Gustav Mahler: „Das Lied von der Erde“

  • „Von der Jugend“. Zur Faktur der Komposition und ihrer musikalischen Aussage

    Da ist das zwölftaktige Vorspiel, das im Hinblick auf die Gesamtaussage der Komposition schon recht vielsagend ist. Auf der Grundlage eines ganztaktig gehaltenen, dann aber in Repetitionen auf gleichbleibender tonaler Ebene übergehenden Horn-Tones evozieren vom dritten Takt an die Flöten und die erste Oboe in Gestalt von pentatonisch angelegten in im Auf und Ab von Achteln sich entfaltenden Figuren die Atmosphäre von altchinesischer Klanglichkeit und stecken dabei auch schon einmal den Ambitus und den deklamatorischen Gestus ab, in dem sich die melodische Linie der Singstimme vom dreizehnten Akt an in der ersten Musikstrophe entfaltet.

    Diese Evokation von exotisch-chinesischem Flair ist ja vom in den ersten beiden Gedichtstrophen entworfenen lyrischen Bild her vollauf angebracht. Aber da klingt vom sechsten Takt etwas auf, was bemerkenswert ist: Die Klarinetten führen Sprung- und Fallfiguren aus, die nicht pentatonisch, sondern diatonisch angelegt sind und insofern den weiterhin erklingenden und sich in der tonalen Ebene langsam absenkenden Figuren der Flöten gleichsam entgegentreten. Und blickt man hörend voraus, so scheint Mahler hier, schon im Vorspiel, einen Verweis auf die spezifische Klanglichkeit der vorwiegend diatonisch angelegten Melodik der zweiten Musikstrophe gegeben zu haben, - und damit einen auf den harmonischen Grundcharakter der ganzen Musik in ihrer Ambiguität von Orient und Okzident.

    Die Melodik auf den Worten der ersten und der zweiten lyrischen Strophe, die zusammen die erste musikalische Strophe bilden, ist so angelegt, dass auf jeweils drei Versen eine Melodiezeile liegt. Beide Zeilen sind nur durch eine relativ kurze, nur einen Takt einnehmende Pause voneinander abgehoben, die ihre innere Einheit aber nicht wirklich trennt, da die zweite Zeile durch ihre Harmonisierung, die anfängliche Rückung zur Dominante nämlich, an die erste anbindet. Die Bewegung, die die melodische Linie auf den Worten der ersten Strophe beschreibt, ist in ihrer Grundstruktur typisch für die ganze erste Liedstrophe. Sie ist wellenartig angelegt, mit einem Achtelanstieg auf den Worten „mitten in dem“, einem dreischrittigen Fall über Terzen und eine Quarte auf „kleinen Teiche“, einem Zwischen-Auf-und-Ab auf den Worten „steht ein Pavillon aus grünem“ und einem neuerlichen Sekundanstieg in höhere Lage auf „und aus weißem“, der schließlich wieder in einen Fall übergeht, nun aber mit nachfolgendem Terzsprung mit Dehnung auf der tonalen Ebene eines hohen „F“, die die Zeile beschließt. Die Harmonik verbleibt dabei durchweg in der Grundtonart B-Dur.

    Die zweite Zeile entfaltet sich ähnlich, nur dass der Fall auf den Worten „Tigers wölbt“ nun einer im Wert von halben Noten ist, womit dem lyrischen Bild ein starker Akzent verliehen wird. Aus dem gleichen Grund, nämlich die lyrische Aussage aufzugreifen und entsprechend zu akzentuieren, liegt auf dem Wort „Jade“ ein gedehnter Terzfall, dem eine halbtaktige Pause nachfolgt, bevor die melodische Linie auf den Worten „zu dem Pavillon“ wieder ihre Achtel-Bogenbewegung beschreiben kann. Sie ist nun aber legato zu deklamieren, und der Anschluss der Zeile ist jetzt ein mit einem Terzsprung einsetzender lang gedehnter, den Takt überschreitender Quintfall auf dem Wort „hinüber“, bei dem die Harmonik von der Dominante F-Dur zur Tonika zurückkehrt.

    Diese Dehnung am Schluss reflektiert den semantischen Gehalt des Wortes „hinüber“. Bei den Worten „Tiger“ und „Jade“ tut sie das ja auch, und das zeigt, dass es Mahler, was die Struktur der melodischen Linie anbelangt, auf zweierlei ankommt:
    Zum einen soll sie in ihrer wellenartigen Entfaltung die durch wesenhafte Leichtigkeit und Luftigkeit geprägte Aura des zentralen, fernöstlichen Geist atmenden lyrischen Bildes musikalisch evozieren, zum andern dabei aber auch die Semantik des lyrischen Textes in der angemessenen Weise reflektieren. Und in dieser Duplizität, die nicht nur für diesen dritten Satz, sondern für das ganze Werk gilt, erweist sich der Sinfoniker Mahler als genuiner Liedkomponist, der er ja auch ist.

    Die orchestrale Begleitung der melodischen Linie erfolgt in dieser ersten Strophe unter starker Dominanz der Holzbläser, die immer wieder die pentatonischen und diatonischen Figuren erklingen lassen, mit denen sie im Vorspiel auftraten und auf diese Weise die Szene klanglich konstituierten, in der die Melodik dann das lyrische Bild hinein skizzierte. In der zweiten Gedichtstrophe, die lyrischen Strophen drei und vier beinhaltend, wird das anders sein. Nun werden die Streicher die dominante Rolle in der Begleitung übernehmen, und auch die melodische Linie und ihre Harmonisierung werden sich wandeln, wenn auch deren vom Geist der wellenartigen Entfaltung inspirierte Grundstruktur erhalten bleibt. Zuvor aber, vor ihrem Einsatz in Takt 39, erklingt ein neuntaktiges Zwischenspiel, das erst wie ein Nachklang des verspielt leichten Geistes anmutet, der die erste Strophe beseelt, dann aber, ab Takt 35, mit dem Einsatz der Trompete mit einer Bogenfigur und dem Übergang der Klarinetten und der Hörner zu akkordischen Repetitionen einen neuen, ein wenig gewichtiger und weniger heiter verspielt anmutenden Ton anschlägt.

  • „Von der Jugend“ (2)

    Auf den Worten der dritten lyrischen Strophe beschreibt melodische Linie wieder eine wellenartige Bewegung, sie wirkt aber ruhiger in ihren deklamatorischen Schritten, weil diese in den Aufstiegsphasen durchweg solche im Wert eines Viertels sind und die Fallbewegungen allesamt als gedehnte und partiell legato ausgeführte erfolgen. Überdies ist sie nun nicht in B-Dur, sondern in G-Dur mit Zwischenrückung nach C-Dur harmonisiert, und das Orchester bringt in seiner Begleitung kein chinesisch exotisches Flair mehr ein. Die pentatonischen Figuren der Holzbläser fehlen, denn die Klarinetten und die Fagotte lassen nur repetierende Achtelakkorde erklingen, und die Flöten setzen erst wieder bei dem gedehnten Terzsprung auf „nieder“ dem Schlusswort der Melodiezeile mit ihren Achtelfiguren ein.

    Diese sind aber nun nicht pentatonisch angelegt und leiten das dreitaktige Zwischenspiel vor dem neuerlichen Einsatz der melodischen Linie der Singstimme auf den Worten der vierten Gedichtstrophe ein. Ganz wesentlich wird das Klangbild aber von den Streichern geprägt. Die ersten und die zweiten Violinen folgen der Bewegung der melodischen Linie und akzentuieren sie dabei, indem sie zum Beispiel den gedehnten und sich in der tonalen Ebene um eine Sekunde absenkenden Terzfall auf den Worten „trinken“ und „plaudern“ in jeweils zwei Legato-Achtelfall-Schritte untergliedern. Selbst die Celli vollziehen die erste Anstiegsbewegung mit, verbleiben dann aber in hoher Lage, nur die Bratschen übernehmen den Gestus der Akkordrepetitionen von den Klarinetten.

    Warum dieser – durchaus deutlich hervortretende – Wandel im Klangbild?
    Ich denke, die Musik reflektiert darin das lyrische Bild, in dem es ja nun nicht mehr um eine landschaftliche Szenerie mit Pavillon, Teich und Brücke, sondern um Menschen geht. Und nicht nur einfach „Menschen“, sondern „Freunde“, - womit Mahler bei seinem für die Komposition zentralen Thema angelangt ist. Nun arbeitet er mit seinen musikalischen Mitteln das heraus, was für ihn im lyrischen Text diesbezüglich relevant ist. Und das ist, wie in dieser und in der Melodiezeile auf den Worten der vierten Strophe vernehmlich wird, die jegliche zeitliche Bedingtheit transzendierende Leichtigkeit ihrer Betätigung und Kommunikation, ihre freizeitliche Existenz sozusagen, zu der wesenhaft ihre Kleidung in Gestalt seidener Ärmel und Mützen gehört, die „lustig im Nacken“ sitzen. Das „Trinken“ und „Plaudern“ wurde ja schon durch einen aufeinanderfolgenden ausdrucksstarken Legato-Terzfall der Melodik mit einem markanten Akzent versehen, und dieses ereignet sich nach dem sich wiederholenden Anstiegs-Gestus der melodischen Linie bei den Worten „gleiten“, „seidnen“ und „Mützen“ gleich noch einmal, wobei es sogar noch mit einer Steigerung der Expressivität dadurch einhergeht, dass der gedehnte melodische Fall auf „seidnen“ ein verminderter über eine Sekunde ist und mit einer harmonischen Rückung vom bislang dominierenden G-Dur nach dem weitab liegenden E-Dur verbunden ist und der auf „Mützen“ ein ebenfalls verminderter, nun aber über eine Terz erfolgender und in H-Dur harmonisierter.


    Für Mahler sind diese das lyrische Bild in seinem Wesen konstituierenden Worte von großer Bedeutung, weil sich in ihnen das Wesen der als „Freunde“ kommunizierenden Menschen ausdrückt. Und eben deshalb legt er, die Unbeschwertheit und Leichtigkeit ihrer Existenz hervorhebend, auf die die „Mützen“ betreffenden Worte „hocken lustig in ihrem Nacken“ eine tatsächlich lustig anmutende bis zu einem hohen „Gis“ sich aufschwingende und danach sich über eine Oktave zu einem tiefen sich absenkenden und dabei in eine Dehnung übergehende Fallbewegung, bei der die Harmonik über ein A-Dur zur Tonika G-Dur zurückkehrt.

    Es ist kein grundsätzlich neuer Ton, in dem sich diese zweite Liedstrophe von der ersten abhebt. Die Musik löst sich nicht wirklich von der eigenartigen Stasis, in der sie bei ihrer ersten Strophe verharrt. Und das kann sie ja doch auch gar nicht, ist doch das zentrale Bild der zweiten ebenfalls ein wesenhaft statisches, denn es ereignet sich auch in ihm kein prozessuales Geschehen. Nur ein wenig Bewegung ist in ihm, und dieser Sachverhalt, wie auch sein Gehalt in Gestalt der „Freunde“ führen dazu, dass die melodische Linie in ihrer wellenartigen Entfaltung etwas beschwingter und weiter phrasiert anmutet und die Musik insgesamt eine leicht gesteigerte Expressivität aufweist.

  • „Von der Jugend“ (3)

    Das zehntaktige Zwischenspiel mutet an, als würde es diese spezifische Eigenart der Musik der zweiten Liedstrophe in der Wiederholung der zentralen Motive noch einmal in verdichteter Weise zusammenfassen. Dann aber, von Takt 70 an, ereignet sich etwas tatsächlich Herausragendes. Die Musik auf den Worten der fünften Strophe ist im Tongeschlecht Moll harmonisiert, die melodische Linie hat ihre unbeschwert wirkende wellenartige Entfaltung aufgegeben, nimmt einen beschwert-kläglich anmutenden Ton an und wird dabei, wie das zuvor auch nicht der Fall war, vom Orchester unter Beteiligung aller Instrumentengruppen in einer Weise begleitet, die wie das Bereiten eines klanglichen Bettes anmutet.

    Zugleich wird das Tempo zurückgenommen, die Anweisungen „langsam“ „poco rit.“ und „Rit. molto“ folgen aufeinander und in die melodische Linie tritt ein Moment des deklamatorischen Innehaltens in Gestalt von Wortwiederholungen, wie es das zuvor in ihr auch nicht gab. Und schließlich ist ihr Charakter ein gänzlich anderer: An die Stelle des wellenartig-beschwingten Fließens tritt der Gestus eines Stockens in Gestalt einer permanenten Aufeinanderfolge von deklamatorischen Schritten im Wert einer punktierten halben Note und eines Viertels, in die sich, als wolle der Gestus der Beschwingtheit wieder zurückkehren, könne es aber nicht, immer wieder einmal eine Figur aus Legato-Sekundfall und –sprung einlagert.

    Durch diese kompositorische Anlage der Musik auf der fünften lyrischen Strophe erreicht Mahler, dass sie, obwohl sie ja doch nur aus drei Versen besteht, in ihrem Umfang und im Gewicht ihrer Aussage den vorangehenden, jeweils sechs Verse beinhaltenden Liedstrophen gleichgeordnet ist.
    Warum aber verfuhr Mahler so?
    Ich denke, dass man die Antwort auf diese Frage in dem findet, was die Musik zu sagen hat. Und darin wird dann auch ersichtlich, warum er die Strophen-Umstellung am Ende vorgenommen hat. Alles, was sich musikalisch nun ereignet, auf den Worten dieser drei lyrischen Schlussstrophen, wurzelt, so sehe ich das, in der spezifischen Interpretation des Vorgangs der Spiegelung, die sich darin ereignet.
    Für LI-TAI-PO und Bethge ist sie nur ein reizvolles Element des lyrischen Bildes im Sinne seines artifiziellen Ausnahmecharakters. Mahler aber versteht diesen Vorgang der Spiegelung wohl als ein Infrage-Stellen von „Jugend“ als Phase menschlichen Seins, die zwar durch die Erfahrung von ungebrochener Vitalität und Zukunftsoptimismus eine positive sein kann, durch ihre wesenhafte Vergänglichkeit aber keine wirklich gültige existenzielle Sinnstiftung zu erbringen vermag.

    Deshalb lässt er die melodische Linie nun auf dem Wort „Teiches“ eine schmerzlich anmutende verminderte Legato Fallbewegung in hoher Lage beschreiben, die anschließend in einen das Wort „stiller“ mittels einer Wiederholung in Gestalt eines gedehnten Sekundfalls und –anstiegs und der damit einhergehenden Rückung nach F-Dur regelrecht beschwörenden Gestus übergeht, der sich in einer in gleicher Weise angelegten Dehnung auf „Wasser“ sogar noch fortsetzt. Und nachdem die melodische Linie auf dem Wort „wunderlich einen Anstieg in hohe Lage vollzogen hat, geht sie bei den Worten „im Spiegelbilde“ in eine weit phrasierte, in zwei Stufen sich vollziehende und dabei am Ende eine wellenartige Bewegung beschreibende Fallbewegung über.

    Diese sich über sechs Takte erstreckende melodische Figur zeigt, dass das Wort „Spiegelbild“ für Mahler von zentraler Bedeutung ist. Und die Art und Weise, wie er diese extreme melodische Dehnung strukturell angelegt und harmonisiert ist, lässt erkennen, dass er die Spiegelung des Bildes von den jugendlichen „Freunden“ in ihrem Pavillon als Brechung seiner an sich positiven Idyllik verstanden wissen will. Denn die Harmonik beschreibt hier eine ausdrucksstarke Rückung von B-Dur über d-Moll nach g-Moll. Und das Nach- und Zwischenspiel ergeht sich acht Takte lang in von den Flöten und den Violinen vorgetragenen und ganz in gar in Moll gebetteten Fall-Figuren, die von den Klarinetten mit ansteigenden Moll-Terzen ausdrucksstark konterkariert werden.

  • „Von der Jugend“ (4)

    In den letzten sechs Takten des insgesamt dreizehntaktigen Zwischenspiels geht die Musik zu einer vorwiegend von den Streichern vorgebrachten warmen, gar lieblich anmutenden und in G-Dur harmonisierten Fallbewegung in hoher Lage über, die den Einsatz der melodischen Linie der Singstimme auf den Worten der letzten beiden Strophen einleitet. Sie stellt sich, was die der zweitletzten anbelangt, als eine – auch den Orchestersatz umfassende - Wiederkehr der Liedmusik des Anfangs dar. Erst mit dem ersten Vers der letzten Strophe ereignen sich, durch die Aussage des lyrischen Textes bedingte, Variationen in der melodischen Linie und im Klaviersatz. So geschieht auf Worten „wie ein“ nun kein Sextfall, vielmehr eine deklamatorische Tonrepetition, und das Wort „Brücke“ bedingt, anders als das Wort „Tiger“, einen gedehnten Quintfall in mittlerer tonaler Lage. Auf „umgekehrt der Bogen“ ist die melodische Bewegung nun auf einer um eine Terz abgesenkten tonalen Ebene angesiedelt, in B-Dur harmonisiert und atmet schon leicht den Geist des Ausklangs.

    Und dieser setzt sich dann in der letzten Melodiezeile voll und ganz durch. Zwar schwingt sich die melodische Line bei den Worten „. Freunde, schön gekleidet“ noch einmal in Gestalt einer Bogenbewegung mit gedehntem Terzfall bis zur tonalen Ebene eines hohen „A“ auf, aber sie setzt ihre Entfaltung danach in gebundener Weise nicht weiter fort. Eine eintaktige Pause folgt ihr nach, derweilen die ersten Violinen zur Artikulation einer Folge von extrem hohen, geradezu spitz wirkenden Tönen im Pianissimo übergangen sind und die Flöten, begleitet von Akkordrepetitionen der Oboen, einen Staccato-Achtelanstieg erklingen lassen, den sie danach drei weitere Takte lang mit einem bis ins Piano-Pianissimo reichenden Decrescendo fortsetzen.

    Das ist, zusammen mit den lang gehaltenen spitzen Tönen der ersten Violinen, alles, was das Orchester zur Begleitung der melodischen Linie der Singstimme noch beizutragen hat. Und diese überlässt sich ebenfalls ganz und gar dem wie müde wirkenden Gestus des Ausklingens und Verstummens. Auf dem Wort „trinken“ liegt ein auf einem hohen „G“ ansetzender gedehnter Sekundfall. Der wiederholt sich auf dem nachfolgenden Wort „plaudern“, nur dieses Mal auf einer um eine Sekunde abgesenkten tonalen Ebene und noch länger gedehnt, nämlich nun nicht in eine Folge von punktierter halber Note und Achtel, sondern von zwei ganzen Noten pro Takt. Und das pianissimo.

    Danach ist einfach Schluss, - Schluss in Gestalt eines von den Streichern und den ersten und zweiten Flöten gebildeten dreistimmigen B-Dur-Akkordes im dreifachen Piano. Der Musikologe Paul Bekker fasste das auf höchst treffende Weise in die Worte:
    „Wie ins Wesenlose verflattert die Musik in einen Quartsextakkord. (…) Der Grundton fehlt“.
    Und ich denke, dass Mahler darin gleichsam definitiv das zum Ausdruck bringen wollte, was für ihn in der dritten musikalischen Strophe Gegenstand einer musikalischen Auseinandersetzung wurde:
    Die „Jugend“ die infolge ihrer Vergänglichkeit für die Gegenwart von menschlicher Existenz nicht sinnstiftend zu sein vermag, weil sie nur kraft Erinnerung in diese zurückholbar ist. Zurückholbar in Gestalt dieser eigenartigen, weil wesenhaft zeitlosen Stilisierung, die sie in diesem dritten Satz des „Liedes von der Erde“ erfährt.

  • „Von der Schönheit“

    Junge Mädchen pflücken Blumen,
    Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.
    Zwischen Büschen und Blättern sitzen sie,
    Sammeln Blüten in den Schoß und rufen
    Sich einander Neckereien zu.

    Gold´ne Sonne webt um die Gestalten,
    Spiegelt sie im blanken Wasser wider.
    Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder,
    Ihre süßen Augen wider,
    Und der Zephyr hebt mit Schmeichelkosen das Gewebe
    Ihrer Ärmel auf, führt den Zauber
    Ihrer Wohlgerüche durch die Luft.

    O sieh, was tummeln sich für schöne Knaben
    Dort an dem Uferrand auf mut'gen Rossen,
    Weithin glänzend wie die Sonnenstrahlen;
    Schon zwischen dem Geäst der grünen Weiden
    Trabt das jungfrische Volk einher!

    Das Roß des einen wiehert fröhlich auf
    Und scheut und saust dahin,
    Über Blumen, Gräser, wanken hin die Hufe,
    Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunk´nen Blüten.
    Hei! Wie flattern im Taumel seine Mähnen,
    Dampfen heiß die Nüstern!

