Bayreuther Festspiele 2021 - Eröffnungspremiere "Der fliegende Holländer" (und anderes)

  • Jedenfalls nicht langweilig!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber MSchenk,

    Fand ich auch. Bei den Sängern haben mir vorallem Asmik Grigorian als Senta ind Eric Cutler als Erik sehr gut gefallen. Aber ich könnte schon mal Wetten auf die nächsten Kommentare abschließen

  • Grogorian natürlich stimmlich und darstellerisch eine Wucht, die Ballade hat mich quasi in den Stuhl gedrückt. Dirigat m.E. absolut positiv. Die restliche Sängerriege meistenteils ganz ausgezeichnet, jedenfalls gut. Zur Inszenierung wäre einiges, durchaus auch kritisches, zu sagen, aber zwischen Kritik und "ewiger Vernichtung" gibt es Unterschiede, die hier im Forum manchmal leider verschwimmen ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Auch wenn im Kino das akustische Erlebnis beschränkt blieb - ich fand es etwas zu leise - war ich sehr angetan von Tschernjakows Holländer-Deutung. Kritisch sehe ich Lundgrens Gesang.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • [...] war ich sehr angetan von Tschernjakows Holländer-Deutung

    Lieber Hans, das ging mir ähnlich - wobei ich mich anfangs sehr an seine Inszenierung von Eötvös Senza Sangue erinnert fühlte und ehrlicherweise dachte "Was für ein langweiliger Scheiß wird das denn?!". Es wurde dann aber sehr schnell sehr spannend, vielleicht am Ende nicht konsequent "durchdikliniert"? Allerdings, wenn man darüber nachdenkt, hatte auch die anschließende Kritikerrunde im Radio (demnächst wohl als Podcast und auf ARD Radiofestival 2021 nachhörbar) nicht ganz unrecht mit der Standardfrage, was die Tcherniakov Interpretation mit dem Stück zu tun hat ... auf jeden Fall aber eine Produktion, die man sich nochmal durch das Ohr und den Kopf gehen lassen sollte!


    p.s. Lundgren muss man wohl, wenn ich es richtig verstanden habe, eine Corona-Erkrankung zugute halten.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Hans, das ging mir ähnlich - wobei ich mich anfangs sehr an seine Inszenierung von Eötvös Senza Sangue erinnert fühlte und ehrlicherweise dachte "Was für ein langweiliger Scheiß wird das denn?!". Es wurde dann aber sehr schnell sehr spannend, vielleicht am Ende nicht konsequent "durchdikliniert"? Allerdings, wenn man darüber nachdenkt, hatte auch die anschließende Kritikerrunde im Radio (demnächst wohl als Podcast und auf ARD Radiofestival 2021 nachhörbar) nicht ganz unrecht mit der Standardfrage, was die Tcherniakov Interpretation mit dem Stück zu tun hat ... auf jeden Fall aber eine Produktion, die man sich nochmal durch das Ohr und den Kopf gehen lassen sollte!


    p.s. Lundgren muss man wohl, wenn ich es richtig verstanden habe, eine Corona-Erkrankung zugute halten.

    Lieber Michael, Dank für den Link! Hoffentlich kann man die Kritikerrunde morgen nachhören! Daß Lundgren mit Handicap sang, wußte ich nicht. In Berlin hörte ich ihn im Sept. 2020 als Walküren-Wotan. Da war er komplett indisponiert. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ich fand auch das in einem sehr guten Sängerensemble Herr Lundgren der schwächste war . Auch ich hab nicht gewusst das er an Corona erkrankt war . Ich hab mir die Übertragung auf BR Concert angesehen .

  • In Berlin hörte ich ihn im Sept. 2020 als Walküren-Wotan. Da war er komplett indisponiert.

    Ja, die Erkrankung muss wohl relativ kurz davor gewesen sein.

    Ich hab mir die Übertragung auf BR Concert angesehen .

