilt, aber letztendlich habe ich dort nur am weit langsameren Tempo im 1.Satz etwas auszusetzen.


    :thumbup::thumbup: Mein 2.Favorit (nach Szerying) ist die Hammeraufnahme mit Heifetz / Chicago SO / Reiner (RCA).

    Die tempodramaturgie entspricht dort genau meinem geschmack und die orchestrale Darbietung ist erste Klasse und keine blose Begleitung:

    Eigendlich stehe ich ja nicht auf solchen historischen Aufnahmen, aber da diese sowohl von der nNt, wie auch klanglich TOP ist, sind es auch hier wiedermal "die groassen Alten", wie Heifetz und Reiner, die vollends überzeugen.


    Spieldauer: 18:51 - 8:11 - 7:19


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    RCA, 1955 / 1957, STEREO, ADD



    :thumbup: Mein dritter Favorit wäre Kremer / Bernstein (DG),. Interessant ist hier die Verwendung der Kadenz von Max Reger im 1.Satz

    - hier die Spielzeit Kremer Bernstein (mal im Vergleich zu Heifetz): 22:06 - 8:12 - 7:23

    - bei mir in der 3 CD - Box der Brahms - Konzerte


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    DG, 1982, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Da hier nicht nur Sinfonische Werke in Frage kommen, sondern auch Kammermusik von Brahms, habe ich diesen Thread bei den Allgemeinen Themen zu Klassik und Romantik platziert.

    Ich hoffe, lieber teleton, dass auch Lieder zugelassen sind, ohne die Brahms nicht Brahms wäre. Dein Einverständnis vorausgesetzt, will ich meinen ersten Beitrag aus diesem Genre wählen:


    Vier Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, op. 43, daraus


    Von ewige Liebe, Nr. 1

    Der Text stammt nach dem Wendischen von Josef Wenzig.


    Es handelt sich um mein Liebelingslied von Johannes Brahms. Ich scheue mich nicht, es seinen "Tristan" zu nennen. Diese schier endlose Melodie zieht einen hinein, so dass man nur schwer wieder herausfindet. Auch das ist eine Ähnlichkeit mit Wagner, die ich nicht gesucht habe. Sie drängte sich mir auf. Für mich ist Christa Ludwig die mit Abstand beste Interpretation gelungen. Sie ist perfekt in Stimme und Ausdruck. Mehr geht nicht. Wenn man sich fragt, was denn nun Vollendung sei im Liedgesang - sie gibt mit ihrem Vortrag eine Antwort. Die Ludwig hat das Lied mehrfach aufgenommen und auch oft im Konzert gesungen. Es fällt mir schwer, eine Variate herauszugreifen. Da es sich anbietet, stelle ich zwei Liveaufnahmen ein, eine von Leonard Bernstein begletet, die zweite von Erik Werba. Die Ludwig und Bernstein waren künstlerisch ein Herz und eine Seele. Das hört man auch. Beider Deutung ist ungemein leidenschaftlich und hingebungsvoll.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold, selbstverständlich kannst und sollst Du alle Brahms-Werke hier einstellen.

    :yes: Nur weil das nicht mein Genre ist, muss das ja nicht bedeuten, dass Lieder hier nicht vorkommen sollen, denn die gehören auch zu Brahms.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Danke! :hello:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Brahms Sinfonie Nr.1 c-moll op.68 (1876)


    Klassikfan hat in Beitrag 5 bereits sein 3 Lieblingsaufnahmen genannt.

    Wand: Die Wand - Aufnahme mit dem CSO hatte ich mir wegen der herausragenden Kritiken hier und allgemein auch gekauft. Eine wirklich tolle und absolut überzeugende Aufnahme.

    Szell: Wenn ich Szell lese, dann gehört auch Brahms dazu. Meine Dank für den Hinweis auf Szells unbekannte Aufnahme mit dem Swiss Festival Orchester, den bereits seine Cleveland Orchestra (SONY) hat mustergültige Qualitäten.


    Meine absoluten Favoriten haben sich im Laufe der Jahre herauskristallisiert, weil sie die Brahms 1 absolut zupackend gestalten.

    Wenn ich mir Chailly 1 CGBO (Decca), Sawallisch (EMI) und in gleichem Atemzug Dohnanyi (Teldec) anhöre, dann sind diese lupenrein, ausgewogen und wirken ohne Vergleich "richtig" ... mir reicht das nicht, denn diese packen mich nicht (Gänsehaut bleibt zu oft aus !), so wie bei Folgenden:


    *** Da ist zunächst mal die alte Karajan-Aufnahme mit den Wiener PH (Decca, 1960), die allen drei DG-Aufnahmen auf den CD-Zyklen vorzuziehen ist.

    *** Eine recht neue und ausgezeichnete Aufnahme auf DVD mit Paavo Järvi (SONY, DVD, DTS 5.1) punktet von der audiophilen Klangausbeute; der letzte Satz im Finale (mit der Paukenvorschlagstelle) gelingt besser als jemals zuvor gehört, aber am Anfang der Sinfonie sind mir die bedrohlichen Paukenschläge zu brav. Manchmal stelle ich mir besonders in den Blechbläsern auch eine grössere Besetzung vor ... und nicht die Stärke der Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.

    *** Bernstein / New Yorker PH (SONY, ADD) trifft meinen Geschmack voll; unwarscheinlich dramatisch emotionale und zugleich klangschöne Aufnahme, die packen kann. Bernsteins spätere DG-Aufnahme ist auch was feines ... aber dennoch: für mich vom Tempo her zu langsam.