    Gold´ne Sonne webt um die Gestalten,
    Spiegelt sie im blanken Wasser wider.
    Und die schönste von den Jungfrau´n sendet
    Lange Blicke ihm der Sehnsucht nach.
    Ihre stolze Haltung ist nur Verstellung.
    In dem Funkeln ihrer großen Augen,
    In dem Dunkel ihres heißen Blicks
    Schwingt klagend noch die Erregung ihres Herzens nach.

    In dieses Gedicht Bethges auf einen lyrischen Text von LI-TAI-PO hat Mahler stark eingegriffen. Es trägt den Titel „Am Ufer“ und besteht aus vier Strophen. Nur die erste hat Mahler mit einer nur kleinen Änderung übernommen. Die nachfolgenden Strophen hat er zum Teil sehr stark mit eigenem Text erweitert, so dass bei ihm daraus ein fünfstrophiges symphonisches Lied wird, dem er – in Anlehnung an das dritte – den Titel „Von der Schönheit“ gab.

    Die Binnengliederung stellt sich dabei dreigliedrig dar.
    Der Teil A beinhaltet die ersten beiden Textstrophen, die zu zwei von einem Zwischenspiel gegeneinander abgegrenzten Liedstrophen werden;
    der Teil B besteht aus den jeweils zwei symphonische Strophen bildenden Textstrophen drei und vier:
    Der Teil A´ (so bezeichnet, weil er melodische Motive des A-Teils aufgreift) beinhaltet die Worte der fünften Strophe. Die Komposition ist also gleichsam rahmenartig aufgebaut: Die „Mädchen-Strophen“ lagern sich um die „Knabenstrophen“, wobei diese zwar ihrerseits von Orchester Vor- und Nachspielen gerahmt sind, gleichwohl aber Liedcharakter aufweisen. Anders die Knabenstrophen. Sie erweisen sich in ihrer Anlage als ausgesprochen symphonisch, stellen eine Variante des Typus Allegro-Marsch dar, den man in der Sinfonik Mahlers mehrfach findet. Die drei Teile sind in ihrem Umfang ungefähr gleichgewichtig, und daraus wird ersichtlich, dass die vielen Ergänzungen, die Mahler am Text Bethges vornahm, nicht nur aus der Absicht einer lyrischen Bereicherung und Qualitätssteigerung hervorgingen, sondern auch der inneren Symmetrie einer dreiteiligen, bogenförmig angelegten Komposition geschuldet sind.

    Und das ist ja auch angebracht, geht es Mahler doch nicht einfach um ein in Musik-Setzen eines weiteren lyrischen Bildes, nun nicht einer Pavillon-Szene am Teich, sondern einer Mädchen-Szene am Ufer irgendeines Gewässers. Sein Anliegen ist, und dies im Rahmen des Grundkonzepts vom „Lied von der Erde, eine musikalische Auseinandersetzung mit einem weiteren Existenzial: Der „Schönheit“, und zwar in ihrer Erscheinungsform als menschliche.
    Denn sowohl die „Mädchen“ als auch die „Knaben“ werden ausdrücklich als „schön“ bezeichnet, und die lyrischen Bilder, in denen sie auftreten, sind, vor allem bei den „Mädchen“ hochgradig idyllisch, bis hin zu der Aussage „gold´ne Sonne webt um ihre Gestalten“, die von Mahler (nicht von Bethge) wiederholt wird. Selbst die sich auf ihren Rossen „tummelnden“ schönen Knaben werden mit weithin glänzenden Sonnenstrahlen verglichen. Bemerkenswert dabei ist, dass diese Schönheit die von jungen Menschen ist. In diesem Sachverhalt bindet dieses Lied in seiner Thematik an das vorangehende mit dem Titel „Von der Jugend“ an.

    Und wie der Text, der diesem zugrunde liegt, weist auch der von „Von der Schönheit“ kein lyrisches Ich auf, wohl aber im Unterschied zu diesem ein narratives Geschehen. Denn aus beiden Gruppen schält sich eine Art Protagonist/in heraus. Das geschieht mit den Worten „Das Roß des einen wiehert fröhlich auf“, und er wird in dem zugehörigen lyrischen Bild wie der Inbegriff von stürmisch sich entfaltender, „hingesunkene Blüten“ „zerstampfender“ Jugendlichkeit. Und im zweiten Fall sendet „die schönste von den Jungfrauen“ diesem „lange Blicke der Sehnsucht“ nach. Das Thema „menschliche Schönheit“ wird also um den Aspekt „Sinnlichkeit“ bereichert.

    Und das ist Mahlers Werk. Denn die Anreicherung der Bethge-Verse mit eigenem lyrischen Text ereignet sich bezeichnender Weise hier, in diesem Bereich der beiden Protagonisten. Bei Bethge ist von „Blicken der Sehnsucht“ nicht die Rede. Es heißt an der entsprechenden Stelle: „Und die schönste von den Jungfraun sendet / Lange Blicke ihm der Sorge nach“. Den Vers „In dem Funkeln ihrer großen Augen“ ergänzt Mahler durch einen weiteren mit den Worten: „In dem Dunkel ihres heißen Blicks“.

    Schon in den textlichen Änderungen, erst recht aber in der Musik, die sie in ihrer Melodik aufgreift und den umfangreichen, dieser als Vor-, Zwischen- und Nachspiel zugeordneten symphonischen Kommentaren zeigt sich, worauf Mahlers Komposition intentional ausgerichtet ist. Im Rahmen des kompositorischen Grundkonzepts von „Das Lied von der Erde“ ist es in diesem Fall die Auseinandersetzung mit dem Thema „Menschliche Schönheit“ in ihren sinnlichen Dimensionen und deren potentiell sinnstiftende Funktion im Hinblick auf ein als wesenhaft erfahrenes menschliches Leben.

    Was hat Mahlers Musik dazu zu sagen?
    Dieser Frage soll hier nachgegangen werden, und wie das in allen Betrachtungen dieses Werkes der Fall ist, erfährt der Aspekt „strukturelle Anlage der Komposition“ nur insoweit Berücksichtigung, als er für die Klärung dieser Frage von Bedeutung ist.


  • „Von der Schönheit“. Zur Faktur der Komposition und ihrer musikalischen Aussage

    Da ist zunächst das relativ kurze, nur gerade mal sechs Takte in Anspruch nehmende Vorspiel. Vorspiele sollen ja, in ihrer klassischen Funktion, das grundlegende musikalische Material in seinen wesentlichen Elementen andeutungsweise aufzeigen und in die Stimmung der Komposition einführen. „Comodo Dolcissimo“ lautet die Vortragsanweisung. Das sagt schon viel, die „Stimmung“ betreffend, und die Musik löst das auch ein. Die Flöten lassen eine abwärts gerichtete, am Ende aber sich wieder erhebende Folge von Terzen erklingen, die als Triller angelegt sind, und die ersten Violinen setzen einen anfänglich mit Vorschlag versehenen und in hohe Lage ausgreifenden Bogen aus Achteln und Sechzehnteln hinein. Heitere und leicht verspielt anmutende klangliche Lieblichkeit wird da entfaltet. Das ist die Aura der Szene, in der das Geschehen der Mädchenstrophen spielt. Darüber hinaus lässt das Vorspiel aber auch die spezifische Eigenart vernehmen, in der die melodische Linie der Singstimme bis über erste Strophe hinaus harmonisiert ist.

    Die Rückung von D-Dur nach G-Dur, die sich im ersten und zweiten Takt ereignet, das Hin und Her von Dominante und Tonika also, prägt die Melodik bis zu den Worten des zweiten Verses der zweiten Strophe. Erst mit den Worten „Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder“ ereignet sich, und das im viertaktigen Zwischenspiel ab Takt 30, eine harmonische Rückung nach E-Dur. Und damit etwas, das typisch für die Mädchen-Strophen ist und in dem sie sich deutlich von den Knaben-Strophen abheben: Während diese durchweg eine dominantische Harmonik aufweisen, ist die der Mädchen-Strophen mediantisch angelegt. Das ist zwar ein Sachverhalt, der die Textur der Komposition betrifft, er ist aber auch für die hier interessierende Frage nach der musikalischen Aussage der Musik von Bedeutung. Die Lebenswelt der „Knaben“ wird – und dies unter anderem durch die Harmonik – auf markante Weise von der der „Mädchen“ abgesetzt. Diese legt Mahler, darin den Gehalt der Metaphorik aufgreifend, als sich in zarter und wesenhaft unbestimmter Verspieltheit ergehend an. Und das Entschweben der Harmonik aus dem Rückungsgestus von Tonika und Dominante in den der Mediante ist für ihn dabei ein wesentliches kompositorisches Ausdrucksmittel.

    Überaus ruhig, im Wechsel von Drei- und Viervierteltakt und dabei jeweils mit einem deklamatorischen Schritt im Wert eines Viertels eingeleitet, entfaltet sich die melodische Linie auf den Worten „Junge Mädchen pflücken Blumen,/ Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande“. Sie bringt darin das von nur zarten Gesten geprägte Geschehen des lyrischen Bildes zum Ausdruck, und eben deshalb verbleibt sie zunächst, und dies mit kleinem Ambitus, lange in tiefer Lage und geht’s erst, die „Lotosblumen“ mit einem Akzent versehend, zu einer bis zu einem „C“ in mittlerer Lage ausgreifenden Bogenbewegung über. Am Ende aber beschreibt sie wieder einen ruhigen, in Legato-Viertelschritten Fall über eine Terz und eine Sekunde in tiefe Lage.

    Diesen Gestus behält sie auch bei den nachfolgenden drei Versen der ersten Textstrophe bei, steigert sich sogar noch in der Ruhe, die sie ausstrahlt, indem sie ohne Pause, und in weiter Phrasierung immer wieder in tiefe Lage führende Fallbewegungen beschreibt. Mahler verstärkt diesen Gestus noch, indem er den Sekundfall auf „sammeln Blüten“ wiederholen lässt, und das auf einer um eine Sekunde abgesenkten, also noch tiefer endenden Bewegung, wobei die Harmonik eine Rückung in die Dominante D-Dur beschreibt. Erst bei den Worten „rufen sich einander Neckereien zu“ geht die melodische Linie, die Tatsache reflektierend, dass nun ein wenig mehr Leben ins Bild kommt, zu einem – aber immer noch ruhigen – Anstieg in mittlere Lage über, um aber in der nachfolgenden Absenkbewegung bei dem Worten „Neckereien zu“ einen kleinen, melismatisch anmutenden Aufwärtsbogen zu beschreiben.

    Der Lieblichkeit der Szene verleiht die Orchestermusik dadurch Ausdruck, dass sie immer wieder ein Glockenspiel in die melodische Linie hineinklingen und die Piccolo-Flöte sie mit Achtel-Fallfiguren begleiten lässt. Und die ersten Violinen lassen ihre sprunghaft angelegten und dabei in hohe Lage ausgreifenden Achtelfiguren einmal sogar in Triller übergehen. Das setzen sie im zweitaktigen Zwischenspiel dann fort, dabei die bogenförmig angelegten Terzenfiguren des Vorspiels aufgreifend.

  • „Von der Schönheit“ (2)

    Das Bild von der „gold´nen Sonne“ bringt die melodische Linie dazu, dabei den ruhigen Gestus der deklamatorischen Entfaltung weiter beibehaltend, zwei Mal eine identische, in tiefer Lage ansetzende, beim zweiten Mal aber bei den Worten „im blanken Wasser“ sich über einen Sekundschritt weiter fortsetzende Bewegung überzugehen, wobei dieses Bild bewirkt, dass sie vor dem Fall in tiefe Lage bei dem Wort „wider“ in eine Art Innehalten in Gestalt eines bogenförmigen Achtelsprungs beschreibt. Hier folgen die zweiten Violinen als einzige Instrumentengruppe „pp sempre“ ihren Bewegungen.
    Mahler überlässt es also ganz der melodischen Linie der Singstimme, dem Zauber dieses lyrischen Bildes musikalischen Ausdruck zu verleihen. In den zwei Takten des Nachspiels aber, bevor dieses mit Wirbel- und Trillerfiguren der Holzbläser und der Rückung der Harmonik nach E-Dur zur zweiten Textstrophe überleitet, dürfen die Piccolo-Flöten, die Violinen und die Hörner mit „zarten“ bogenförmigen Terzenfiguren einen Beitrag zu diesem Zauber leisten.

    Nun, wenn der lyrische Text mit den Worten „Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder, / Ihre süßen Augen wider“ zu einer stärker auf die Konturen schaffende Zeichnung des lyrischen Bildes übergeht, nimmt auch die melodische Linie der Singstimme einen neuen Gestus an. Sie entfaltet sich, und dies im Wechsel von einem Auf und Ab in tiefer und einem bogenhaften Aufschwung zu höherer Lage in einem deutlich größeren, nämlich eine ganze Oktave in Anspruch nehmenden Ambitus. So steigt sie, in E-Dur harmonisiert, bei den Worten „Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder“ über eine Sekunde, eine Terz und eine Quarte von einem tiefen zu einem hohen „E“ auf, um am Ende zweimal einen gedehnten Terzfall in mittlerer Lage zu beschreiben, der den Worten „schlanken Glieder“ einen markanten Akzent verleiht. Diesen Gestus setzt sie in Gestalt von drei durch Viertelpausen voneinander abgehobenen Melodiezeilen fort, wobei Mahler sich nicht an die Versgliederung hält, denn die letzte Zeile setzt mitten im zweitletzten Vers mit den Worten „führt den Zauber“ ein. Allen Melodiezeilen wohnt durch die Dehnung ihrer letzten deklamatorischen Schritte die Anmutung von Beschwingtheit inne, in der sich der Zauber der lyrischen Bilder ausdrückt. Und die Orchester-Begleitung verstärkt diesen noch mit zierlichen, immer wieder einmal in einen Triller übergehenden Achtel- und Sechzehntelfiguren der Flöten, Hörner und Streicher.

    Mit Takt 44 geht die Musik zu einem langen, neunzehn Takte umfassenden rein orchestralen Zwischenspiel über, das sich in seiner Textur und seiner Klanglichkeit als eminent symphonisches darstellt und darin, wie das ja in allen Sätzen, vor allem im ersten und im letzten, der Fall ist, vernehmlich und erkennbar werden lässt, dass es sich beim „Lied von der Erde“ um ein wesenhaft symphonisches Werk handelt, eine Sinfonie in Liedern nämlich, wie sie nur dem kompositorischen Geist eines Gustav Mahler entspringen konnte.

    Dieses Zwischenspiel will zum Mittelteil des Zyklus überleiten und in ihn einführen: Die Musik der lyrischen „Knaben“-Strophen drei und vier, die in deutlichem Unterschied zu den vorangehenden „Mädchen“-Strophen durch lyrische Bilder von ausgeprägter jugendlicher Aktivität geprägt sind. Einer, die mit einem noch gleichsam gezähmten, die Ebene „Schönheit“ noch nicht verlassenden „Sich Tummeln“ einsetzt, am Ende aber in einen Ausbruch von Vitalität übergeht, mit dem der lyrische Text zur zweiten Dimension des Themas Schönheit ausgreift: Ihre sinnliche Anziehungskraft im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Das ist für Mahler ein höchst bedeutsamer Aspekt dieses Themas „Schönheit“, und nicht nur die von ihm vorgenommene Erweiterung des Bethge-Textes verrät das, mehr noch tut es seine Musik mit ihren – für ihn allgemein ja so typischen – ganz und gar unvermittelten Ausbrüchen aus lyrisch-melodischer Zartheit in schroffe, gar ungezügelte Fortissimo-Expressivität.

    Im „Lied von der Erde“ begegnet man diesem Wesen der Mahlerschen Musik zwar nur auf gleichsam verhaltene Weise, aber es ist auch hier zugegen, und dieses lange Zwischenspiel vor dem Einsatz der melodischen Linie der Singstimme auf den Worten“ O sieh, was tummeln sich für schöne Knaben“ in Takt 61 lässt das – gleichsam einführungsweise -vernehmen. In das Ausklingen der Musik in den zart-verspielten Figuren des Mädchenteils brechen in Takt 45 die Trompeten und die Hörner im Schmetter-Gestus ein, gestopft“ und „mit Dämpfer“ zwar, wie sich das an dieser Stelle gehört, aber immerhin fortissimo. Und mit Takt 49 bricht das Orchester ebenfalls fortissimo in ein schmetterndes Tutti aus, aus dem sich das bogenförmige melodische Motiv herausschält, in dem sich gerade die Singstimme entfaltet hat.

  • „Von der Schönheit“ (3)

    Den Gestus der Verarbeitung von melodischen Motiven im Fortissimo-Tutti und in C-Dur Harmonik behält das Orchester bis zum Einsatz der melodischen Linie der Singstimme in Takt 61 auf den Worten „O sieh, was tummeln sich für schöne Knaben / Dort an dem Uferrand auf mut'gen Rossen“ bei. Und diese wirkt in ihrem deklamatorischen Gestus und ihrer C-Dur-Harmonisierung, als wäre sie von diesem Orchester-Vorspiel, denn um ein solches handelt es sich von der dahinterstehenden kompositorischen Intention, inspiriert und dazu angetrieben, diese Musik mit ihren Mitteln fortzuführen. Sie drückt den Geist der Knabenstrophen, das ganz und gar ungebrochene Sich-Tummeln eines „jungfrischen Volkes“ auf „mutigen Rossen“ aus und kann deshalb in ihrer energisch anmutenden, immer neue bogenförmige Aufstiege aus tiefer in hohe Lage beschreibenden Entfaltung im Forte gar nicht innehalten, umfasst vielmehr in einer ungewöhnlich weitgreifend angelegten Phrasierung ohne Pause den gesamten lyrischen Text bis zum Ende der dritten lyrischen Strophe.

    Bezeichnend ist die Anweisung, die Mahler ihr gleich am Anfang für den Vortrag mitgibt: „Noch etwas flotter“. Dabei war das Orchester-Vorspiel ja doch schon „flott“ genug. Interessant und vielsagend sind die Akzente, die sie im Aufgreifen des lyrischen Textes setzt, dies allerdings bei einem anfänglich relativ langen Verbleiben der ihr wie angemessen erscheinenden C-Dur-Harmonik, von der sie sich erst mit dem Bild von den „Sonnenstrahlen“ im „Geäst der grünen Weiden“ zu lösen gezwungen scheint.
    Im Grunde behält sie, das zeigt der Blick auf die Grundstruktur ihrer Entfaltung, den deklamatorischen Gestus bei, den sie in der zweiten Mädchenstrophe eingeschlagen hat: Auf den melodischen Bogen von Anstieg und Sich-Absenken in gleichförmig kleinen, meist Sekundschritten folgt ein Auf und Ab in nun nicht mehr gleichgewichtigen, weil aus einer Kombination von punktiertem Viertel und Achtel bestehenden Schritten bestehend, die eine Dehnung der melodischen Linie und eine entsprechende Akzentuierung der jeweiligen lyrischen Aussage mit sich bringt.

    So beschreibt die melodische Linie zum Beispiel beiden Worten „auf mut'gen Rossen“ einen zweimaligen identisch gedehnten Quartsprung in mittlerer Lage, und bei “Sonnenstrahlen“ zwei Mal einen fast identischen, nämlich im zweiten Fall von einer kleinen zu einer großen Terz übergehenden gedehnten Fall wieder in mittlerer Lage, bei dem die Harmonik, dem lyrischen Bild den angemessenen Ausdruck verleihend, eine Rückung nach A-Dur beschreibt. Bei den Worten „der grünen Weiden“ verbleibt sie noch in dem Gestus der Kombination zweier gedehnter Fallbewegungen, nun in D-Dur-Harmonisierung, und das ist ja auch angebracht, verbleibt der lyrische Text doch seinerseits bei der Beschreibung der landschaftlichen Szenerie, in der sich die Aktivitäten der Knaben abspielen.
    In dem Augenblick aber, in dem er zu diesen selbst kommt, und das ist im letzten Vers der dritten Strophe der Fall, geht auch die melodische Linie zu einem neuen Gestus der Entfaltung über. Nun beschreibt sie bei den Worten „Trabt das jungfrische Volk einher“ zwei Mal einen mit Portamento versehenen und aus einer Tonrepetition in hoher Lage hervorgehenden Sekundfall, der in einer Rückung von C-Dur nach G-Dur harmonisiert ist und der lyrischen Aussage einen starken Ausdruck verleiht.

    Und wieder erklingt ein Orchester-Zwischenspiel, und wieder im Fortissimo. Sechzehn-Takte nimmt es in Anspruch, es steht in Es-Dur, und man wird es wohl, von seiner Aussage her als einen musikalischen Entwurf der lyrischen Szene der vierten Strophe auffassen und verstehen, als eine Einführung also in das, was die melodische Linie der Singstimme dort zu sagen hat. Dafür spricht die stampfende Rhythmik, durch die es maßgeblich geprägt ist und in der man die Worte „Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunk´nen Blüten“ zu vernehmen meint.