    Ich auch, da weiß man natürlich nie so genau, wie sehr dies einen Unterschied zu "vor Ort" macht. Andererseits natürlich toll, das man so - wie auch schon in den vergangenen Jahren - zuhause oder im Kino ein bisschen live dabei sein kann :thumbup:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Vollkommen unverständlich fand ich übrigens, dass Eberhard Friedrich als Chorleiter teilweise kräftige "Buhs!" kassiert hat. Bösen Stimmen behaupten, dies war, weil einige ihn für den Regisseur gehalten haben ... Ich jedenfalls fand die Chorleistung insbesondere dafür, dass der Bühnenchor ja "nur" markiert hat und der singende Chor irgendwo auf dem Gelände saß, sehr gut. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Chor besonders im 3ten Aufzug sehr, sehr leicht auseinander gehen kann. Auch hier natürlich eine tolle Leistung von Maestra Lyniv.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Mir hat die Premiere des Holländers durchweg gut bis sehr gut gefallen. Ich habe die Aufführung über den Livestream bei BR concert angeschaut und möchte vorab bemerken, dass ich Abstriche mache hinsichtlich der Klangqualität, die leider nicht annähernd die Akkustik im Festspielhaus wiedergibt. Ich fand die Aufnahmemikro recht ungünstig (irgendwo direkt über dem Graben?) positioniert was dazu führte, dass das Orchester doch sehr laut "rüberkam" und die Sänger*Innen teilweise überdeckte.

    Maestra Lyniv hat ihre Sache großartig gemacht und sie ist, so mein Empfinden, mit den besonderen Gegebenheiten im "Graben", bestens klar gekommen.

    Asmik Grigorian als Senta war für mich das Sahnehäubchen dieser Aufführung. Leider wird sie, wie sie in einem Interview äußerte, es bei der Partie der Senta belassen.

    Dass Lundgren gesundheitlich angeschlagen war, war mir auch nicht bekannt. Ich habe ihn zwar schon gesanglich souveräner erlebt, fand ihn aber nicht schwach. Lediglich auf "den letzten Metern" zeigten sich größere stimmliche Konditionsmängel.

    Das Sängerensemble war insgesamt bestens besetzt, wobei mir Attilio Glaser als Steuermann ausnehmend gut gefallen hat.

    Zum Chor. Stimmlich wieder exelent aufgestellt. Leider gab es im 3. Aufzug doch ein paar heftige Wackler, die ich auf die besondere Situation, (in Teilen) nicht auf der Bühne sondern in einem Nebengebäude singen zu müssen, zurückführe. Hier war der Chorleiter Eberhard Friedrich gefordert und ich denke, die Buhs galten ihm, weil er es nicht geschafft hatte, dort der verlängerte Arm der Maestra zu sein.


    Die Inszenierung? Hm, hierzu ist meine Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Durchaus interessant.


    Bin nächste Woche dort........live ist es unübertrefflich. Holländer und Walküre (aber ohne Groissböck, der wohl kalte Füße bekommen hat).


    Vielleicht berichte ich.


    "Bedenken will ichs, wer weiss, was ich tu" :)


    Gruß

    Wogtraute

    Ob ich nicht höre? ob ich die Musik nicht höre? Sie kommt doch aus mir. (aus "Elektra")

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  • Liebe Wogtraute,

    sei herzlich willkommen, dein Name prädestiniert dich schon, über deine Eindrücke vom Grünen Hügel zu berichten. Ich jedenfalls freue mich sehr, von dir wieder zu lesen.

    Insbesondere interessieren mich natürlich meine beiden Erzeuger in der Walküre. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Aber ich könnte schon mal Wetten auf die nächsten Kommentare abschließen

    Kannst Du ruhig, es wird nur positive Meinungen zur Inszenierung geben. Kritiken sind nicht erwünscht, mögliche Kritiker haben sich aus dem Forum zurückgezogen, und in den wenigen Interviews nach der Premiere wurden nur begeisterte Opernfreunde gezeigt. Also alles i.O.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Kannst Du ruhig, es wird nur positive Meinungen zur Inszenierung geben. Kritiken sind nicht erwünscht, mögliche Kritiker haben sich aus dem Forum zurückgezogen, und in den wenigen Interviews nach der Premiere wurden nur begeisterte Opernfreunde gezeigt. Also alles i.O.

