Kosky kann Komödie (Rosenkavalier-Stream aus München, 21.3.2021)

  • Hattest Du die denn nicht von ihm erwartet? Nach seinen Aufführungen in London, Glyndeboure und New York war ich eigentlich unbesorgt, dass es eine glänzende Aufführung werden würde. Strauss liegt ihm.

    Lieber Caruso41,


    danke für deine Rückmeldung! Ich hatte keine Erwartungshaltung, da ich - wie oben erwähnt - diesen Dirigenten noch nie live erleben konnte. [Auch keine Aufzeichnungen mit ihm kenne]. Nach dieser positiven Erfahrung werde ich mich zukünftig verstärkt für seine Dirigate interessieren. Hoffentlich bald auch richtig live, nicht nur in dieser simulierten Form. Und ja, Strauss liegt ihm, da pflichte ich dir bei.


    Viele Grüße

    Novalis

  • Barrie Kosky gelang das Wunder, die betagte Münchner Schenk/Rose-Produktion abzulösen. Spielerisch, ungemein musikalisch geht er das Stück an, mit viel circensischem Budenzauber und der nötigen Portion Melancholie. Klug meidet Kosky Aktualisierungen, schläg eher Brücken zurück. Zum Stummfilm beispielweise, als solchen gab es den Rosenkavalier bekanntlich. Oder zu Selbstzitaten, etwa in der prunkvoll barockisierten Sängerarie.

    Sehr schön formuliert, lieber udohasso. Dieser Brückenschlag zurück in längst vergangene Zeiten wird von Barrie Kosky wohl auch durch die Standuhr veranschaulicht, bei der sich die Zeiger entgegen dem Uhrzeigersinn schnell drehen. Eine Zeitreise, zurück in die Vergangenheit. Das Phänomen Zeit durchzieht die Inszenierung wie ein roter Faden. Von Anbeginn bis zum Ende. Viele schöne Details, die sehr gut herausgearbeitet wurden.

  • Wie schade, dass Du zu diesem bitteren Urteil kommst La Roche, einem vernichtenden Rundumschlag.

    Ach, weißt du, jedem steht es frei, eine Opernvorstellung ganz individuell zu bewerten, aber gerade, wenn jemand offen eingesteht, nach der Rosenüberreichung erst einmal ausgemacht und Abendbrot gegessen zu haben sowie von einem "Valzachio" spricht, dann muss man solche individuellen Wertungen vielleicht auch nicht überbewerten...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Übrigens, die Frau Petersen wird Dir's danken, dass Du sie als Dreißigjährige durchgehen lässt...

    Nicht Frau Petersen, sondern Frau Gerlach stellte klar, daß die Feldmarschallin eine Frau um die Dreißig ist. Ihr Geburtsjahr 1968 ist mir schon bekannt.

    dann muss man solche individuellen Wertungen vielleicht auch nicht überbewerten...

    Ich nehme mir die Freiheit, zukünftig Deine Fehler auch zu korrigieren, es sind genug!!

    Allemal dann, wenn für Dich das 'Heil' eh irgendwo in der Zeit zwischen 1950 und 1990 liegt.

    Ja, das war meine Opernzeit. Zuerst nur im Radio, ab 1956 auch auf der Bühne. Der Rosenkavalier als Bühnenerfahrung kam erst Ende der 80-er, bis dahin war Strauss Tabuzone.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • In einem Punkt muss ich LaRoche beipflichten. Beim Schlussterzett muss man eigentlich alles stehen und liegenlassen, sich ein Taschentuch nehmen und sich im Sofa festklammern. Das war bei mir hier nicht der Fall. Sophie war sängerisch so überlegen, dass das Gleichgewicht sehr gestört war. Auch die Sängerin des Octavian war nicht so mein Geschmack, zu steif, auch stimmlich. Allerdings muss ich zugeben, dass bei mir im Rosenkavalier der Octavian nicht gerade die liebste Rolle ist. Vielleicht liegt es daran, dass hier eine Sängerin einen Mann spielt, der sich dann am Schluss in eine Frau und dann wieder in einen Mann verwandelt, der eine wichtige Position in einem Frauenterzett hat. Oder so.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Die sängerischen Leistungen waren sicherlich gut, aber der Begriff "Komödie" verbindet sich in meiner Wahrnehmung mit "geistreich", "Humor" und "Witz", nicht jedoch mit "Slapstick" und "Klamauk". Von daher fand ich vor allem den dritten Akt als reichlich daneben.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • der Begriff "Komödie" verbindet sich in meiner Wahrnehmung mit "geistreich", "Humor" und "Witz", nicht jedoch mit "Slapstick" und "Klamauk".