  • „Von der Schönheit“ (4)

    Gleich am Anfang des Zwischenspiels setzen die Bratschen und die Celli damit ein, und dies „ffp“. In Takt 74 lassen die Posaunen fortissimo erstmal ein Motiv erklingen, dem eine Schlüsselfunktion in diesem Zwischenspiel zukommt, denn es erklingt, vorwiegend von den Blechbläsern ausgeführt, in immer wieder neuen Variationen, wobei sie von den Holzbläsern dabei mit ansteigend angelegten Zweiunddreißigstel-Figuren und von den Streichern mit repetierenden Achtel- und Sechzehnteltriolen.begleitet werden. Dabei ist bemerkenswert, dass dieses Motiv dasjenige ist, mit dem am Anfang dieses vierten Liedes die Holzbläser die melodische Linie der Singstimme auf den Worten „Junge Mädchen pflücken Blumen …“ begleiten.
    Ganz offensichtlich will Mahler damit einen Bezug von Mädchen- und Knaben-Lebenswelt herstellen und damit ins Bewusstsein rufen, dass Schönheit beiden Welten innewohnt, der zart weiblichen, aber auch der männlich aktivistischen.

    Man kann dieses Zwischenspiel eigentlich nicht anders als eine hymnische Feier dieser jugendlich-männlichen Form menschlichen Seins auffassen und verstehen. Denn irgendeine Form von Problematisierung, etwa in Gestalt eines Bruchs der Musik in Gestalt eines Übergangs der Es-Dur-Harmonik ins Tongeschlecht Moll oder in klangliche Zartheit, findet sich darin nicht. Zwar nimmt sich die Musik am Ende, vor dem Einsatz der melodischen Linie auf den Worten „Das Roß des einen wiehert fröhlich auf“ in ihrem extrem lauten Gestus ein wenig zurück, indem aus dem Fortissimo ein Forte und die stampfende Rhythmisierung reduziert wird, ihren Grund-Gestus gibt sie aber nicht auf.
    Und die in Takt 87 forte einsetzende melodische Linie der Singstimme mutet an, als wäre sie davon angetrieben und wolle diesen Gestus fortsetzen. Sie stürmt geradezu, und dies, ohne auch nur einen Augenblick innzuhalten, über alle sechs Verse der vierten Strophe hin, und dies auf eine in den Figuren der Bewegung sich wiederholende Art und Weise.

    Bei den Worten „das Roß des einen wiehert“ geht sie, in F-Dur harmonisiert, nach einem anfänglichen Quartfall in tiefe Lage mit einem Terzsprung in einen Sekundanstieg über, um danach bei den Worten „fröhlich auf, und scheut und saust dahin“ einen viermaligen, immer auf einem „As“ in mittlerer Lage ansetzenden gedehnten Terzfall zu beschreiben. Bei „über Blumen, Gräser“ folgt nun eine Abwärtsbewegung in Sekundintervallen und anschließend bei „wanken hin die Hufe, sie zerstampfen“ erneut ein nun auf einem tiefen „F“ ansetzender viermaliger Quartfall, der sich allerdings bei „zerstampfen“ bis zu einem tiefen „A“ hin fortsetzt. Und das geht so weiter, in der tonalen Ebene sich absenkend: Vier Mal ein Terzfall auf „gesunk´nen Blüten, heii! wie“, dann ein weiterer Fall in Sekundintervallen und schließlich auf den Worten „Mähnen, dampfen heiß die Nüstern“ vier Mal ein mit einer Rückung vom vorangehenden H-Dur nach A-Dur einhergehender Fall über eine verminderte Terz von einem „tiefen „E“ zu einem „Cis“ in tiefer Lage. Nicht nur das Tempo und die Pausenlosigkeit der Phrase bewirken den Eindruck der Atemlosigkeit im Dahinstürmend der melodischen Linie, auch die permanente Wiederholung der deklamatorischen Figuren ist dafür verantwortlich, und auf eindrückliche Weise bringt sie darin das lyrische Bild dieser vierten Strophe zum Ausdruck.


    Die letzte lyrische Strophe setzt in den ersten beiden Versen mit den gleichen Worten ein wie die zweite, und wenn Mahler diese Wiederholung von lyrischem Text mit der Wiederkehr der dortigen, in ihrer Struktur unveränderten melodischen Linie verbindet und diese auch von den Holzbläsern mit der melodischen Figur begleiten lässt, der eine zentrale Funktion in diesem Lied zukommt, so will er das wohl als ein Hinzutreten der „Mädchen“-Lebenswelt zu der gerade in zwei Strophen evozierten „Knaben“-Welt verstanden wissen. Struktur von Melodik und Holzbläser-Begleitung sind identisch, nicht aber die Harmonik. An die Stelle von G-Dur und D-Dur dort sind nun F-Dur und B-Dur getreten.


    Man darf das wohl so verstehen, dass sich in der veränderten Harmonisierung der in ihrer Struktur identischen Melodik andeutet, dass die Begegnung mit der „Knaben“-Welt eine Veränderung für diese mit sich bringt. Denn diese Begegnung findet ja tatsächlich statt. Mit den Worten „Und die schönste von den Jungfrau´n sendet / Lange Blicke ihm der Sehnsucht nach“ schält sich, wie das zu Beginn der vierten Strophe bei dem „Einen mit dem Roß“ der Fall war, nun eine Protagonistin aus der Mädchengruppe heraus, und deren Blicke richten sich sehnsuchtsvoll auf eben diesen.

  • „Von der Schönheit“ (5)

    Die sinnliche Dimension von „Schönheit“ ist eröffnet, und die melodische Linie der Singstimme lässt dies mitsamt der sie begleitenden Orchestermusik auf eindrückliche Weise vernehmen. Schon die überaus liebliche terzenbetonte Figur, die die Streicher nach dieser Wiederholungsmelodiezeile nun erklingen lassen, ist vielsagend. Und das ist auch die Melodik auf den Worten des dritten und vierten Verses. In der Art und Weise, wie sie sich erst absenkt und dann in Sprüngen aufschwingt, bei dem Wort „Sehnsucht“ einen sich hoch aufschwingenden Bogen beschreibt, und dann, nach einer Viertelpause, wie von diesem tänzerischen Aufschwung-Geist beseelt, zweimal zu einer in der tonalen Ebene angehobenen Aufstiegsbewegung überzugehen, lässt sie auf ausdrucksstarke Weise vernehmen, wie stark das dem sehnsüchtigen Blick innewohnende sinnliche Begehren ist. Und die darin sie begleitenden ersten Violinen unterstützen sie darin, indem sie in immer höhere Lage hinaufstrebende Sechzehntel-Figuren erklingen lassen, darin von der Harfe mit immer neuen G-Dur-, D-Dur- und A-Dur-Arpeggien begleitet. Denn die Harmonik ist, wie das bei den ersten beiden lyrischen Strophen der Fall ist, zum mediantischen Gestus zurückgekehrt.

    Auf die Worte „ist nur Verstellung“ legt Mahler eine Melodik, die nach einem bogenförmigen Anlauf in Legato-Sekund- und Terzschritten auf den beiden letzten Silben des Wortes in einen extrem lang gedehnten, den Takt überschreitenden Quartsprung in mittlerer tonaler Lage übergeht, bei dem die Harmonik einen Rückung vom vorangehenden B-Dur nach D-Dur mit Zwischenschritt zur Dominante beschreibt. Das ist ein höchst ausdrucksstarkes melodisches Ereignis. Und ein bedeutsames, denn es will sagen:
    Der Stolz ist nur Fassade, die das tiefe, bis ins „Herz“ reichende Erregt-Sein von der sinnlichen Schönheit des Knaben verbergen soll.
    Und die letzte, die beiden Schlussverse beinhaltende melodische Linie der Singstimme bringt das in der Zartheit ihrer Entfaltung auf überaus eindrückliche Weise zum Ausdruck. Die musikalische Figur, die ihr zugrunde liegt und auf den Worten „in dem Funkeln“ erstmals erklingt, ist die, mit der die Holzbläser am Anfang des Liedes die melodische Linie begleitet haben und die sich danach zu einer Art musikalischem Leitmotiv entwickelte.

    Bei den Worten „In dem Dunkel ihres heißen Blicks“ ist sie in Gestalt immer neuer Variationen die Grundlage für ein ausdruckstarkes, weil im Dreivierteltakt rhythmisiertes Sich-Absenken der im Wechsel von G-Dur und D-Dur harmonisierten melodischen Linie von der tonalen Ebene eines „C“ in mittlerer bis zu der eines „A“ in tiefer Lage. Von dort steigt sie zwar auf den Worten „schwingt klagend noch die Erregung“ , nun auf der Grundlage eines Viervierteltakts weiter in Legato-Sekundschritten wieder in mittlere tonale Lage empor, endet aber dann bei den Worten „ihres Herzens nach“, nun wieder rhythmisch geprägt von einem Dreiviertel-Metrum, in einem lieblich-zart anmutenden, am Ende sich zu einer Dehnung auf dem Grundton „G“ erhebenden Legato-Bogen.

    Wenn Mahler diese eine solch zentrale Rolle spielende musikalische Figur am Ende noch einmal in Melodik einbringt und sie im Orchester-Nachspiel in vielerlei Varianten weiterklingen lässt, dann nicht nur, um damit eine innere Geschlossenheit der Liedmusik zu erreichen, sondern darüber hinaus auch, um deren Aussage auf ihren Kern zu bringen:
    Die Schönheit als eine die menschliche Existenz zwar eminent bereichernde, gleichwohl, weil wesenhaft sinnliche, der Vergänglichkeit anheimgegebene Lebenserfahrung.

    Damit bringt sich das vierte Lied „Von der Schönheit“ als wesentlicher Beitrag zur Thematik des Werkes „Lied von der Erde“ ein. Und vielsagend ist diesbezüglich, worauf Adorno aufmerksam gemacht hat, dass der von den Celli und den Flöten ausgeführte und mit vier „Ps“ versehene Quartsextakkord, in dem es endet, an den auf einem tiefen „D“ ansetzenden Sextsprung erinnert, mit dem die schönste von den „Jungfrau´n“ in Takt 138/39 auf ausdrucksstarke Weise hervorgehobenen wurde.

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  • „Der Trunkene im Frühling“

    Wenn nur ein Traum das Leben ist,
    Warum denn Müh und Plag´?
    Ich trinke, bis ich nicht mehr kann,
    Den ganzen lieben Tag!

    Und wenn ich nicht mehr trinken kann,
    Weil Kehl´ und Seele voll,
    So tauml' ich bis zu meiner Tür
    Und schlafe wundervoll!

    Was hör ich beim Erwachen? Horch!
    Ein Vogel singt im Baum.
    Ich frag´ ihn, ob schon Frühling sei,
    Mir ist als wie im Traum.

    Der Vogel zwitschert: "Ja!
    Der Lenz ist da, sei kommen über Nacht!
    Aus tiefstem Schauen lauscht´ ich auf,
    Der Vogel singt und lacht!

    Ich fülle mir den Becher neu
    Und leer´ ihn bis zum Grund
    Und singe, bis der Mond erglänzt
    Am schwarzen Firmament!

    Und wenn ich nicht mehr singen kann,
    So schlaf´ ich wieder ein,
    Was geht mich denn der Frühling an!?
    Laßt mich betrunken sein!

    Noch einmal bringt Mahler das Thema „Trinken“ und „Trunkenheit“ in sein „Lied von der Erde“ ein. Anders aber als beim „Trinklied vom Jammer der Erde“, das diesen Zyklus einleitet, sind – jedenfalls für mich – hier die Aussage und die sich daraus ergebende Funktion im Rahmen des Werkes nicht recht klar. Man kann diesen lyrischen Text und die Musik, die Mahler daraus gemacht hat, auf durchaus unterschiedliche Weise verstehen. Hermann Danuser („Das Lied von der Erde“, München 1986), und Peter Revers („Mahler-Handbuch“, Stuttgart 2010) vernehmen in Mahlers Musik so etwas wie den Ausdruck einer „mythischen Erfahrung menschlichen Daseins“ und die die Trunkenheit als „tiefgehende Wahrnehmung von Natur und menschlicher Existenz“ (Revers).

    Ganz anders Theodor W. Adorno (in seinen berühmten Mahler-Betrachtungen von 1964). Für ihn ist dieses Lied ein „ungeheuerliches Stück“. Sein Verständnis von Mahlers Musik drückt er in den Worten aus: „Der Geist dieser Musik konvergiert mit Nietzsche, dem Mahler in seiner Jugend anhing. (…) Der Rausch der Selbstzerstörung; das Herz, das sich nicht halten kann, verschenkt sich an das, wovon es abgeschieden ist. Sein Untergang will die Versöhnung. Das Adagio-Finale der Neunen Symphonie (…) hat denselben Ton des Überschwangs von Selbstpreisgabe. Das Taumeln des Trunkenen aber, das die Musik nachahmt, lässt zwischen Tönen und Akkorden den Tod ein.“

    Der Unterschied im Verständnis dieser Musik könnte größer nicht sein. Ich gestehe, dass mich die Tiefgründigkeit von Adornos Interpretation derselben, in der er den „Schauer von Poe und Baudelaire, den goût du néant“ vernimmt, fasziniert (wie´s mir so oft bei diesem beeindruckenden Denker geht, den ich noch als akademischen Lehrer erlebt habe). Aber ist sie wirklich zutreffend, ist darin die Musik im Kern ihrer Aussage erfasst?

    Ich möchte versuchen, aus der Unsicherheit, die mich hinsichtlich des Verständnisses dieses Liedes seit eh und je begleitet, herauszufinden, indem ich mich hier langsam und systematisch an seine Aussage herantaste. Ich beginne mit dem lyrischen Text und den Änderungen, die Mahler daran vorgenommen hat. Denn diese dürften wegweisend sein. Bei Bethge hat das Gedicht den Titel „Der Trinker im Frühling“, Mahler macht aus dem „Trinker“ einen „Trunkenen“. Im ersten Vers ersetzt er die Worte „das Dasein“ durch „das Leben“. Der zweite Vers der zweiten Strophe lautet bei ihm statt „Weil Leib und Kehle voll“ „Weil Kehl´ und Seele voll“, und den dritten Vers der vierten Strophe, bei Bethge lautend „Ich seufzte tief ergriffen auf“, durch einen in seiner Aussage gänzlich anderen, nämlich: „Aus tiefstem Schauen lauscht´ ich auf.“

    Alle diese Eingriffe in Bethges Gedicht, insbesondere das Einbringen eines ganzen eigenen Verses, lassen erkennen:
    Mahler will hier nicht eine literarischen Figur, einen „Trinker“ musikalisch erfassen und gestalten, ihm geht es um die von ihm verkörperte Lebenshaltung, deren existenzphilosophische Dimension und Relevanz im Rahmen der Fragen, um die das „Lied von der Erde“ kreist, ohne darin offensichtlich – worauf im Zusammenhang mit dem letzten Lied noch einzugehen sein wird - zu einer definitiven Antwort zu finden: Das Leiden unter der Bipolarität von Schönheit menschlichen und naturhaften Lebens und dessen genuiner Vergänglichkeit, wie es am Anfang programmatisch im „Trinklied vom Jammer der Erde“ angesprochen wird.

    Die Themen „Jugend“ und „Schönheit“ sind schon besungen, - unter musikalischem Aufweis eben dieser Dimension „Vergänglichkeit“, nun gesellt sich noch die existenzielle Haltung des Trunken-Seins hinzu. Das will Mahler wohl nicht als dem Alkoholismus frönendes Leben verstanden wissen. Vielsagend für sein eigenes Verständnis ist – von der Musik zunächst einmal ganz abgesehen – der Vers, den er in Bethges Text eingefügt hat. Der Vogel zwitschert, der Lenz sei kommen über Nacht, und anders als bei Bethge reagiert der Trunkene nicht mit einem Seufzer tiefer Ergriffenheit, sondern er lauscht „aus tiefstem Schauen“ auf.

    Er ist also als „Trunkener“ im Zustand „tiefsten Schauens“ auf die Welt in sich und tritt lauschend daraus hervor, als er „beim Erwachen“ den Vogel im Baum singen und darin den Frühling verkünden hört. „Trunkenheit“ ist also eine Haltung des meditativen Rückzugs auf sich selbst als Reaktion auf eine Welt, die, wie der „Trunkene“ gleich am Anfang proklamiert, als „nur ein Traum“ erfahren wird, als Inbegriff von Unbeständigkeit, Flüchtigkeit und Vergänglichkeit, worauf es nur die einzig gemäße Haltung des „Trinkens den ganzen lieben Tag“ lang geben kann.

    Diese Figur verkörpert also eine Haltung der, mittels des Trinkens realisierten, Flucht aus einer als zutiefst unzulänglich, weil wesenhaft nichtssagend, flüchtig und vergänglich erfahrenen Welt in die Versunkenheit in sich selbst, die so tief reicht, dass selbst der verführerisch-liebliche Gesang des Vogels – und Mahler hat diese Szene auf musikalisch faszinierende Weise gestaltet – ihn nicht aus seinem Versunken-Sein in sich selbst heraus und zur Begegnung mit der realen Welt zu bringen vermag. Er füllt ja nach dem Vernehmen des aus dieser realen, frühlingshaft schönen Welt kommenden Vogelsangs seinen Becher neu, leert in bis zum Grund und singt, bis der Mond an einem schwarzen Firmament erglänzt. Und wie ein trotziges Verharren in dieser Haltung der Flucht aus der realen in eine innere mutet der Ausruf am Ende an: „Was geht mich denn der Frühling an!? / Laßt mich betrunken sein!“

    So ist – jedenfalls aus meiner Sicht – der dem fünften Lied zugrundeliegende lyrische Text in der Version, die Mahler ihm gegeben hat, zu lesen und zu verstehen. Dieses Verständnis weicht von dem ab, das Adorno vertritt, aber auch von der These, dass Mahler hier „Trunkenheit“ als „tiefgehende Wahrnehmung von Natur und menschlicher Existenz“, wie Peter Revers das sieht, verstanden wissen will. Und damit auch vom ähnlich gelagerten Auffassung Danusers, dass in diesem fünften Lied ein „lebenssymbolischer Grundton“ angeschlagen werde, insofern „das dionysische Prinzip des Rauschs als ein Modus der Welterkenntnis evoziert“ werde.
    Aber die Probe auf die sachliche Fundiertheit und Berechtigung meiner Interpretation des fünften Liedes liefert letzten Endes die Liedmusik. Also gilt es, sie unter diesem Verständnis-Ansatz zu hören, wobei die Leitfrage sein wird:
    Was hat Mahlers Musik zu diesen Versen Bethges zu sagen, - in Gestalt der Melodik, die sie aufgreift, und der sie begleitenden Kommentare des Orchesters. Die nachfolgenden Betrachtungen werden sich demgemäß darauf beschränken und den allgemeinen Aspekt der Textur der Komposition weitgehend außen vor lassen.


  • Vorbemerkung:

    Bevor ich mich in Gestalt eigener analytischer Betrachtungen auf diese zweitletzte Komposition des "Liedes von der Erde" einlasse, möchte ich das, was ich vorangehend dazu von Theodor W. Adorno zitierte, um die Passagen ergänzen, die seine Interpretation dieses Orchesterliedes voll erfassbar werden lassen. Sie ist einfach zu genial und übersteigt in ihrem Niveau das, was ich hier von mir gebe, zu sehr himmelweit, das als dass ich sie hier unvollständig präsentieren dürfte.


    Nachdenklich stimmt schon seine These, dass "die literarische Pointe vom Pavillon, das Spiegelbild, zur Entstehungszeit des Lieds von der Erde musikalisch nicht zu bewältigen" gewesen sei. Darauf jetzt aber noch einmal einzugehen, ist wohl hier nicht angebracht, wohl aber sind das die Schlussfolgerungen, die er daraus hinsichtlich der Komposition von "Der Trunkene im Frühling" zieht. Mahler, so meint er, habe auf Nichtbewältigbarkeit des lyrischen Bildes vom "Pavillon" "mit seinem angestammten Mittel, dem Minore, einer melancholischen Episode" reagiert. Und dann fährt er fort:


    "Wie sehr aber jene Pointe die seiner eigenen Konzeption ist, wird offenbar in dem ungeheuerlichen Stück vom >Trunkenen im Frühling<. Seine Situation ist bereits die expressionistische hinter der Maske objektiven Balladentons. Der Innenraum ist isoliert, ohne Brücke zu dem Leben, an dem doch Mahlers Musik mit jeder Faser hängt. Mit paradoxem Realismus denkt das Werk die Situation unverschleiert zu Ende: die Affinität zu Proust ist eine des monologue intérieure. Die Trauer des Teichs als Spiegel ist, daß dem Weltschmerz, der schließlich die Fäden durchschneidet, das lockende wirkliche Leben als der Traum erscheint, den die erste Gedichtzeile anredet, während objektlose Innerlichkeit in die Realität sich verkehrt. Hört der Trunkene an einer über alle Worte rührenden Stelle die Stimme des Vogels, die Natur als Zuspruch der Erde, so ist ihm >wie im Traum<. Vergebens möchte er noch einmal zurück. Seine Einsamkeit überschlägt sich im Rausch zwischen Verzweiflung und der Lust absoluter Freiheit, schon in der Zone des Todes. Der Geist dieser Musik konvergiert mit Nietzsche, dem Mahler in seiner Jugend anhing."