    *** Nicht zu vergessen die in Stein gemeisselte Aufnahme mit Klemperer / Philharmonia Orchestra (EMI, 1959), die eigentlich in die Liste der 3 Favoriten gehört.



    :saint: Aber diese drei entsprechen ganz meinen Vorstellungen in Int und Klang:


    Solti / Chicago SO (Decca)

    Das Solti auch bei Brahms alle Wdh-Zeichen beachtet ist mir zwar schnuppe, aber für manche eben von Bedeutung.

    Auf CD die Beste und nebenbei auch meine Erstzugang auf CD.


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    Decca, 1979, ADD



    James Levine / Chicago SO (RCA)

    Seitdem ich mir sinfonische Aufnahmen mit James Levine kaufe, bin ich immer wieder begeistert. Seine Aufnahme mit den Wiener PH (DG) ist auch allererste Klasse und jedem Brahms- Liebhaber zu empfehlen .. aber diese ältere mit dem CSO hat noch mehr überzeugendere Dramatik zu bieten ... und ganz exquisite Pauken.


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    RCA, 1975, ADD



    Karajan / Berliner PH (DG, DVD, DTS 5.1)

    Zu Karajans Brahms hatte ich erst recht spät gefunden. Da war zunächst Klemerer, Solti, Szell, Bernstein, Swetlanow, u.a.

    :angel: Inzwischen sehe ich Karajan als ganz grossen Brahms-Dirigenten.

    Die drei Brahms Zyklen mit der Brahms 1 mit Karajan / Berliner PH (zuerst DG, 1978; dann die Digitale DG, 1978; dann DG, 1964) liessen mich aufhorchen.

    Es gibt von Brahms Sinfonie Nr.1 noch zwei ganz herausragende Karajan - Aufführungen, die nur schwer auf CD greifbar sind und als beste der Brahms 1 gelten (dazu ggf in einem späteren Beitrag die YT-Datei).


    :!:Der meiner Meinung nach beste Brahms/Karajan - Zyklus sind aber diese LIVE-Aufnahmen von 1973, die mich dann vollends vom Hocker gehauen haben. Ich sage es ganz klar, hier lässt Karajan keine Gelegenheit aus um mich als Hörer bei den dramatischen Passagen zu packen - ja, hier macht er richtig Dampf !!! Hör- und Sehspass pur !

    Der ausgezeichnete Klang ist allen drei CD-Zyklen mit DTS 5.1 überlegen.


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    DG, DVD, 1973, DTS.5.1

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Brahms Sinfonie Nr.1 c-moll op.68 (1876)


    Es gibt von Brahms Sinfonie Nr.1 noch zwei ganz herausragende Karajan - Aufführungen, die nur schwer auf CD greifbar sind und als beste der Brahms 1 gelten (dazu ggf in einem späteren Beitrag die YT-Datei).

    An der Stelle hake ich mich mal direkt ein, denn meine absolute Lieblingsaufnahme der 1. Sinfonie ist die Live-Aufnahme von Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern vom 5. Oktober 1988 in der Royal Festival Hall in London (wahrscheinlich meintest du u.a. diese Aufnahme):



    Es handelt sich dabei laut Booklet um Karajans letzte Aufführung der 1. Sinfonie von Brahms. Gekoppelt ist das Werk mit Arnold Schönbergs "Verklärter Nacht", da dies meine bisher einzige Aufnahme des Werks ist und ich es nicht wirklich kenne, schreibe ich dazu nichts.


    Brahms 1. Sinfonie ist aber wirklich gewaltig interpretiert. Das Tonbild ist zwar etwas hallig, rauschig und z.T. undifferenziert (ich denke beim Hören immer etwas an alte russische Aufnahmen mit schneidendem Blech und donnernden Pauken, auch wenn das hier nicht komplett zutrifft), dafür besticht die Aufnahme durch unglaubliche emotionale Wucht. Die Berliner spielen nicht perfekt, kurioserweise führt aber ausgerechnet eine der kleinen Ungenauigkeiten dazu, dass ich diese Aufnahme so sehr liebe:


    Wenn im 4. Satz in den letzten Minuten der vorher auftauchende Choral in triumphaler Manier wieder erscheint, erlaubt sich die Pauke bei den letzten beiden Akkorden des Chorals (C des F-Dur-Akkords in T. 414 und G des G-Dur-Akkords in T. 416) den kleinen Fehler, minimal zu früh einzusetzen, also eine Millisekunde vor dem Rest des Orchesters. Auch wenn dies nicht so in der Partitur steht, gefiel mir diese Stelle beim ersten Hören der Aufnahme sofort, denn die Wirkung ist eine ganz enorme und der Choral klingt so völlig anders als in allen anderen Aufnahmen, die ich kenne. Die letzten 2-3 Minuten der Sinfonie sind ein beeindruckendes Spektakel.


    Dazu kommt, dass sich die Berliner förmlich die Seele aus dem Leib spielen. Auch im wundervollen 2. Satz können sie bestechen, hier weniger über rohe Kraft als stattdessen über Zartheit und liebliches Spiel (trotz der Aufnahmequalität) - eine tolle Aufnahme, wenn man bereit ist, das Klangbild und die Ungenauigkeiten zu verzeihen oder wie ich sogar lieben zu lernen! Victor Carr Jr. von classicstoday vergibt übrigens 8 Punkte für die Interpretation und 6 für den Klang.


