Don Giovanni in Salzburg 2021

  • Nachdem vor 99 Jahren mit Don Giovanni erstmals eine Oper bei den Salzburger Festspielen aufgeführt wurde, war es irgendwie vorhersehbar, dass Mozart's Meisterwerk zum 100-jährigen Jubiläum des Festivals auf den Spielplan gesetzt wird. Somit wurde diesem Don Giovanni schon im Vorfeld große Aufmerksamkeit und eine gewisse Erwartungshaltung zuteil - nicht nur weil Teodor Currentzis als Dirigent angekündigt wurde.


    Und wer hätte gedacht, dass die Inszenierung von Romeo Castellucci, die modernstes Regietheater ist, so ein Publikumsjubel zuteil werden würde? Ich habe jedenfalls kein Buh gehört. Wenn es eines gegeben hat, ist das im tosenden Jubel des Publikums völlig untergegangen.

    Dabei hat man schon Tage vor der Premiere gefürchtet es könnte ein Skandal und eine Kontroverse werden. Mitnichten. Modernes Regietheater ist wohl kein Grund zum Aufregen mehr. Ganz im Gegenteil.


    Was passiert bei Castellucci eigentlich auf der Bühne? Viel. Sehr viel. Manche sagen zu viel. Ein Besucher erklärte, dass es geradezu amüsant war, was sich auf der Bühne abspielte, aber dass es doch teilweise zu sehr von der Musik ablenkte.


    Man kam aus dem Staunen gar nicht heraus.


    Die Oper beginnt schon mit einem "Knalleffekt". Auf der Bühne stürzt tatsächlich ein Auto (!) auf den Bühnenboden herab. Das ist nicht das einzige was auf der Bühne zerstört wird. Castellucci sieht in Giovanni einen Zerstörer. Und zerstört wird hier viel. So der Rollstuhl des Komtur, auch Basketballbälle werden zerstochen, und dann knallt auch noch ein Klavier (!) aus großer Höhe auf den Boden herab. Wie hält dieser das eigentlich aus? Er muss doch wohl nach jeder Vorstellung repariert werden. Dem Komtur wird übrigens mit seiner Krücke der Gar ausgemacht.


    Auf der Bühne befinden sich alle möglichen Requisiten. So beispielsweise eine Waschmaschine, riesige Müllcontainer, oder auch eine Kopiermaschine zu der Leporello die Registerarie singt. Klar, mit der Maschine kann man ganz leicht Giovanni's Verführungskatalog vervielfältigen und gleich an Interessenten weiterfaxen. Während Leporello seine Arie singt, tauchen dazu 150 Frauen auf. Sie stellen sozusagen all diese Frauen dar, die Giovanni verführt hat. Die Damen sind übrigens alle Salzburgerinnen.


    Ja, Nackte und Halbnackte tummeln sich auch auf der Bühne.


    Und auch Tiere gibt es auf der Bühne. So hat eine Ziege ein akustisches Solo, Don Ottavio besitzt weiße Pudel, und auch eine Ratte hat einen prägnanten Auftritt.


    Castellucci nutzt die große Bühne voll aus, das ist sicher.


    Zum Ende reißt sich Giovanni im Todeskampf sämtliche Kleider vom Leib. Splitterfasernackt schmiert er seinen Körper mit weißer Gipsfarbe ein und verschwindet sozusagen im Nichts. Die restlichen Charaktere werden am Ende zu eingegipsten Figuren.


    Das Bühnenbild ist stets das Gleiche. Der Innenraum einer Kirche, die übrigens zu Beginn - noch ohne die Musik Mozart's - vor den Augen der Zuschauer geleert wird.


    Und es passiert noch einiges mehr auf der Bühne des Großen Festspielhauses. Aber das würde hier den Rahmen sprengen. Was uns Castellucci damit sagen will und was all diese Bilderreihen eigentlich zu bedeuten haben ... nun, wir müssen die Antworten wohl selbst finden.