    Ja, ich weiß, ich weiß. Adorno genießt in diesem Forum wenig Ansehen, er wurde auch schon- für mich völlig unverständlich - mit höhnischem Spott übergossen. Aber mich hat er - und das nicht nur in diesem Fall seiner Kommentare zum "Lied von der Erde" - oft zu Einsichten in Liedmusik und klassische Musik ganz allgemein geführt, zu denen ich selbst in keiner Weise in der Lage bin. Es ist vor allem der Aspekt der interpretatorischen Einbindung musikalischer Einzelteile in das Gesamtwerk und dessen Einbindung in die geistige Situation der Zeit, wie sie sich etwa in der zeitgenössischen Literatur und Philosophie niederschlägt, der sich mir bei meinen liedanalytischen Betrachtungen infolge meiner unzulänglichen reflexiven Fähigkeiten und der Beschränktheit meiner musik- und literaturhistorischen Kenntnisse einfach nicht erschließt.

    Das, was nun - zurzeit der Abfassung dieser Vorbemerkung bereits fertig vorliegend - nachfolgt, ist ein signifikanter Beleg dafür.


    An den Aussagen dieses "Trunkenen im Frühling" und Mahlers Musik darauf habe ich mir buchstäblich die Zähne ausgebissen, ohne zu einem wirklich in sich stimmigen und mich voll zufrieden stellenden Ergebnis zu kommen.

    Adorno vermochte sie auf einen sie in all ihren Details schlüssig werden lassenden Nenner zu bringen. Und das - was ich immer wieder aufs Neue bewundere - mit nur wenigen Worten.

  • „Der Trunkene im Frühling“. Zur Faktur der Komposition und ihrer musikalischen Aussage

    Natürlich kommt bei der Frage, was Melodik und Orchester zu sagen haben, ein hoher Grad an Subjektivität in der Rezeption ins Spiel, und das fängt schon beim kurzen, gerade mal drei Takte umfassenden Vorspiel an. „Allegro, keck, aber nicht zu schnell“ lautet die Vortragsanweisung, die auch für die Musik der ganzen ersten Textstrophe gilt. In der Tat mutet dieses Vorspiel „keck“ an, - mit seinen Zweiunddreißigstel-Vorschlägen und den nachfolgenden Trillern in den Oboen und Klarinetten und den triolischen Achtel-Auf und Abs in den Hörnern.

    Das könnte ein Hinweis darauf sein, wie Mahler diese Figur des „Trunkenen“ verstanden wissen will:

    Als keck und selbstbewusst, vielleicht provokativ in seiner Grundhaltung, und damit nicht wirklich ernst zu nehmend in seiner reflexiven Auseinandersetzung mit der existenziellen Grundfrage, die er gleich in den beiden ersten Versen anspricht. Die Art und Weise, wie er das sprachlich tut, mit diesem einleitend-konditionalen „wenn“, beinhaltet ja völlige Gewissheit, so dass auch die Schlussfolgerungen, die sich für ihn daraus ergeben, eine unbezweifelbare Logik aufweisen. Und Mahlers Melodik bringt diesen Sachverhalt auf markante Weise zum Ausdruck. Auf die Worte „Wenn nur ein Traum das Leben ist“ legt er eine von einer zweitaktigen Pause gefolgte und damit musikalisch exponierte melodische Linie, die mit ihrem Aufstieg über eine ganze Oktave und ihrem nachfolgend bogenförmigen Rückfall auf ein „B“ in mittlerer Lage wie der Inbegriff von selbstgewiss vorgetragener These anmutet.

    Das Orchester reagiert darauf in der Begleitung und im Nachspiel mit der Fortsetzung dieses musikalischen Ausdrucks von Keckheit in Gestalt von fallend angelegten Sechzehntel-Achtelfiguren der Flöten und Oboen und ebenfalls fallenden zweistimmigen Achtel-Quartolen der Fagotte. Und dies sogar über die Pause für die Singstimme hinaus in der Begleitung für deren Vortrag der melodischen Linie auf den Worten „Warum denn Müh und Plag´?“. Und das ist ja auch ganz stimmig, denn diese Frage geht aus der mit dem ersten Vers aufgemachten Grundhaltung des lyrischen Ichs hervor.

    Interessant unter der zentralen Fragestellung ist also erst das, was das Orchester im wirklichen, fünf Takte einnehmenden Kommentar zu sagen hat, nachdem die melodische Linie, der Frage den angemessenen Nachdruck verleihend, auf den Worten „und Plag´“ einen in eine Dehnung auf einem hohen „A“ übergehenden expressiven Septsprung übergegangen ist, der mit einer Rückung vom vorangehenden A-Dur nach F-Dur einhergeht. Diese Eigenart der Harmonik, Rückungen zu von der Tonika weitab liegende Tonarten zu beschreiben, ist typisch für dieses Lied. Man kann diese „schwebend“ auftretende Harmonik durchaus als musikalisches Ausdrucksmittel für Trunkenheit verstehen. So ist sie wohl von Mahler eingesetzt.

    Aber was hat der in Takt 8 einsetzende Zwischenspiel-Kommentar zu sagen?
    Er wird in den vier Takten, die er einnimmt, ganz und gar von einer Figur dominiert, die die ersten Violinen in einem Forte-Piano-Decrescendo erklingen lassen. Bringt sie das Lebensgefühl dieses lyrischen Ichs in seinem Versunken-Sein in die Trunkenheit zum Ausdruck?
    Oder kommt sie aus der Außenwelt, tritt als reales „Leben“ seiner seelischen Innenwelt entgegen und stellt auf diese Weise seine Haltung der verächtlichen Abkehr von dem nur als „Traum“ abgewerteten „Leben“ in Frage?

    Ich neige zu dieser Deutung. Diese Figur, die aus einem auftaktig einsetzenden gedehnten Legato-Sekundfall mit nachfolgendem Septfall besteht, mutet wie eine Art zart-lieblicher Ruf an. Und das auch deshalb, weil dieses Zwischenspiel in F-Dur mit Rückung nach B-Dur am Ende harmonisiert ist, also einer anderen harmonischen Welt angehört, und in seiner gebunden-zarten Klanglichkeit in einem deutlichen Kontrast zur tänzerisch-hüpfenden Staccato-Musik steht, in die die melodische Linie der Singstimme gebettet ist.

  • „Der Trunkene im Frühling“ (2)

    Das alles wiederholt sich noch einmal, denn dieses lyrische Ich behält diesen deklamatorischen Gestus in der lauthals erfolgenden Verkündung seiner im Lobpreis der Trunkenheit kulminierenden Lebenshaltung über die beiden ersten lyrischen Strophen hin ja bei. Auf jedem Vers derselben liegt je eine durch unterschiedlich lange Pausen gerahmte Melodiezeile. Und im Grunde sind alle strukturell und dynamisch ähnlich ausgerichtet. Mit Ausnahme der Zeilen auf den Worten „Und wenn ich nicht mehr trinken kann, / Weil Kehl´ und Seele voll“, die, bedingt durch das neuerliche konditionale „wenn“, eine über die zweitaktige Pause hinweg reichende melodische Einheit bilden, enden alle Melodiezeilen in einer expressiven Sprungbewegung hin zu einer Forte-Dehnung in hoher Lage. Bei den Worten „Ich trinke, bis ich nicht mehr kann“ beschreibt die melodische Linie nach einem mit Portamento-Zeichen versehenen Sekundfall in tiefe Lage einen Oktavsprung mit Dehnung und bei „Den ganzen lieben Tag!“ ist es ein nach einer in einem Crescendo erfolgenden Bogenbewegung in hoher Lage ein Sprung zu einem gedehnten hohen „A“ , der mit einer harmonischen Rückung von G-Dur nach A-Dur einhergeht.

    Ein deklamatorischer Gestus, den dieses lyrische Ich geradezu zu lieben scheint. Denn diese Bewegung ereignet sich in den ersten beiden Strophen am Zeilenende drei Mal, bei den Worten „Und schlafe wundervoll“ schließlich sogar in Gestalt eines Quartsprungs, der aus einem wie ein Anlauf anmutenden zweifachen, in der tonalen Ebene ansteigenden und in Rückung von F-Dur nach C-Dur harmonisierten gedehnten Terzfall hervorgeht. Und allemal begleitet das Orchester, und dies in sich steigernder, weil unter immer größerer Beteiligung der einzelnen Instrumentengruppen erfolgender Weise mit der hüpfend rhythmisierten Staccato-Musik, die man als Bekräftigung der Aussagen des lyrischen Ichs und als Ausdruck seiner Lebenshaltung empfindet. Die zwischen A-Dur und F-Dur und ihren Dominanten sich gleichsam schwebend modulierende Harmonik mutet dabei wie der musikalische Niederschlag von Trunkenheit an.

    Aber der Orchestersatz erschöpft sich nicht in dieser Funktion. Nachdem die Singstimme nach einer zweitaktigen Pause die Fortissimo Deklamation der Worte „wie Kehl´ und Seele voll“ auf einer melodischen Linie deklamatiert hat, die mit einem Sekundsprung in hoher Lage einsetzt, dann in einen Fall übergeht, um dann über einen verminderten Septsprung eine Dehnung auf einem hohen „A“ zu beschreiben, erklingt in der nachfolgenden viertaktigen Pause, ausgeführt von den ersten Violinen, wieder das melodische Motiv von Takt 8f., das an dieser Stelle als Ausdruck der seelischen Befindlichkeit des lyrischen Ichs keinen Sinn ergibt. Es ist also wohl doch als ein von der Außenwelt an dieses in seine Innenwelt versunkene Ich herantretender musikalischer Ruf zu verstehen. Und alsbald liefert die Musik den Beleg für die Schlüssigkeit dieser Deutung: In dem Teil des Liedes nämlich, in dem die Außenwelt de facto auftritt.

    Das geschieht, eingeleitet mit der Frage des lyrischen Ichs „Was hör ich beim Erwachen? Horch!“ in der dritten und vierten Strophe. Zuvor erklingt, nachdem das Orchester noch einmal lauthals den vom lyrischen Ich hinaus posaunten Entschluss zum „wundervollen Schlaf“ bekräftigt hat, mit einem Mal eine von der Solo-Violine wie ein Vogelsang anmutende zweiteilige Achtelfigur, die sich unter Begleitung durch die anderen Streicher fortsetzt und in die dann auch die Singstimme mit der melodischen Linie auf die Anfangsworte der dritten Strophe einfällt. Das imperativische „Horch!“ wird dabei von Mahler durch singuläres, von zwei Pausen gerahmtes und in A-Dur gebettetes Pianissimo-„E“ in hoher Lage hervorgehoben. Und nach dem auf eine wellenartige Bewegung in hoher Lage folgenden Sextfall der melodischen Linie auf den Worten „Ein Vogel singt im Baum“ erklingt wieder die zarte, den Gesang eines Vogels evozierende melodische Figur der Solo-Violine, die nach einem Fall in einen Achtel-Anstieg übergeht, dem zwei wie ein Ruf anmutende Legato-Fallfiguren nachfolgen, in die die Singstimme „sinnend“ (Anweisung) mit den Worten „Ich frag´ ihn, ob schon Frühling sei“ einfällt.
    Das Orchester begleitet das mit stark reduzierter Klanglichkeit. Die Klarinetten, die Fagotte und die Hörner lassen, begleitet von Harfenklängen, lang gehaltene Pianissimo-Einzeltöne erklingen, und nur die Piccolo-Flöte setzt die Vogelstimmen-Figuren der Solo-Violine in Gestalt von Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln fort.

    Auf eindrückliche Weise evoziert die Orchester-Musik die Aura frühlinghafter Idyllik, die in ihrer Schönheit ganz offensichtlich eine der realen Außenwelt ist. Und höchst bemerkenswert, weil vielsagend im Hinblick auf die um das Grundverständnis dieses Liedes kreisenden Fragen ist die Art und Weise, wie Mahler das lyrische Ich darauf reagieren lässt. Auf den Worten „mir ist“ liegt „steigernd“ (Anweisung) ein von zwei langen (zwei und drei Viertel) gerahmten Pausen gerahmter Sekundanstieg der melodischen Linie. Danach wiederholt die Singstimme pianissimo diese Anstiegsfigur auf „mir ist“ in Gestalt nun eines Terzsprungs, und dann beschreibt sie bei den Worten „als wie im Traum“ in einen Fall erst über eine Sekunde, anschließend über eine Terz, um schließlich, und das überraschend, wieder den schon mehrfach praktizierten Septsprung zu einer Dehnung auf der tonalen Ebene eines „A“ in hoher Lage zu vollziehen. Begleitet wird die dabei von der Solo-Violine, aber mit einer gegenläufigen Achtel-Anstiegsfigur, die ebenfalls in besagtem „A“ endet.

  • „Der Trunkene im Frühling“ (3)

    Während die Singstimme die am Ende in einen durch eine Pause unterbrochenen Quartfall übergehende melodische Linie auf den Worten „Der Vogel zwitschert: Ja! Ja!“ deklamiert, lässt die Solovioline weiter ihren mit einem Triller versehenen Vogelsang in hoher Lage erklingen. Bei den Worten „der Lenz“ beschreibt die melodische Linie einen herausragenden, weil von einer fast zweitaktigen Pause gefolgten und mit einer Rückung nach einem weitab liegenden Des-Dur verbundenen Oktavsprung zu einem „As“ in hoher Lage. Und wenn das lyrische Ich dann seinen Vortrag mit den Worten fortsetzt „Der Lenz ist da, sei kommen über Nacht“, dann geschieht das – überrascherweise – auf einer melodischen Linie, die jene Figur aufgreift, die in Takt 8 erstmals von den ersten Violinen als Kommentar zu der Aussage der melodischen Linie vorgetragen und hier als der realen Außenwelt zugehörig interpretiert wird. Und das ist auch deshalb ein so überraschendes Ereignis, weil die Solo-Violine zusammen mit den ersten Streichern „ohne Dämpfer“ die in Des-Dur mit Rückung nach As-Dur harmonisierte Bewegung der melodischen Linie synchron mitvollziehen. Im Anschluss lassen sie, von den Oboen mit Sechzehntel-Triller-Figuren begleitet, „zögernd“ einen in eine lange Dehnung in hoher Lage mündenden Anstieg von Achtel-Oktaven erklingen.

    Wie ist das zu verstehen?
    Ich muss eigentlich, von meinem Interpretationsansatz bezüglich dieser Figur her, Mahlers Musik an dieser Stelle so deuten, dass das lyrische Ich, dieser im Rückzug in seine seelische Innenwelt befindliche „Trunkene“ von den Signalen der Außenwelt, dem Vogelsang also (es liegt hier wieder ein Fall des für Mahlers Musik so typischen Arbeitens mit „Signalen“ vor), ergriffen und damit sozusagen aus dieser Innenwelt herausgeholt wird. Das Geständnis „Aus tiefstem Schauen lauscht´ ich auf“ ist ja als eine dieses Ereignis bestätigende Aussage zu verstehen, und die nachfolgenden Worte „der Vogel singt und lacht“ setzen das in diesem Sinne fort.
    Interessant ist hier die Melodik, mit der Mahler sie in Musik gesetzt hat. Sie besteht aus einer Folge von Sprung- und Fallbewegungen über große Intervalle, wobei die Worte „und lacht“ wiederholt werden, die melodische Linie zwei Mal durch relativ lange Pausen unterbrochen wird und sich auf dem zweiten „und lacht“ nach einer fast einen ganzen Takt einnehmenden Pause ein in veritabler, in Des-Dur gebetteter Oktavsprung zu einem gedehnten „As“ in hoher Lage ereignet. Diese Melodik will wohl sagen:
    Das lyrische Ich wird sich nur stockend, schrittweise seiner Situation des Aufwachens in einer realen Frühlingswelt bewusst.

    Und es ist ja doch, wie die Musik so deutlich und klanglich tief beeindruckend vernehmen lässt, eine überaus schöne Welt. Damit ist – für mich – die Musik dieses fünften Liedes an ihrem zentralen, zur Thematik des „Liedes von der Erde“ in einem unmittelbaren Bezug stehenden Punkt angekommen:
    Die Schönheit der naturhaften Welt, ihre wesenhafte Vergänglichkeit und die Frage, wie der sie erlebende Mensch mit diesem Sachverhalt reflexiv umgehen soll.
    Das lyrische Ich dieses Liedes hat sich einer Stellungnahme zu dieser Frage durch einen auf dem Weg der Trunkenheit erfolgenden Rückzug in die seelische Innenwelt entzogen.
    Wie will Mahler eine solche existenzielle Haltung verstanden und bewertet wissen? Lässt sich in dem, was sich musikalisch in den beiden letzten lyrischen Strophen ereignet, eine Antwort auf diese Frage finden?

    Auf den Worten „Ich fülle mir den Becher neu“ liegt eine melodische Bewegung, die genau dieser Figur entspricht. Sie wird in einem Forte-Piano-Decrescendo vorgetragen und ist nun in F-Dur mit Rückung zur Dominante C-Dur harmonisiert. Und die Worte „Und leer´ ihn bis zum Grund“ schmettert dieses lyrische Ich in der für seine Haltung ganz typischen Weise heraus: Mit einem aus einer melodischen Fallbewegung hervorgehenden Septsprung mit Dehnung in hoher Lage am Ende. Alle diese deklamatorischen Schritte der Singstimme werden von den ersten Violinen mitvollzogen und von den zweiten mit lang gehaltenen bitonalen Akkorden begleitet.

    Das lyrische Ich hat also, so kann man Mahlers Musik wohl verstehen, seine Grundhaltung, das In-sich-selbst-Sein in Gestalt von „Trunkenheit“, durch die Begegnung mit der realen Frühlingswelt nicht geändert. Es übernimmt einfach die ihr zugehörige melodische Figur, um sich darin in eben dieser Haltung auszudrücken und danach bei den Worten „Und singe, bis der Mond erglänzt / Am schwarzen Firmament!“ „steigernd“ (Anweisung) im alten deklamatorischen Gestus fortzufahren, - in Gestalt eines Fortissimo-Sekundanstiegs der melodischen Linie in hohe Lage auf „im schwarzen“ und den nun schon zu einem Erkennungsmerkmal gewordenen Sprung – nun über das Intervall einer Quarte – zu der langen Dehnung auf einem hohen „A“. Das wirkt dieses Mal nicht nur deshalb so besonders expressiv, weil es fortissimo erfolgt, sondern auch, weil es mit einer ungewöhnlichen Rückung von einem vorangehenden As-Dur zu A-Dur einhergeht.

  • „Der Trunkene im Frühling“ (4)

    Mahler präsentiert dieses lyrische Ich ganz offensichtlich als sich in seine Grundhaltung hineinsteigernd und diese auf expressive Weise in ihrer Berechtigung bekräftigend. Und ganz dem entsprechend setzt es auf den Worten „Und wenn ich nicht mehr singen kann“ mit einer Melodik ein, die sich als Übernahme derjenigen erweist, mit der es auf den Worten „Wenn nur ein Traum das Leben ist“ dieses Lied eröffnet hat. Die melodische Linie auf zugehörigen Worten „So schlaf´ ich wieder ein“ mutet wie ein noch radikalerer Ausdruck der Haltung dieses „Trunkenen“ an, denn sein deklamatorischer Grundgestus tritt in gesteigerter Form auf: Mit einem anfänglichen Auf und Ab in Sprungbewegungen über große Intervalle und dem mit dem vorangehend üblichen Fall eingeleiteten Sprung zu einer Dehnung in hoher Lage, wobei dieses Mal das dazu dienende „As“ über einen auf einem hohen „B“ ansetzenden Legato-Sekundfall erreicht wird, bei dem sich eine ausdrucksstarke harmonische Rückung vom vorangehenden C-Dur nach dem weit abliegenden Des-Dur ereignet.