    P.S.: Die Pauken haben übrigens teleton-Qualität ;)

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    Selbes Jahr 1988, allerdings vom 5. Mai aus Tokio und klanglich besser eingefangen als die BBC-Aufnahme, wäre das meine Empfehlung in Sachen Brahms' Symphonie Nr. 1 unter Karajan (DG Japan).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sinfonie Nr. 1 c-moll, Op. 68


    Da ist die Beschränkung auf drei Aufnahmen eine schier unlösbare Aufgabe. Ich versuche es trotzdem:

    Brahms: Sinfonie 1 - Johannes Brahms, Günter Wand, Chicago Symphony  Orchestra: Amazon.de: MusikBrahms, von Karajan, Vienna Philharmonic Orchestra – Symphony No. 1 in C  Minor, Op. 68 (1981, Vinyl) - DiscogsBrahms, The Chicago Symphony Orchestra, Georg Solti – Symphony No. 1 /  Academic Festival Overture (Vinyl) - Discogs


    Zu Günter Wand: Es gibt von ihm mehrere Versionen von Brahms 1 auf CD, doch die Live-Aufnahme aus Chicago ist wirklich eine Wucht! Dagegen wirkt die durchaus gute Studio-Einspielung mit dem NDR-Sinfonieorchester (RCA) regelrecht zahm. In Chicago entwickelt Wand eine Dramatik, die ihresgleichen sucht.

    Zu Karajan: Er war IMO ein Brahms-Dirigent par excellence. Ich kenne seine Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern von 1964 und 1977 (DGG), die beide ihre Meriten haben, aber keine reicht an die mit den Wiener Philharmonikern von 1960 heran, die auch für ihr Alter erstaunlich gut klingt.

    Und Solti: Auch er ist ein hervorragender Brahms-Interpret, seine Aufnahme hat noch den Vorteil, daß er sämtliche Wiederholungen bringt, was im Fall der Ersten eher Seltenheitswert hat. Die meisten Dirigenten verzichten auf die Wiederholung der Exposition im Kopfsatz.


    Kennengelernt habe ich Brahms' Erste übrigens mit dieser Aufnahme:

    Brahms:Symphony No.1

    aus dem Jahr 1960, die ich immer noch sehr gerne höre. Die spätere von 1975 mit den Wiener Philharmonikern (DGG) ist viel routinierter und längst nicht so spannungsvoll. Sie sollte aber hier zumindest genannt werden, wie auch die großartigen Versionen von Klemperer (EMI) und Szell (CBS/Sony), die mich ebenfalls sehr beeindruckt haben.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • DIE KLAVIERKONZERTE



    Johannes Brahms

    Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15

    Krystian Zimerman

    Wiener Philharmoniker

    Leonard Bernstein

    Wien, 1983











    Johannes Brahms

    Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83

    Krystian Zimerman

    Wiener Philharmoniker

    Leonard Bernstein

    Wien, 1984








    Fast ein Vierteljahrhundert liegt zwischen der Entstehung der beiden Klavierkonzerte. Das erste wirkt jugendlich-draufgängerisch, das zweite klingt wesentlich reifer und abgeklärter. Johannes Brahms hat mit dem späteren Genrebeitrag das erste viersätzige Klavierkonzert in der Musikgeschichte vorgelegt.


    Nicht nur unter Brahminen werden diese beiden Live-Aufnahmen aus Wien mit ihrer wuchtig-opulenten Lesart sehr geschätzt. Leonard Bernstein lässt mit den Wiener Philharmonikern diese beiden Kolosse wie eine Sinfonie mit gleichberechtigtem Klavier erklingen. Krystian Zimerman stellt mit seiner besonnen-zurückhaltenden, gleichwohl fesselnden Darstellung seine pianistische Sonderklasse unter Beweis. Viele konturenreiche Details werden wunderbar herausgearbeitet.

  • RICHTER SPIELT DAS 2. KLAVIERKONZERT



    Johannes Brahms

    Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83

    Sviatoslav Richter

    Chicago Symphony Orchestra

    Erich Leinsdorf

    1962









    Diese legendäre Aufnahme hat längst Kultstatus erreicht und darf hier natürlich nicht fehlen. Sie ist während Richters erster USA-Reise Anfang der 1960er Jahre entstanden. Ganz herausragend, wie verwegen er den vollgriffigen Klaviersatz in diesem packenden und zupackenden Live-Mitschnitt meistert. Die eine oder andere unsauber gespielte Stelle mindert mein Hörvergnügen keineswegs. Erich Leinsdorf und das Chicago Symphony Orchestra werden von Richters Feuerwerk förmlich mitgerissen.








  • RE: Brahms Sinfonie Nr.1 mit Karajan LIVE

    Es gibt von Brahms Sinfonie Nr.1 noch zwei ganz herausragende Karajan - Aufführungen, die nur schwer auf CD greifbar sind und als beste der Brahms 1 gelten (dazu ggf in einem späteren Beitrag die YT-Datei).

    Die Aufnahmen die Amdir und Josef in den Beiträgen 11 und 12 abbilden, sind die beiden Aufnahmen, die ich meine.

    Das sind die absolut herausragenden Live-Aufnahmen aus der Royal Albert Hall 1988 (BBC Testament) und aus Tokyo Mai 1988.


