HOFMANNSTHAL, Hugo von: JEDERMANN, das Spiel vom Sterben des reichen Mannes

  • Hugo von Hofmannsthal (1874-1929):


    JEDERMANN

    Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes

    Tragödie in einem Aufzug


    Uraufführung am 1. Dezember 1911 im Berliner Zirkus Schumann unter Max Reinhardt



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Gott, der Herr / Erzengel Michael / Tod / Teufel / Mammon / Werke / Glaube

    Jedermann / Jedermanns Mutter / Jedermanns guter Gesell / Jedermanns Tischgesellen

    Der Hausvogt / Der Koch

    Ein armer Nachbar / Ein Schuldknecht / Sein Weib und Kind

    Buhlschaft / Dicker Vetter / Dünner Vetter / Junge Fräulein / Büttel / Knechte / Spielleute / Buben / Mönch / Engel



    INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES


    Der Herrgott klagt über die Undankbarkeit der Menschen. Sie kennen nur das Vergnügen, den Erwerb von Reichtum und haben ihn, den Herrscher des Himmels und der Erden, vergessen. Und Gott beschließt, ein Exempel zu statuieren, ruft Gevatter Tod zu sich und gibt ihm den Auftrag, den Jedermann zu ihm zu bringen.


    Und dieser Herr Jedermann kommt gerade aus seiner Villa. Selbstverliebt preist er nicht nur seine Reichtümer, sondern beauftragt seinen Koch, ein opulentes Festmahl für Gäste herzurichten. Dann ruft er einen seiner Knechte zu sich und wünscht, dass er ihm ein gut gefülltes Geldsäckchen holt, denn er will sich mit seinem Freund, dem guten Gesellen, ein vor der Stadt liegendes Grundstück kaufen – er will es in einen Lustgarten verwandeln.


    Doch gerade als er sich mit jenem Freund auf den Weg machen will, tritt ihm sein armer Nachbar in den Weg und bettelt ihn an. Jedermann ist – nach eigener Einschätzung – nicht geizig, und er zückt sofort seine Geldbörse und übergibt seinem Nachbarn eine kleine Münze. Damit ist dem armen Nachbarn allerdings nicht geholfen und er bittet den Reichen um den vollen Geldbeutel. Jedermann reagiert entrüstet: Wie käme er dazu? Er hätte, wenn sich das herumsprechen würde, nur noch bettelnde Leute am Hals. Aber nachtragend ist Jedermann nicht und hält dem armen Kerl die Münze noch einmal hin – der nimmt sie und geht ab.


    Jedermann und sein Geselle wollen weiter gehen, doch kommt ihnen, von zwei Bütteln geführt, der Schuldknecht mit seiner Frau und ihren Kindern entgegen. Der arme Kerl konnte seine Schulden bei Jedermann nicht bezahlen und soll nun in den Schuldturm gebracht werden. Als wäre die Lage für den Schuldner und seine Familie nicht schon schrecklich genug, wird er – und damit natürlich auch seine Frau und die Kinder – von Jedermann und seinem Spießgesellen übel verspottet. Der lässt sich das jedoch nicht gefallen und findet Worte, die Jedermann an sein eigenes „Schuldbuch vor Gott“ erinnern sollen – was jedoch an dem Hartherzigen abprallt: Kann er etwas dafür, dass der Mann nicht mit Geld umgehen kann? Des Schuldners Frau mischt sich ein und warnt Jedermann mit resignierendem Tonfall vor Gottes Strafgericht. Aber auch das lässt den Gescholtenen kalt; er lobt stattdessen den Mammon und behauptet, dass Wohlstand und Glauben nichts miteinander zu tun haben. Doch kommt plötzlich bei Jedermann menschliche Rührung ins Spiel, denn er ordnet an, dass man für die Frau und ihre Kinder eine Unterkunft sucht – für die Kosten will er aufkommen.