    Und wenn man noch Zweifel daran haben kann, dass Mahler dieses lyrische Ich so verstanden wissen will, so räumt die Liedmusik auf den letzten beiden Versen diese auf recht eindeutige Weise aus. Auf den Worten „Was geht mich denn der Frühling an!?“ liegt ein in tiefer Lage ansetzender deklamatorischer Sekundanstieg, der auf den Worten „Frühling an“ in eine geradezu schroff anmutenden Kombination aus vermindertem Quartfall und diesen gleichsam korrigierendem Sextsprung zu einer Dehnung in hoher Lage übergeht, wobei sich wieder eine ungewöhnliche harmonische Rückung ereignet: Von Es-Dur nach C-Dur. Auf die mit der Fortissimo-Dehnung in hoher Lage auf herausfordernd laute Weise zum Ausdruck gebrachte Frage folgen, im gleichen Gestus vorgetragen, die Worte „Laßt mich betrunken sein“, in denen man ein „gefälligst“ regelrecht mithört. Denn dieses lyrische Ich tut das auf der melodischen Linie, in der es allemal in diesem Lied seine Grundhaltung lauthals verkündet, hier allerdings auf noch expressivere Art und Weise: Die sich dieses Mal über eine ganze Oktave erstreckende Fallbewegung ist mit Portato-Zeichen versehen, und die auf dem üblichen hohen „A“ nachfolgende Dehnung geht aus einem auftaktigen Sprung über das ungewöhnlich große Intervall einer None hervor.

    Das Orchester begleitet dieses fast schon übersteigert expressive Ende der Melodik auf eine Weise, die wie ein Tusch anmutet: Mit einem von den Blechbläsern ausgebrachten Fortissimo-A-Dur-Akkord, dem ein Wirbel von steigenden und fallenden Zweiunddreißigstel-Figuren der Holzbläser und ersten und zweiten Violinen nachfolgt, und das selbstverständlich auch im Fortissimo. Und in diesem drei Takte einnehmenden klanglichen Wirbel, zu dem die Hörner noch Tremoli beitragen, endet die Musik dieses fünften Liedes dann auch, - in einer Art Hängenbleiben in einem „ff“-A-Dur-Akkord.

    Wie ist dieses Ende zu verstehen?
    Einfach nur als Fortsetzung der Melodik im Sinne einer Bekräftigung ihrer Aussage? Oder als Kommentar, der die existenzielle Berechtigung der Grundhaltung des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringt?
    Wäre dieses der Fall, dann könnte man die musikalische Aussage dieses fünften Satzes, bzw. Liedes dieses Zyklus in der Tat als in der Figur des „Trunkenen“ erfolgende Gestaltwerdung einer im „tiefen Schauen“ erfolgende „mythische Erfahrung menschlichen Daseins“ verstehen, wie Peter Revers meint.
    Dem ist aber nicht so, wie ich meine. Dieser Orchester-Nachklang ist viel zu kurz und eindimensional, um als abschließender Kommentar zur ganzen Liedmusik gewertet und verstanden zu werden. In diesem Innehalten in einem A-Dur-Akkord mutet er wie ein wortloses Ende an. Und das heißt: Mahler lässt diese Gestalt des „Trunkenen im Frühling“ am Ende so stehen, wie er sie das ganze Lied über präsentiert hat: In der ganzen Problematik, die er existenziell verkörpert.

    Ich denke, Adorno hat schon recht mit seinem Verständnis dieses Liedes als eines „ungeheuerlichen Stückes“. Nur möchte ich ihm nicht darin folgen, in der Figur des „Trunkenen“, so wie Mahler sie musikalisch gestaltet hat, ein menschliches Wesen zu sehen, das sich in seiner „Einsamkeit“ „überschlägt im Rausch zwischen Verzweiflung und der Lust absoluter Freiheit, schon in der Zone des Todes“.
    Mahlers um diese Gestalt kreisende Musik hört sich – für mich – einfach nicht so an, stellt vielmehr in ihrer Melodik und im Orchestersatz eine klangliche Imagination einer existenziellen Grundhaltung dar, die in diesem Zyklus an fünfter Stelle gleichsam kommentarlos hingesetzt wird, verbunden mit der offen bleibenden Frage, ob man sie als gültige Antwort auf den Fragenkomplex auffassen und verstehen kann, um die der ganze Zyklus kreist: Die Vergänglichkeit alles Seins und das darin so zutiefst schmerzlich erfahrene menschlich-existenzielle Sein zum Tode.

    Für mich mutet die Musik dieses Liedes/Satzes so an, als würde Mahler diesen musikalischen Entwurf einer menschlichen Seinsweise in abgrundtiefer Ratlosigkeit in diesen Zyklus setzten, um sich am Ende, im Finale des sechsten Satzes erneut auf die Suche nach einer Antwort zu machen.
    Insofern hört Jens Malte Fischer dieses Lied wohl richtig, wenn er in einer Besprechung desselben am Ende anmerkt:
    „…aber unter der satirischen Oberfläche lauert etwas Selbstzerstörerisches, und man greift wohl nicht zu hoch, erblickt man hinter diesem scheinbar glücklichen Trinker die Gestalt des über die Bühne taumelnden Tristan Richard Wagners: >Verfluchter Tag mit deinem Schein! Wachst du ewig meiner Pein?“ (Gustav Mahler, S.695).

  • „Der Abschied“

    Nach Mong-Kao-Jen:
    Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.
    In allen Tälern steigt der Abend nieder
    Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.

    O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt
    Der Mond am blauen Himmelssee herauf.
    Ich spüre eines feinen Windes Weh´n
    Hinter den dunklen Fichten!

    Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.
    Die Blumen blassen im Dämmerschein.
    Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf,
    Alle Sehnsucht will nun träumen.
    Die müden Menschen geh´n heimwärts,
    Um im Schlaf vergeß´nes Glück
    Und Jugend neu zu lernen!

    Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.
    Die Welt schläft ein!
    Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.
    Ich stehe hier und harre meines Freundes;
    Ich harre sein zum letzten Lebewohl.

    Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite
    Die Schönheit dieses Abends zu genießen.
    Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!

    Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute
    Auf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.
    O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunk´ne Welt!

    Nach Wang-Wei:
    Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk des Abschieds dar.
    Er fragte ihn, wohin er führe
    Und auch warum es müßte sein.
    Er sprach, seine Stimme war umflort:
    Du, mein Freund,
    Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!

    Wohin ich geh? Ich geh, ich wand´re in die Berge.
    Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.
    Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte!
    Ich werde niemals in die Ferne schweifen.
    Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!

    Die liebe Erde allüberall
    Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu!
    Allüberall und ewig blauen licht die Fernen!
    Ewig... ewig... !


    Dieser der Komposition „Der Abschied“ zugrunde liegende lyrische Text stellt eine Montage von zwei Bethge Gedichten nach Mong-Kao-Jen und Wong-Wei dar, die den Titel „In Erwartung des „Freundes“ und „Der Abschied des Freundes“ tragen. Das zweite setzt mit den Worten ein „Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk des Abschieds dar“, wobei es bei Bethge heißt: „Ich stieg vom Pferd…“, was Mahler nicht übernehmen konnte, da es in der ersten Versgruppe ein lyrisches Ich gibt.

    Das ist – natürlich, möchte man sagen – nicht die einzige Änderung, die er an den Bethge-Textvorlagen vorgenommen hat. Er schied einzelne Wortgruppen und ganze Verse aus und fügte eigenen Text hinzu. Die Versgruppe „Die müden Menschen geh´n heimwärts, / Um im Schlaf vergeß´nes Glück / Und Jugend neu zu lernen“ entnahm er zum Beispiel einem eigenen Jugendgedicht. Die bedeutsamsten Änderungen nahm er in der am Ende des Textes vor. Er fügt dort die beiden Verse „Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte!“ und „Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!“ und wandelt den Schluss in tiefgreifender Weise um. Dieser lautet bei Bethge nämlich: „Die Erde ist die gleiche überall, / Und ewig, ewig sind die weißen Wolken.“

    Mahler verfährt im Umgang mit der lyrischen Textvorlage so, wie er das grundsätzlich in allen Fällen tut, wo lyrischer Text, in Liedkomposition und Sinfonik, zur Grundlage oder Bestandteil von Musik wird: Leitendes Prinzip ist immer die von ihm intendierte musikalische Aussage, und der Text hat ihr – im Unterschied etwa zu Hugo Wolf - zu dienen und wird, falls er das nicht voll und ganz vermag, von ihm entsprechend umgestaltet.
    In diesem Fall, in der den Zyklus nicht nur beschließenden, sondern gleichsam sinnstiftenden, ihn zur finalen Aussage in der ihm zugrundeliegenden Thematik „Vergänglichkeit und Sein zum Tode“ führenden Musik geht es um das Thema „Freundschaft“, und dies in der Situation von erwartungsvoller Begegnung und endgültigem Abschied.
    Das in allen fünf vorangehenden Kompositionen mehr oder weniger explizit angesprochene, aber allemal ihr Fundament bildende Thema „Vergänglichkeit“ ist also auch hier Gegenstand der Musik, nun aber, wie allein schon der lyrische Text erkennen lässt, auf höchst ausführliche, gleichsam alle seine Dimensionen aufgreifende Weise.

    Eben deshalb ist er, obgleich wesenhaft lyrisch, in seiner sprachlichen Grundstruktur narrativ angelegt. Das lyrische Ich „steht hier“ und harrt seines Freundes, harrt seiner zum letzten Lebewohl und bekennt, dass es sich „sehne“, „o Freund, an deiner Seite“. In dieser Situation des „Harrens“ schildert es in ausführlichen lyrischen Bildern die es umgebende Welt in der Weise, wie sie ihr begegnet: Als eine des Endes von Tagesweltlichkeit, in die nun der Abend niedersteigt „mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.“
    Alle diese Bilder sind, von keinerlei Untergangs-Schatten angehaucht, „die Erde atmet voll von Ruh´ und Schlaf.“ Anders aber ist das bei diesem Ich. Sein „Harren“ ist eines „zum letzten Lebewohl“, und auch wenn es, mit der Laute auf und nieder wallend, in den Ruf ausbricht „O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunk´ne Welt“, so deutet sich in der Wendung „zum letzten Lebewohl“ ganz zart und behutsam das Thema „Vergänglichkeit und Ende im Tod“ an, das im zweiten Teil explizit wird.

    Der Vers „Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk des Abschieds dar“, bei dem Mahler aus dem „Ich“ Bethges ein „Er“ machen musste, lässt den Montage-Charakter des Gesamttextes erkennen, der nicht so recht passend ist, denn mit einem Mal gibt es nun einen lyrischen Erzähler in der dritten Person. Dieser „Er“, der nun Abschied nehmen muss, bringt im Text den Umschlag mit sich, in dem sich die zentrale Thematik dieses den Zyklus beschließenden und ihn zu seiner finalen Aussage führenden Orchester-Satzes konstituiert: Die Ambiguität der Erfahrung von lebensweltlicher Schönheit und Endlichkeit im Sein zum Tode. Diesem „Er“ war das „Glück“ auf dieser Welt „nicht hold“, er sucht „Ruhe für sein „einsam Herz“, er sucht sie in der „Heimat“, seiner „Stätte“, und der lyrische Text lässt keinen Zweifel daran zu, dass es die Ruhe im Tod ist, die er sucht.

    Dass diese Ambiguität für Mahler tatsächlich das zentrale Thema dieses sechsten Satzes ist, zeigt sich in den Änderungen, die er am Schluss des Bethge-Textes vorgenommen hat. In den Worten, die er diesem „Er“ in den Mund legt, „Die liebe Erde allüberall / Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu! / Allüberall und ewig blauen licht die Fernen!“, knüpft er ganz bewusst an die Schönheit der lyrischen Bilder an, die das lyrische Ich in seinem „Harren“ im ersten Textteil äußerte. Nur dass es dieses Mal die eines Menschen sind, der in den Tod gehen will.
    Wie nun aber das von Mahler aus dem Kontext herausgelöste, dort adjektivische Funktion ausübende Wort „ewig“ in der Exposition, die er ihm als Schlusswort verliehen hat, letzten Endes zu verstehen ist, das ist nur aus der musikalischen Gestalt zu erkennen, die er ihm verliehen hat. Aus der Tatsache, dass er es in der Musik acht Mal auftreten lässt, darf man wohl getrost schließen, dass hier die Antwort auf die im „Lied von der Erde“ aufgeworfenen existenziellen Grundfragen zu finden sein wird.

    Die nachfolgende Betrachtung dieser Musik wird sich auf diese Frage konzentrieren: Was hat Mahler in seinem „Lied von der Erde“ zu diesem um die Problematik „Schönheit des Lebens“ und „Vergänglichkeit im Sein zum Tode“ kreisenden Fragen-Komplex letzten Endes zu sagen?
    Die Konzentration darauf hat zur Folge, dass der Aspekt Anlage und Grundstruktur der Komposition weitgehend unberücksichtigt bleibt. Die Textur soll nur dort einer analytischen Betrachtung unterzogen werden, wo das zur Ermittlung der Aussage der Melodik und des Orchestersatzes erforderlich ist.
    Angemerkt sei nur, dass es bei dieser letzten Komposition des Zyklus keine Anmutung von Liedhaftigkeit mehr gibt, wie das ja bei den Stücken zwei bis fünf durchaus der Fall ist. Wenn im Hinblick auf diese Zweifel bestehen können, ob es sich beim „Lied von der Erde“ um ein liedkompositorisches oder ein sinfonisches Werk handelt, so räumt „Der Abschied“ diesen auf klare Weise aus: Hier liegt ein wesenhaft sinfonisches Werk vor, bei dem man sogar eine entsprechende Binnengliederung ausmachen kann:
    Exposition I (Takt 1 bis 136)
    Exposition II (Takt 137 bis 287)
    Zwischenspiel in der Funktion einer Durchführung (Takt 288 bis 373)
    Reprise (Takt 374 bis 572)
    Bei Mahlers „Das Lied von der Erde“ liegt also, und darin ist sich die Forschung weitgehend einig, ein historisch singulärer Fall einer Einheit von Symphonie und Orchesterliederzyklus vor.


  • „Der Abschied“. Zur Faktur der Komposition und ihrer musikalischen Aussage

    Der Einsatz der Musik in Gestalt eines der melodischen Linie der Singstimme vorausgehenden achtzehntaktigen Vorspiels ist vielsagend, was die Aussage des ganzen Werkes anbelangt. „Schwer“ lautet die Vortragsanweisung. Und in der Tat mutet die Musik auf geradezu bedrückende Weise „schwer“ an, wobei bemerkenswert und hinsichtlich des kompositorischen Grundkonzepts von Mahler typisch ist, dass diese Anmutung nicht durch einen komplexen Orchestersatz zustande kommt, sondern geradezu durch sein Gegenteil, einen auf wenige Orchester-Stimmen reduzierten:
    Auf die von Oboe, Kontrafagott, Horn, Tamtam, Harfe, Celli und Kontrabass, zu denen erst ab Takt zehn die der ersten Violinen hinzutreten.
    Der klangliche Eindruck von „Schwere“ kommt dadurch zustande, dass sich im harmonischen Raum von c-Moll und f-Moll kaum musikalische Bewegung ereignet. In den halbtaktig lang gehaltenen extrem tiefen Kontra-C von Tamtam, Harfe, Cello und Kontrabass fallen nur die Hörner mit kläglichen, weil lang gehaltenen verminderten Terzen und die erste Oboe mit einer Doppelschlag-Figur aus Zweiunddreißigsteln mit nachfolgender Dehnung ein. Später dann noch die Violinen mit einer ebenfalls wehmütig anmutenden Legato-Sekundfall- Figur.

    Das ist, wie sich in der Folge herausstellen wird, mit dem wie aus einer Grabesgruft kommenden Tamtam-Schlag eine Einführung in den Grundcharakter der Musik dieses letzten Orchesterliedes. Und die sie prägenden Figuren klingen darin schon auf: Der Doppelschlag und der doppelte Sekundfall. Sie werden in Gestalt vielfältiger Varianten in Melodik und Orchestersatz permanent gegenwärtig sein, und dies häufig in gleichsam kontrapunktischer Funktion. Schon im Vorspiel wollen sie auf eindrückliche Weise sagen: Hier, in diesem letzten sinfonischen Lied geht es um wirklich Großes: Leben und Tod nämlich, und damit um das Thema mit dem sich das „Lied von der Erde“ kompositorisch auseinandersetzt.

    Die in Takt 19 einsetzende melodische Linie auf den Worten „Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge“ ist ganz und gar vom Sekundfall geprägt, - dem doppelten, einfachen und in Moll-Harmonik gebetteten. Und sie atmet rezitativischen Geist. Die Vortragsanweisung lautet: „in erzählendem Ton, ohne Ausdruck“. In zwei Sekundschritten senkt sie sich von einem „G“ zu einem tiefen „Es“ ab, geht danach wieder in einen Anstieg über, aber nur um bei Gebirge erneut in einen, nun gedehnten, Sekundfall in mittlerer Lage überzugehen. Diesen deklamatorisch-rezitativischen Gestus behält die Singstimme bei, auch wenn sich die tonale Ebene der melodischen Linie auf den Worten der beiden nachfolgenden Verse auf mittlere Lage anhebt. Bei „mit seinen Schatten“ beschreibt sie gar einen Sextsprung zu einem hohen „F“, aber auch hier folgt sie dem ihr innenwohnenden Geist des Falls und vollzieht auf den Worten „die voll Kühlung sind“ eine gedehnte Kombination aus Quintfall und Terzsprung.

    Es ist viel von stiller Trauer erfüllte Einsamkeit in dieser Aussage des lyrischen Ichs, und Mahler bringt das nicht nur in der Struktur und der Moll-Harmonisierung der melodischen Linie zum Ausdruck, sondern auch dadurch, dass er sie von ebenso einsamen Figuren der Flöte begleiten lässt. Nur das Cello darf dazu noch ein permanent gehaltenes tiefes Kontra-C beitragen, und das am Ende „morendo“. Alle anderen Orchesterstimmen schweigen. Erst im fünftaktigen Nachspiel dürfen die Oboen ihr Doppelschlag-Motiv wieder erklingen lassen, die Klarinetten Terzen-Triller-Figuren, die Hörner fallend angelegte Folgen von Achtelterzen und die Harfe ihr abgrundtiefes Kontra-C. Und all das atmet eine geradezu bedrückend anmutende Moll-Wehmut. Es ist offenkundig, dass dem lyrischen Ich, das sich hier melodisch äußert, eine schwere Last auf der Seele liegt.

    Das „Oh sieh!“, mit dem es anschließend auf emphatische Weise in eine nun in C-Dur harmonisierte und gerade zu arios anmutende Melodik ausbricht, scheint erst einmal dagegen zu sprechen. Aber es zeigt sich: Das lyrisch Ich ist von der Schönheit der es umgebenden abendlich naturhaften Welt tief beeindruckt. Und Mahler legt, wie sich alsbald zeigen wird, deshalb so großen Wert darauf, dieses Beeindruckt-Sein in eine rundum idyllisch-schöne Musik zu betten, weil damit die zentrale Thematik des „Liedes von der Erde“ und seines letzten Satzes angesprochen ist: Die Schönheit einer naturhaften Lebenswelt, die den sie erlebenden Menschen so tief zu beglücken vermag, gleichwohl aber, ihm darin dasselbe bedeutend, wesenhaft vergänglich ist.

  • „Der Abschied“ (2)

    Bei den Worten „O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt der Mond“ geht die melodische Linie, nun in C-Dur harmonisiert, mit einem Sextsprung zu einer sehr langen, den Takt um ein Viertel überschreitenden Dehnung auf einem hohen „E“ über, die eben dieses tiefe Beeindruckt-Sein des lyrischen Ichs vernehmen lässt. Danach beschreibt sie einen ruhigen, nämlich im Wert von Vierteln erfolgenden zweischrittigen Sekundfall, um danach erneut einen Sprung zu vollziehen, dieses Mal über das Intervall einer Quarte zu einer Dehnung auf einem hohen „F“, der deshalb so ausdrucksstark wirkt, weil er mit einer Rückung in die Subdominante F-Dur einhergeht. Nun empfindet man das sogar als Ausdruck einer über das Beeindruckt-Sein hinausgehenden Verzückung, und die nachfolgende, sich über eine ganze Oktave erstreckende und nun wieder in C-Dur harmonisierte Abwärtsbewegung der melodischen Linie, die sich am Ende über einen Terzsprung wieder zu einer Dehnung auf „Mond“ erhebt, mutet wie ein großes Ausatmen an.

    Und der so tief beeindruckende Ausdruck von Verzücktheit in der melodischen Linie hält an. Nach einer Viertelpause setzt sie auf den Worten „am blauen Himmelssee herauf“ ihre Bewegung, die durchweg im Pianissimo erfolgt, im arios-expressiven Gestus des Sprungs in hohe Lage mit nachfolgendem Fall fort. Dies einsetzend mit dem gleichen Sprung über eine Sexte wie beim ersten Mal, einer nachfolgenden, nun aber in tiefere Lage führenden Fallbewegung, einer deshalb noch ausdrucksstärkeren, weil nun über eine Septe erfolgenden mit einer harmonischen Rückung nach G-Dur verbundenen Aufgipfelung in der Dehnung auf die hohen „F“ auf der Silbe „-see“. Der über einen zweischrittigen, anfangs verminderten Sekundfall erfolgende Übergang zu einer langen Dehnung auf dem Wort „herauf“ geht zwar mit einer Rückung nach C-Dur einher, das nachfolgende viertaktige Zwischenspiel der Holzbläser in Gestalt von fallend angelegten und Wehmut atmenden Achtelfiguren erfolgt aber in c-Moll, worin sich andeutet, dass die Erfahrung von friedlich-schöner Abendwelt in einen seelischen Innenraum trifft, in dem es ein friedvolles In-sich-Ruhen nicht gibt. Dort herrscht Erwartungshaltung, die mit Abschied einhergeht.

