Klassik benötigt Botschafter

  • Es ist eine nachvollziehbare, wenn auch durch und durch sozialistische Idee, Klassik zu den Massen tragen zu wollen. Das aber funktioniert natürlich nicht, weil Musik, wie wir sie hier im Klassikforum verstehen, nicht massentauglich ist. Das gehört zu ihrem Wesen. Ich habe nie verstanden, warum diese Verbreiterung Sinn machen sollte. Musik findet schon selbst zu ihrem Publikum. Da muss nach meinem Dafürhalten nicht sonderlich nachgeholfen werden.

    Das hast du ja nun schon oft und immer wieder geschrieben - und auf keines der Gegenagumente reagiert. Noch ein letzter Versuch, auch wenn dieser ebenso scheitern wird wie alle andere: Klassische Musik ist wie eine Fremdsprache. Du bist mit dieser früh vertraut worden und verstehst sie deshalb, kannst dich in ihr bewegen - das können aber aus oft genug beschriebenen Gründen (die Rahmenbedingungen haben sie grundlegend geändert) immer weniger Menschen. Und genau das muss, sollte man ändern, damit die klassische Musik nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet, damit die Orchester, die Theater auch weiterhin genug Publikum finden, vor dem sie klassische Musik spielen können. Und das geht nur durch Gewöhnung und die Vertrautmachung mit den Codes dieser Sprache, ihrer Schriftform, ihren musikalischen Formen, ihren Codes. Wer diese nicht entschlüsseln kann, wird diese Sprache nicht verstehen und auch nicht verstehen wollen. Wir, die diese Sprache der klassischen Musik (weitgehend) verstehen, sollten m.E. doch eigentlich ein Interesse daran haben, dass das was uns begeistert, auch möglichst viele andere Menschen erreicht und begeistert. Aber dieses Argument ist dir egal, auch das ist hinlänglich bekannt. Anscheinend interessierst du dich halt nicht sehr für andere Menschen. (Eine schlichte Tatsachenfeststellung.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das hast du ja nun schon oft und immer wieder geschrieben

    Es kann nicht oft genug geschrieben werden.

    Anscheinend interessierst du dich halt nicht sehr für andere Menschen.

    Ich interessiere und bemühe mich sehr für und um Freunde, Menschen, mit denen ich auf vertrautem Fuß das besprechen kann, was beide Seiten bewegt und angeht und für die wenigen verblieben Familienangehörigen. Damit bin ich gut beschäftigt. Wollte ich mich um die Menschheit ganz allgemein bemühen, wäre ich in die Politik gegangen.


    Es ist eine Mär, dass immer weniger Menschen keinen Zugang zu Musik und Kunst haben. Sie wird von denen erzählt, die dieses Problem nicht haben. Menschen müssen auch wollen. Dann findet sich auch ein Weg.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es kann nicht oft genug geschrieben werden.

    Das ist deine Meinung. Meine Meinung: Dem kann nicht oft genug widersprochen werden (so oft, wie es halt immer wieder wiederholt wird).


    Aber die Notwendigkeit, klassische Musik möglichst vielen Menschen nahezu bringen, zu bestreiten - und gleichzeitig darüber klagen, dass die Medien der klassischen Musik immer weniger Raum bieten, das hat schon etwas Zynisches an sich!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es ist eine nachvollziehbare, wenn auch durch und durch sozialistische Idee, Klassik zu den Massen tragen zu wollen. Das aber funktioniert natürlich nicht, weil Musik, wie wir sie hier im Klassikforum verstehen,

    Man muss hier sehr genau unterscheiden, was mit Masse gemeint ist.


    <OT> Im Sozialismus (Das bisschen, was ich verstanden habe) geht es um nicht privilegierte Schichten </OT>


    Wenn man in die Diskussion um die Musik die politische Dimension hineinbringen will, müsste man nachweisen, dass genau diese politisch benachteiligten Schichten nicht für Musik geeignet sind. Das halte ich für falsch. Hier wäre auf jeden Fall ein Verweis auf eine nachvollziehbare Studie sinnvoll.


    Was ich aber mittlerweile glaube ist, dass, unabhängig von der gesellschaftlichen Schicht, Musik, in dem hier verstandenen Sinne, ein Minderheitsthema ist und bleiben wird, wie wertvoll auch immer das Kulturgut als solches einzuschätzen ist.


    Das ist das eigentliche Problem. Das Angebot an dieser Kultur sollte für jeden bestehen, aber er es ist ein freiwilliger Akt, sie sich anzueignen. Diese Mühen nehmen wenige auf sich. Die Idee von Stimmenliebhaber mit der Sprache finde ich gut. Je früher man mit Musik konfrontiert wird um so leichter fällt die Aneignung, wir hatten aber schon gesehen (da sind auch die von mir zitierten Studien interessant), dass auch hier die Annahme des Angebots differenziert ausfällt. Nicht jedes Kind einer Musikerfamilie wird auch wieder ein Musiker.