    Ich finde, dass Slapstick sehr geistreich und Klamauk sehr witzig sein kann.

    Von daher fand ich vor allem den dritten Akt als reichlich daneben.

    Der Einschätzung, dass der 3. Akt schwächer war als die beiden anderen, stimme ich durchaus zu. Allerdings war mir bei der "Show", die laut Libretto für Ochs inszeniert wird, eher zu wenig als zu viel "Klamauk". Das habe ich schon weit lebendiger und auch amüsanter erlebt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die sängerischen Leistungen waren sicherlich gut, aber der Begriff "Komödie" verbindet sich in meiner Wahrnehmung mit "geistreich", "Humor" und "Witz", nicht jedoch mit "Slapstick" und "Klamauk". Von daher fand ich vor allem den dritten Akt als reichlich daneben.

    Liebe Mme. Cortese, wo Kosky draufsteht, ist auch immer Kosky drin. Dieser Regisseur ist durchaus vorhersehbar. Wer das in Betracht zunehmt, ist vielleicht nicht so enttäuscht wie Du. Ich habe bisher nur den ersten Aufzug gesehen und hatte durchaus meine Freude daran. Fortsetzung folgt. Kosky neigt dazu, mehr denn weniger zu machen. Auch wenn der Knabe Cupido durch Ochs ausdrücklich Erwähnung findet, erachte ich die greise Karikatur des liebenswerten Gottes nicht unbedingt für nötig. Die dazu erfundene Figur mit Nervpotenzial braucht es für mich nicht, um den Lauf der Zeit, dieses "sonderbar Ding'" darzustellen. Da hätte mir beispielsweise die rückläufige Uhr, die auf dem Theater auch nicht ganz neu ist, gereicht. Ganz hübsch fand ich einige Zitate. Während der Arie des italienischen Sängers wandelt sich das Antlitz der Marschallin in jenes des Schauspielers Sabin Tambrea als Spielflm-Ludwig II. und zum Ende hin geht eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der alten Marlene Dietrich am Ende ihrer langen Karriere durch die Züge der Fürstin. Hier war natürlich die Nähe durch die Kamera unabdingbar, während sie mich zu Beginn in ihrer Gnadenlosigkeit ehr verstörte. So räkelnd stellt man keine Frau von an die Mitte fünfzig aus. Elisabeth Schwarzkopf, einst eine bedeutende Marschallin, hätte viel Anlass für ihre berühmte Aussage gesehen: "Fernsehen ist Prostitution."


    Jurowski fand ich solide, doch nicht so betörend. Er hatte immerhin Eberhard Kloke und nicht den originalen Strauss zu dirigieren, der gleich im Vorspiel derart orgiastisch aufdreht wie man das - freilich vor anderem Hintergrund - nur im "Tristan" hat. Kloke klingt dagegen ziemlich harmlos. Auf die Sänger will ich nicht eingehen. Da ist vieles treffend gesagt worden. "W(h)ie du warst! W(hi)ie du bist!" Gleich bei den ersten Worten des Octavian schwante mir nichts Gutes. Aber diese Befürchtung erfüllte sich zum Glück nicht. Es ist auch verdammt schwer für Sänger, mit einem W einsteigen zu müssen.


    Vor den zweiten Aufzug fürchte ich mich etwas, weil man sich da ja nach Andeutungen eines geschätzten Forumsmitglied womöglich wird niederknien:


    Die Sophie im ROSENKAVALIER von Katherina Konradi fand ich einfach zum Niederknien. An dieser warmen und verschwenderisch leuchtenden Stimme konnte ich mich gar nicht satt hören. Und die weit gespannten Bögen, in denen die Spitzentöne ganz frei und selig prunken konnten, waren wirklich ein "Gruß vom Himmel"!


    Nach einer Knie-OP bereitet mir dieser körperliche Zustand noch immer Unbehagen. ;)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Für mich war Samantha Hankey ein ganz wunderbarer Octavian, besser als fast alle, die ich live gesehen habe. ...