    Auf YT habe ich zumindest die aus der Royal Albert Hall 1988 gefunden, die leider klangtechnisch nicht so astrein ist; ausserdem einen Wahnsinns-Ausschnitt vom Finalschluss in Tokyo 1981 !! (Also noch eine weitere andere Liveaufnahme !). :hail:Mehr Emotion geht wohl kaum:



    Royal Albert Hall 1988:



    Die LIVE-Aufnahme von 1973 aus der Berliner PH, die ich im DVD-Zyklus (Beitrag 10) favorisiere ist klangtechnisch ausgezeichnet und auf DVD im DTS 5.1- Surround Sound klangtechnisch besser eingefangen als alle Anderen, incl aller Verfügbaren auf CD.

    Auf YT wird auch hier die ganze Sinfonie Nr.1 geboten.

    8) Egal welche Brahms 1 LIVE mit Karajan, die sind alle der Hammer und diese Bestklingende entfacht deshalb bei mir auch den wirklichen Hörspass:



    :) Freut mich, lieber nemorino,

    das wir mit Solti und Karajan auch hier wieder auf einer Line liegen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nun wird es Zeit, meine Ankündigung vom Sonntag wahrzumachen und meine beiden weiteren Favoriten für das

    Violinkonzert D-dur, Op. 77

    zu benennen. Platz 1 habe ich ja bereits vergeben:

    Szerying / LSO / Monteux (RCA, 1958) an. Bereits auf LP hatte ich diese glänzende Int schon auf der RCA-VICS-LP ( ;) alte LP-Hasen kennen die VICS-Serie noch).

    Diese Aufnahme befand sich in meiner Sammlung in der Originalfassung:

    Front Cover

    Leider ist sie mit diesem schönen Original-Cover auf CD nur in einer sehr teuren japanischen Ausgabe von JVC erschienen. Deshalb habe ich sie mir aus der Papillon-Serie zugelegt. Die VIC/VICS-Serie ist mir natürlich noch in guter Erinnerung, lieber Wolfgang.


    Aber nun zurück zum Brahms-Konzert. Wie bereits angedeutet, gibt es auch davon eine stattliche Anzahl von hervorragenden Aufnahmen, so daß es schwerfällt sich festzulegen. Ich nenne nun für Platz 2 und 3 folgende Versionen:

    OISTRAKH & KLEMPERER Emi 037 00534 BRAHMS LP NM - khrisrecordsCon Vn [d]/Sinf Concertante [E - Brahms, Mozart: Amazon.de: Musik

    David Oistrach (Violine) und das Orchestre National de R.D.F., Dirigent: Otto Klemperer (Aufnahme: 6/1960, Salle Wagram, Paris).

    Links meine LP, rechts die spätere CD-Ausgabe.


    Im Gegensatz zu Dir, lieber Wolfgang, ziehe ich diese Version der später erschienenen mit Oistrach/Szell (EMI) vor. Bei aller Wertschätzung für George Szell: Mir scheinen Oistrach und "Kl'empereur" deutlich besser zu harmonieren. Für mich ist diese Aufnahme von 1961 eine wohlgelungene Alternative zu Szeryng/Monteux, die mehr in die klassizistische Richtung weist, während die EMI-Einspielung bei spürbar gemäßigterem Tempo mehr die melodischen Schönheiten des Werks herausstellt.


    Und jetzt meine Nr. 3:


    Isaac STERN: BEETHOVEN BRAHMS Double Triple Concerto 2CD Leonard Rose  Barenboim | eBay

    Isaac Stern (Violine), Philadelphia Orchestra, Dirigent: Eugene Ormandy (Aufnahme: 1959, Philadelphia).

    Lange habe ich zwischen Jascha Heifetz und Isaac Stern geschwankt, mich dann letztendlich doch für Stern entschieden, der geigerisch ähnlich souverän ist wie sein berühmterer Kollege, aber dann doch nicht ganz so atemberaubende Tempi einschlägt. Mein persönlicher Eindruck ist, daß Heifetz in Falle Brahms (ganz im Gegensatz zu seiner faszinierenden Aufnahme des Beethoven-Konzerts mit Münch) doch der Virtuosität zu sehr gegenüber dem musikalischen Gehalt den Vorzug gibt. Sein perfektes, lupenreines Spiel ist allerdings schlicht nicht zu überbieten.


    Noch ein Wort zu Kremer/Bernstein: Diese Aufnahme habe ich ebenfalls, aber ich gestehe, daß ich mich mit Kremers Geigenton nie so recht anfreunden konnte. Das ist aber klar ein rein geschmacklicher Vorbehalt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • VIOLINKONZERT D-DUR



    Johannes Brahms

    Violinkonzert op. 77

    Itzhak Perlman

    Chicago Symphony Orchestra

    Carlo Maria Giulini










    Sarasate weigerte sich, dieses Violinkonzert zu spielen. Joachim forderte vom Komponisten einen höheren Schwierigkeitsgrad für den Part der Solovioline. Perlman spielte es 1976 in Chicago mit Giulini.


    Itzhak Perlman produziert einen ungemein schönen, betörenden Ton, den er mit dieser Intensität seines Spiels zu verbinden vermag. Mal süßlich, aber nie sentimental. Dann bestimmt, aber nie dominant. Carlo Maria Giulini legt das Violinkonzert mit dem CSO groß, aber nicht schwerfällig an. Wunderbar sein Steigerungsaufbau. Keine Übertreibungen bei Agogik oder Dynamik, alles ist gut ausbalanciert. Eine der schönsten Aufnahmen des Stückes, die ich kenne.