    In Kürze kann man sich das alles dann auch noch in nächster Nähe ansehen wenn eine Vorstellung im TV ausgestrahlt wird.

    Man muss das wohl ein paar Mal ansehen, um alles erfassen und nachvollziehen zu können.



    Was das Musikalische betrifft: Currentzis präsentiert mit dem hervorragenden Orchester musicAeterna - natürlich ist auch der wunderbare musicAeterna-Chor mit von der Partie - einen ruppigen, harten Mozartklang. Schließlich wird auf historischen Instrumenten gespielt. Das ist kein Weichzeichner-Mozart. Wem die Mozart-Dirigate von René Jacobs gefallen, der kann sicher auch mit Currentzis' kantigen Mozart etwas anfangen, auch wenn er die Partitur sehr eigenwillig dirigiert, so ganz wie ihm gerade danach ist.


    Don Giovanni gilt als die ideale Oper für Salzburg und stellt sozusagen das Pendant zu Hofmannsthal's Jedermann dar. Don Giovanni, die Oper über das Sterben des GEILEN Mannes.


    Dieser geile Mann ist in diesem Fall Davide Luciano der seinem Diener Leporello, gesungen von Vito Priante, nicht nur vom Stimmtyp ähnelt, sondern auch optisch. Das ist wohl ganz beabsichtigt. Das macht die Maskerade im zweiten Akt natürlich viel glaubhafter. Luciano singt vielleicht allzu brav und gediegen, jedenfalls trumpft er nie wirklich auf. Zu sehr scheint er auch mit der Darstellung beschäftigt zu sein, die Castellucci ihm abverlangt.


    Während Federica Lombardi als Donna Elvira manchmal gar zu arg scheppert, ist die höhensichere Donna Anna von Nadezhda Pavlova eine Wucht, vor allem im zweiten Teil des Abends. Sicher, Intonationstrübungen bleiben nicht unbemerkt, aber sie ist intensiv in ihrer Darstellung und ihre fulminant dargebotene Arie Non mi dir im zweiten Akt - mit ungewöhnlichen Verzierungen - beschert ihr den größten Szenenapplaus des Abends.


    Bei Don Ottavio tobt sich Castellucci besonders aus und steckt ihn in die verschiedensten Kostüme. So trägt er eine Uniform, sieht dann aber wieder nach Schifahrer oder doch Bergsteiger der 1920er(?)-Jahre aus, dann ist er wieder ein bemantelter Dandy mit zwei weißen Pudeln. Umso erstaunlicher ist es da, welch phantastischen Don Ottavio Michael Spyres hier vokal abliefert.

    Als ob die Arie Il mio tesoro im zweiten Akt mit ihren langen Bögen nicht schon schwer genug ist, setzt Spyres noch eines drauf und reichert diese Bögen mit zusätzlichen Verzierungen an. Feinstes Legato und eine beeindruckende Atemtechnik.

    Nicht überraschend heimst Spyres für seinen viril gesungenen Don Ottavio dann den größten Schlussapplaus des Abends ein.


    Anna Lucia Richter ist stimmlich eine gar nicht so mädchenhafte Zerlina, David Steffens lässt als Masetto aufhorchen, und Mika Kares singt den Komtur klangschön aber vielleicht nicht unbedingt angsteinflößend.


    "Der ungewöhnlichste Giovanni den die Welt je gesehen hat", hat Salzburg's Intendant Markus Hinterhäuser angekündigt. Er hat nicht zu viel versprochen.


    Es gäbe sicher noch viel von und über diese Inszenierung zu sagen. Aber für alles auf einmal ist es tatsächlich zu viel. Das muss man wirken lassen.


    Es wäre schön wenn sich Tamino-Mitglieder finden würden, die sich die TV-Übertragung ansehen. Obwohl sich einige im Forum sicher schon jetzt angewidert zurückziehen werden ...