    Das ist ganz einfach Unsinn! - Beispielsweise war die an die Übertragung anschließende Kritikerrunde von der Inszenierung durchaus nicht einhellig begeistert, auch habe ich bereits Kritiken gelesen, die nicht nur positiv waren. Also keine Spur von "jubelnder Systempresse". Auch ist oben nachzulesen, dass ich für meinen Teil die Inszenierung durchaus für diskussionwürdig und zum Teil problematisch halte:

    Zur Inszenierung wäre einiges, durchaus auch kritisches, zu sagen, aber zwischen Kritik und "ewiger Vernichtung" gibt es Unterschiede, die hier im Forum manchmal leider verschwimmen

    Also schaue Dir die Inszenierung doch einfach an und beteilige Dich dann inhaltlich an der Diskussion!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Also schaue Dir die Inszenierung doch einfach an und beteilige Dich dann inhaltlich an der Diskussion!

    Nein, Danke. Kein Interesse mehr. Mir haben die Bühnenbildausschnitte gereicht.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Bei BR-Klassik ist eine Kritik zur gestrigen Premiere zu lesen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Vorab einen großen Dank an den BR für diesen Livestream. Ja, die Mikrofonierung fande ich auch nicht ganz optimal. Man hätte doch zumindest versuchen können mehr Raum mit einzufügen, einen realistischen Eindruck bekommt man sowieso nirgendwo hin, unmöglich. Die Sänger empfand ich auch als sehr gut, vorallem Frau Grigorian.

    Es wurde jetzt öfter der nicht ganz optimale John Lundgren erwähnt, ja, so war auch mein Eindruck.

    Orchester, Dirigentin und auch die Regie waren für mich völlig ok.

    Die Buhs für Chordirektor Friedrich konnten klar, für die paar Wackler gegolten haben oder vielleicht wollten auch einige so ihren Unmut über die Entscheidung ausdruck verleihen, dass der Chor "nur" über Lautsprecher übertragen worden ist. Weil, bitte schön, einen über Boxen eingespielten Chor - auch wenn er live singt - klingt immer nach Konserve und hat überhaupt nichts mit einem echt singendem Opernchor auf der Bühne zu tun.

    Die meisten Zuschauer waren wahrscheinlich sowieso geimpft und die Coronatests für die Mitwirkenden (auch Chor!) hätte man kurz vor Vorstellungsbeginn machen können. Also wo war das Problem? Andere Städte beweisen doch auch das es geht Madrid, Salzburg, Wien usw.


    Nein, ich möchte nicht jammern. Ich habe mich sehr über die Liveübertragung gefreut. Sehr!

  • Die Tonspur liegt mir vor, die "belanglose" (BR) Inszenierung im Schmuddelmilieu und mit (mittlerweile bereits traditionell) durch Handlung verunstalteter Ouvertüre brauche ich nicht dazu.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mein Eindruck war, daß der Holländer beim letzten Besuch, vor sieben Jahren, ein Versprechen von Frau Mary bekommen hat. Die hat mit ihm noch eine Rechnung offen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

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  • Ich habe mir soeben die Kritikerrunde im BR gleich nach der Vorstellung angehört. Die Herrschaften waren ja überwiegend nicht so begeistert. Das Regiekonzept erscheint auch recht absurd, jedenfalls nicht zum "Fliegenden Holländer" passend. Aber wie gesagt, die Inszenierung interessiert mich generell kaum.

    Zur musikalischen Seite: Die Textverständlichkeit gerade der Damen hat m. E. noch Potential nach oben. Vergleichsweise hörte ich Anja Silja unter Klemperer. Für mich erreicht es dieses Niveau nicht. Besonders die Lobhudelei bzgl. des Dirigats erscheint mir dann aber einigermaßen übertrieben. Eine sicherlich sehr ordentliche Leistung, gerade für eine Bayreuth-Debütantin, aber ernsthaft gleich sensationell? Haben die Kritiker die großen Bayreuther "Holländer"-Dirigenten Knappertsbusch, Keilberth, Sawallisch, Böhm und (Woldemar) Nelsson nicht gehört? Es gab bei Lydiv einige hörbare Wackler, nicht nur an den gerade unter diesen Bedingungen zugegebenermaßen schwierig zu koordinierenden Chorstellen. Insgesamt klang das Festspielorchester merkwürdig dünn besetzt, fast anämisch, was aber womöglich dem Klangideal der Dirigentin oder dem Regiekonzept entspricht. Eine romantisch-schwelgerische Opulenz vermisste ich insofern persönlich bei diesem Paradebeispiel einer hochromantischen Oper schon.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe jetzt auch den Radiomitschnitt gehört, so dass ich über die Inszenierung nichts sagen kann. Aufgrund der Berichterstattung gehe ich auch davon aus, dass ich es bei der musikalischen Seite belassen werde, da es mir nicht gefällt, wenn man das Libretto nur als Steinbruch nutzt, aus dem man lediglich einige Stichworte und Ideen entnimmt, um darüber eine ganz andere Geschichte zu stülpen, wie es hier der Fall zu sein scheint.