  • SYMPHONIE NR. 4 E-MOLL, OP. 98



    Johannes Brahms
    Symphonie Nr. 4
    Wiener Philharmoniker
    Carlos Kleiber
    Wien, 1980










    Carlos Kleiber hatte ein überschaubares Repertoire, dafür sind seine Aufnahmen von hohem Wert für die Rezeptionsgeschichte. Seine Interpretationen haben mich als Hörer für den Rest meines Musiklebens ‚verdorben‘ – im Sinne von stark geprägt. Ich kann die Werke häufig nur noch in Kleibers Lesart goutieren. Die 4. Symphonie von Johannes Brahms unter seinem Dirigat am Pult der Wiener Philharmoniker ist Perfektionismus in Reinform.

  • Hallo,


    Sonate für Klavier und Violoncello (Cellosonate) Nr.1 e-moll Op.38


    Brahms komponierte die ersten beiden Sätze 1862 und das Finale 1865. Die Sonate widmete er dem Juristen und Musikfreund Herrn Dr. Josef Gänsbacher aus Wien. Vom ersten Hören an zog mich das elegische Hauptthema durch das Cello vorgetragen in den Bann. Das Thema soll auf dem Contrapunctus 4 aus Bachs Kunst der Fuge stammen. Der Mittelsatz hat als Menuett ausgleichende Wirkung. Das Finale ist eine Hommage an Bach und lehnt mit seinem Fugenthema an den Contrapunctus 13 aus der Kunst der Fuge an. Es ist für mich ein absolutes Lieblingswerk. Erstmalig hörte ich es als Schüler auf MC die damals frisch veröffentlichte DG-Aufnahme mit Rostropowitsch/Serkin.


    Mir standen 5 Aufnahmen auf CD zur Verfügung und konnte mich für 3 Lieblingsaufnahmen entscheiden.


    Janos Starker, v’cello

    György Sebök, p


    (Mercury, ADD, 1964)



    Für mich überragend ist das wunderbar verwobene Spiel dieser langjährigen Musizierpartner ungarischer Herkunft. Janos Starker bevorzugt ein eher zügiges und schnörkelloses Spiel mit feinem Strich. Aufnahmetechnisch top und sehr luzide.


    Mischa Maisky, v’cello

    Pavel Gililov, p


    (DG, DDD, 1998)


    Brahms: Cello Sonata No.1 in E Minor Op.38


    Dies ist eine sehr virtuose und hochemotionale konzertante Darbietung. Maisky besitzt den ‚goldenen‘ Ton, sehr voluminös und zieht einen romantischen Ansatz vor.


    Jean-Guihen Queyras, v’cello

    Alexandre Tharaud, p


    (HM, DDD, 2017)



    Ich würde diese aktuelle Einspielung als feine Darbietung französischer Schule beschreiben. Es ist ein eher schlanker Duktus aber sehr packend vorgetragen.


    LG Siamak

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  • Die 4. Symphonie von Johannes Brahms unter seinem Dirigat am Pult der Wiener Philharmoniker ist Perfektionismus in Reinform.

    Hallo, Novalis,


    zweifellos hat Carlos Kleiber eine glänzende Aufnahme von Brahms' Vierter vorgelegt, aber halten zu Gnaden, ich persönlich kann mit der Überhöhung dieses Dirigenten ins quasi Mythische wenig anfangen. So nenne ich jetzt drei Aufnahmen dieser Sinfonie, die zumindest, jede auf ihre Weise, der von Carlos Kleiber zumindest ebenbürtig sind und nominiere sie gleichzeitig als meine Favoriten:

    Sinfonie 4 - Pittsburgh Symphony Orchestra, Steinberg, William, Brahms,  Johannes: Amazon.de: MusikRudolf Kempe, The Royal Philharmonic Orchestra, Johannes Brahms – Symphony  No. 4 In E Minor (1962, Vinyl) - DiscogsJohannes Brahms, George Szell, The Cleveland Orchestra – Sinfonien Nr.3+4,  Haydn Variationen/Akademische Fest-Ouvertüre (1973, Vinyl) - Discogs

    Sie mögen zwar klangtechnisch hinter Kleibers Digital-Aufnahme zurückbleiben, aber als dirigentische Leistung stehen sie dieser in keiner Weise nach.


    Ich nenne an dieser Stelle noch Klemperer (EMI) und Solti (Decca), die gleichfalls herausragende Versionen vorgelegt haben. Doch die Beschränkung auf drei Aufnahmen sollte damit nicht unterlaufen werden.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • zweifellos hat Carlos Kleiber eine glänzende Aufnahme von Brahms' Vierter vorgelegt, aber halten zu Gnaden, ich persönlich kann mit der Überhöhung dieses Dirigenten ins quasi Mythische wenig anfangen.

    Mythisch , lieber nemorino, ist Carlos Kleiber für mich nicht - vielmehr sehr real und ‚greifbar‘. Ein Dirigent mit einer außergewöhnlichen musikalischen Begabung, der sehr hohe Ansprüche an sich und die Musiker legte. Vor diesem Hintergrund führten akribische Vorbereitung und intensive Probenarbeit [quantitativ und qualitativ] bisweilen zu exzeptionellen musikalischen Ergebnissen, die für mich einen sehr ‚organischen‘ Fluß, Präzision und ein hohes Maß an Perfektion und Musikalität haben. Ich möchte aber keine uralte Diskussion aufwärmen, lediglich meine Position schärfen.

