Sagittarius - Heinrich Schütz

  • Natürlich ist damit Heinrich Schütz gemeint. Ich hatte erst vor, die gesamte "Geistliche Chormusik" von 1648 vorzustellen, im Vergleich der verschiedenen Ensembles, die das Gesamtwerk aufgenommen haben. Das würde aber die anderen großen Werke benachteiligen.

    Ich beginne mit Psalm 8, bei dem ich schon mitgesungen habe.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ps. 8 - Herr, unser Herrscher (Pss. Davids, 1619)





    Wunderbar ist hier die Klangwirkung, die durch die gemischte Aufstellung von Instrumentalisten und Solisten erreicht wird. Ein Chor ist hier nicht nötig. Eine Aufnahme wie diese beweist, dass wie Bach auch Schütz besser mit kleinen, kompetenten Ensembles aufgeführt wird. Natürlich soll man den gesamten evangelischen Chorsängern, wozu ich auch seit 50 Jahren zähle, ihren Schütz nicht wegnehmen. Aber man muss es nicht unbedingt hier dokumentieren.

    Ensemble officium, live, Tübingen Johanneskirche, 2017.

    Nachtrag: Man beachte, wie unprätentiös der Dirigent leitet, diese ganzen Showeffekte (dauerentzückt oder sekundär-leidend) braucht man in der Alten Musik nicht. Die Sänger können ihre Sachen, wenn ein Dirigent solche Faxen machte, kämen sie aus dem Lachen nicht heraus, was mit dem Singen irgendwie nicht vereinbar ist.

    Hier gebraucht Schütz übrigens auch das gängige Schema der Psalmvertonungen: es gibt Strophen und einen Refrain ("Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen"); dieser ist besonders prachtvoll ausgeführt. In der katholischen wie evangelischen Tradition der Psalmvertonungen steht am Schluss meist die "Doxologie" ("Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen"). Auch diese Doxologie ist immer prachtvoll, wobei sich die Musik steigert bis hin zu einem gewaltigen "Amen". Ich weiß nicht, wie viele Amen ich in meiner musikalischen Laufbahn gesungen habe, langweilige waren eigentlich nie dabei!



    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Wie hat Schütz komponiert?


    Bei YouTube findet sich diese kurze, aber inhaltsreiche Erörterung von Schützens Stellung in der Musikgeschichte. Schön illustriert, einfach, aber genau erklärt und Einspielungen der Zeitgenossen und Schütz' selber in qualifizierten Aufnahmen von Ensembles, die Alte Musik spielen. Für mich ist wichtig, dass diese kleine Sendung das hervorhebt, was ich den "Gabrieli-Faktor" nenne, also die prachtvolle, nicht die karge Art, diese Konzerte zu spielen.





    Als Beispiel mag der vorhergehende Eintrag dienen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Das deutsche Magnificat


    Das Magnificat, dessen Kenntnis ich jetzt mal voraussetze, ist in der Vokalpolyphonie ein sehr oft vertontes Werk, meist auf

    lateinisch. Erst in der Reformationszeit änderte sich das.

    Es ist geschrieben für 2 Chöre, die sich über weite Strecken abwechseln, dann aber, wenn sie zusammengeführt werden, eine große Pracht entfalten.

    Die Aufnahme hier (Herreweghe) lässt keine Wünsche offen. Dieses Stück haben wir auch im Vokalensemble begeistert gesungen. Die Doxologie mit dem Amen gehört mit zu Schützens großartigsten Schlüssen, wozu auch die Blechbläser beitragen, die wir damals nicht hatten.

    Die Aufnahme bietet auch den Notentext.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Fili mi Absalon (Bass, 3 Posaunen, Continuo)


    Als David alt und gebrechlich wurde, entfachte sich an seinem Hof eine gewaltige Intrige, die vor allem von seinen Söhnen (die hatten nicht dieselbe Mutter) ausging, mit dem Ziel, David zu stürzen und selber König zu werden. Wer etwas ungemein Spannendes lesen will von Intrige, Verrat, Hinterlist und Mord, der sollte sich das 2. Samuelbuch vornehmen. Hier beschränke ich mich auf Davids Sohn Absalom (Absalon ist die latinisierte Form). Der hatte einen Aufstand angezettelt, den David durch seinen obersten Feldherrn Joab bekämpfen ließ. Er hatte Joab strengstens eingeschärft, Absalom selbst zu verschonen. Absaloms Truppe wird geschlagen, er flieht auf einem Maultier. Sie kommen durch einen dichten Eichenwald, Absalom bleibt mit seinen Haaren an einer Eiche hängen, das Maultier springt unter ihm fort. Joab kommt und stößt ihm drei Speere ins Herz, der Rest der Truppe schlägt ihn mit Knüppeln tot. Danach gibt es eine Geschichte, wie eine Farce, als der Tod Absaloms David verkündet werden soll. Als David es dann endlich erfährt, bricht er in die Klage aus, die Heinrich Schütz so ergreifend vertont hat.