    Also, zur Musik:

    Zur musikalischen Seite: Die Textverständlichkeit gerade der Damen hat m. E. noch Potential nach oben.

    Da muss ich Joseph beipflichten, wobei ich das aber bei John Lundgren sogar noch störender fand als bei den Damen. Gerade einige Umlaute und eigenwillige Diphtongierungen bei manchen Vokalen fand ich eher unschön. Ungeachtet dessen fand ich seine Leistung aber schon sehr ansprechend, vor allem wenn er denn tatsächlich krankheitsbedingt indisponiert war (ein paar Mal hat man beim Ansatz schon gehört, wie die Stimme wegzurutschen drohte, bzw. dass er in der Höhe nicht ganz frei war). Allerdings hat er ein tolles Timbre, riesiges Material, verfügt über ein überzeugende Phrasierung. Schwierigkeiten im piano wurden durch Forcieren überspielt, dürfte aber der oben erwähnten Indisposition geschuldet sein.


    Georg Zeppenfeld war ein hervorragender Daland, technisch souverän, interpretatorisch ebenso, eine rundum tolle Darbietung ohne Abstriche.


    Eric Cutler als Erik: superb! Sehr schöne Stimme mit großer Strahlkraft, der jedoch facettenreich zu singen weiß und seiner Rolle große Eindringlichkeit verlieh.


    Asmik Grigorian sang ebenfalls eine Senta, die aufhorchen ließ, die Darstellung hat mir insgesamt sehr gut gefallen, bei der Textverständlichkeit sehe ich, ähnlich wie Joseph, noch Raum zu weiterer Verbesserung, wobei es natürlich in den hohen Lagen, in denen sie da zu singen hat, gerade zum Schluss hin, äußerst schwierig ist, den Text zu transportieren. Dennoch, eine prachtvolle Stimme und eine berührende Rollengestaltung.


    Das Dirigat hat mich auch sehr überzeugt; ich würde es zwar auch nicht als sensationell bezeichnen, aber ohne Zweifel als sehr gelungen, die Wahl der Tempi, die Akzente im Orchester, die Beleuchtung verschiedener Klangfarben, alles das fand ich durchaus gelungen und schön, ein sehr guter Einstand von Oksana Lyniv, da darf man auf weitere Dirigate von ihr gespannt sein.


    Den Chor ohne direkte Bühnenpräsenz über Lautsprecher einzubinden, ist natürlich sehr heikel und schwierig, dafür habe ich Verständnis, das trübt das positive Gesamtbild nicht. Insgesamt für mich eine aus unterschiedlichen Gründen sehr hörenswerte Aufnahme, trotz teilweiser Abstriche.

  • Also schaue Dir die Inszenierung doch einfach an und beteilige Dich dann inhaltlich an der Diskussion!

    Vielleicht tue ich mir das tatsächlich an. Aber nach allem, was ich hier sowie in der Presse über die Inszenierung gelesen habe, will mir doch eine Frage nicht aus dem Kopf: Kann es sein, dass der Regisseur es versäumt hat, das Libretto zu lesen?

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Kann es sein, dass der Regisseur es versäumt hat, das Libretto zu lesen?