    Das macht momentan die Diskussion so schwierig.


    Nähmen wir einen akzeptierten Kanon von Kulturgütern als gegeben an, kann man argumentieren, dass die Kosten für ein Angebot an diesem Gut gesellschaftlich zu tragen sind, weil natürlich jeder die Möglichkeit haben muss, sich diese Kulturgüter anzueignen. Das war übrigens nach dem Krieg tatsächlich einfacher, weil der gesellschaftliche Bedarf an einem solchen Kanon extrem hoch war in Deutschland. Erfreulicherweise wurde aus der Geschichte auch gelernt, dass es Aufträge in dieser Hinsicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.


    Heute ist die Situation anders. Wir schaffen es ja offensichtlich nicht mehr, verantwortlichen Personen, die diese Kultur zu vermitteln hätten, sie überhaupt auf den Aufgabentisch zu legen. Ganz offensichtlich werden die Intendanten bei der Programmauswahl von Hörerzahlen getrieben, was nun gerade nichts mit kulturellen Werten zu tun hat.


    Ich komme zurück zur eigentlichen These des Threads. Ja, in diesen Zeiten braucht es starke Anregung von außen. Sollte es da Botschafter geben, die Werbung für Klassische Musik machen, ist es zwar schade, dass es die geben muss, aber andersrum großartig, dass es sie in diesen Zeiten gibt.

  • Ich komme zurück zur eigentlichen These des Threads. Ja, in diesen Zeiten braucht es starke Anregung von außen. Sollte es da Botschafter geben, die Werbung für Klassische Musik machen, ist es zwar schade, dass es die geben muss, aber andersrum großartig, dass es sie in diesen Zeiten gibt.

    :jubel::thumbup::hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • 1. In einer multikulturellen Gesellschaft ist der historische Hintergrund deutscher und europäischer Geschichte, auf dem alle diese Auseinandersetzungen stattgefunden haben, nicht mehr gegeben.

    Verzeihung, aber was ist das für ein unsinniges Argument? Ab wann soll denn der Grad an Multikulturalität erreicht sein, ab dem ein "historischer Hintergrund" nicht mehr gegeben sein soll? Eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung ändert nichts an der bis dato stattgefunden Geschichte eines Landes. Und wenn wir Themenstellungen von Aufklärung, Klassik und Romantik gemütlich entsorgen zu können meinen, hat das nichts damit zu tun, dass wir sie "überwunden hätten" (haben wir nicht, allenfalls verdrängt), sondern ist nur ein Zeichen unserer Geschichtsvergessenheit und der einseitigen Präferenz für das vermeintlich Neue.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Umso wichtiger ist es, die kulturelle Vergangenheit wach zu halten und möglichst viele Menschen für die Kunst und Kultur der Vergangenheit zu begeistern - durch Botschafter und alles, was möglich ist!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Verzeihung, aber was ist das für ein unsinniges Argument? Ab wann soll denn der Grad an Multikulturalität erreicht sein, ab dem ein "historischer Hintergrund" nicht mehr gegeben sein soll? Eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung ändert nichts an der bis dato stattgefunden Geschichte eines Landes.

    Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Wenn ich in einem Lande bin, wo ein mittlerweile zweistelliger Prozentanteil meiner Mitbewohner einen Teil dieser Geschichte nicht mitragen will (das meinte ich mit multikulturell), kann ich auch nicht mehr sinnvoll auf diese referenzieren.


    Ob das so sein muss, sei dahingestellt. Es scheint aber ein Faktum zu sein. Hätten wir schon früh angefangen unsere Einwanderer in unsere Kultur miteinzubeziehen, sähe heute vielleicht die Faktenlage anders aus.


    Und wenn wir Themenstellungen von Aufklärung, Klassik und Romantik gemütlich entsorgen zu können meinen, hat das nichts damit zu tun, dass wir sie "überwunden hätten" (

    völlig richtig, auch wenn mir hier nicht klar ist, wer wir ist. Ich persönlich bin weit davon entfernt, aber wir (hier im Forum) sehen ja an diversen Stellen, dass Kultur ersetzt werden soll durch das, was gerade marktkonform ist. Marktkonforme Dinge neigen dazu, Themenstellungen von Aufklärung, Klassik und Romantik einfach zu ignorieren. Ignoranz hat selten etwas mit Überwindung zu tun, eher schon mit Verdrängung, wie Du ja sagst.

  • Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Wenn ich in einem Lande bin, wo ein mittlerweile zweistelliger Prozentanteil meiner Mitbewohner einen Teil dieser Geschichte nicht mitragen will (das meinte ich mit multikulturell), kann ich auch nicht mehr sinnvoll auf diese referenzieren.

    Ob Einwanderer vor ihnen stattgefundene Geschichte mittragen wollen oder nicht ist irrelevant. Sie ist passiert, und sie ist die Geschichte des Landes. Ein heutiges Deutschland kann zwar Straßennamen von deutschen Historikern in afrikanische Freiheitskämpferinnen umbenennen, aber nicht die objektive Bedeutung der deutschen Musikgeschichte relativieren.