    Gregor

  • Lieber Gregor, Dank für Deinen interessanten Bericht aus Salzburg! Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Hallo Gregor, ich habe mir Deinen Bericht ganz bewusst noch nicht durchgelesen - Spoilergefahr ;) Ich plane aber, mir die Produktion dann im Fernsehen anzuschauen um dann gerne mitzudiskutieren. Auf jeden Fall schon mal Danke für den Einstieg, den Du hier lieferst!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Obwohl sich einige im Forum sicher schon jetzt angewidert zurückziehen werden ...

    Danke, lieber Gregor, für die ausführliche Beschreibung dieser Salzburger Posse, sie reicht (mir) vollkommen, sich jeden persönlichen Einblick zu ersparen.

    Was hat das noch mit Mozarts bzw. La Pontes "Don Giovanni" zu tun? Mir hat schon kürzlich "Figaros Hochzeit" aus Aix-en-Provence gereicht, doch dagegen war das ja wirklich eine stockkonservative Aufführung.


    Ich bin sicher, wenn das zu Lebzeiten Karajans passiert wäre, der hätte die Polizei gerufen!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Sehr interessant, ich wäre gerne dabei gewesen. Letztes Jahr hatte ich Karten für diese Don Giovanni-Produktion, primär wegen Currentzis, aber da ist sie coronabedingt ausgefallen. Dieses Jahr konnte ich es leider nicht einrichten, nach Salzburg zu fahren, was ich sehr bedaure.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Wobei man beim Lesen mit der ersten Seite des Artikels anfangen sollte, lieber Rüdiger. ;)

    Ich war offenkundig durch Deinen Bericht etwas verwirrt, lieber Gregor. Danke für die Korrektur. ;)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Obwohl sich einige im Forum sicher schon jetzt angewidert zurückziehen werden ...

    Ich habe mich aus dem kompletten System "Oper" angewidert zurückgezogen, gehe auch nicht mehr im Theater in die Oper. Da müßten schon Wunder passieren. Das ist nicht mehr meine Welt. Mir bleibt das Konzert.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Nun warte ich auf die Richtigstellung von einigen Taminos. Der Kesting kann doch unmöglich Recht haben!! Wo doch das Publikum begeistert war! Und einige aus dem Forum wohl auch!!

    Aber die Meinung Kestings ist ja nur die Meinung eines einzelnen Besuchers.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Der Kesting kann doch unmöglich Recht haben!! Wo doch das Publikum begeistert war! Und einige aus dem Forum wohl auch!!

    Ich suche und suche, kann aber keine Taminos finden, die den Don Giovanni gesehen haben und begeistert von der Inszenierung sind. Hingegen haben sich einige Taminos die Oper nicht angesehen und schimpfen trotzdem.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Zitat von rodolfo39:


    Ich werde mir den Don Giovanni nächsten Samstag auf 3Sat anschauen.


    Lieber rodolfo39,


    der Salzburger Don Giovanni kommt nächsten Samstag auf ARTE, nicht auf 3 Sat.


    Herzliche Grüße


    Lustein

  • Hingegen haben sich einige Taminos die Oper nicht angesehen und schimpfen trotzdem.

    :D


    Trefflich bemerkt Orfeo - dieses typische Verhalten in ästhetischen Glaubenskriegen ist inakzeptabel kann nicht oft genug gerügt werden.

  • Zitat von rodolfo39:


    Lieber lustig., danke für die Korrektur


    LUSTEIN, nicht lustig, lieber rodolfo39. Bitte mein Pseudonym richtig schreiben. Ich muss doch bitten!


    Herzliche Grüße


    Lustein

  • Bevor ich mir diesen Thread in seiner Gänze zu Gemüte führe, hier ein paar "ungefilterte" Eindrücke zur gestrigen Fernsehaufzeichnung auf arte. Ich muss dazu allerdings noch vorweg schicken, dass ich aufgrund der späten Anfangszeit um 22:00 Uhr bislang nur den ersten Akt gesehen, aber mir den kompletten Don Giovanni immerhin schon aus der Mediathek heruntergeladen habe um beizeiten auch den zweiten Akt anzuschauen.


