Beethoven Sinfonie Nr.10

  • Ich finde hier kann man sehr gut einem sonst abstrakten, schwer erfassbaren Begriff, nämlich dem der "Inspiration" näher kommen. Der Computer bzw. die Software wurde natürlich mit Werken Beethovens gefüttert, was die KI macht ist diese heranzuziehen und in variierender Weise möglichst passende Verknüpfen herzustellen. Was sie nicht machen kann? Nehmen wir Beethovens 9 Sinfonien her. Jede kann sich im Vergleich deutlich zu den anderen abgrenzen. Hätte eine KI etwa nur die ersten beiden Sinfonien zur Verfügung, würde sie deswegen eine "Eroica" kreieren? Das Spiel kann man so weiterführen. Bei den anderen Werkgattungen ähnlich, eine op. 106 Sonate hätte eine KI in ihrer Originalität nicht annähernd entwerfen können wenn es bis op. 101 gefüttert worden wäre. Es hätte immer alles Bruchstückweise an verschiedenste zuvorgehende Sonaten erinnert. Das ist und wird wohl auch noch lange die Grenze einer KI bleiben, nämlich trotz stilistischer Identifikation mit einem bestimmten Komponisten etwas zu schaffen, dass sich in besonderer Originalität und einer gewissen Weiterentwicklung zu zuvorgehenden Werken abhebt. Mozarts große g-moll von einer KI wenn diese nur die Sinfonien bis KV 543 Es-Dur kennt? Die Frage ist jetzt natürlich rein rhetorisch weil die Antwort schon jeder kennt. Aber es soll verdeutlichen, dass das alles nur höchstens ein Experiment sein kann. Denn das was dieser KI hauptsächlich fehlt ist nunmal die Inspiration, über das was sie weiß in gewisser Weise hinauszugehen, für Überraschungen schaffen,... Jetzt werden vielleicht manche einwerfen, es gäbe ja angeblich diese Skizzen zur 10. Hier muss man entgegenhalten, dass diese Bruchstücke teils schon ein paar Jahre vor Beethovens Ableben entstanden und wie Johannes richtig angemerkt hat, war gerade Beethoven in seinem Schaffensprozess sehr labil. Man kann das heute gut anhand seiner Skizzenbücher und den letztendlich fertigen Werken nachvollziehen. Viele einst angedachte Skizzen wurden garnicht mehr berücksichtigt oder so stark verändert, dass sich ein Zusammenhang nur noch mit viel Fantasie herstellen lässt.


    Ich habe mir die Rekounstruktion der 10. Beethovens nicht angehört, aber vor einigen Monaten einmal in der von Schuberts h-moll hineingehört. Auch wenn deutlich hörbar auf vorhandene Satzteile variierend zurückgegriffen wurde, war es insgesamt stilistisch nicht vollkommen überzeugend, manche Youtube-Kommentare haben nicht zu Unrecht gemeint, das würde sie eher an Filmmusik erinnern. Die Experimente sind legitim, sicher auch in gewisser Weise interessant (wobei hier der Komponistenname nur unter Anführungszeichen stehen dürfte) aber Meisterwerke auf ähnlichem Niveau darf man sich, zum. noch nicht, erwarten. Ich denke noch lange nicht, denn das was ich hier beschrieb, das ist die eigentliche große Hürde.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Ich habe mir die Rekounstruktion der 10. Beethovens nicht angehört, aber vor einigen Monaten einmal in der von Schuberts h-moll hineingehört. Auch wenn deutlich hörbar auf vorhandene Satzteile variierend zurückgegriffen wurde, war es insgesamt stilistisch nicht vollkommen überzeugend, manche Youtube-Kommentare haben nicht zu Unrecht gemeint, das würde sie eher an Filmmusik erinnern


    Das ist der Punkt. KI kann assoziieren. KI kann Regeln befolgen. Auch, wenn man jetzt noch über vieles lacht, diese Leistung wird irgendwann alle noch überraschen. Das war bei der Gesichtserkennung nicht viel anders.


    Aber, macht das (gute) Musik aus? Ich habe an anderer Stelle versucht, einen Thread zur Klaviersonate zu starten. Ich wollte der Sonate so ein bisschen phänomenologisch auf den Grund gehen. Es sollte mehr in ihr stecken, als eine Sonatenhauptsatzform und bestimmte Regeln kontrastierende Themen und Harmonien zusammenzufügen. Wenn ich eine Sonate höre, entsteht bei mir häufig ein sehr geschlossener Eindruck eines fertigen Erlebnisses, vielleicht in der Literatur einem Roman (oder besser einer Novelle) vergleichbar. Es gibt also eine dahinterliegende treibende (musikalische) Idee. (Daher meine Frage auch, wie das im 20. jahrhundert funktionieren kann ) Diese Idee scheint sich für mich nicht schematisieren zu lassen und entzieht sich einer direkten algorithmischen Betrachtung.