    Weil es nun für die Besichtigung des Gartengrundstücks zu spät ist, gibt Jedermann seinem guten Gesellen den Auftrag, für ihn den Kauf abzuwickeln. Selbst stellt er sich den Lustgarten als ein Paradies zur Erholung von den Alltagssorgen vor: Es soll einen von Säulen umrahmten Altar geben, es soll ein Badehaus für Spiele im Wasser gebaut werden und es müssen unbedingt verführerische und süße Blumendüfte den Garten erfüllen. Jedermann ist von seinen Ideen begeistert...


    ...wird aber durch seine Mutter in die Realität zurückgeholt: Sie tritt zu ihm und klagt ihn wegen seiner mangelnden Gottesfurcht an und muss sich im Gegenzug von ihrem Sohn anhören, dass die Kirche doch nur sein Geld will. Die Antwort der Mutter hebt auf die Allmacht des Todes ab, er aber fühlt sich mit 40 Jahren noch viel zu agil und will sich Bußfertigkeit für später vornehmen. Die Mutter aber lässt nicht locker und moniert seine vielen Frauen, erinnert ihn an das Sakrament der Ehe. Und tatsächlich kann sie ihm ein – wenn auch nur halbherziges – Versprechen abringen, dass er sich darüber Gedanken machen will. Als sie, auf irgendeine Weise zufriedengestellt, davongeht, hört sie „Flöten und Schalmeien“, und – merkwürdig – Jedermann hört sie auch. Diese verstörenden Klänge setzen ihm zu, doch wird er in diesem Augenblick von der Buhlschaft, die mit Spielleuten auf ihn zukommt, sofort in eine frohe Stimmung versetzt. Sie macht ihm jedoch Vorwürfe, weil er die Verabredung nicht eingehalten und sie deshalb schon Schlimmes befürchtet hat. Obwohl Jedermann durch die Musik nun erleichtert ist, kann er seine melancholische Stimmung nicht ganz abschütteln. Die Buhlschaft bemerkt das und versucht ihn aufzuheitern. Aber ihre Bemerkung, dass der Tod wie eine schlafende Schlange sei, die auf keine Fall geweckt werden sollte, lässt Jedermann wieder nachdenklich werden. Schließlich sagt er, sich aufbäumend, er wolle nur noch „zwei besondere Schlangen“ spüren, nämlich ihre Arme, die ihn umfassen sollen. Das lässt sich die Buhlschaft nur einmal sagen, küsst ihn und setzt ihm einen Blumenkranz auf.


    Eine neue Szene zeigt einen üppig gedeckten Tisch für eine große Gesellschaft. Jedermann heißt die Gäste willkommen. Aber plötzlich bildet er sich ein, dass alle im Totenhemd an der Tafel sitzen. Er fragt unvermittelt die Buhlschaft, ob sie ihm in den Tod folgen würde. Diese Frage lässt die Gäste aufhorchen und bestürzt reagieren; schließlich beraten sie, wie man den beliebten, großzügigen und geschätzten Gastgeber auf andere Gedanken bringen kann. Ein Vetter des Jedermann will es mit Wein versuchen, andere wollen lustige oder zotige Lieder singen. Der Gastgeber hat derweil ein Glas Wein getrunken und ist dadurch sofort in eine andere Stimmung gekommen. Er bittet seinen Vetter, für die Gesellschaft ein Lied zu singen. Der lässt sich nicht lumpen und stimmt den Gesang vom „kalten Schnee“ an – als Jedermann plötzlich ein dumpfes Glockenläuten wahrnimmt. Er horcht auf und bemerkt, dass die Gäste weiter albern – offensichtlich haben sie den Glockenklang nicht gehört. Aber: kaum ist der Glockenklang verstummt, hört Jedermann von allen Seiten die Rufe seines Namens – schrecklich und mahnend zugleich. Und wieder stellt er fest, dass nur er die Stimmen gehört hat, denn seine Gäste lachen und singen weiter. Jedermann nimmt sich vor, am nächsten Tag seinen Arzt aufzusuchen.