    Eine wunderbare stimmlich.darstellerische Einheit. Nichts war hier im "Rollen- und Geschlechterspiel" peinlich. Das habe ich selten so erlebt. Schon deswegen kann ich vor dieser Rolleninterpetation nur ganz tief den Hut ziehen!

    Fr. Hankey war von den Protagonisten die einzige, die ich noch nicht auf der Bühne gesehen und gehört habe. Und auch mir hat ihr Octavian ausgezeichnet gefallen. Ihr Mariandl heizt dem Ochs im ersten Akt so ein, daß man ihm die EInladung ins Beisl - wo er doch ein Bräutigam ist - nicht recht übel nehmen kann.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Markus Thiel hat es mit seiner Rezension im Münchner Merkur ganz gut getroffen. Seinem Lob für Fr. Petersen kann ich mich nur anschließen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

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  • Liebe Mme. Cortese, wo Kosky draufsteht, ist auch immer Kosky drin. Dieser Regisseur ist durchaus vorhersehbar.

    Gerade Kosky empfinde ich als einen der am wenigsten "vorhersehbaren" Regisseure. Zwar hat er durchaus seine "Masche", die er schon in mehreren seiner Inszenierungen "bedient" hat, aber auch darauf kann man sich nicht verlassen. Wenn ich nur daran denke. wie unterschiedlich seine beiden Berliner Inszenierung von Monteverdis "Orfeo" waren! Wer hätte seine "Zauberflöte" "vorhersehen" können? Gar seinen "Onegin". Dieser war für mich vüllig unerwartet. Und dieser "Rosenkavalier" ehrlich gesagt auch, den hatte ich mir ganz anders erwartet - und weniger gelungen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Sophie im ROSENKAVALIER von Katherina Konradi fand ich einfach zum Niederknien. An dieser warmen und verschwenderisch leuchtenden Stimme konnte ich mich gar nicht satt hören. Und die weit gespannten Bögen, in denen die Spitzentöne ganz frei und selig prunken konnten, waren wirklich ein "Gruß vom Himmel"!

    Vor den zweiten Aufzug fürchte ich mich etwas, weil man sich da ja nach Andeutungen eines geschätzten Forumsmitglied womöglich wird niederknien:



    Nach einer Knie-OP bereitet mir dieser körperliche Zustand noch immer Unbehagen. ;)

    Man kann sich vor Bewunderung auch einfach der Länge nach auf den Bauch legen.


    Sicherheitshalber aber im Sessel bleiben und einfach selig die Augen schließen. Und hinterher lesen: https://articon.ch/assets/uplo…ecovery_Programm_Knie.pdf


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • NACHTRAG: EINFÜHRUNGSMATINEE ZUR NEUINSZENIERUNG


    Im Gespräch:

    Nikolaus Bachler (Intendant)
    Vladimir Jurowski (Musikalische Leitung)
    Barrie Kosky (Regie)
    Marlis Petersen (Sopran)
    Nikolaus Stenitzer (Dramaturg)


    Musikalisch Beiträge:
    Samantha Hankey (Octavian)
    Katharina Konradi (Sophie)
    Galeano Salas (Sänger)
    Jakob Spahn (Cello)
    Paolo Taballione (Flöte)
    Vladimir Jurowski (Klavier)




    Einführungsmatinee/Rosenkavalier/Kosky/Jurowski

  • NACHTRAG ZUR EINFÜHRUNGSMATINEE


    In der Einführungsmatinee gibt der Regisseur Barrie Kosky erhellende Einblicke in seine Inszenierung.


    Der designierte Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Vladimir Jurowski, spricht u. a. über


    [1] seinen vielen Dirigate von Strauss-Opern im Laufe seiner Karriere [wichtiges Repertoire für München].


    [2] die Motivation, die Fassung von Eberhard Kloke zu verwenden und deren Zusammenhänge mit der Ariadne auf Naxos [Rosenkavalier als direkter Vorläufer von Ariadne, Neukomposition aus Sicht der Ariadne, Reduktion des Orchesters, Harmonium und Klavier als zusätzliche Instrumente im Orchestergraben].


    [3] die vermutlich erste Aufführung des Rosenkavalier in der Aufführungsgeschichte der Bayerischen Staatsoper, die ohne Striche in der Partitur auskommt und was dies für Auswirkungen auf Musiker und Sänger hat.


    Es lohnt sich, diese Matinee zum besseren Verständnis der Neuinszenierung anzusehen.