    Und prompt lässt die melodische Linie bei den Worten „Ich spüre eines feinen Windes Weh´n / Hinter den dunklen Fichten“ von ihrem ariosen Gestus ab und geht zu einem ostinatohaft statisch anmutenden und in c-Moll gebetteten über: Einem permanent repetierenden und in einer langen Dehnung auf „Wehn“ endenden Auf und Ab im Intervall einer Quarte, dem nach einer halbtaktigen Pause eine triolische Tonrepetition auf dem gleichen „G“ nachfolgt, von dem aus sich die Quartsprünge ereigneten. Sie geht am Ende bei den Worten „dunklen Fichten“ in ein ebenfalls repetierendes, nun aber gedehntes und in hoher Lage erfolgendes Auf und Ab über das Intervall einer Terz in hoher Lage über.

    Hier wird die melodische Linie nicht mehr, wie das bei ihrer ariosen Entfaltung der Fall war, von den Celli in all ihren Bewegungen begleitet und gleichsam eingebettet, nur noch die Klarinetten lassen dunkel und dumpf anmutende und sich in tiefe Lage absenkende Sechzehntelfiguren erklingen, denen sich solche der ersten Flöten in hoher Lage auf klanglich schrille Weise mit den Doppelschlag-Figuren zugesellen. Die Aussage des lyrischen Ichs wirkt hier wie auf einsame Weise in einen fast leeren Raum gesetzt. Die Flöten und das Kontrafagott lassen im Nachspiel eine wehmütig wirkende, weil fallend angelegte Folge von Sechzehnteln erklingen, an die sich die Celli mit einer ruhig sich absenkenden Legato-Fallfigur anschließen. In einem lang gehaltenen f-Moll-Quartsextakkord, dem eine fermatierte Pause nachfolgt, endet diese Passage des Satzes.

    „Sehr mäßig“ lautet die Anweisung für die nachfolgende, mit Takt 55 einsetzende Musik. Sie besteht, bis die Singstimme in Takt 71 mit ihrem Vortrag beginnt, aus nichts anderem als einem permanenten triolischen Auf und Ab von Vierteln in tiefer Lage der Flöten und der Harfe, in das die Oboe die Doppelschlagfigur hineinsetzt, aus der heraus sich eine ländlich-lieblich anmutende melodische Linie entfaltet, die in F-Dur mit Rückungen zur Dominante C-Dur harmonisiert ist und wohl eine Evokation der naturhaften Szene darstellt, die das lyrische Ich von Vers acht an besingt. Das geschieht bei den Worten „Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel“ in Gestalt einer in wunderbarem Legato von langen Dehnungen aus der tonalen Ebene eines tiefen „E“ bis zu einem hohen „F“ ansteigenden melodischen Linie, die sich, „sempre pp“ und in C-Dur gebettet, bei den Worten „durch das Dunkel“ wieder in ruhig gebundener Weise in mittlere Lage absenkt, um nach einer ganztaktigen Pause bei den Worten „die Blumen blassen im Dämmerschein“ unter Beibehaltung des deklamatorischen Gestus zwei Mal eine Anstiegsbewegung zu beschreiben, die beim ersten Mal noch in einen gedehnten Quintfall übergeht, beim zweiten Mal aber in einer langen Dehnung auf einem „D“ in oberer Mittellage endet. Erst wird sie nur von der Harfe begleitet, später treten die Flöten hinzu, um den Bewegungen der melodischen Linie zu folgen.

    Viel klangliche Idyllik wohnt dieser stark melodisch geprägten Musik inne, wie das ja immer wieder bei Mahler der Fall ist, wenn sie die Begegnung mit naturhafter Lebenswelt reflektiert. Gleichwohl meint man darin einen Unterton von Wehmut zu vernehmen, und das in Takt 81 mit einem ausdrucksstarken Portamento-Bogen der zweiten Violinen „etwas bewegter“ einsetzende und sich über zwanzig Takte erstreckende Zwischenspiel mutet in seiner Moll-Harmonisierung und dem „etwas drängend“ werdenden, durch die Legato-Bögen der ersten Violinen zum Ausdruck gebrachten Gestus der Entfaltung so an, als würde es diesen Unterton aufdecken.
    Er entspringt der seelischen Grundhaltung des lyrischen Ichs, die schon mit der Erwähnung der Menschen anklingt, die „heimwärts gehen“, „um im Schlaf vergeß´nes Glück und Jugend neu zu lernen!“ Dass das lyrische Ich aus seiner so idyllischen Erfahrung von Natur zu diesem Bild übergeht, verrät eine tiefe Sehnsucht nach einer Lebenswelt, aus der es ausgeschieden ist, - in seinem „Harren eines Freundes“, das eines des „letzten Lebewohls“ ist.

    Mahler bringt das in der Melodik auf diese Worte auf beeindruckende Weise zum Ausdruck. Bei den Worten „Die müden Menschen geh´n heimwärts“ geht die melodische Linie, nun im weitab liegenden cis-Moll harmonisiert, zu einer stockenden, in minimalem Ambitus verbleibenden Entfaltung über. Auf eine dreimalige Tonrepetition auf der tonalen Ebene eines „Gis“ in tiefer Lage folgt ein gedehnter Sekundfall zurück auf diese Ebene, und bei den Worten „geh´n heimwärts ereignet sich nach einer halbtaktigen Pause ein nun in Gis-Dur harmonisierter schlichter gedehnter Sekundfall von einem „Cis“ zu einem „His“ in mittlerer Lage. Und auch bei den Worten „um im Schlaf vergeß´nes Glück“ mutet die melodische Linie an, als könne sie sich aus ihrem schwerschrittigen Verharren in tiefer Lage nur gerade mal lösen, um mit einem Legato-Quartsprung in einen Sekundfall auf dem Wort „Glück“ überzugehen, es damit in die klangliche Aura von Unerreichbarkeit rückend. Auf den Worten „und Jugend neu zu lernen“ setzt die melodische Linie mit einem auftaktigen Quintsprung ein und geht, versehen mit der Vortragsanweisung „espress“, auf „Jugend“ in eine Kombination aus Sekund- und gedehntem Terzfall über, um sich danach wie müde wieder zur tonalen Ebene eines tiefen „F“ abzusenken.

  • „Der Abschied“ (3)

    Was sich nun, von Takt 130 an, ereignet, hat Th.W. Adorno mit dem Begriff „Zusammenbruch“ versehen. Die Klarinetten lassen einen Sturz von Achteln aus hoher in extrem tiefe Lage erklingen, die ersten Violinen Fallfiguren in hoher Lage, die zweiten und die Hörner Tremoli und anschließend setzen die Hörner die Doppelschlagfigur in einen lang gehaltenen Ton der Harfen und der Klarinetten in tiefer Lage.
    Die Musik evoziert die Situation einer ein wenig unheimlich anmutenden Stille, in der die Singstimme mit den Worten einsetzt: „Die Vögel hocken still in ihren Zweigen“. Das geschieht pianissimo auf einer ruhig aus mittlerer in hohe Lage aufsteigenden und in F-Dur harmonisierten melodischen Linie, die nach einer Viertelpause bei „in ihren Zweigen“ einen Fall bis zu einem gedehnten tiefen „D“ vollzieht, den die Solo-Violine zusammen mit den „übrigen“ mit einem triolischen Auf und Ab im Intervall einer Terz begleitet.
    Und nun erklingt, im Fortissimo ausgeführt von den Flöten, lustig-schelmisches Vogelgezwitscher, ein Sechzehntel-Absturz bei den Oboen und Klarinetten folgt nach, den die Fagotte bis in sehr tiefe Lage fortsetzen. Ein zwei Takte lang gehaltener abgrundtiefer Ton erklingt, hervorgebracht von den zweiten Hörnern und begleitet mit einem Pianissimo-Quart- und Terzsprung der ersten.
    Die Welt ist eingeschlafen.

    Da hinein deklamiert die Singstimme, nur von einer einsamen Flöte mit einer eigenen Melodie begleitet, „sehr gleichmäßig“ und „nicht eilend“ die melodische Linie auf den Worten „Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten“. Ihr wohnt die Anmutung von kühler Ruhe inne, in ihrem in a-Moll gebetteten repetitiven Sich-Absenken über eine Sekunde in tiefe Lage und dem nachfolgenden Wiederanstieg, der es gerade Mal zur tonalen Ebene eines tiefen „F“ schafft, um dort auf „Fichten“ einen gedehnten Sekundfall zu beschreiben. Und auf den nachfolgenden Worten „ich stehe hier und harre meines Freundes“ behält sie diesen deklamatorischen Gestus bei, erreicht in ihrem neuerlichen Anstieg zwar die Ebene eines „A“ in mittlerer Lage, bringt es aber in ihrer Müdigkeit gerade mal zu einem verminderten gedehnten Sekundfall auf dieser Ebene bei dem ja doch ein so großes affektives Potential aufweisenden Wort „Freundes“.
    Und die nachfolgenden Worte legen offen, warum das so ist. Das lyrische Ich bekennt: „Ich harre sein zum letzten Lebewohl“. Und das tut es auf einer geradezu bedrückend anmutenden melodischen Linie. Denn diese senkt sich, weiterhin in Moll-Harmonik gebettet, in mehrmaligen partiell gedehnten Fallbewegungen bis zur tonalen Ebene eines tiefen „D“ hin ab, um von dort auf dem Wort „Lebewohl“ dann doch noch, seinen semantischen Gehalt reflektierend, einen in eine Dehnung übergehenden Terzsprung zu beschreiben.

    Bevor das lyrische Ich die Selbstaussprache fortsetzen und darin zum Kern seiner seelischen Befindlichkeit kommen kann, baut sich bei den Flöten und den Streichern zögerlich wie in Anlaufschritten eine melodische Linie auf, die sich danach, geführt von den ersten Violine, in B-Dur mit Rückung nach c-Moll harmonisiert und eingeleitet mit einem in hohe Lage ausgreifenden Bogen auf höchst eindrückliche Weise entfaltet. Es ist, wie sich alsbald herausstellt die melodische Linie, in der sich das lyrische Ich von Takt 198 an mit den Worten „Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite“ ausspricht und darin in eben diesem Bogen, der als triolischer Anstieg in ruhigen deklamatorischen Schritten im Wert von halben Noten angelegt ist, hohe bekenntnishafte Eindrücklichkeit aufweist. Und da sich das auf den Worten „Die Schönheit dieses Abends zu genießen“ fortsetzt, entfaltet das Orchester nun unter Beteiligung von Holz- und Blechbläsern, Violinen und Bratschen-Tremoli sich steigernde Expressivität.

    Die Frage „Wo bleibst du?“ wird forte auf einer Kombination von Terzsprung und gedehntem Quartfall in hoher Lage auf eine Weise zum Ausdruck gebracht, die tiefe seelische Not vernehmen lässt. Und die nachfolgende melodische Fallbewegung auf den Worten „du läßt mich lang allein“, die wieder in lang gedehnten deklamatorischen Schritten erfolgt und sich über das Intervall einer Septe bis zur tonalen Ebene eines tiefen „F“ erstreckt, verstärkt diesen Eindruck, zumal das begleitende Orchester sich hier bis zum Fortissimo gesteigert hat.

    Dann aber geht es, sich auf die Flöten, die Harfe, die Violinen und die Bratschen zurücknehmend, wieder in den stockenden Gestus im Piano über, den Sachverhalt einleitend, dass das lyrische Ich sich ebenfalls mit den Worten „Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute“ in eine eher introvertierte Haltung zurückzieht. Die melodische Linie mutet, weil sich in drei kleinen, von Zweiviertelpausen gerahmten Zeilen des Terzanstiegs aus tiefer Lage entfaltend und erst bei „Laute“ zu einem in B-Dur harmonisierten Bogen in hoher Lage übergehend, ebenfalls stockend an. Die Worte „Auf Wegen, die vom weichen Grase schwellen“ lassen aber wieder ein Angerührt-Sein des lyrischen Ichs von der es umgebenden Natur erkennen, und so geht die melodische Linie hier in einen sich über das große Intervall einer None erstreckenden, in ruhig gedehnten triolischen Schritten erfolgenden und am Ende zu einem lang gedehnten expressiven Bogen in hoher Lage übergehenden Aufstieg über, der aber ausdrücklich „pp“ vorgetragen werden soll.

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  • „Der Abschied“ (4)

    Dieses lyrische Ich ist in der Einsamkeit seines „Harrens“ auf den geliebten Menschen, das eines im Geist des Abschieds ist, ganz in sich selbst versunken. Und der von Mahler dem Text Bethges hinzugefügte Vers „Ich harre sein zum letzten Lebewohl“ verleiht diesem „Abschied“ die Anmutung der Endgültigkeit, wie sie aus der Entscheidung für ein Sein zum Tode hervorgeht. Der am Ende dieser Strophe, die ja auch eine musikalische ist, auf den Worten „O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunk´ne Welt“ sich ereignende Ausbruch aus der Innerlichkeit in die Emphase einer Forte-Melodik kann also nur als wehmütiger Lobpreis einer als schön und lebenstrunken erfahrenen Welt im Bewusstsein des Abschieds von ihr verstanden werden.

    Und die Musik bringt das so auch zum Ausdruck. Auf den Worten „o Schönheit“ liegt ein - „leidenschaftlich“ und forte vorzutragender - mit einem Legato-Quintsprung eingeleiteter lang gedehnter Sekundfall, dem eine halbtaktige Pause nachfolgt, bevor die melodische Linie in einen gewichtigen, weil in Schritten im Wert von Viertelnoten erfolgenden Anstieg übergeht, dem ein neuerlicher, nun sogar noch durch einen Sekundanstieg in seiner Expressivität gesteigerter gedehnter Fall in hoher Lage auf „Liebens“ nachfolgt. Und die mit einem aus einem Fortissimo-Akkord der Blechbläser hervorgehende Sechzehntel-Kette der Bratschen und Oboen eingeleitete melodische Linie auf den Worten „Lebens trunk´ne Welt“ stellt mit ihrem extrem lang gedehnten, fortissimo vorzutragenden und von den Violinen mitvollzogenen Fall von einem hohen „Es“ bis hinab zu einem tiefen „E“ den in seiner hochgradigen Expressivität geradezu betroffen machenden Ausdruck schmerzlich wehmütigen Abschied-Nehmens dar.

    Ein Zwischenspiel folgt nach. Die ersten Violinen beschreiben einen sich hoch nach oben aufschwingenden melodischen Bogen, der in eine am Ende triolische, bis zu einem tiefen „B“ sich absenkende Fallbewegung übergeht. Im Englischhorn erklingt das Doppelschlag-Motiv, bei den Celli und der Kontrabässe ereignet sich ein abgrundtiefes Grummeln in Gestalt eines permanenten Auf und Abs im Intervall einer Terz, das Cello lässt danach eine anrührende, bogenförmig angelegte und in einem Sechzehntelfall endende Melodie erklingen. Nach einer eintaktigen Generalpause setzt das Englischhorn erneut die Doppelschlagfigur in den Raum, wieder erklingt das tiefe Grummeln in den Kontrabässen und den Celli, und dem ein klanglich finster anmutender Tamtam-Schlag nachfolgt. Das ereignet sich zwei Mal, gefolgt von der Doppelschlagfigur in Einheit mit fallend angelegter Melodik der Klarinetten.

    In diesem Gestus setzt sich die Musik des Orchesters fort, und vielsagend ist diesbezüglich, dass sich im Particell das Wort „Grabgeläut“ findet. Dieses Zwischenspiel leitet über zu dem in Takt 323 einsetzenden Trauermarsch. In seinem auffällig ausgedünnten Satz und der wie stockend, durch mehrere Fast-Generalpausen unterbrochenen Entfaltung mutet es an wie ein zögerliches Sich-Einfinden in das, was im nachfolgenden und umfangreichen, nämlich bis zu Takt 374 sich erstreckenden Trauermarsch geschieht:
    Die Hinführung zu dem, was sich in den beiden letzten, auf dem Text von Wang-Wie basierenden Strophen musikalisch ereignet.
    Es ist die letztgültige Antwort Mahlers auf die für ihn so hoch bedeutsamen Fragen, denen er sich in diesem Zyklus künstlerisch-kompositorisch gestellt hat, und die allesamt um das zentrale Thema Vergänglichkeit von Lebenswelt und existenzielles Sein zum Tode kreisen.

    Weil es hier primär eben darum geht und der Aspekt der allgemeinen Faktur der Komposition von sekundärer Bedeutung ist, soll auf die innere Anlage des „Trauermarschs“ nicht näher eingegangen werden. Er weist eine Binnengliederung von fünf Abschnitten auf, wobei in den ersten beiden die Holzbläser dominieren, im dritten die Violinen und sich im vierten die Marschmusik in eine Art Kulmination steigert, dergestalt, dass Streicher und Holzbläser in eine Art polyphonen Verkehr miteinander treten. Von Bedeutung ist, dass die ihm zugrundeliegende melodische Thematik keine zielgerichtete Entwicklung aufweist, vielmehr in eigenartiger Weise um sich selber kreist.
    Vielleicht kann man das so deuten, dass es aus der existenziellen Situation des Abschieds, der ja ein in den Tod führender ist, kein Entrinnen mehr gibt.

    In dumpf und finster anmutenden Klängen endet der Trauermarsch: Auf Terzfallbewegungen in c-Moll bei den Flöten und den Oboen folgen solche der Bassklarinetten, und der Harfen der Hörner in tiefer Lage, und derweilen erklingt, vielsagend bei Mahler, immerzu der dunkle Schlag des Tamtams. Und der setzt sich auch fort, während die melodische Linie nach der lang währenden Pause nun endlich wieder einsetzt, und dies „erzählend und ohne Espressivo“. Das geschieht auf den Worten „Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk des Abschieds dar“, denen tatsächlich ein aus der Perspektive einer dritten Person angelegter narrativer Gestus zugrunde liegt, und die damit in einen Gegensatz zu dem stehen, der bislang dem lyrischen Text zugrunde lag.
    Mahler wollte dies so, denn er hat das anfängliche „Ich“ bei Bethge durch ein „Er“ ersetzt und damit das Geschehen, das Gegenstand der beiden letzten lyrischen Strophen ist, auf eine gleichsam objektive Ebene gehoben. Dieses narrativ sich entfaltende Geschehen muss also einerseits als abgelöst von dem verstanden werden, das Inhalt der vorangehenden Strophen ist, andererseits ist es aber in seiner zentralen Thematik mit diesem aufs engste verbunden: Auch hier nimmt ein lyrisches Ich Abschied, - und wie dort einen endgültigen.

  • „Der Abschied“ (5)

    Die melodische Linie auf den ersten drei Versen der zweitletzten Strophe ist von Mahler ersichtlich ganz bewusst so angelegt, dass sie narrativen Geist atmet und darin auch vorgetragen werden kann. Sie verbleibt lange in gleichförmig-ruhig anmutenden deklamatorischen Schritten in mittlerer tonaler Lage und wird dabei von nichts anderem begleitet als von einem lang gehaltenen und von den Celli und den Kontrabässen hervorgebrachten „Es“ in tiefer Lage und den dumpfen Schlägen des Tamtams. Um allerdings den affektiven Gehalt der Frage zu erfassen, beschreibt die melodische Linie erst bei den Worten „wohin der führe“ erst einen Sekundschritt-Anstieg zu einem gedehnten hohen „Des“, dann einen zu einer Dehnung in noch höherer Lage führenden Sextsprung bei „warum“ und schließlich einen Fall in einem gedehnten Auf und Ab bei „es müßte sein“. Hier vollzieht die Harmonik, um eben diesen affektiven Gehalt der Frage zu reflektieren, eine Rückung vom vorangehenden As-Dur nach f-Moll.

    Nun erst, nachdem die Singstimme bei dem Wort „sein“ auf einem lang gedehnten „As“ in mittlerer Lage innehält, lassen die Fagotte das Doppelschlagmotiv in f-Moll-Terzengestalt erklingen, in das die Oboen die fallend-bogenförmig angelegte und in eine Dehnung mündende Sechzehntelfigur hineinsetzten, der auch eine leitmotivische Funktion im Sinne der Evokation schmerzlicher Wehmut zukommt. Sieben Takte lang steigert sich die Musik in Gestalt von Variationen immer mehr in diese beiden Figuren hinein und klingt schließlich in den Klarinetten und den Oboen aus. Nun setzt erneut die Singstimme mit den Worten „Er sprach, seine Stimme war umflort“ ein. Auf „er sprach“ liegt ein verminderter und in eine Dehnung mündender Terzsprung in tiefer Lage, der, weil er mit einer Rückung nach dem weitab liegenden Des-Dur einhergeht und von einer eintaktigen Pause gefolgt wird, starkes musikalisches Gewicht aufweist. Und in diesem Gestus der Bedeutsamkeit verbleibend liegt auf den Worten „seine Stimme war umflort“ eine, nun wieder in f-Moll harmonisierte viermalige Tonrepetition in tiefer Lage mit nachfolgendem Sekundanstieg und gedehntem Sekundfall der melodischen Linie, der der zweiten Silbe von „umflort“ starken Ausdruck verleiht.