    Dem Arztbesuch kommt allerdings ein ungebetener Gast zuvor: Gevatter Tod tritt zu ihm und ruft ihn zu Gott. Der Besucher und seine Worte schreckt die Gäste auf und sie fliehen entsetzt. Der Todgeweihte fängt sich und fleht den Tod inständig um einen kurzen Aufschub an: Er möchte erst sein Schuldbuch in Ordnung bringen. Mit so einer Bitte – wenn auch flehentlich vorgetragen – kann Jedermann bei Gevatter Tod aber nichts ausrichten. Unerbittlich und ohne Erbarmen lehnt der Tod ab – um sich ebenso plötzlich anders zu besinnen: Er gewährt den Aufschub und gibt Jedermann sogar Zeit, einen Reisegefährten zu finden (wohl wissend, dass kein Mensch freiwillig mitkommen wird).


    Der erste, an den sich Jedermann wendet, ist sein bester Freund, der gute Geselle. Tatsächlich will der ihm überallhin folgen. Als ihm aber klar wird, dass er für immer Frau, Kinder und Freunde, das schöne Leben eben, zurücklassen müsste, weicht er protestierend zurück. Das ist zu viel verlangt. Er rennt davon und lässt in Jedermann die Erkenntnis reifen, dass auch auf die besten Freunde kein Verlass ist.


    Enttäuscht wendet sich Jedermann nun seinen Vettern zu. Die beschwören natürlich zunächst das dicke Band der Blutes – brauchen aber auch nicht lange, hinter ihres Cousins Absicht zu kommen und beenden das Spielchen mit ihrem Abgang. Der eine Vetter ruft ihm dabei noch zu, dass er gerne seine unangenehme Frau mitnehmen könne, während der andere Vetter Jedermann entrüstet für den Versuch, die Verwandten mit in den Tod reißen zu wollen, tadelt. Er weist dann auch noch auf die große Zahl von Leibeigenen hin, die er mitnehmen könnte – ein bestechender Gedanke, der bei Jedermann aber Zweifel aufkommen lässt, dass die vor Gott für ihn sprechen würden.


    Was bleibt ihm nun noch übrig? Die Zeit ist unerbittlich weiter gegangen und als einzige Alternative kommt ihm die große Truhe mit den Reichtümern in den Sinn. Also befiehlt er den Knechten, jene Truhe zu holen und sich auf eine lange Reise vorzubereiten. Doch Jedermanns Zeit ist vorbei und aus dem Hintergrund kommt wieder Gevatter Tod auf ihn zu. Die Knechte rennen entsetzt davon und Jedermann wirft sich auf die Truhe und gelobt, nicht ohne sie zu gehen. In diesem Moment springt die Truhe auf und Mammon erhebt sich, für Jedermann zunächst nicht erkennbar. Als sich Mammon jedoch vorstellt, besteht er darauf, dass er ihn auf die Reise in den Tod begleitet. Der aber lacht höhnisch-böse und macht Jedermann klar, dass er, der Mammon, ihn an der Nase herumgeführt hat: Der Reichtum sei ihm nur geliehen worden, ins Grab werde er so nackt wie ein Neugeborenes gehen! Mammon springt höhnisch lachend wieder in die Truhe und der Deckel fällt herab.


    Jedermann muss sich eingestehen, dass er sich überschätzt hat. Plötzlich ruft eine zerbrechlich klingende Stimme seinen Namen – eine alte und krank aussehende Frau schlurft heran: Es sind, aber das erkennt Jedermann nicht, seine Werke. Er wendet sich also ab – doch die gebrechliche Alte gibt sich als seine Wohltaten zu erkennen und will mit ihm auf die Reise gehen. Jedermann glaubt aber, dass sie ihn bei Gott, dem Richter, nicht angemessen vertreten kann. Doch die Alte gibt nicht auf und behauptet, dass sie ihm immer nahe gestanden habe, er sich jedoch vom Glanz seines Reichtums habe blenden lassen. Jetzt aber ist sie alt und schwach geworden und rät Jedermann, die Schwester „Glaube“ zu konsultieren...