    Fili mi Absalon, Absalon! Quis mihi tribuat ut ego moriar pro te, Absalon, Absalon! (Mein Sohn Absalom, wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!)


    Für dieses Stück braucht man vor allem einen guten Bass, am besten einen sehr "bassigen" Bass. Den drei Posaunen wird einiges abverlangt. Die von mir ausgewählte Aufnahme hat mit Wilhelm Pommerien einen der besten Schütz-Bässe der 1970er Jahre. Es gibt auch einige schöne Aufnahmen von verschiedenen amerikanischen Universitäten.

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  • The Barclay Brass - Schütz - Herr unser Herrscher (1619)


    Dieses Ensemble ist eines jener vielen Ensembles in den USA, meist an Universitäten beheimatet, die sehr kompetent Alte Musik spielen. Weiter oben habe ich die normale Version dieses Psalms vorgestellt, hier folgt die Fassung für Bläser.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ensemble Polyharmonique


    Mal wieder ein neuentdecktes tolles Vokalensemble, das ein Konzert um das Weihnachtsoratorium von Schütz herum gibt. Ein genaues Programm ist auf der Seite selbst zu finden. Nur wenige Sänger, wenige Instrumentalisten, aber was für ein großartiger Klang.

    Zwei vorzügliche junge Soprane, mit Präzision und Klarheit, dazu tremolofrei: so sieht heute der Standard aus bei der Ausbildung der Soprane für geistliche Musik. Ein exzellenter Tenor, der auch den Evangelisten singt, dann der altus, der auch dirigiert, aber als "primus inter pares" aufgeführt wird.

    Die Herkunft dieses Ensembles ist wohl die Schweiz.



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  • Dafne - WDR 3 - Sonntag 3.7.2022 - 20.15


    Das Textbuch zur ersten deutschen Oper "Dafne" von Heinrich Schütz ist erhalten, die Musik leider nicht. Morgen versucht Roland Wilson eine Rekonstruktion (mit Cappella Ducale und Musica Fiata).

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Noch einmal: Fili mi, Absalon


    Hier mit einem jungen Ensemble mit Posaunen und Continuo und vor allem mit einem jungen Bass, der die notwendige "Schwärze" dafür hat.


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  • Fili mi, Absalon - Pro Cantione Antiqua und Michael George


    Dieses dürfte die Referenzaufnahme unserer Zeit sein: makellose Posaunen und ein klingender, profunder Bass. Ungewohnt ist hier nur das sehr langsame Tempo im ersten Teil. Beispielhaft die Textverständlichkeit.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Das Schöne ist hier, dass wir im Grunde keine Konkurrenz kennen, sondern Zusammenarbeit (Faulheit ist auch dabei). Daher möchte ich hier auf den neuen thread HIP-Aufnahmen Alter Musik verweisen, wo der Kollege Fiesco (ab#6) französische Aufnahmen Schützscher Werke vorstellt: La Chapelle Rhenane unter Benoit Haller; 4 CDs für 4€.

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  • Geistliche Chormusik 1648 - Nr. 23 Selig sind die Toten - Voces8


    Normalerweise bin ich skeptisch, wenn kleine Ensembles Schütz singen, mit max. 2 Sängern pro Stimme und oft auch nur mit einem. Man hört jede einzelne Stimme, aber es kommt kein Gesamtklang heraus. Das ist Voces8 auch schon passiert, hier aber nicht. Wichtig ist das vor allem bei den "lauten" Stellen, wie etwa "Ja, der Geist spricht" und der Schluss "folgen ihnen nach..."

    Der Höhepunkt dieser Motette ist sicher das "Sie ruhen, sie ruhen von ihrer Arbeit". Das ist hier "überirdisch" schön und ergreifend, komponiert und gesungen. Voces8 singen im übrigen auch ein makelloses Deutsch.

    Leider habe ich diese Motette nie singen können, immerhin kann ich sie hier mitsingen.