    Es war im Thread zur aktuellen Holländer-Neuinszenierung bei den Bayreuther Festspielen, wo Mme. Cortese schrieb

    Genau hier scheint meiner Meinung nach der Knackpunkt bei einigen Regisseuren zu liegen. Ich habe vor längerer Zeit - ich glaube, es war anlässlich seiner Inszenierung der "Salome" - mal über Castellucci geschrieben: Castellucci inszeniert immer Castellucci, egal, welche Musik man dazu spielt. (Was ich über den Salzburger "Don Giovanni" gelesen habe, scheint diese These zu bestätigen). [...]

    und dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen, außer vielleicht, dass die Inszenierung bis auf das effektvolle Herunterschmeißen von großen und kleinen Gegenständen vom Schnürboden herab auch nicht weiter gestört hat. Tatsächlich taugt m.E. Castelluccis Arbeit - zumindest im ersten Akt - nicht einmal zum "Regietheater-Aufreger". Im Gegenteil wird hier ziemlich knallhart am Libretto entlang inszeniert, es gibt keine neue oder zusätzliche Story (wie etwa bei Tscherniakovs in Bayreuth), Don Giovanni und sein Diener Leporello tragen keine Trainingsanzüge (das sich beide sehr ähnlich sind, ist durchaus auch im Sinne des Librettos plausibel), dafür Zerlina einen Blumenkranz im Haar und die Bühne könnte bis auf ein paar herumliegende Gegenstände eine Straße in Sevilla zur nämlichen Zeit darstellen. So hat man als Zuschauer die Wahl, entweder sich mit Castelluccis erratischen Bebilderungen oder mit Mozart/Da Ponte zu beschäftigen. Jedenfalls fällt es zumindest am TV-Bildschirm nicht so schwer, jeweils das Eine oder das Andere einfach auszublenden ...

    Für den "Kenner" vielleicht amüsant die Donna Anna als Medea/Callas/Pasolini-Zitat und überhaupt nicht amüsant, sondern vielleicht das größte Problem des Abends Don Ottavio als South Pole-Amundsen. Und wirklich grenzt Castelluccis Denunziation des Don Ottavio an eine komplette Hinrichtung der Figur, was schließlich in einer für meine Ohren vollkommen unkonzentriert und unsicher gesungenen "Arie mit Pudel" Dalla sua pace führt. Insgesamt jedoch wurde zumindest auf hohem Niveau gesungen. Mein Einspruch hier allerdings, das auch der Orchestergraben zwar durchaus effektvoll, aber letztlich ohne den für Mozart-Opern so notwendigen "Drive" musizierte.


    In 2021 also eher 1 : 0 für Bayreuth!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Ich habe mir beide Akte des DON GIOVANNI angetan und muss sagen, dass die Bilderflut, wie angekündigt, gewaltig war, aber nichts mit Mozarts Oper zu tun hatte. Der Gesangsext stimmte oft genug nicht mit dem Geschehen auf der Bühne überein, was aber offensichtlich heutzutage als üblich goutiert wird. Von meiner Seite nicht zu bestreiten ist die überzeugende Leistung des gesamten Ensembles - Gesangssolisten und Orchester. Die haben den Beifall wirklich verdient, was aber den Regisseur angeht, halte ich mich ganz bewusst zurück. Und der Hype um Currentzis ist mir schnuppe.

    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich habe den Don Giovanni gestern auf arte ab 22:05 bis gegen 2 Uhr mit meiner Frau zusammen angesehen. Ich bin in meinem Leben bisher kein Opernfreund geworden, d.h. ich habe mir in Stuttgart und Frankfurt bisher max. 15 Opern quer durchs Repertoire angesehen, v.a. wegen des gemeinsamen Erlebnisses mit meiner Frau bzw. Familie.