  • Ein Dirigent mit einer außergewöhnlichen musikalischen Begabung, der sehr hohe Ansprüche an sich und die Musiker legte.

    Daran gibt es keinen Zweifel, lieber Novalis. Ich selber besitze fast alle kommerziellen Aufnahmen des Dirigenten, und es gibt IMO keine darunter, die nicht hervorragend ist. Mich stört nur hin und wieder die Exklusivität, die Carlos Kleiber zugebilligt wird, als ob es davor und danach nichts Gleichwertiges gegeben hätte. Das fordert dann meinen Widerspruch heraus.


    Natürlich habe ich auch die legendären DGG-Aufnahmen von Beethoven 5 & 7, die ganz sicher in die erste Reihe gehören, aber trotzdem ziehe ich für die Fünfte Karajans Aufnahme von 1962 vor, und was die Nr. 7 betrifft, so halte ich Konwitschny und die Wiener Karajan-Version von 1959 durchaus für ebenbürtig.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • VIOLINKONZERT D-DUR, OP. 77




    Johannes Brahms
    Violinkonzert
    Ida Haendel
    London Symphony Orchestra
    Sergiu Celibidache
    London, 1953









    Es gibt viele gute Einspielungen, eine Auswahl fällt schwer und ist der Tagesform geschuldet. Die feurige Aufnahme Ginette Neveus fällt mir spontan ein, der hochvirtuose Jascha Heifetz. David Oistrach unter Klemperer in Paris wurde schon genannt. Heute treffe ich eine andere Auswahl.


    Ich habe mich für Ida Haendels Interpretation aus 1953 entschieden. Ihr Geigenspiel besticht durch vitale Kraft, die gebotene Dramatik und Beseeltheit - von schwerblütig-meditativ bis lyrisch, immer wohldosiert -, dabei das Spektrum ihrer geigerischen Mittel stets auslotend. Sergiu Celibidache und das LSO begleiten sie sehr sensibel in den lyrischen Passagen. In Aufbau und Anlage transparent strukturiert, im Gestus kraftvoll-symphonisch. Ein seltenes Tondokument, weil Maestro Celibidache ausnahmsweise keinerlei Einwände gegen eine Studioaufnahme hatte.



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    Johannes Brahms
    Violinkonzert
    Nathan Milstein
    Pittsburgh Symphony Orchestra
    William Steinberg
    1954











    Wohl kaum ein Geiger hat das Brahms-Konzert so häufig wie Nathan Milstein eingespielt:
    - New York Philharmonic / Victor de Sabata [1950]
    - Royal Concertgebouw Orchestra / Pierre Monteux [1950]
    - Pittsburgh Symphony Orchestra unter William Steinberg [1954]
    - Philharmonia Orchestra / Anatole Fistoulari [1960]
    - NDR-Sinfonieorchester / Paul Klecki [1960]
    - Wiener Philharmonikern / Eugen Jochum [P1975]
    [ohne Anspruch auf Vollzähligkeit]


    Nach technischen und interpretatorischen Kriterien zu urteilen, ist die ausgewählte Aufnahme in meinen Ohren zu präferieren.


    Nathan Milstein zeichnet sein geradliniges Spiel aus, frei von Manierismen, unverkennbar sein dezenter Vibratoeinsatz und Umgang mit Verzierungen. Ein sachliches Brahms-Konzert, befreit von jeglicher Sentimentalität, das einen schönen Kontrast zur bisweilen überbordenden Virtuosität eines Jascha Heifetz bildet, aber nicht diese Klangaskese eines Joseph Szigeti zelebriert. Ein außergewöhnlicher Geiger, der sein letztes Konzert im Alter von 82 spielte.


    Mit diesem Beitrag habe ich insgesamt drei Empfehlungen für das Violinkonzert ausgeschöpft.

  • Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68

    Dann will ich mich auch mal versuchen. Unter allen Werken von Brahms ist mir die erste Symphonie vielleicht das wichtigste (was nicht bedeuten soll, dass mir die anderen drei nicht liegen würden).


    Meine Nominierungen:


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    Orchestre de Paris/Charles Munch (EMI, 1968) - eine der letzten Aufnahmen von Munch; absolut superb und zu Unrecht wenig bekannt.


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    Chicago Symphony Orchestra/Günter Wand (RCA, 1989) - hierzu wurde schon alles gesagt; bereits die dritte Nennung!


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    London Symphony Orchestra/Leopold Stokowski (Decca/Cala, 1972) - hochexzentrische Darbietung des 90-Jährigen anlässlich des 60. Jubiläums seines Debüts beim LSO.


