Friedrich Schiller (1759-1805):
WALLENSTEINS LAGER
Ein dramatisches Gedicht
Erster Teil der Wallenstein-Trilogie in einem Akt mit Prolog
Uraufgeführt am 12. Oktober 1798 im Hoftheater Weimar
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Wachtmeister | eines Terzkischen
Trompeter | Karabinieri-Regiments
Konstabler
Scharfschützen
Zwei Holkische reitende Jäger
Buttlerische Dragoner
Arkebusiere vom Regiment Tiefenbach
Kürassier von einem wallonischen Regiment
Kürassier von einem lombardischen Regiment
Kroaten
Ulanen
Rekrut
Bürger
Bauer
Bauernknabe
Kapuziner
Soldatenschulmeister
Marketenderin
Eine Aufwärterin
Soldatenjungen
Oboisten
Ort und Zeit der Handlung: Vor der Stadt Pilsen in Böhmen, 1634.
PROLOG (gesprochen zur Widereröffnung der Schaubühne zu Weimar im Oktober 1798)
Ein Schauspieler spricht den Prolog (fünffüßige ungereimte Jamben) zumeist vor dem Bühnenvorhang. In der ersten Strophe geht es um die festliche Stimmung, die im wieder eröffneten Theater die Zuschauer erfreuten; in der zweiten Strophe wird die Bühne als eine Bildungsstätte beschrieben und der „edle Meister“ Iffland gepriesen, der in Weimar gastiert hatte (was Schiller nicht miterlebt, durch Goethe aber erfahren hatte). In den Strophen drei und vier hebt der Dichter hervor, dass die Schauspielkunst der Ermunterung durch den Beifall des Publikums bedarf. Die Strophe fünf unterstreicht, dass die Lebensbühne der damaligen Zeit ein Schauplatz war, auf dem es um große Güter ging, und in der sechsten Strophe wird des westfälischen Friedens gedacht, der dem Reich Ruhe und den übrigen Staaten feste Schranken gab, die jedoch wieder zusammenbrachen. In der Strophe sieben versetzt der Dichter das Publikum in die Zeit des dreißigjährigen Krieges und die achte Strophe berichtet von den furchtbarsten Gräueln und der allgemeinen Verwilderung dieser Kriegszeit. In den Strophen acht und neun weist der Dichter auf den Helden seines Stückes hin, dessen Charakter er absichtlich idealisiert hat, wenngleich nur die Macht, auf die er sich stützt, vorgeführt wird. In der Strophe zehn zerlegt er seinen Gegenstand wie ein Gemälde und bittet das Publikum dafür um Verzeihung: in Strophe elf fühlt er sich bemüßigt, das Publikum wegen der angewandten Reimverse, wie sie bei Hans Sachs und Jakob Ayrer üblich waren, um Entschuldigung zu bitten. Erst dann hebt sich der Vorhang und das Drama kann beginnen.
INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES
Ein Bauer kommt mit seinem Sohn in Wallensteins Lager und kritisiert die Soldateska für die Plünderungen und Überfälle, mit denen man das einfache Volk traktiert. Es fällt den Bauern auch immer schwerer, die Kriegsparteien auseinanderzuhalten, denn alle verüben Gräueltaten. Er ist heute mit seinem Sohn in das Lager gekommen, weil er den Soldaten beim Würfelspiel etwas abzugewinnen gedenkt - das die Würfel gezinkt sind, verrät er nicht.
Unterdessen spotten zwei Soldaten, der Wachtmeister und der Trompeter des Terzkischen Regiments, über den soeben angekommenen kaiserlichen Gesandten. Sie glauben zu wissen, dass dem Kaiser in Wien sein Heerführer Wallenstein zu mächtig geworden ist und zu eigenständig agiert. Der Gesandte hat bestimmt die Absetzung des Herzogs zu Friedland im Diplomatengepäck. Aber die beiden sind sich einig, dass sie ihrem Heerführer treu bleiben wollen, egal was geschehen wird. Wallenstein ist nämlich wegen seines Einsatzes für die Soldaten allseits beliebt.
Ein Soldat trifft zufällig auf eine Marketenderin, die ihm bekannt vorkommt. Sie antwortet, dass das durchaus möglich ist, denn sie hat in so manchem Heer gearbeitet. Sie jedenfalls kann sich nicht an ihn erinnern. Bereitwillig erzählt sie dem Soldaten, dass sie inzwischen einen Sohn geboren hat, der bereits in die Feldschule geht. Andere Soldaten reden über die vielen Landsmannschaften, die in Wallensteins Herr dienen; einige wissen, dass viele dieser Söldner häufig den Herrn gewechselt haben. Aber es spricht für Wallenstein, dass es ihm gelungen ist, die verschiedenen Volksgruppen zu einer Armee zu formen. Außerdem loben sie ihn für seine Haltung, nicht auf den Glauben der Soldaten zu achten, sondern nur auf ihren Gehorsam gegenüber den Befehlshabern. Darin unterscheidet sich Wallenstein gegenüber den anderen Heerführern, denen die richtige Religion wichtiger ist.