    Treffend gefragt, liebe Mme. Cortese. Mein Eindruck ist auch, dass sich Tcherniakov für die Stücke selbst nicht sonderlich interessiert. Er nimmt sie als Ausgangspunkt für eigene Schöpfungen - so wie manche Regisseure sehr frei mit einem Roman für einen Spielfilm umgehen. Lässt man mal Wagners "Holländer" beiseite, dann fand ich das handwerklich schon sehr gut und sehr konsequent gemacht. Ich frage mich allerdings, ob man die Details, die man auf dem Bildschirm wahrnahm, auch in der letzten Reihe erkennen kann. Wer Tcherniakov also einlädt, bekommt auch Tcherniaov - und das zu hundert Prozent. Es ist drin, was draufsteht. Bei ihm werde ich den Gedanken nicht los, dass er immer aktuellen russischen Alltag und russische Innenpoilitik kritisch auf die Bühne bringt. Und da die russischen Verhältnisse der deutschen Medien liebstes Kind sind, wird das schon verstanden werden. Eine Premieren-Besucherin, die sich in diesen Dingen gut auskennt und ihre Erfahrungen gesammelt hat, konnte gewiss gut folgen. ;) Dieser "Holländer", der keiner war, erinnert mich sehr an die Atmosphäre um die Lady Macbeth von Mzensk. Man schaue sich die die Eingangsszene vor der Bar sehr genau an. Was da rumsaß - alles russiche Typen aus einem Milieu, dem man gewöhnlich fernbleibt. Diese Statisten sind garantiert gezielt ausgesucht worden. As Berliner weiß ich, wovon ich rede.


    Musikalisch? Na ja. Ich kann diese für mich wichtigste Seite einer Aufführung nur schwer extrahieren von der Szene. Die war nach meiner Wahrnehmung so übermächtig, dass die Musik fast schon in den Hintergrund geriet. Wenn mir also nach "Holländer" ist, werde ich kaum nach dem Mitschnitt greifen. Ich halte ihn für eine Momentaufnahme ohne Nachwirkung. Allerdings wird man sagen, dass erstmals eine Frau vor dem Orchester gestanden hat. Das bleibt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe die Aufführung nur vom Radio aufgenommen und angehört und war begeistert, auch und vor allem von Asmik Grigorian und Eric Cutler (meine Ernüchterung folgt im zweiten Absatz). Die Männerchöre vom Probensaal hätte man vielleicht noch etwas lauter einspielen können, aber ich weiß ja nicht, wie das vor Ort geklungen hat. In der Übertragung klangen sie etwas zurückhaltend. Mir ist es ohnehin immer ein Rätsel, wie man das mit den Einspielungen überhaupt so gut hinbekommt (das fragte ich mich zuletzt bei der Turandot in St. Margarethen).


    Nach Durchsicht mehrerer Rezensionen zur musikalischen Seite (v. a. Senta und Dirigentin) frage ich mich, ob man vergessen hat, dass es schon sensationelle Holländer-Dirigate und Sentas gegeben hat in Bayreuth. Da fallen mir zuerst gleich mal Karl Böhm und Gwyneth Jones ein.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • "Buhs für Tcherniakov

    Erwartbare und einigermaßen einhellige Buhs gab es am späten Abend für das Regieteam um Dmitri Tcherniakov für eine Inszenierung mit guter Grundidee aber ausbaubarer Umsetzung. Er hatte die romantische Wagner-Oper als Rache-Geschichte à la Graf von Monte Christo auf die Bühne bringen wollen, scheiterte damit aber dank einer allzu schlichten Umsetzung mit leblosem Bühnenbild und problematischer Figurenführung, die es den Sängern sehr schwer machte."


    So stand es in der Ostthüringer Zeitung. Den kompletten Artikel kann ich nicht kopieren und einfügen. Lob gab es für die Sängerriege und das Dirigat. Das o.g. Zitat ist nicht komplett, der gesamte Text ist weitaus kritischer.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • "Eine Sensation für sich war die Dirigentin des Abends, Oksana Lyniv, die als erste Frau in der 145-jährigen Festspielgeschichte die musikalische Leitung innehatte und mit viel Spannung und Tempo durch die Partitur führte sowie für irisierende, in Klang gegossene Gefühle zwischen Ablehnung und Besessenheit, Wut und Verzweiflung sorgte."