    ...die steht plötzlich vor ihm und schilt, dass er sie in seinem Leben unbeachtet ließ, nun aber ihre Hilfe benötige. Jedermann muss an Glaubensartikel denken, die er als Kind und Jugendlicher zum letzten Mal gesprochen hat, nun jedoch ausspricht. Für Glaube ist das aber zu oberflächlich, sie erinnert ihn an den Dreieinigen Gott, dessen Barmherzigkeit und die Vergebung der Sünden durch den Tod Jesu und ruft ihn auf, jeglichen Zweifel an einen rächenden Gott zu vergessen. Glaube weist Jedermann zu dem hinzugekommenen Mönch, der Buße und Sündenbekenntnis abnehmen und die Absolution erteilen soll.


    Jedermann kniet nieder und betet, während seine Mutter gerade zur Frühmesse geht und mit Freude ihren betenden Sohn sieht. Sie ist überzeugt, dass ihr Sohn den Weg zum Glauben gefunden hat und kann nun, gewiss, dass sie ihn am Jüngsten Tag vor Gottes Thron wiedersehen wird, sterben. Aber auch Jedermanns Werke haben diese Veränderung bemerkt, entledigen sich der Krücken und geben das Versprechen ab, auch den letzten Gang, aus dem es kein zurück mehr geben wird, mitzugehen.


    Doch da ist einer, der nicht mit dieser Wendung einverstanden ist, der schon einige Zeit aufgeregt im Hintergrund hin und her gelaufen ist und jetzt in den Vordergrund tritt: Der Teufel ist gekommen um einen seiner treuesten Gefolgsleute abzuholen – und sofort auf energischen Widerspruch von Glaube und Werke trifft. Auch angedrohte Gewalt bringt dem Teufel keinen Erfolg, denn zu den beiden allegorischen Figuren treten von der Höhe eine Schar Engel, die ihn zum Verzicht auf die so sicher geglaubte Seele Jedermanns zwingen. Die Schimpfkanonade, die er loslässt, ist seiner würdig, bleibt aber auch erfolglos. Glaube erinnert den Teufel an den Opfertod Jesu für die Sünden eines jeden Menschen, auch für Jedermann! Und der so Belehrte hält sich mit verzerrtem Gesicht bei der Nennung von Jesu Namen die Ohren zu und schimpft dann weiter, dass er es nicht verstehen kann und will, dass jemand zu seinen Lebzeiten alle Gesetze Gottes missachten, durch Reue jedoch alles ungeschehen machen kann. Der Glaube antwortet, dass Gott anderen Gesetzen folgt, als es der Höllenfürst sich vorstellt. Wütend und geschlagen geht der Teufel schimpfend ab.


    Jedermann erhält nun die Sterbesakramente und schreitet mit einem Pilgerstab versehen mit Glaube und Werke auf sein Grab zu. Gemeinsam steigen sie dann in die Gruft. Der Glaube spricht ihm Mut zu und als Sterbender bittet er in einem Gebet Gott um die Rettung seiner Seele und bittet, am Jüngsten Tag als Erlöster die Auferstehung zu erleben. Der liebliche Gesang der Engel sind ein Zeichen für die Aufnahme von Jedermanns Seele in den Himmel...



    © Manfred Rückert für den Tamino-Schauspielführer 2021

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    MUSIKWANDERER

  • Hofmannsthals "Jedermann" im Schauspielführer ist nur zu begrüßen. Der Dank geht an musikwanderer. Ich habe eine große Schwäche für dieses seltsame Stück, dass ohne seine exklusive Aufführungsgeschichte wohl nicht mehr die Positionen hätte, die es sich dadurch bewahrt hat. Es gibt sehr interessante Aufzeichnungen. Zunächst möchte ich aber darauf verweisen, das der "Jedermann" auch seinen Niederschlag in musikalischen Verarbeitungen fand. Da ist zunächst die Schauspielmusik von Jean Sibelius zu nennen, die er für eine Aufführung des Stückes in finnischer Übersetzung in Helsinki komponierte.