Ein interessantes Gespräch führen der Jäger und ein Wachtmeister: Sie meinen nämlich, die Erfolge Wallensteins in den Schlachten können nur auf übernatürliche Kräfte zurückzuführen sind. Es kommt aber auch des Friedländers Hang zur Sterndeuterei zur Sprache und der damit einhergehende enorme Einfluss von Astrologe Seni.
In diesem Augenblick trifft ein neuer Rekrut mit seinem Vater im Lager ein. Der Vater bittet seinen Sohn eindringlich, nicht zum Heer zu gehen, sondern nach Hause zu kommen und das Geschäft weiterzuführen. Außerdem habe er seine Braut zurückgelassen und das sei schofelig. Die um Vater und Sohn stehenden Soldaten machen sich über die Einwände lustig und der Wachtmeister weist auf den Befehlshaber eines Regiments, Buttler, hin, der trotz niedriger Herkunft ein angesehener Kommandeur geworden ist. Einige Soldaten tanzen derweil mit einer Marketenderin.
Während der ausgelassenen Tanzerei tritt ein Kapuzinermönch auf, zetert über das gottlose Treiben der Soldateska und beschuldigt sie, Land und Volk ins Elend zu stoßen. Außerdem weist er auf die Geräuschempfindlichkeit Wallensteins hin. Das Mönchlein bleibt mehr oder weniger unbeachtet; erst als er dazu übergeht, den allseits beliebten Wallenstein zu kritisieren und als Teufelsbeschwörer zu bezeichnen, reagieren die Soldaten zornig, werden jedoch von Kroaten zurückgehalten. In dem Tohuwabohu gelingt dem Kapuzinermönch die Flucht.
Der eingangs aufgetretene Bauer wurde derweil von Mitspielern als Betrüger entlarvt, die ihn dafür hängen wollen. Einer setzt sich jedoch für ihn ein, und argumentiert, dass gerade das Landvolk unter den Kriegsbedingungen leidet. Den meisten Soldaten ist das jedoch völlig egal und sie verhöhnen den Bauern. Da mischen sich zwei Kürassiere in den Streit ein und sorgen dafür, dass der Bauer fliehen kann. Das gefällt einigen Soldaten, und sie zollen den Kürassieren Respekt.
Das Gespräch kommt nun auf den Tod des Regimentsführers Pappenheim zu sprechen: Haben doch etliche Soldaten eigenmächtig Max Piccolomini als dessen Nachfolger gewählt, was sie nicht gedurft hätten. Einer glaubt zu wissen, dass der Wallenstein gerade das Regiment des Pappenheim besonders schätzte.
Da kommt unter den Kürassieren durch die Nachricht, der Kaiser wolle einen Teil der Truppe zur Unterstützung der spanischen Verbündeten abziehen, Wut auf. Sie dienen gern unter dem Feldherrn Wallenstein und wollen auch bei ihm bleiben; überhaupt sind sie nur in des Kaisers Diensten, weil sie unter Wallenstein kämpfen können. Der Wachtmeister spricht seinen Gedanken aus: der Kaiser will mit seiner Entscheidung die Truppe spalten, um Geld zu sparen und dem stimmen alle zu. Es zeigt sich zwar, dass unter den Soldaten Einigkeit herrscht, sich gegen den kaiserlichen Befehl zu wehren - wenn Wallenstein auch zustimmt. Nach kurzer Diskussion beschließen sie, Max Piccolomini einzuschalten, der den Feldherrn dazu bringen soll, den kaiserlichen Befehl abzulehnen. Dabei beweisen ihre Äußerungen einen gewissen Eigennutz: schließlich können sie im Krieg ein aufregenderes Leben führen, als in Zeiten des Friedens. Einige wenden zaghaft ein, dass Volk und Land leiden, doch dringt diese Mahnung nicht durch.
Als man über den Kaiser in Wien spricht, werden unterschiedliche Meinungen deutlich, doch in einem sind sie dann wieder einig: sie wollen Wallenstein dienen und nur dadurch dem Kaiser. Ein die Freiheit und das Soldatenleben lobender Chorgesang beendet den ersten Teil der Wallenstein-Trilogie.
© Manfred Rückert für den Tamino-Schauspielführer 2021
Eine sehenswerte Produktion, wenn auch fernsehgerecht gekürzt, aber das Drama in voller Wucht ins Bild gesetzt, mit dem Schauspieler Thomas Holtzmann in der Titelrolle, ferner Friedrich von Thun, Heint Weiss, Rolf Becker und Christain Berkel. Die Regie führte Franz Peter Wirth.
Diese Fernsehproduktion, ebenfalls von Franz Peter Wirth inszeniert, allerdings auf der Biografie von Golo Mann beruhend, ist ebenfalls hervorragend besetzt: Rolf Boysen in der Titelrolle, Werner Kreindl, Ernst Fritz Fürbringer.