    Miriam Damev in "Der Standard" (Online-Ausgabe, 26. Juli 2021)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • "Buhs für Tcherniakov

    Erwartbare und einigermaßen einhellige Buhs gab es am späten Abend für das Regieteam um Dmitri Tcherniakov für eine Inszenierung mit guter Grundidee aber ausbaubarer Umsetzung. Er hatte die romantische Wagner-Oper als Rache-Geschichte à la Graf von Monte Christo auf die Bühne bringen wollen, scheiterte damit aber dank einer allzu schlichten Umsetzung mit leblosem Bühnenbild und problematischer Figurenführung, die es den Sängern sehr schwer machte."


    So stand es in der Ostthüringer Zeitung. Den kompletten Artikel kann ich nicht kopieren und einfügen. Lob gab es für die Sängerriege und das Dirigat. Das o.g. Zitat ist nicht komplett, der gesamte Text ist weitaus kritischer.

    Da sich inzwischen wohl nur noch wenige Zeitungen "eigene" Kritiker leisten wolen, kann der vollständige Text (anscheinend eine Übernahme von dpa) auch anderswo nachgelesen werden; z.B.


    https://www.sueddeutsche.de/ba…20090101-210724-99-511229 oder

    https://www.news894.de/artikel…ben-begonnen-1019489.html


    [zuletzt aufgerufen am 27.07.2021]


    Über den oben von La Roche zitierten Abschnitt hinaus findet sich aber, soweit ich sehen kann, in dem Artikel eigentlich nichts weiter zur Inszenierung; also schon garnichts in die angedeutete Richtung:

    Das o.g. Zitat ist nicht komplett, der gesamte Text ist weitaus kritischer.

    Vielleicht mag La Roche aufklären, ob die Ostthüringer Zeitung weiteres eigenes, kritisches zur Inszenierung geschrieben hat? - Im übrigen sollte man den Schreiber(ling) von dpa vielleicht mal fragen, wie er auf den "späten Abend" gekommen ist? Die Premiere war kurz vor 20:30 Uhr zuende, und solange wird das Publikum auch nicht gebuht haben ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Kann es sein, dass der Regisseur es versäumt hat, das Libretto zu lesen?

    Für mich beantworte ich die Frage mit einem klaren Nein. T. hat bestimmt genau gelesen, und er hat sich dafür entschieden, die Gewaltverhältnisse in dieser liebelosen Geschichte zu sezieren. Ob das Vorspiel während der Ouvertüre dazu nötig ist, mag man bezweifeln. Es ist aber nicht der erste Bayreuther Holländer, der Handlung während der Ouvertüre hat. In der Kupfer-Inszenierung fällt dabei das Bild des Holländers von der Wand, und Senta steigt die Treppe empor.

    Tschernjakow unterschätzt vielleicht das Publikum ein wenig und liefert zu viel Erklärung, inszeniert also das Programmheft - deshalb das Vorspiel.

    Sein analytisch-kalter Ansatz sagt mir aber immer zu. Senta und Holländer wird ebensowenig Sympathie des Regisseurs zuteil, wie Tristan und Isolde in seiner Berliner Inszenierung. Dafür verzichte ich auch auf Segel und Taue, Hummerkörbe und Fischbrötchen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ob das Vorspiel während der Ouvertüre dazu nötig ist, mag man bezweifeln.

    Eine Frage, die ich mir auch gestellt habe! - Was ginge verloren, wenn man die Traumatisierung des Herrn H. als Kind, i.e. Daland und "das Dorf" treiben dessen Mutter offenbar in den Selbstmord, nicht als Erklärung oder besser noch als Begründung dafür hätte, dass er in das Dorf zurückkehrt? Zwar würde dadurch der "Hinrichtung" einiger Dorfbewohner durch H. die Motivation fehlen, aber vielleicht ist auch diese "Hinrichtung" eigentlich verzichtbar. Alles andere würde sich weiterhin aus sich selbst heraus, d.h. aus dem Libretto zusammen mit der Inszenierung ergeben. Allerdings wäre zusätzlich wieder der Moment des Zufalls gegeben, d.h. der Holländer taucht letztlich, wie bei Wagner auch, zufällig auf und nicht, wie bei Tcherniakov, absichtlich bzw. aufgrund seiner Vorgeschichte. - Dieses Ersetzen des Zufalls durch die Zwangsläufigkeit bei der Einführung der Holländer-Figur empfinde ich vielleicht als die größte Schwäche der Inszenierung.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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