    Bekannter als die Schauspielmusik sind die 6 Monologe aus "Jedermann" von Frank Martin geworden. Der wollte den Stoff eigentlich zu einer Oper verarbeiteten, beließ es aber bei den Monologen. Hier eine aktuellen Aufnahme mit André Schuen, der die Klavierfassung von 1943 wählte:



    Dietrich Fischer-Dieskau singt die etwas später entstandene Fassung mit Orchester:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold1876, ich danke Dir für die Ergänzung mit Musik zum JEDERMANN - für mich eine Novität. Ich besitze eine Aufnahme (genauer: ich besaß!) von den Salzburger Festspielen, die ich hier als Diskographischen Hinweis einstellen wollte. Doch fand ich im Web kein Cover und zu meinem Erstaunnen ist auch die CD in meinem Regal nicht mehr auffindbar. Ich weiß also nicht mehr, wer die Schauspieler waren, meine mich aber zu erinnern, dass Will Quadflieg die Titelrolle spielte. Ich hoffe, dass der bestens informierte Kollege Carlo hier helfen kann...

    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Will Quadfliegs Auftritte im Salzburger Jedermann


    Jedermann - Will Quadflieg 1952 - 1959

    Buhlschaft - Lola Müthel 1952, Heidemarie Hatheyer 1953-1955, Martha Wallner 1956- 1959


    Gott - Will Quadflieg 1965, 1981 - 1989

    Tod - Will Quadflieg 1973-1974

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ich weiß also nicht mehr, wer die Schauspieler waren, meine mich aber zu erinnern, dass Will Quadflieg die Titelrolle spielte. Ich hoffe, dass der bestens informierte Kollege Carlo hier helfen kann...

    Die CD, lieber musikwanderer, die sich in Deinem Bestand derzeit nicht finden lässt, ist bei der Grammophon erschienen und bei diversen Anbietern noch zu haben. Zuvor gab es auch eine LP-Ausgabe. Sorry, dass ich das einfach hier mitteile. Ich möchte nämlich Carlo, der nach dem Dokument gefragt gewesen ist, nicht vorgreifen.


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Die oben vorgestellte CD ist natürlich nur eine Kurzfassung und Bearbeitung.


    Aus der Beschreibung:

    Jedermann, 1 Audio-CD

    Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. In d. Inszenierung u. Besetzung d. Salzburger Festspiele v. 1958. ADD. 63 Min.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Pünktlich zu den Salzburger Festspielen:



    „Jedermann – Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ von Hugo von Hofmannsthal



    Was wäre Salzburg ohne die jährliche Aufführung des „Jedermann“ - und was wäre der „Jedermann“ ohne die jährliche Aufführung auf dem Salzburger Domplatz? Dabei entstammt die Idee, dieses einem mittelalterlichen Mysterienspiel nachempfundene Stück vor dem eindrucksvollen Portal des Domes 'St. Peter und Paul' zu Salzburg aufzuführen, einer Notlage. Im Juli 1920 – knapp zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg - bat die von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss 1917 gegründete 'Salzburger Festspielhaus-Gemeinde' die Landesregierung um die kostenlose Bereitstellung von Bauholz, um in der als Spielort für den „Jedermann“ gewählten 'Felsenreitschule' einen Bühnenboden bauen zu können. Dafür verzichteten der Regisseur Max Reinhardt, der Kostümbildner Alfred Roller und die Schauspieler - u. a. Hedwig Bleibtreu, Helene Thimig, Alexander Moissi, Werner Krauss, Heinrich George und Wilhelm Dieterle - auf ihre Gagen (und Hugo von Hofmannsthal und die Komponisten Einar Nilson und Bernhard Paumgartner auf ihre Tantiemen) und stellten den erwarteten Reingewinn Kriegsinvaliden und -waisen zur Verfügung. Doch Bauholz war knapp und so entschied man sich, zunächst auf dem Domplatz vor der Domfassade auf einem kleinen Bretter-Podest ohne Kulissen zu spielen. (Wegen Regens musste allerdings eine der fünf Vorstellungen in der Aula der Salzburger Universität statt finden. Da auch die Verpflegung der Gäste wegen der schlechten Ernährungslage schwierig war, erteilten die Passbehörden keine längeren Aufenthaltsgenehmigungen und man setzte Sonderzüge für die rechtzeitige Abreise der Festspielbesucher ein.) Damit ist der „Jedermann“ vor dem Salzburger Dom das erfolgreichste und dauerhafteste Provisorium der Theatergeschichte!