    Und wieder folgt eine, nun sogar viertaktige, Pause für die Singstimme nach, in der das Orchester erst diesen Sekundfall aufgreift und dann klanglich wehmütig anmutende, von den Klarinetten und den Hörnern ausgeführte terzen- und sextenbetonte Fallfiguren erklingen lässt. Dieses lyrische Ich hat hinsichtlich der musikalischen Aussage des ganzen Schlusssatzes höchst Bedeutsames mitzuteilen, und Mahler hat die Melodik und den ihr zugehörigen Orchestersatz entsprechend angelegt. Den – immer häufiger und länger werdenden - Pausen in der melodischen Linie kommt dabei eine wesentliche Funktion zu, weil sie der einzelnen Aussage Gewicht verleihen, das jeweils von einzelnen Instrumentengruppen des Orchesters mit entsprechenden Figuren akzentuiert wird.

    Auf den Worten „Du mein Freund“ liegt ein sich über eine Septe erstreckender und in einer Dehnung auf der Ebene eines „D“ in tiefer Lage endender melodischer Fall, der mittels Dehnungen dem „du“ und dem „Freund“ einen Akzent verleiht. Eine fast eintaktige Pause folgt nach, bevor die melodische Linie auf den Worten „Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold“ ihre Bewegungen fortsetzt. Und selbst hier tritt in die weitgehend zunächst mit Tonrepetitionen in unterer Mittellage verbleibende, in C-Dur harmonisierte und nur bei den Worten „auf dieser Welt“ einen kleinen Bogen beschreibende melodische Linie nach „Welt“ eine Viertelpause, damit die Worte „das Glück nicht hold“ mittels eines Septsprungs und einer nachfolgend zwei Mal gedehnten und mit einer Zwischenrückung zur Dominante G-Dur einhergehenden Fallbewegung das ihnen gemäße Gewicht erhalten können. Schließlich benennt hier das lyrische Ich den Grund, warum es diese „diese Welt“ verlassen möchte: Sie vermochte ihm kein „Glück“ zu bringen. Mahler verleiht dieser Melodiezeile mittels einer Begleitung durch fallend angelegte Achtelfiguren der Oboen, der Englischhörner, der Klarinetten, der Violinen, der Bratschen und einem Sextfall in extrem tiefe Lage der Celli starken, überaus wehmütig anmutenden Ausdruck.

    Fünf Takte nimmt das Orchester mit einer Fortsetzung der Fallbewegungen und einem Gemurmel der Klarinetten in Gestalt von einem Auf und Ab von Sechzehnteln in tiefer Lage in Anspruch, bevor die melodische Linie die Frage „Wohin ich geh´?“ zum Ausdruck bringen kann. Das geschieht auf einer in tiefer Lage sich erst in einer Sekunde absenkenden, dann aber in zwei Sekundschritten sich wieder erhebenden melodischen Linie, wo bei sich eine Rückung von C-Dur in die Dominante ereignet, was dieser Frage großes Gewicht verleiht. Und was das lyrische Ich in den nachfolgenden Versen dazu in Gestalt eines Bekenntnisses auszuführen hat, ist ja schließlich auch von höchster Bedeutsamkeit.

    „Sehr ausdrucksvoll“ soll deshalb die melodische Linie vorgetragen werden, und sie ist immer wieder von Pausen unterbrochen, die einzelnen Aussagen in ihrer Bedeutsamkeit hervorheben. Auf den Worten „Ich geh, ich wand´re in die Berge“ setzt die melodische Linie wieder in tiefer Lage an, erhebt sich in – auf dem Wort „geh´“ gedehnten Sekundschritten nur über das Intervall einer Terz bis zu „wandre“, um danach wieder im Sekundfall bei „Berge“ zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren. Dabei ist sie in c-Moll harmonisiert, das am Ende nach F-Dur rückt, und in dieser nur mühsam aus Moll-Harmonik sich erhebenden und wieder in sich zusammenfallenden Melodik meint man große existenzielle Müdigkeit zu vernehmen.

  • „Der Abschied“ (6)

    Nach einer eintaktigen Pause, in der die Hörner eine Legato-Fallbewegung von einer Moll-Quarte zu einer Dur-Terz erklingen lassen, setzt die melodische Linie ihre Bewegungen auf den Worten „Ich suche Ruhe für mein einsam Herz“ fort. Nun kann sie nicht mehr in tiefer Lage verharren, denn diese Worte weisen einen zu hohen affektiven Gehalt auf. Und so setzt sie mit einem dem Wort „ich“ einen starken Akzent verleihenden Legato-Oktavsprung ein, und auch die Worte „suche“ und „Ruhe“ werden mit einem gedehnten Sekundfall und einem Legato-Sextsprung hervorgehoben. Auf noch gewichtigere Weise geschieht das aber bei den Worten „für mein einsames Herz“.

    Die melodische Linie senkt sich hier erst über das Intervall einer Septe bis zur tonalen Ebene eines tiefen „C“ ab , beschreibt dann bei „einsam“ eine lang gedehnte wellenartige, am Ende in einen Quintfall mündende Bewegung in deklamatorischen Achtelschritten, um sich bei „Herz“ aus der damit erreichten tiefen Lage wieder mit einem Sekundschritt zu einer Dehnung auf einem tiefen „C“ zu erheben. Diese – nun nicht von einer Pause unterbrochene – Melodiezeile bringt allein schon durch ihre spezifische Struktur tiefe emotionale Bewegtheit des lyrischen Ichs zum Ausdruck, und die Harmonik unterstützt das, indem sie immer wieder unruhige Rückungen von c-Moll nach F-Dur und G-Gur beschreibt, um am Ende wieder, eben bei der melodischen Dehnung auf dem Wort „Herz“, zum c-Moll zurückzukehren.

    Das Orchester kommentiert das mit einem Nachvollzug der melodischen Linie in ihren letzten deklamatorischen Schritten erst durch die Klarinetten und danach in Terzengestalt durch die Oboen. Das ist ganz typisch für die Funktion, die ihm in dieser Endphase von „Der Abschied“ zukommt: In stark reduziertem Satz die Melodik mittels der Harmonik des klanglichen Bettes und spezifischer Figuren vorwiegend der Holzbläser in ihren Aussagen zu akzentuieren und in den nachfolgenden Kommentaren in ihren affektiven Dimensionen auszuloten, wobei dies alles dynamisch im Bereich des Pianos und des Pianissimos geschieht. Bevor das lyrische Ich sein Bekenntnis mit den vielsagenden Worten „Ich wandle nach der Heimat“ fortsetzen kann, lässt das Orchester erst einmal dreizehn Takte lang ein Zwischenspiel erklingen, in dem erst die letzten Bewegungen der melodischen Linie aufgegriffen und variiert werden, dann aber bei den Klarinetten fortissimo ein in hoher Lage ansetzender Fall von Sechzehnteln erklingt, der in mittlerer Lage in Staccato-Repetitionen übergeht. Kläglich anmutende, weil fallend angelegte Sechzehntel-Figuren des Englisch-Horns und der Fagotte folgen nach. Eine fermatierte Pause lässt das Orchester innehalten.

    Nur mit einem einfachen triolischen Auf und Ab im Intervall einer Terz setzt die Musik, „sehr mäßig“ vorzutragend und zunächst nur vom Englisch-Horn ausgeführt, wieder ein. Die Klarinetten und die Harfe treten hinzu, die ersten Violinen lassen das Doppelschlag-Motiv erklingen, und dann setzt die Singstimme mit den von Mahler dem Bethge-Text hinzugefügten und deshalb eine besondere Bedeutung aufweisenden Worten ein: „Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte!“ Sie wird darin mit der Grundfigur begleitet, die ihr im Vorspiel vorausging, nur die Violinen lassen nun eine eigene, sich in langen Dehnungen ergehende Melodie erklingen.

    Die der Singstimme entfaltet sich „sehr zart und leise“ in einem überaus beeindruckenden Legato-Gestus, beschreibt in ruhigen Schritten einen Aufstieg hin zu einer langen Dehnung auf „Heimat“, um nach einer halbtaktigen Pause bei den Worten „meiner Stätte“ in eine – wiederum stark gedehnte – Kombination aus triolischem Sekundfall, Wiederanstieg und Terzfall hin zu einem gedehnten „B“ in mittlerer Lage zu beschreiben.
    Hier geht die Harmonik von dem vorangehenden F-Dur nach C-Dur über, und das verleiht, zusammen mit der vorgelagerten Pause und der Struktur der melodischen Linie den Worten „meiner Stätte“ ein besonderes Gewicht. Das kommt ihnen zu, weil Mahler diese „Stätte“ als den Ort verstanden wissen will, an dem das lyrische Ich zur endgültigen Ruhe findet.

    Die nachfolgenden, ebenfalls von Mahler stammenden Worte „Ich werde niemals in die Ferne schweifen. / Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!“, die auf einer in sich geschlossenen, nur von einer Viertelpause nach „niemals“ und „schweifen“ kurz unterbrochenen melodischen Linie deklamiert werden, liefern gleichsam die Bestätigung dafür. Sie setzt, nun begleitet mit reicherem Orchesterklang, hervorgebracht von den Holzbläsern, den Hörnern, den Violinen und den Bratschen mit Tremoli, mit einem Aufschwung-Gestus mit gedehntem und das Wort akzentuierendem Sekundanstieg auf „niemals“ ein, nimmt nach der Pause wieder einen Anlauf zu einem neuerlichen, nun eine Terz höheren gedehnten Sekundanstieg auf „schweifen“, verharrt bei den Worten „still ist mein Herz“ in einer Tonrepetition mit Terzfall-Dehnung, um schließlich in einer emphatischen, in hoher Lage ansetzenden und in einem gedehnten Sekundfall endenden Fall den Worten „und harret seiner Stunde“ starken Ausdruck zu verleihen.

    Es ist die Stunde des Todes, die damit angesprochen wird, und das Orchester unterstreicht das, indem die Flöten und die Oboen eine bogenförmige, in einen Akkord mündende Aufwärtsbewegung von Vierteln und Achteln erklingen lassen und die Harmonik, die lange im Moll-Bereich (g-Moll und d-Moll) verharrte, nun eine Rückung von F-Dur zur Dominante C-Dur beschreibt.

  • „Der Abschied“ (7)

    Wieder tritt eine Pause in die Melodik, nun sogar eine längere, am Ende in ein lang gehaltenes, mit einer Fermate versehenes und von den Violinen eindringlich ausgeführtes hohes „E“ mündende. Zuvor lassen sie, nach lang gehaltenen akkordischen Klängen, einen bedeutsam anmutenden, weil gewichtig in Gestalt von halben Noten auftretenden Sekundanstieg erklingen. Es eröffnen sich damit gleichsam die Pforten für das, was nachfolgt: Die letzten Worte dieses sich auf den Weg zur letzten Ruhestätte machenden lyrischen Ichs. Und diese Worte sind bemerkenswert, weil in Anbetracht der Situation, in der sie geäußert werden, unerwartet, geradezu überraschend.
    Dieses sich dem Tod, also dem endgültigen Verlassen seiner Lebenswelt anheimgebende lyrische Ich bricht in einen regelrechten Jubel und Lobpreis dieser Lebenswelt aus, und die Musik verleiht dem einen emphatischen Ausdruck, verbleibt dabei allerdings in Gestalt eines stark reduzierten, sich auf den Beitrag einzelner Stimmen beschränkenden Satzes durchweg im Bereich von Dur-Harmonik und Piano-Dynamik, um schließlich im Pianissimo zu enden.

    Auf den Worten „die liebe Erde“ liegt eine überaus ausdrucksstarke, auf eben diesem hohen „E“ der Streicher, in dem das Zwischenspiel endet, in Gestalt einer extrem langen Dehnung ansetzende und erst am Ende des zweiten Taktes in einen wiederum lang gedehnten zweischrittigen Sekundfall übergehende melodische Linie, die in einer Rückung von G-Dur nach C-Dur harmonisiert ist, von den ersten und zweiten Violinen mitvollzogen und von den Harfen mit Arpeggien begleitet wird. Erst nach einer fast ganztaktigen Pause trägt die Singstimme die melodische Linie auf dem Wort „allüberall“ vor, und diese beschreibt, darin der hochgradigen Emphase folgend, auf die die Musik nun ausgerichtet ist, einen über das große Intervall einer Septe sich erstreckenden und in Sekundschritten erfolgenden Anstieg, der in einem gedehnten, wieder zu diesem hohen „E“ zurückkehrenden Sekundfall endet.

    Es ist der Ausdruck großer innerer Verzücktheit und eines entsprechenden Jubels, was man hier vernimmt. Und das lyrische Ich fährt in dieser Haltung bei der Deklamation der melodischen Linie auf den Worten der nachfolgenden Verse nicht nur fort, es steigert sich sogar darin noch. Bei der Deklamation der Worte „Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu“ verbleibt die Singstimme in Gestalt von lang gedehnten und nur um Sekunden nach oben und unten abweichenden Legato-Schritten in hoher Lage und behält diesen Gestus bei der nach einer Viertelpause einsetzenden und nun in einer Rückung vom vorangehenden F-Dur nach B-Dur harmonisierten melodischen Linie auf dem neuerlichen „allüberall“ bei.

    Zu welch extremer Weite Mahler hier, in dieser Schlussphase der Musik von „Der Abschied“, die Melodik in Legato-Gebundenheit sich entfalten lässt, zeigt sich daran, dass sie nun auf diesem kleinen Wort sieben Takte überspannt, - dabei sich in mittlerer tonaler Lage langsam, weil partiell sogar nur in Halbtonschritten, von einem „C“ zu einem „A“ absenkend. Sie wird dabei nun von den Violinen und den Harfen, die zuvor noch mitsamt den Holzbläsern und Posaunen in Akkorden verharrten, mit einem in extrem hohe Lage aufschießenden Viertel-Bogen begleitet und auf diese Weise in ihrer Aussage mit einem starken Akzent versehen.

    Diesem im lyrischen Text ja eigentlich nur eine adverbiale Rolle spielenden Wort „allüberall“ verleiht Mahler durch musikalische Exposition, extreme melodische Dehnung und eine starke Akzentuierung im Orchestersatz deshalb ein so großes Gewicht, weil es in ihm um das Wesen der „schönen Erde“ geht. Das lyrische Ich, das sie verlassen will, tut das im Wissen darum, gar im jubelnden Lobpreis dieser schönen, im Lenz immer aufs Neue ergrünenden Erde. Und das ist für Mahler von höchster Bedeutung, die Thematik des „Liedes von der Erde“ und seine zentrale Aussage betreffend, worin dem Thema „Abschied“, dem Gegenstand der umfangreichsten Schluss-Komposition, die maßgebliche Rolle zukommt. Erstmals wird dieses Thema in den Worten „Ich harre sein zum letzten Lebewohl“ angesprochen, dort allerdings noch in einem personalen Bezug. Nun aber ist es in seiner Dimension und seiner existenziellen Relevanz ins Grundsätzliche ausgeweitet: Als Abschied von der menschlichen Lebenswelt.

    Die kompositorische Anlage der Schlusspassage von „Der Abschied“ ist, was die von Mahler stammende Textgrundlage und ihre Umsetzung in Musik anbelangt, in ihren klanglichen und diesen immanenten philosophischen Dimensionen hochgradig vielsagend und beeindruckend. Ich meine darin Mahlers pantheistische Gläubigkeit zu vernehmen. Die Art und Weise, wie das Wort „allüberall“ in Musik umgesetzt wird, wie dies danach mit den Worten „und ewig blauen licht die Fernen“ geschieht, und wie sich schließlich die Musik auf dem acht Mal deklamierten Wort „ewig“ gleichsam in die Unendlichkeit ausweitet, um schließlich, darin ganz konsequent, in der harmonischen Offenheit zu enden, bestärkt mich in dieser Rezeption der „Das Lied von der Erde“ beschließenden Komposition.

    Dieses sich hier am Ende in den Worten Mahlers äußernde lyrische Ich kann, ausweislich der Musik, in der es das tut, leichten Herzens von dieser Erde „Abschied“ nehmen, weil es weiß, sich sogar sicher ist, dass Leben und Tod als Einzelereignisse eingebunden sind in den ewigen Kreislauf der Natur, der menschliche Tod als individuelles Ausscheiden aus dem Leben also kein in das Nichts führendes Ereignis ist, vielmehr den Beginn neuen Lebens in sich birgt.

  • „Der Abschied“ (8)

    Wie sagt die Musik das?
    Das soll in einer in einer Betrachtung ihrer spezifischen Gestalt auf den letzten lyrischen Worten aufgezeigt werden. Auf dem ersten „und ewig“ steigt die melodische Linie, piano ansetzend, aber sich mit einem Crescendo ins Sforzato steigernd und in As-Dur harmonisiert, mit einem Quartsprung zu einem hohen „Es“ auf, um sich dort einem geradezu endlos anmutenden, nämlich vier Takte einnehmenden Legato-Fall zu einem eine Sekunde tiefer liegenden und mit einer harmonischen Rückung nach G-Dur einhergehenden „D“ hinzugeben. Und dies, um gleich danach diesen Fall in der Wiederholung des Wortes „ewig“ in gleichsam verkürzter, aber immer noch gedehnter Gestalt auf einer um eine Sekunde abgesenkten tonalen Ebene zu wiederholen. Das mit aufsteigenden Sechzehntelketten der Celesta, der Harfe und der ersten Violinen, denen sich Oktavfolgen der Bratschen hinzugesellen, und dies alles auf der Grundlage lang gehaltener Akkorde der Holzbläser. Bei den Worten „blauen licht die Fernen“ senkt sich die melodische Linie in Gestalt lang gedehnter, partiell triolischer Fall- und Anstiegsbewegungen um jeweils nur eine Sekunde aus der tonalen Ebene eines hohen „F“ über eine Terz zu der eines „D“ ab, was die Violinen mitvollziehen, die Bratschen mit fallenden Akkorden und die Harfen mit Arpeggien begleiten.

    Die Melodik behält also mit der extrem gedehnten Legato-Entfaltung ihren Gestus der Expression von Verzückung und Jubel bei, die allerdings dynamisch durchweg „sempre pp“ erfolgt. Und in dieser Grundhaltung, die bei aller auf den Ausdruck von Verzückung und Beseligung ausgerichteten Expressivität gleichwohl eine wesenhaft introvertierte ist, ereignet sich nun das Außergewöhnliche dieses Zyklus-Schlusses:
    Das langsame In-sich-Versinken des lyrischen Ichs in der beseligten und zugleich beschwörenden Artikulation des Wortes „ewig“.
    Das wirkt in der Art und Weise, wie Mahler es musikalisch sich entfalten lässt, als würde dieses Wort zum einzigen Inhalt des Denkens und Fühlens dieses Ichs. Und so ist es ja auch. Zwei Mal wurde es schon deklamiert, und nun geschieht das, nach einer achttaktigen Pause für die Singstimme, gleich zwei Mal unmittelbar aufeinander und setzt sich – der Haltung des lyrischen Ichs entsprechend - als einziger Inhalt der Melodik danach noch fünf Mal auf immer weiter melodisch gestreckte Weise so fort, wobei das, was die Musik dabei zu sagen hat, sich aus der spezifischen Struktur der Melodik, in Einheit mit ihrer Harmonisierung und Begleitung durch die Orchestermusik ergibt.

    Und das alles ist vielsagend, - letzten Endes das stille Einverständnis des lyrischen Ichs mit seinem „Abschied“ aus der Welt im Wissen um das Eingebunden-Sein in den ewigen naturhaften Kreislauf von Leben und Tod auf höchst beeindruckende Weise zum Ausdruck bringend. Die melodische Linie beschreibt auf dem Wort „ewig“ die immer gleiche Bewegung: Einen stark gedehnten, sich in diesem Gestus steigernden Sekundfall, wobei sie dabei in der tonalen Ebene aus der anfänglich hohen Lage langsam bin hinunter zur der eines „C“ in tiefer Lage absinkt. Dieses tonale Absinken geht einher mit einem dynamischen bis hin zum Piano-Pianissimo und einem ihm darin Folgen der klanglich immer weiter sich ausdünnenden Orchester-Begleitung.