    Ich war sehr beeindruckt von dem einfachen, aber grossartigen Bühnenbild, den fast nur ganz in Weiss oder Schwarz gekleideten Figuren, und vom musikalischen Teil der Oper. Die Musik war ein Mozart, den ich noch gar nicht kannte, nämlich dramatisch, rauh und auch manchmal etwas schrill. Die herabfallende Autoattrappe und der durch den Fall zerspringende Flügel haben mich zwar beides Mal erschreckt, jedoch nicht sonderlich beeindruckt. Es hätte kein Mal mehr sein dürfen !


    Das Interview mit der Festivaldirektorin in der Pause liess mich aufhorchen und ich fand es substantiell. Selbstverständlich habe ich da nicht etwas Ausgewogenes oder so erwartet.


    Insgesamt ein starkes Erlebnis für mich, das mich anschliessend und auf heute noch viele Details rekapitulieren lässt.

    (Bei diesem kurzen Beitrag möchte ich es auch bewenden lassen) :yes:;):)

  • Apotheose des Wieselns


    Die Oper begann mit einer Marthalerisierung: vor die Ouvertüre wurde eine hochsymbolische Handlung gestellt, die komplette Leerung einer Kirche, damit der Religion. Schon Marthaler hatte sowas mit der "Sache Makropulos" gemacht; ich habe darüber im Opernführer geschrieben. Nur: wer die Wahl hat zwischen der banalen Handlung hier und Mozarts Ouverture, wird sich doch für Mozart entscheiden. Dann kam die Musik, und das Orchester spielte gut und die Sänger waren vorzüglich, da gab es keinen Ausfall. Die Musik Mozarts war relativ kräftig gespielt, aber das haben Furtwängler und Klemperer auch schon gemacht. Allerdings gab es einiges Geklimper, das im krassen Gegensatz zu Mozarts Können stand, hatte Currentzis das selbst komponiert? Die Sänger nahmen einige Verzierungen vor, die vor allem bei den Damen in ungeahnte schrille Höhen führten.

    In vieler Hinsicht gab die Kargheit der Musik viel Raum. Dann aber die Mätzchen mit den Symbolen oder der Einsatz von Puppen statt Menschen.

    Völlig unsinnig erschien mir in jeder Szene der Einsatz von Menschenmassen, die dann in weiß oder schwarz sich über die Bühne bewegten, manchmal langsam, manchmal schwer durchgewieselt, sodass man überhaupt nichts erkennen konnte, besonders sinnlos, wenn die Musik dazu schwieg. Was sollten die 150 Salzburger Frauen, die über die Bühne schlichen, einschließlich ein paar Kinder, die bestimmt in ihrem Bett besser aufgehoben gewesen wären?

    Dann kam der entscheidende Punkt. Die Crux in jedem Don Giovanni ist die Komturszene, die drei große Bässe/Baritone braucht, da ist die Messlatte u.a. Furtwängler und Klemperer. Eine Aufführung, die einen nicht dazu führt, sich am Sitz festzukrallen, ist wertlos. Hier kam es noch schlimmer: der Komtur war nicht zu sehen, er sang im Orchestergraben. Don Giovanni zog sich ganz aus, schmierte sich mit weißer Farbe voll und wälzte sich konvulsivisch, aber sinnlos auf dem Boden, wahres Schmierentheater, vielleicht hätte ihm das beim Bodenturnen in Tokio einen letzten Platz eingebracht. Tut mir leid, aber ich muss jetzt was etwas leicht Anstößiges schreiben: auch der "schlingernde Penis" trug eher zur Heiterkeit bei.

    Fazit: Oper als Apotheose des Wieselns, da sind die originalen Wiesel besser.


    P.S. Ich verweise noch einmal ausdrücklich auf den ersten Beitrag von Gregor, der eine Menge weiterer Details mitteilt.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • @ MSchenk

    "Im Gegenteil wird hier ziemlich knallhart am Libretto entlang inszeniert".