    Einen nicht kommerziell erhältlichen, fulminanten Live-Mitschnitt des Boston Symphony Orchestra unter Leonard Bernstein aus Tanglewood 1985 kann ich leider nicht ins Rennen schicken, möchte ihn hier aber zumindest erwähnt haben. (Den weiter oben genannten Karajan aus Tokio sähe ich nicht in meinen Top 3, aber als HvKs beste Darbietung des Werkes an.)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Oh, oh ... Eins meiner absoluten Lieblingskonzerte ist das 1. Klavierkonzert von Brahms. Ich kenne so etwa +- 150 Interpretationen. Ziemlich überrascht bin ich jedesmal, wenn ich den Namen Christian Zimmerman auf den vorderen Plätzen finde. Das einzig herausragende an seiner Interpretation ist, dass er noch etwas länger als Glenn Gould mit Leonard Bernstein braucht, damit erschöpft sich auch schon das positiv Hervorzuhebende. (In der Bach Chaconne tritt er mit einer soften und völlig nichtssagenden Interpretation hervor, die allenfalls als Werbung für Lenor taugt.) Ganz und gar wunderbar spielt Helene Grimaud mit den Wiener Philharmonikern - nur man (ich) muss dreimal hinhören, um sich / mich von ihr fesseln zu lassen, sie macht es einem nicht leicht. (Hier sei nochmal die Bach Chaconne erwähnt, aber mit einer herausragenden Interpretation! stimmt nicht? fünfmal hören!) Noch viel weiter vorne: Bruno Leonardo Gelber und die Münchener Philharmoniker unter Franz Paul Decker. Hier gibts das Konzert in brachialer Urgewalt, mehr geht nicht. Vielleicht hat man sich nach Stunden soweit wieder erholt, dass man wieder aus dem Sessel audstehen kann, in den man förmlich hineingepresst wurde. (Übrigens: die weiteren 13 Einspielungen mit Gelber auf YT sind grausam) Leon Fleisher und das Cleveland Orchestra unter George Szell darf man keinesfalls vergessen. Wunderbar ebenfalls Alexis Weissenberg mit Ricardo Muti. (Ich höre grundsätzlich solche Interpretationen gerne, deren Interpreten etwas Eigenes und Einzigartiges beizusteuern haben, anstatt in der Sauce des "ja, hat er auch mal gespielt" unterzugehen. Ich fürchte, ich bin schon wieder über drei Nennungen hinaus, mache aber unverdrossen weiter: Brahms 1. und wunderbar (!) weich? Auch das funktioniert hervorragend. Miki Harasawa spielt nur leider mit einem zweiten Klavier, ausgesprochen schade. Das Beste zuletzt: Das London Symphony Orchestra unter Vaclav Neumann mit Seta Tanyel. (In den letzten Jahren höre ich nur ausnahmsweise noch andere Interpretationen) Vielleicht schafft ja ein neugieriger Tamino Mithörer, was mir bislang noch nicht gelungen ist: eine fundierte Beschreibung dieses Wunders zu liefern. "Perfekt" finde ich nämlich äußerst dürftig, aber konkreteres hat sich bei mir noch nicht eingestellt. Und als absoluter Horowitz Fan eine Warnung: Es gibt auf dem großen Feld der Interpretationen nichts fürchterlicheres als seine Einspielungen vom 1. Klavierkonzert. Erstaunlich vor allem deshalb, weil sein 2. Klavierkonzert von Brahms ist überhaupt die einzige Interpretation gleich welcher Musikrichtung, zu der ich sagen würde: DAS ist das 2. Klavierkonzert von Brahms. PUNKT. (Ohne z.B.: Fritz Reiner und Emil Gilels unterschlagen zu wollen. Und sie haben es vielleicht vage am Rande bemerkt: ich bin ohne die Nennung von Yuja Wang ausgekommen, was bei beiden Konzerten ein schwerer Fehler ist. Dafür zum Schluss ein "Sorry". PS.: Was wohl während des Schreibens im Hintergrund lief ...)

    "His philosophy was to transmit the music to the public and not boring the public. A concert is not a lecture, a concert you go for enjoyment." WTH

  • Pittsburgh Symphony Orchestra unter William Steinberg [1954]
    - Philharmonia Orchestra / Anatole Fistoulari [1960]

    Lieber Novalis,


    .... diese beiden Aufnahmen mit Nathan Milstein stehen auch in meinem Regal. Ich hatte sie ebenfalls in die engere Wahl gezogen, konnte mich aber zwischen den Einspielungen mit Steinberg (Capitol, 1954, Mono) und Fistoulari (EMI, 1960, Stereo) nicht entscheiden. Künstlerisch schätze ich die ältere Aufnahme höher ein, klangtechnisch natürlich die von 1960. Letztlich fiel dann - nach der Qual der Wahl - das Los auf Isaac Stern (um diesen Meistergeiger ist es leider inzwischen recht still geworden).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eins meiner absoluten Lieblingskonzerte ist das 1. Klavierkonzert von Brahms. Ich kenne so etwa +- 150 Interpretationen.

    Hallo, Harry Baumann,


    .... da kann man ja schon fast von Besessenheit sprechen:)! Doch zunächst ein herzliches Willkommen hier bei TAMINO! Ich hoffe, daß Du zu Brahms noch einiges mehr zu sagen hast.


    Wenn Du ca. 150 Aufnahmen des 1. Klavierkonzerts kennst, so dürfte Dir wohl auch diese bekannt sein:


    Brahms, Schubert, William Steinberg, Pittsburgh Symphony Orchestra, Rudolf  Firkusny - Brahms: Piano Concerto No. 1 / Schubert: Symphony No. 8 -  Amazon.com Music

    Rudolf Firkusny (Klavier) und das Pittsburgh Symphony Orchestra, Dirigent: William Steinberg (Aufnahme: 1954, Mono).

    In einer alten Rezension heißt es dazu: ".... bei Firkusny und Steinberg herrschen Wucht und Dramatik vor; beim Schluß des ersten Satzes mit den unbarmherzigen Oktavgängen des Klaviers stockt einem der Atem ...."