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  • Selig sind die Toten - Herreweghe


    Diese Aufnahme zeigt den gewöhnlichen Chorklang, den man von einem größer besetzten Ensemble erwartet. Aber natürlich ist es kein gewöhnliches Ensemble, das hier sehr gekonnt die unterschiedlichen Teile der Motette gestaltet. Insgesamt ist die Interpretation etwas ruhiger als bei Voces8, was aber vor allem durch den Text nahegelegt wird. Auch hier der "Sie ruhen"-Teil makellos schön. Der Schluss ist hier stärker als bei Voces8, vor allem, wenn sich die beiden Sopranstimmen folgen, wie es der Text nahelegt.


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  • Canticum Simeonis - Teil 3 der "Musikalischen Exequien"


    in einer besonders schönen Aufnahme. Neben den Stimmen und Instrumenten überzeugt auch die schöne Kirche und das Raumkonzept. Also eine perfekte Aufnahme, die den Vorzug hat, dass ich meine Stimme immer noch kann, allerdings nicht auswendig.


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  • Nachwort zu #12: das Bessere ist des Guten Feind. Und leider ist Voces8 nicht die beste Aufnahme dieses Stücks. Sie ist zu schnell und zu gleichförmig. Richtig gut ist allerdings die traumhafte Stelle "...sie ruhen..." gelungen.

    Als Ersatz nominiere ich Vox Luminis, die sehr differenziert singen; etwa die Zeile "Ja, der Geist spricht", die kräftiger gesungen wird. Das "....sie ruhen...." ist auch hier ganz wunderbar.


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  • Canticum Simeonis


    Eine Ergänzung zu Beitrag 14

    Schütz hat hier die Sänger aufgeteilt. Der Chorus primus ist 5-stimmig und singt einen Text aus dem NT, der auch als "Canticum Simeonis" oder als "Nunc dimittis" seinen festen Platz in der katholischen Liturgie hat. Die Geschichte dazu geht so: Jesus wird nach seiner Geburt im Tempel zu Jerusalem "dargestellt", wie es heißt, also als Jude in die jüdische Gemeinschaft aufgenommen. Eine Taufe war es nicht, die hat erst Johannes der Täufer vollzogen. Dabei sieht ihn der alte fromme Simeon, der sagte, dass er erst sterben würde, wenn der Messias erscheine. Diesen sieht er in der Gestalt des kleinen Jesus und sagt:" Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren!" Die Anweisung von Schütz lautet, dass dieser Chor neben der Orgel stehen soll.

    Dazu hat Schütz einen "Chorus secundus" dazugesellt, mit Sopran 1, Sopran 2 und Bass, alle solistisch.

    Diese singen den Text aus der Offb. Joh. 14, 13. Sie werden bezeichnet als Seraphim 1 und 2 (Sopran) und "beata anima cum seraphinis" (Bass). Dass ein Bass bzw. Bariton als schöne Seele hier gilt, mag manche überraschen, die Bässe wahrscheinlich am meisten. Hier lautet die Anweisung von Schütz, dass dieses kleine Trio irgendwoanders in der Kirche stehen soll, damit ihr Gesang wirklich wie aus dem Himmel kommen soll.

    Das Besondere ist hier, dass beide Chöre unterschiedliche Texte singen; der 5stimmige Chor das "nunc dimittis" , allerdings auf deutsch (nach Luthers Übersetzung). Der chorus secundus singt einen Text auf der Offenbarung(14,13): "Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben. Sie ruhen von ihrer Arbeit und ihre Werke folgen ihnen nach. Sie sind in der Hand des Herren und keine Qual rühret sie..."


    Nachtrag: "Die musikalischen Exequien" stammen aus dem 1636, die Motette aus der "Geistlichen Chormusik" von 1648 (Nr. 23).

    Wenn man beide Werke hört, merkt man, dass Schütz sich selbst zitiert.

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  • Der Gabrieli-Faktor - Capriccio Stravagante und Vox Luminis

    Schütz Alleluja-Lobet den Herrn







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  • Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöret - Rahel beweinete ihre Kinder und wollt sich nicht trösten lassen

    (Geistliche Chormusik 1648, Nr.28)

    Eine der ausdrucksstärksten Motetten, die Schütz je geschrieben hat. Hier mit englischen Streichern und zwei unglaublich guten Countertenören, die besonders ausdrucksstark die Klage vortragen (der Schluss ist überwältigend).



    Hier im Schreibtisch (Nr. 32 und 33 in "Hörbar") finden sich zwei andere Fassungen, einmal Streicher und vier Sänger und einmal Posaunen (2 Sänger). Dazu habe ich in #32 einen Kommentar geschrieben, der das Stück erklärt.

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