    Einigen können wir uns auf die Wichtigkeit von Vermittlung. Diese bedingt Begeisterung und Bejahung dessen, was vermittelt werden soll.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ob Einwanderer vor ihnen stattgefundene Geschichte mittragen wollen oder nicht ist irrelevant. Sie ist passiert, und sie ist die Geschichte des Landes. Ein heutiges Deutschland kann zwar Straßennamen von deutschen Historikern in afrikanische Freiheitskämpferinnen umbenennen, aber nicht die objektive Bedeutung der deutschen Musikgeschichte relativieren.

    auch hier bin ich wahrscheinlich eher Deiner Meinung...Allerdings sehe ich es auch wie Du, dass eine Diskussion, wie mit der Faktenlage umzugehen ist, und weitere Diskussionen zu diesem Thema, den Rahmen dieses Threads sprengen werden.


    Einigen können wir uns auf die Wichtigkeit von Vermittlung. Diese bedingt Begeisterung und Bejahung dessen, was vermittelt werden soll.

    Ja mit Sicherheit! Und ich denke auch, dass wir uns hier über jeden Botschafter, der sich bereit erklärt, Klassik zu vermitteln, freuen sollten.

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  • Es gab in nicht allzu ferner Vergangenheit den jährlich erscheinenden Bielefelder Katalog, der hatte die stattliche Dicke eines Telefonbuches. Darin waren in kleinster Schriftgrösse alle erhältlichen Tonträger nach Komponisten aufgeführt, die im Handel erhältlich waren. Was mich immer an diesem Katalog phasziniert hatte, waren die Tatsachen, dass über Jahrhunderte Komponisten unzählige Werke geschaffen hatten, dass es Musiker gab, die sie auf Tonträger aufnahmen und dass Käufer sie erwarben und sich anhörten. Heute ist die Papierform des Bielefelder Kataloges zugunsten dem Auftrittes im Internet gewichen. Ich zog für mich als Teenager den Schluss, so viele Menschen können nicht geirrt haben, diese Musik muss einen Wert besitzen, auch wenn rundherum in meiner Umgebung kein Interesse dafür sichtbar war. Dieses Erbe darf nicht verloren gehen. Ich brauchte keine Vermittler, denn ich war viel zu neugierig. Dennoch denke ich, irgendwer muss den Funken für die Begeisterung legen und auf diese Musik aufmerksam machen.


    Leonard Bernstein hat sein ganzes Charisma in ein Projekt eingebracht, das von 1958 bis 1972 im amerikanischen Fernsehen CBS lief: Young Peoples's Concert with the New York Philharmonic. Die 52 je einstündigen Sendungen sind auf DVD oder Blueray erhältlich.


    Aus der Produktinformation des Werbepartners:


    »Es gab nie einen Kommunikator für Musik, der auch nur annähernd an Bernsteins Brillanz, Humor, Energie, Einfluss und Bedeutung heranreicht.« (New York Times)


    »Leonard Bernstein machte das besser als jeder andere. Er war brillant – als Musiker und als Botschafter der Musik.« (Whoopie Goldberg)


    »Pioniertat, jetzt endlich offiziell: Witzig, charmant erklärt Lenny kleinen und großen Kindern wie Musik funktioniert.« (Stuttgarter Zeitung)


    »... ist Bernstein als Musikbotschafter so witzig und brillant, dass es ein Vergnügen ist, seinen Überlegungen und Musikbeispielen zu lauschen.« (stereoplay, Februar 2019)





    Die Aufmerksamkeitsspanne und Bereitschaft sich hörend auf etwas einzulassen, scheint geringer zu werden. Da sind die heutigen jungen Konsumenten durch die Sozialen Medien auf kurze Beiträge konditioniert. Häppchenweise müssen sie nach wenigen Sekunden begeistert sein, sonst schaltet man weg. Das im Eröffnungsbeitrag erwähnte Sendeformat mit Devid Striesow und Axel Ranisch scheint mir aus diesem Grund ein geeigneter Ansatz zu sein.


    https://www.deutschlandfunkkul…ik-drastisch.3786.de.html

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Leonard Bernstein hat sein ganzes Charisma in ein Projekt eingebracht, das von 1958 bis 1972 im amerikanischen Fernsehen CBS lief: Young Poeples's Concert with the New York Philharmonic. Die 52 je einstündigen Sendungen sind auf DVD oder Blueray erhältlich.

    Ja, lieber Moderato - solche charismatischen Persönlichkeiten wie Bernstein fehlen heute leider, die sowas wirklich können! Und: Die USA sind das klassische Einwanderungsland. Die Migration ist also nicht Schuld, wenn die klassische Musik zu wenig Gehör findet. ;)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Apropos Young Poeples's Concerts ......

    man sie auch auf der Tube ansehen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)