    Daher entsteht bei der KI-Musik der Eindruck einer gewissen Zerfahrenheit. Der Vergleich zur Filmmusik scheint ja anzudeuten, dass die treibende Kraft nichts mit Musik zu tun hat.

  • Immerhin hat dieses Experiment dazu geführt, daß dieser interessante Thread hier entsteht-

    Ich hatte gedacht, daß ich bereits alles gesagt habe, was ich zu sagen hatte, Dann kemen durch weitere Mitglieder andere Aspekte ins Spiel, die durchaus überzeugend waren.

    Ich habe aber weiter nachgedacht, und bin aufweitere mögliche Betrachtungsweisen gestoßen.

    Beginnen wir zunächst mir Ergänzungen von unvollständigen Werken durch Menschen.

    Keine einzige war wirklich überzeugend. Das ist schon dadurch zu sehen, daß sie auftauchen und lietztlichmehr oder weniger verschwinden - es sei denn die Ergänzung sei für die Aufführung unverzichtbar - oder aber der Komponist ist weitgehend micht im allgemeinen Gedächtnis der Klassikgemeinde verankert, Hier wäre die Ergänzung von Orchesterstimmen von verstümmelten Werken des "Nischenrepertoires" zu erwähnen.

    Aber Musikwissenschafter und auch Musiker sind nun nicht unbedingt Komponisten - und -welch ein Paradoxon - sollen es für die gestellte Aufnahme gar nicht sein. Was hier - auf anderem Gebiet - passieren kann sieht man eindrucksvoll vei etlichen berühmten Gemälden der Vergangenheit und ihren Restaurierungs-Versuchen. Oft wurden die Werke geradezu entstellt.

    Gehen wir aber davon aus, daß hier nach bestem Wissen und Gewissen vorgegengen wurde.

    Es gibt hier dennoch einige Probleme:

    Der Restaurator lebt (meist) in einem Anderen Zeitalter als der Komponist. Er ist vom Zeitgeist geprägt, auch wenn oft nur geringfügig

    Der Restaurator hat (oft) eine andere Nationalität und einanders Temperament als der Komponist


    ABER: Er kennt nicht nur die bereits geschriebenen Werke - sondern auch die Usancen jener Zeit.

    Beispielsweise ist nich alles was wir dem "Mozartstil" zuordnen wirklich ein Alleinstellungsmerkmal diese Komponisten - sondern oft auch ein Stilmerkmal der Zeit und des jeweiligen Landes. Er kennt - soweit überliefert, - den Charakter des Komponisten und inwieweit er sich auf dessen Tonsprache auswirkte - oder nicht. Selbst Briefe und Berichte von Zeitzeugen sind hier unzuverlässig, weil geschönt oder fendselig abgefasst. Und natürlich immer dem Wertesystem der Zeit verpflichtet. Ich nenne hier nur sporadisch Eduard Hanslick, der über etliche Jahrzehnte als "Kritikerpapst verehrt wurde"


    KI vermag dies Zusammenhänge in ihrer Komplexität bislang nicht zu erfassen.

    Zudem besitzt sie über kein Ich-Verständnlid, kein Moralempflinden, keine Emotionen, der verwandte, aber dennoch unterschiedliche Eigenschaften.

    Wenn es mal soweit sein sollte, dann wird zum Kampf der Mationen, der Geschlecher, der Generationen noch jenen zwischen Mensch und Maschine stattfinden. Die Konstukteuer werden der KI keine Werte wie Skrupel oder Angst oder Liebeeinbauen - weil das aus ihrer Sicht kontraproduktiv

    wäre (gut gezeigt am Beispiel von HAL ...1968 !!!!) Prost Mahlzeit !!


    Aber kehren wir mehr an den Kern dest Themas zurück:

    Akzeptieren wir, daß sinnvolle und emotionelle Kreativität bislang eher eine Domäne des Mensche sei - so bleibt noch das Problem, daß die Rekonstruktioen einer Beethoven Sinfonie weder von einem Menschen, noch von KI bewerkstelligt werden kann, sonder lediglich von einem genialen und zugleich genialen Geist - einem Musikgenie. Und selbst das ist ein Euphemismus. Mag hier etwas "gleichwertiges" herauskommen (was sowieso unwahrscheinich ist) - so wird nie ein Beethoven draus. Denn der ist einzigartig....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !





  • Das Corpus delicti ist seit kurzem auch beim Werbepartner erhältlich.

    Ich habe mittlerweile per Streaming hineingehört. Klingt zwar irgendwie nach Beethoven, gleichzeitig aber auch ungemein eintönig und fad, so dass ich nach wenigen Minuten abbrechen musste. Kurz gesagt: ein Gefühl, das ich an keiner Stelle der neun echten Beethoven-Symphonien verspürte.