    Das gab es auf der Schallplatte:



    Der Spielansager – Helmut Janatsch / Gott der Herr – Karl Blühm / Der Tod – Ernst Deutsch / Jedermann – Will Quadflieg / Jedermanns Mutter – Adrienne Gessner / Jedermanns guter Gesell – Erich Auer / Ein armer Nachbar – Günther Haenel / Ein Schuldknecht – Wolfgang Hebenstreith / Des Schuldknechts Weib – Roswitha Posselt / Jedermanns Buhlschaft – Martha Wallner / Dicker Vetter – Fritz Imhoff / Dünner Vetter – Kurt Sowinetz / Der Mammon – Hanns Ernst Jäger / Jedermanns gute Werke – Hilde Mikulicz / Der Glaube – Maria Becker / Der Teufel – Ernst Ginsberg // Musik: Einar Nilson und Joseph Messner / Der Salzburger Rundfunk- und Mozarteum-Kammerchor / Ltg.: Ernst Hinreiner / Das Mozarteum-Orchester Salzburg / Dirigent: Karl Hudez / Dom-Orgel: Franz Sauer / Spielleitung: Ernst Lothar (Salzburg, August 1958, mono). Veröffentlicht – mit einigen geschickt vorgenommenen Kürzungen - auf einer Schallplatte der 'Deutschen Grammophon Gesellschaft' in deren 'Literarischem Archiv'. Lt. einer damaligen Rezension ist die Schallplattenaufnahme nicht identisch mit dem Ton der Fernseh-Übertragung (siehe dort). (Ich habe diese LP, die zu Weihnachten 1958 in den Handel kam, mit einer sehr schön – mit großen Rollenfotos der Mitwirkenden - gestalteten Beilage; 1993 wurde sie auf CD mit einer Spieldauer von 63,10 Minuten herausgegeben.)



    Das gab es im Rundfunk:



    Der Spielansager – Rüdiger Lichti / Gott der Herr – Günther Hadank / Der Tod – Martin Held / Jedermann – Wilhelm Borchert / Jedermanns Mutter – Renée Stobrawa / Jedermanns guter Gesell – Joseph Noerden / Der Hausvogt – Helmut Heyne / Der Koch – Kurt Laschinsky / Ein Knecht – Hans Mahlau / Ein armer Nachbar – Walter Bluhm / Ein Schuldknecht – Max Grothusen / Des Schuldknechts Weib – Charlotte Kolle / Jedermanns Buhlschaft – Joana Maria Gorvin / Dicker Vetter – Hans Stiebner / Dünner Vetter – Herbert Weissbach / Der Mammon – Eduard Wandrey / Jedermanns gute Werke - Roma Bahn / Der Glaube – Tilly Lauenstein / Der Teufel – Hans Hessling // Musik: Wolfgang Wölfer / Funk-Regie: Hans Bernd Müller (SFB Sender Freies Berlin, Sendung am 3. 4. 1955, 86 Minuten).


    Natürlich hat Salzburg keinen Alleinvertretungsanspruch für den „Jedermann“ und es gibt nicht nur Mundart-Fassungen des Textes, sondern auch ebenso imposante Aufführungsorte wie in Salzburg, beispielsweise (schon seit 1925) in Schwäbisch Hall, in Erfurt und vor dem Bamberger Dom. Von 1987 bis 2014 gab es auch in Berlin von der Schauspielerin Brigitte Grothum verantwortete „Jedermann“-Festspiele, seit 1993 im Berliner Dom (2006 mit René Kollo als „Jedermann“).