    Schön wär's! Sagen wir eher "nicht so sehr ziemlich" :-)

    Auch z. B, wenn Donna Elvira als alleinerziehende Mutter mit ihrem kleinen Sohn auftritt?

    Oder wenn, statt Leporellos Register (von Da Ponte als "catalogo" benannt) eine Fotokopiermaschine vom Himmel herunterfährt? Der Apparat hat nicht einmal eine Liste geprintet...

    Oder, wenn am Ende gegessen werden soll (gemäss Libretto genau was), und man sieht dabei nicht einmal einen gedeckten Tisch??

    Dies nur einige von vielen Beispielen, worüber man diskutieren soll, aber es ist es nicht einmal wert.

    Regisseure à la mode dürfen sich heutzutage alles erlauben, nur damit ein grosser optischer Effekt entsteht und das Publikum die Mäuler aufsperrt - und die Rezensenten wieder den abgedroschenen Begriff "starke Bilder" gebrauchen können.

    Bezeichnend für dieses Business war die Bemerkung der "arte"-Moderatorin in der Zwischenpause, als sie uns noch mitteilen musste, dass zum ersten Mal in Salzburg ein komplett nackter Mann auf der Bühne zu sehen sein wird. Da haben vielleicht Einige bis um 02:00 nachts ausgeharrt - und sogar vielleicht alleine darum.

    Die Hauptpartie war, meiner Meinung nach, eine stimmliche Fehlbesetzung. Da hätte der Sänger des Leporellos, ein viel besseres Material dafür gehabt! Die Kritiker finden den Tenir Spyres "süperb"; na ja, dann halt...

    Aber die Frauenstimmen haben mir persönlich sehr gefallen.

    Und so weiter...

    Arme Oper, was ist aus Dir geworden? Schon der Bayreuther "Holländer" letzte Woche war so was von läppisch und an den Haaren Herbeigezogenes.

    Über Currentzis Dirigat äussere ich mich lieber nicht, sonst werde ich hier drin wieder attackiert :-)

  • Über Currentzis Dirigat äussere ich mich lieber nicht, sonst werde ich hier drin wieder attackiert :-)

    Hallo, genau das wäre aber mal von einem Berufskollegen ganz interessant, zumindest andeutungsweise. Gruß:hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Bin kein "Berufskollege"; habe nicht einmal einen Konservatoriums-Abschluss, nie Meisterkurse besucht und einen Assistentenposten gehabt :-)

  • Bin kein "Berufskollege"; habe nicht einmal einen Konservatoriums-Abschluss und habe nie Meisterkurse besucht :-)

    Nur nicht so bescheiden.;) Ist aber gerne so akzeptiert, natürlich ist alles hier freiwillig. :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Die Inszenierung hat nicht weiter gestört. Die Sänger Besetzung war im Gegensatz zum Dirigenten Festspielwürdig. Den Hype um Herrn Currentzis kann ich nicht nachvollziehen. Jeder Kapellmeister hätte das besser hinbekommen. Der arme Komtur tat mir leid.

  • Nun warte ich auf die Richtigstellung von einigen Taminos. Der Kesting kann doch unmöglich Recht haben!! Wo doch das Publikum begeistert war! Und einige aus dem Forum wohl auch!!

    Aber die Meinung Kestings ist ja nur die Meinung eines einzelnen Besuchers.

    Ich würde ja gerne richtigstellen, wenn ich denn verstehen würde, was Kesting mir bzw. dem geneigten Leser überhaupt sagen will. Allein, selbst nach seinem Nachschlag (siehe Beitrag #11) habe ich das einfach nicht so recht verstanden und vielleicht magst Du ja zur Aufklärung beitragen?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich will dem Tamino "Adriano" in allen Punkten beipflichten - er hat das ausgeschrieben, was ich vor her schon andeutungsweise gepostet hatte.

    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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