    Viel Lärm um nichts.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • (...)

    Ich habe mittlerweile per Streaming hineingehört. Klingt zwar irgendwie nach Beethoven, gleichzeitig aber auch ungemein eintönig und fad, so dass ich nach wenigen Minuten abbrechen musste. Kurz gesagt: ein Gefühl, dass ich an keiner Stelle der neun echten Beethoven-Symphonien verspürte.


    Viel Lärm um nichts.

    Das ist auch mein Empfinden. Es ist eben doch nicht Beethovens Zehnte, sondern dass Ergebnis eines Computereinsatzes.


    Ich werde das keinesfalls weiterverfolgen. Dafür ist mir die Zeit zu schade.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Wir werden nicht erleben, was man in 50 - 100 Jahren darüber denkt. Ich warte noch mit dem Hören. Allerdings bin ich auch bald 80. Wird wohl nichts mehr werden, ich habe noch anderswo viel Nachholebedarf.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Das ist auch mein Empfinden. Es ist eben doch nicht Beethovens Zehnte, sondern dass Ergebnis eines Computereinsatzes.


    Ich werde das keinesfalls weiterverfolgen. Dafür ist mir die Zeit zu schade.


    :hello:

    Es ist ja schon mal interessant zu sehen und zu hören, was der KI mit den Daten so anstellt. :D Aber der Computer hat einfach vergessen aus dem Material mal richtig was mitreissendes mit Schmackes einzufügen ... :pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es ist ja schon mal interessant zu sehen und zu hören, was der KI mit den Daten so anstellt. :D Aber der Computer hat einfach vergessen aus dem Material mal richtig was mitreissendes mit Schmackes einzufügen ... :pfeif:

    Volle Zustimmung, aber wenn ich meinen Streamingdienst richtig lese, haben die auch vergessen, den ersten und zweiten Satz zu der Symphonie aufzunehmen oder übersehe ich etwas?

    Das mit der Orgel finde ich ganz nebenbei recht originell, das kommt aber sicher nicht vom Computer ...;)

  • Heute durch Zufall im Internet gefunden. War hier aber bislang nicht verlinkt.

    Würde ich unter "Thema mit Variationen" einreihen - nicht als "Beethovens Zehnte"

    Nicht "langweilig"wie weiter oben behauptet - aber eben kein allenfalles eine "Paraphrase"

    Erinnert mich an Ferdinand RIES - der war aber zumindest teilweise - eigenständiger.

    Der Computer hatte allerdings nicht diese Aufgabe:

    Er sollte eine Rekonsturktion erschaffen

    oder ein Phantasieprodukt, daß auf bisherigen Sinfonien und einer Skizze fußt.

    Etwas (fast) vollkommen eigenständiges dazuzukomponieren

    hätte allenfalls ein Mensch geschafft.

    Allerdings ebenfalls nur "in Anlehnung an."

    Und es wäre sei es noch so schön - niemals von Beethoven gewesen -

    und somit wäre es abgelehnt worden

    Wier haben hier übrigens ein BERUHIGENDES Zeugnis der GRENZEN der SOGENANNTEN

    "Künstlichen Intelligenz" die all auf die Knie fallen lässt und dabei verschweigt

    Oder es begreift wirklich niemand - dass es sich dabei nur um einen Automaten handelt - ein Programm

    Vergleichbar mir dem Psychatrieprogramm "Eliza"und dessen Nachfolgern.

    Und Bestellautomatismen und Umgang mit heutigen Kunden


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch den Rondo-Schluss (inklusive Orgel!) dieser unfreiwillig komischen "KI-Zehnten" gibt es:



    Seriöser war der wissenschaftliche Rekonstruktionsversuch von Barry Cooper (nur Satz 1), den Wyn Morris 1988 mit dem London Symphony Orchestra eingespielt hat:


    610Yf7LLqTL.jpg


    Das Ergebnis war nach meiner Erinnerung trotzdem nicht eines Beethoven würdig.


    Scheinbar gab es seither nur zwei weitere Aufnahmen dieser Cooper-Realisierung:


    Mi02Mzc2Lm1wbw.jpeg Walter Weller (ebenfalls 1988) Christoph König (2010)


    Stephen Johnson schrieb im "Gramophone" seinerzeit: "As for 'No 10', the choice is between Weller and Morris (Pickwick PCD 911, 1/89). Morris is more passionate, though it's hard to suppress the feeling that he's pleading a lost cause. Weller shows how it all fits together, and again the orchestral playing is beautiful—and there's another of those superb Weller pianissimos just before the recapitulation. I found myself just a little more concerned about where the music was heading in this version."

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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