    Auch in der Musik ereignet sich in all ihren Bereichen „Abschied“. Schon auf dem zweimaligen „ewig“ nach dem Ende der melodischen Aussage auf den Worten „die Fernen“ liegt ein lang gedehnter Legato-Sekundfall von einem tiefen „E“ zu einem „D“ und nachfolgend einer von diesem „D“ zu einem noch tieferen „C“. Die melodische Linie hat also hier schon die Abgründe erreicht, aus denen sie sich zwar immer wieder noch einmal erheben wird, das aber nur um allenfalls eine Terz und um danach dann doch wieder zur tonalen Ebene des „C“ zurückzufallen. Nach sieben Takten, in denen sich neben Arpeggien der Celesta und der Harfe nichts Anderes ereignet als eine von der Flöte und der Oboe ruhig ausgeführte Anstiegsfigur deklamiert die Singstimme erneut zwei Mal das „ewig“, und dies in genau dem gleichen, nur dieses Mal anfänglich noch länger gedehnten, zweimaligen, auf dem tiefen „C“ endenden Sekundfall.

    Nun wird die Pause für die Singstimme ein wenig länger, wie sich überhaupt schlechterdings alles in dieser Schlussmusik immer mehr in die Länge zu ziehen scheint, - in die eines Ersterbens, eines Abschied-Nehmens eben. Und auch die musikalischen Motive, mit denen das Orchester diese Pausen gleichsam füllt, bleiben die gleichen, verströmen eine Art klangliche Statik, weisen keinerlei Dynamik im Sinne einer zielgerichteten Weiterentwicklung mehr auf. Flöten und Oboen lassen ihr Anstiegsmotiv erklingen, Harfe und Celesta ihre Arpeggien, und nur die Violinen bringen nun zusätzlich einen Beitrag ein. Aber siehe: Es ist die Sekundfall-Bewegung der melodischen Linie auf dem Wort „ewig“.

    Und die erklingt nun, erst von einer nur relativ kurzen, nur fünftaktigen Pause unterbrochen, dann aber einer, die wieder über zehn Takte in Anspruch nimmt, noch drei Mal in der gleichen Weise als extrem lang gedehnter Fall von einem tiefen „E“ zu einem noch tieferen „D“. Und sie erstirbt dynamisch dabei im Übergang vom Pianissimo zum dreifachen Piano. Das Orchester erstirbt mit, denn es verbleibt in der Begleitung der Singstimme nur noch in lang gehaltener akkordischer C-Dur-Klanglichkeit. Selbst die Harfen haben von ihren Arpeggien abgelassen, lassen nur noch ein Pianissimo-Terzen-Auf und Ab erklingen. Nur die Celesta bringt noch einzelne, wie verloren wirkende, erst noch bogenförmige, dann aber nur noch fallend angelegte Achtelfiguren ein. Und am Ende, nachdem der letzte gedehnte Legato-Sekundfall der melodischen Linie auf „ewig“ verklungen ist, lässt das Orchester „gänzlich ersterbend“ einen lang gehaltenen, von allen Bläsern mit Ausnahme der Trompete und den Streichern pianissimo ausgeführten C-Dur-Akkord erklingen, in den die Harfe, bevor er endgültig ausklingt einen Anstieg von Vierteln über größere Intervalle und die Celesta einen arpeggierten Akkord einbringen.

  • „Der Abschied“ (9)

    Wie ist dieser Schluss von „Der Abschied“ zu verstehen?
    Was will die Musik hier sagen? Diese Frage ist von großer Bedeutung, handelt es sich doch hier zugleich um den Schluss des „Liedes von der Erde“, in dem, da es sich um ein zyklisches Werk handelt, die einzelnen Orchesterlied-Sätze in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, so dass die Schlussaussage von „Der Abschied“ zu einer eben dieses ganzen Werkes wird.
    Drei Aspekte des Orchestersatzes auf den Repetitionen des Wortes „ewig“, also von Takt 509 an, sind hierbei von besonderer Relevanz:
    --- seine Textur als kompositorisches Ganzes,
    --- die Struktur der melodischen Linie darin, und
    --- die Harmonik des von den Flöten, den Hörnern, den Posaunen und den Streichern gebildeten Schlussakkordes.
    Was die Textur anbelangt, so ist sie, wie ja schon mehrfach angedeutet, wohl in ihrem Übergang der Musik von Bewegtheit zu Statik in Einheit mit einer permanenten Reduktion der Dichte und Stimmen im Satz als eine im schwebenden Ausklingen sich ereignende musikalische Evokation von „Abschied“ und Ende aufzufassen und zu verstehen.

    Das gilt auch für die Melodik auf dem Wort „ewig“. In der wie endlos anmutenden Repetition der immer gleichen Figur, dem extrem lang gedehnten zweifachen, in der tonalen Ebene sich im eine Sekunde absenkenden Sekundfall stellt sie eine höchst eindringliche, aber in dieser Eindringlichkeit schließlich ausklingende und verschwebende Beschwörung des Wesens der „lieben Erde“ in seinem „ewig“ immer wieder sich ereignenden „Aufblühen“ im Grün des neuen Lenzes dar. Und bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Mahler in dieser Melodik auf „ewig“ ganz bewusst den partiell gedehnten und zweistufig fallend angelegten Sekundfall auf den Worten „die liebe Erde“ von Takt 459 an aufgegriffen hat, der dort allerdings auf der tonalen Ebene eines hohen „E“ ansetzt. Nun tut er das eine Oktave tiefer, wird nicht mehr von einem vollen Orchestersatz begleitet, - ist also wesenhaft einer des Ausklingens, des Abschieds.

    Aber, und das ist bemerkenswert, dieses Ausklingen der melodischen Linie auf dem Wort „ewig“ ereignet sich nicht im Grundton, sondern auf einem „D“, der zweiten Stufe der Grundtonart C-Dur also. Es ist damit ein offener Schluss, einer der nach einer Auflösung verlangt, die aber nicht mehr stattfindet. Das Verschweben der Musik ins gleichsam Endlose, wie es der Orchestersatz suggeriert, ereignet sich also auch in der Struktur der Melodik der Singstimme.

    Und es ereignet sich im Schlussakkord. Denn auch er ist ein wesenhaft offener. Er ist gebildet aus den Tönen „C-E-G-A“, stellt also für den Musikwissenschaftler einen Dreiklang mit „sixte ajoutée“ dar, einen dissonanten Akkord, der in seinem über sich Hinausweisen nach Auflösung verlangt.

    Ein solches Enden der Musik, ein Schluss, der keiner ist und doch einer sein will, verlangt allein schon als solcher, aber darüber hinaus auch infolge seiner Relevanz hinsichtlich der Aussage des ganzen Werkes nach einer Deutung.
    In seiner großen Mahler-Monographie von 1960 hat Theodor W. Adorno nicht nur hochinteressante, sondern auch – wie das so seine Art ist – tiefgründige vorgelegt. Für ihn „verflüchtigt“ sich in „Der Abschied““ „der Schein des Glücks, bis dahin Lebenselement aller Musik. Weil Glück heilig ist, täuscht die Musik nicht mehr vor, daß es schon sei. Nichts davon ist übrig als das wohlige Erschlaffen dessen, der nichts mehr zu verlieren hat; (…) Der Ton des Satzes ist auch nicht der von Verzweiflung. Vom Schluchzen durchschüttelte Prosa inmitten der Tonalität, weint er ohne Grund wie ein von Erinnerung Übermannter; mehr Grund hätte kein Weinen.“
    Und mit Blick auf das „stammelnde Ewig“ des Endes meint er, es sei „nicht Pantheismus, der den Blick in selige Weiten aufschlüge. Kein Ein und Alles wird als Trost vorgegaukelt.“

    Man kann die Musik von „Der Abschied“ wohl so hören und deuten. Wenn Adorno feststellt, dass sie häufig „ihrer selbst müde“ wird und „auseinander klafft“, dass in ihr „Leere selber zu Musik“ werde, dass die Instrumente auseinander laufen, „als wollte ein jegliches ungehört vor sich hinreden“ und sich kaum sonst irgendwo bei Mahler sich eine derart „vorbehaltlose“ Dissoziation von Musik ereignet, so ist das alles gewiss treffend beobachtet. Aber in diesem Unterton von Trost- und Hoffnungslosigkeit, der dieser Deutung Adornos innewohnt, verfehlt sie aus meiner Sicht die von Mahler kompositorisch intendierte Aussage.

    Ich höre diesen Schluss von „Der Abschied“ anders.
    Auch wenn der letzte Akkord ein harmonisch dissonanter ist, empfinde ich ihn nicht als einen, dem die Anmutung von schmerzlicher Hoffnungslosigkeit innewohnt. Das C-Dur trägt und überwölbt ihn, genauso wie es das Ende der melodischen Linie auf seiner ersten Stufe trägt. Beides ist für mich ein kurzes, leises und behutsames Innehalten in einem musikalischen Prozess, der in seinem Ausgelegt-Sein auf die Imagination von Zeit- und Endlosigkeit inspiriert ist von den Worten, die Mahler Bethges lyrischem Text hinzugefügt hat: „Allüberall und ewig blauen licht die Fernen“.

    Das lässt er sein lyrisches Ich sagen, das Ruhe für sein „einsam Herz“ sucht und sich auf den Weg „nach der Heimat“ macht, zu „seiner „Stätte“, die für es eine des Ruhens im Tod ist. Und die Musik darauf mutet mit der ganz und gar in C-Dur mit Zwischenrückung zur Dominante gebetteten und sich in gedehnten duolischen und triolischen Legato-Sekundschritten in hoher Lage entfaltenden Melodik, zu der das Orchester außer den Harfenarpeggien vorwiegend lang gehaltene Akkorde beizutragen hat, so an, als würde sie dieses lyrische Bild klanglich imaginieren. Die „Ferne“ wird dabei dann in diesem Prozess der Umsetzung von lyrischer Metaphorik in Musik dadurch kompositorisch realisiert, dass sie sich im Verschweben auf der permanenten Wiederholung des Wortes „ewig“ gleichsam in unendliche Weite fortsetzt. Dem melodisch und harmonisch offenen Ende kommt dabei gleichsam eine Transponder-Funktion zu.

    Ich meine schon, dass man das, darin abweichend von Adorno, als kompositorisch-musikalischen Niederschlag von Mahlers wesenhaft pantheistisch geprägter Erfahrung von Natur und menschlicher Lebenswelt auffassen und verstehen kann, in der das „Sein zum Tode“, wie die Existenzphilosophie die menschliche Existenz sieht, ein Eingebettet-Sein in die ewige Dialektik von Werden und Vergehen ist.

  • „Der Abschied“ (10)

    Ich nehme den Schluss von „Der Abschied“ so auf, wie das Richard Specht aus tiefem, auch auf personaler Kenntnis beruhendem Einblick in Mahlers Weltanschauung sehr treffend in die Worte gefasst hat:
    „Dieses >ewig<, in das das Ganze verhallt, klingt schon wie von einem fremden Stern herüber; klingt tröstlich, segnend, verheißend, während die kaum mehr fassbaren lichten Töne Celesta, Mandoline und Harfe die Seele des Scheidenden auf Schmerzesflügeln fortzutragen scheinen. Ein Ausklang von einer Entrücktheit und Verklärtheit ohnegleichen.“

    Auch Theodor W. Adorno operiert in seinem Kommentar zu „Der Abschied“, darin am Begriff „Erde“ im Titel des Werkes ansetzend, mit dem Bild „Stern“, wenn er anmerkt:
    „Aber die sich selber ferngerückte Erde ist ohne die Hoffnung, die einst die Sterne verhießen. Sie geht unter in leeren Galaxen. Auf ihr liegt Schönheit als Widerschein vergangener Hoffnung, die das sterbende Auge füllt, bis es erfriert unter den Flocken des entgrenzten Raumes.“

    So hört und versteht ein sich philosophisch mit seiner modernen Lebenswelt auf hoch reflexive Weise auseinandersetzender, die klassische Musik aus diesem Aspekt in ihrer Aussage reflektierender und ihre Zukunft im Konzept der Neuen Wiener Schule sehender großer Geist Mahlers Musik, darin zwischen Hochschätzung und Kritik permanent hin und her schwankend.
    Aber bei aller, (im Erlebnis seiner philosophischen Lehrtätigkeit wurzelnden) Hochschätzung Adornos:
    In diesem Fall irrt er sich in seinem Urteil über die musikalische Aussage von „Der Abschied“, die ja zugleich die Mahlers Werk „Das Lied von der Erde“ beschließende und seine um die Frage „Leben und Tod“ kreisende Thematik in endgültiger Weise beantwortende ist.

    Für Mahler war die „Erde“ nicht ohne Hoffnung und das Universum sah er nicht als Ansammlung „leerer Galaxen“. Für ihn waltete darin so etwas wie ein „Weltgeist“. Richard Specht überliefert von ihm die Äußerung:
    „Jedes Unrecht, das mit angetan wird, ist ein Unrecht am ganzen Universum und muß den Weltgeist (oder wie immer man das zentrale Weltwesen nennen mag) schmerzen.“
    Bezugnehmend auf seine Dritte Symphonie schrieb er an Anna Mildenburg:
    „Nun aber denke Dir ein so großes Werk, in welchem sich in der Tat die ganze Welt spiegelt – man ist sozusagen selbst nur ein Instrument, auf dem das Universum spielt.“
    Und in einem Brief an Willem Mengelberg heißt es bezüglich der „Achten“:
    „Denken Sie sich, daß das Universum zu tönen und zu klingen beginnt.“

    Was den Tod anbelangt, also die im Zentrum der Musik von „Der Abschied“ stehende fundamentale menschliche Erfahrung, so war diese für ihn auch keine der Sinnlosigkeit, vielmehr glaubte er, wie vielfältig – u.a. wieder von Richard Specht - bezeugt ist, an die Lehre von der Wiedergeburt. Er sei, so Specht, von dieser „vollkommen durchdrungen“ gewesen, und Gustav Theodor Fechner, der diese Lehre in seinen Schriften vertrat, gehörte zu seinen Lieblingsautoren. Vielsagend ist diesbezüglich ja doch, dass er im ersten Lied, in dessen Zentrum die Sentenz „Dunkel ist das Leben, ist der Tod“ steht, die Verse Bethges eliminiert hat: „Nur ein Besitztum ist dir ganz gewiß: das ist das Grab, das grinsende, am Ende“. Denn sie machen den Tod zum Enden im Nichts.

    Wenn man weiß, dass bei Mahler, wie Constantin Floros das treffend formuliert hat, „Kunst, religiöser Glaube und philosophische Weltanschauung wie bei kaum einem anderen Komponisten des 19. Jahrhunderts aufs engste“ zusammen hängen, und dass man seine „Intentionen“ kennen muss, „wenn man seine Symphonik begreifen will“, dann fühlt man sich relativ sicher im Verständnis der kompositorischen Aussage von „Der Abschied:
    Als musikalische Evokation des Eingebunden-Seins von menschlicher Existenz in den ewigen Kreislauf von Leben und Tod.

    Ein Wissen, das das lyrische Ich in Gelassenheit, ja Heiterkeit den Weg in den als „Heimstätte“ aufgefassten Tod antreten lässt, begleitet von einer Musik, die sich in ihrem heiter gelassenen Verklingen in einem offenen Schluss anmutet, als würde sie sich auf den Weg hin zu diesem ewigen Kreislauf machen.

  • Zum Schluss


    „Auch bei diesem Werk habe ich den Eindruck eines sehr hochstrebenden künstlerischen Wollens, dem aber das eigentlich schöpferische Vermögen fehlt.“ Das konnte man in den „Münchener Neuesten Nachrichten vom 22. November 1911 in einer Kritik zur Aufführung des „Lieds von der Erde“ lesen, - und man greift sich an den Kopf.
    Immerhin, man traf in den damaligen Gazetten auch auf andere kritische Äußerungen. So meinte Eugen Schmitz in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ (1. Dezember 1911): „Alles in allem darf man das >Lied von der Erde< jedenfalls zum besten rechnen, was Mahler geschaffen hat.“ Aber die, die über wirklichen Musikverstand verfügten, fanden ganz andere Worte. So schreibt Anton Webern an Alban Berg (23. November 1911): „Gestern war ich nahezu den ganzen Tag mit Schönberg zusammen. Ich habe ihm vormittags das >Lied von der Erde< - dieser Titel! – vorgespielt. Er war tief ergriffen. Wir konnten nicht sprechen. (…) Wie ichs Dir schon sagte, es ist so wie das Vorbeiziehen des Lebens, besser des Gelebten in der Seele des Sterbenden. Das Kunstwerk verdichtet, entmaterialisiert; das Tatsächliche verflüchtigt, die Idee bleibt; so sind diese Lieder.“

    Für Bruno Walter ist das „Lied von der Erde“ „ein >Ichwerk“, wie Mahler noch keins, auch nicht in seiner >Ersten<, geschaffen. Dort war es das natürliche Ichgefühl des jungen leidenschaftlichen Menschen, dem sein persönliches Erlebnis die Welt verstellt. Hier aber wird, während die Welt unter ihm wegsinkt, das Ich selbst zum Erlebnis, eine Gefühlskraft ohne Grenzen entfaltet sich in dem Scheidenden; und jeder Ton, den er schreibt, spricht nur von ihm, jedes von ihm komponierte Wort, das vor tausend Jahren gedichtet wurde, drückt nur ihn aus – das Lied von der Erde ist der persönlichste Laut in Mahlers Schaffen, vielleicht in der Musik.“

    So hab ich´s – wenn ich mir diese persönliche Anmerkung erlauben darf – ebenfalls empfunden, - als einer, der sich im Zusammenhang in einem Thread mit dem Thema „Zur Rolle und Funktion von Liedmusik in Mahlers Sinfonik“ mit dessen Biographie intensiv befasste, und ich wurde aus diesem Grund von der Musik dieses „Liedes von der Erde“ tief berührt.
    Vielleicht ist ja eben diese spezifische Eigenart als „Ichwerk“, wie Mahler das nannte, der Grund dafür, dass in dieser Komposition erstmals in der Musikgeschichte „der subjektive Ausdrucksdrang den zur symphonischen Objektivation“ sprengte, wie Theodor W. Adorno feststellte. Dieser meinte auch, dieses Werk sei „bis heute die letzte Komposition, die trotz ihrer Autonomie, trotz der gänzlich durchgestalteten Faktur die Menschen bezwang.“ Und er fügte hinzu:
    „Geschrieben von einem noch nicht fünfzigjährigen, ist das Werk, der inneren Form nach fragmentarisch, eines der größten Zeugnisse musikalischen Spätstils seit den Letzten Quartetten.“

    So äußerte sich Adorno über Mahlers „Lied von der Erde“ in seiner Wiener Rede zu dessen hundertstem Geburtstag. Und in den „Epilegomena“ zu seinem Wiener Aufenthalt 1960 ging er auch mit Blick auf Gustav Mahler auf die Frage ein, was „Moderne“ nach Auschwitz heißen muss. Er stellt die Fragen:
    Dürfte man nicht die Bahn der Desillusion, die in ihrer Entwicklung Mahlers Musik beschreibt wie keine andere, als List verstehen, nur nicht als die der Vernunft sondern der Hoffnung? Hat nicht am Ende der Jude Mahler das Bilderverbot noch auf die Hoffnung ausgedehnt?“
    Und er merkt dann dazu an:
    „Daß die beiden letzten Werke, die er abschloß, nicht schließen, sondern offen bleiben, übersetzt das Ungewisse zwischen der Vernichtung und dem Anderen in Musik.“
    Und in seinen Ausführungen zur „Form in der neuen Musik“ von 1966 stellte er die These auf:
    „Authentische Werke wären solche, in denen der Zerfall einen Sinn der Kunstwerke stiftete, Synthesis zweiten Grades; der letzte Satz des Lieds von der Erde ist dafür eines der frühesten und eindringlichsten Modelle.“

    Ein hochinteressanter Gedanke, aber darauf möchte ich hier nicht noch weiter eingehen.

    Nur eines noch zum Schluss anmerken:
    Nun liegt das liedkompositorische Werk Mahlers in seiner Gesamtheit hier im Tamino-Klassikforum in Gestalt analytischer Betrachtung geschlossen vor. Auch wenn das, was ich durchaus verstehen könnte, für dessen Betreiber und Eigner nicht von sonderlicher Bedeutung sein mag, - für mich ist es das sehr wohl. Gustav Mahler ist mir, wie kein anderer außer Schubert, als Mensch und Komponist tatsächlich ans Herz gewachsen.

  • Hab herzlichen Dank, lieber Helmut, für deine wertvolle und detailgenaue Abhandlung dieses Mahler'schen Meisterwerks. Das Lesen war zwar anstrengend für mich, doch konnte ich sehr viel Wissen daraus schöpfen.

    Mich würde noch interessieren, wie viele Tage du mit dieser Arbeit zugebracht hast. Die Kombination Fleiß und Wissensvermittlung in Vollendung nötigt mir den allergrößten Respekt ab! :hail:

    Freundliche Grüße Siegfried

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