    Leider fehlt sie in meiner CD-Sammlung, aber auf LP war sie vorhanden. Da ich sie eine Ewigkeit nicht gehört habe, ist die Erinnerung inzwischen verblaßt. Doch nach Deinen Ausführungen dürften wohl

    Bruno Leonardo Gelber und die Münchener Philharmoniker unter Franz Paul Decker.

    mit dieser etliche Ähnlichkeiten aufweisen. Aber auch diese Aufnahme glänzt bei mir durch Abwesenheit. Deshalb kann ich beide nicht in meine Favoritenliste aufnehmen, die ohnehin mal wieder mit Bauchschmerzen zustande gekommen ist, weil viele großartige Interpretationen unberücksichtigt bleiben mußten, wie z.B. Curzon/Szell (Decca), Fleisher/Szell (CBS) und Arrau/Giulini (EMI).

    So nominiere ich für Platz 1 diese, von mir seit Jugendtagen hochgeschätzte Aufnahme:

    Brahms*, Artur Rubinstein*, Fritz Reiner, Chicago Symphony Orchestra* -  Concerto No. 1 (1994, Vinyl) | Discogs

    Artur Rubinstein (Klavier) und das Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Fritz Reiner (Aufnahme: 4/1954).

    Es handelt sich, wenn man RCA glauben will, um die allererste kommerzielle klassische STEREO-Aufnahme überhaupt! Und sie ist überraschend gut gelungen. Künstlerisch überragend, kann sie sich auch klangtechnisch, trotz ihres "Methusalem"-Alters, noch gut hören lassen. Für mich ist das eine "Desert Island"-Aufnahme!


    Nun noch meine beiden anderen Kandidaten:

    Brahms - Piano Concerto 1 etc by Serkin - Serkin, Szell, Ormandy:  Amazon.de: Musik  EMIL/JOCHUM/BP GILELS - Klavierkonzert 1 (Vinyl) Vinyl Lp Neu Brahms,Johannes  - EUR 27,49 | PicClick AT


    Während ich Serkin/Szell in die Nähe von Rubinstein/Reiner rücken würde, schätze ich an der DGG-Aufnahme mit Emil Gilels und Eugen Jochum von 1971 einmal das großartige Zusammenspiel sowie die phänomenale "Begleitung" durch die Berliner Philharmoniker, zum anderen die außergewöhnliche Klangschönheit und kantable Ausformung der Partitur. Eigentlich überflüssig zu sagen, daß Gilels natürlich in Bestform ist.


    Wenn es demnächst um das zweite Klavierkonzert geht, komme ich auf

    Fritz Reiner und Emil Gilels

    zurück (eine meiner Lieblingsaufnahmen!).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Da die Welt sich weiter dreht und trotz Korona conzertiert wird (oder schreibt man das andersherum?) Erst vor kurzem dazugekommen: FX Roth dirigiert das Gürzenich Orchester, Solist Kyrill Gerstein. Hörenswert wegen ungewöhnlicher Ideen, sowohl beim Orchester als auch des Pianisten. (Noch neuer - wenn auch nicht Brahms: Karneval der Tiere mit den Los Angeles Philharmonic unter G Dudamel mit Fung (nie gehört, wird aber Klavier spielen können, sonst hätte er nicht gedurft) und Yuja Wang.

    Ach - und wegen "großartigem Zusammenspiel" : Rach 3 mit Yuja Wang von 2019 aus Macao Die Verwandelung eines Monsters in subtilste Kammermusik. Gewöhnungsbedürftig, aber wenn mans erst mal hat: unbeschreibllich großartig und völlig einzigartig.

    "His philosophy was to transmit the music to the public and not boring the public. A concert is not a lecture, a concert you go for enjoyment." WTH

  • diese beiden Aufnahmen mit Nathan Milstein stehen auch in meinem Regal. Ich hatte sie ebenfalls in die engere Wahl gezogen, konnte mich aber zwischen den Einspielungen mit Steinberg (Capitol, 1954, Mono) und Fistoulari (EMI, 1960, Stereo) nicht entscheiden. Künstlerisch schätze ich die ältere Aufnahme höher ein, klangtechnisch natürlich die von 1960. Letztlich fiel dann - nach der Qual der Wahl - das Los auf Isaac Stern (um diesen Meistergeiger ist es leider inzwischen recht still geworden).


    Lieber nemorino,


    bei mir lief der Entscheidungsprozess umgekehrt: Isaac Stern hatte ich zunächst in der engeren Auswahl, habe mich dann aber für Milstein entschieden. [Sterns Aufnahmen höre ich gerne, ich mag seine kammermusikalischen Einspielungen mit Leonard Rose und Eugene Istomin besonders.]


    Nun meine dritte Aufnahme zum


    KLAVIERKONZERT NO. 2 B-DUR, OP. 83



    Johannes Brahms
    Klavierkonzert Nr. 2
    Nelson Freire
    Gewandhausorchester Leipzig
    Riccardo Chailly
    2004









    Die Entscheidung fiel zugunsten einer jüngeren Einspielung mit dem temperamentvollen Nelson Freire, der mit seinem beherzten Zugriff [etwas moderater als im Konzert d-Moll] eine schöne Ergänzung zur nachdenklichen Lesart Krystian Zimermans darstellt. Wunderbare Balance und Klangfülle. Riccardo Chailly und das Gewandhausorchester Leipzig begleiten mit vorwärtsdrängender Klarheit und Opulenz, herrliche Klangfarben im Orchester. Die exzellente Klangqualität der Aufnahme rundet das Bild ab.

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