    Am 15. 8. 1959 sendete der Österreichische Rundfunk (ORF) einen Mitschnitt der Salzburger „Jedermann“-Aufführung vom 9. 8. 1959 (84 Minuten). Bis auf zwei Änderungen (Viktor Braun als 'Hausvogt' und Ludwig Linkmann als 'Armer Nachbar') ist die übrige Besetzung identisch mit der Schallplattenaufnahme und der Fernsehsendung von 1958 (siehe dort).



    Das gab es auf der Kinoleinwand:



    Der Spielansager – Max Lorenz / Die Stimme des Herrn – Ewald Balser / Der Tod – Kurt Heintel / Jedermann – Walther Reyer / Jedermanns Mutter – Alma Seidler / Jedermanns guter Gesell – Wolfgang Gasser / Der Hausvogt – Eduard Cossovel / Der Koch – Viktor Braun / Ein Knecht – Herbert Fux / Ein armer Nachbar – Helmut Janatsch / Ein Schuldknecht – Karl Blühm / Des Schuldknechts Weib – Roswitha Posselt / Jedermanns Buhlschaft – Ellen Schwiers / Dicker Vetter – Rudolf Rhomberg / Dünner Vetter – Peter P. Jost / Der Mammon – Paul Dahlke / Jedermanns gute Werke – Sonja Sutter / Der Glaube – Paula Wessely / Der Teufel – Heinrich Schweiger // Musik: Ernst Krenek / Das Mozarteum-Orchester Salzburg / Dirigent: Ernst Hinreiner / Dom-Orgel: Franz Sauer / Choreographie: Heinz Rosen / Einstudierung der Tänze: Franz Bauer-Pantoulier / Ausstattung: Tony Duquette / Inszenierung und Film-Regie: Gottfried Reinhardt (Salzburger Festspiele 1961, 'Dürer-Filmproduktion im Bavaria-Filmverleih', 105 Minuten).


    Walther Reyer hat die Titelrolle in 9 Salzburger Spielzeiten (mit 55 Vorstellungen) gespielt. Gottfried Reinhardt, der Sohn Max Reinhardts, beauftragte Ernst Krenek mit der Komposition einer neuen Bühnenmusik; bis dahin wurde stets die Musik von Einar Nilson aus dem Jahre 1920 (teilweise auch in späteren Bearbeitungen von Bernhard Paumgartner und Joseph Messner) gespielt. Da die Inszenierung Gottfried Reinhardts in den Jahren 1961-1962 beim Publikum nicht sonderlich 'ankam', wurde wieder Max Reinhardts Witwe Helene Thimig – deren Inszenierung schon von 1947 bis 1951 gezeigt wurde – für die folgenden sechs Jahre mit der Regie beauftragt. Die Besonderheit des während der Salzburger Festspiele 1961 gedrehten Kinofilms ist, dass er die Spielhandlung nicht nur vor dem Portal des Salzburger Doms, sondern auch an anderen Orten der Stadt zeigt. Bemerkenswert ist auch, dass der 'Spielansager' seinen Part nicht spricht, sondern singt: in den Salzburger Aufführungen 1961 und 1962 (als man die Musik von Ernst Krenek einsetzte - von 1963 bis 1968 verwendete man wieder die Musik von Einar Nilson und Joseph Messner) war es Julius Patzak, im Film ist es der 'Wagner-Tenor' Max Lorenz, der in Salzburg wohnte.



    Das gab es im Fernsehen:



    Der Spielansager – Helmut Janatsch / Gott der Herr – Karl Blühm / Der Tod – Ernst Deutsch / Jedermann – Will Quadflieg / Jedermanns Mutter – Adrienne Gessner / Jedermanns guter Gesell – Erich Auer / Der Hausvogt – Karl Navratil / Der Koch – Mario Haindorff / Ein Knecht – August Herbst / Ein armer Nachbar – Günther Haenel / Ein Schuldknecht – Wolfgang Hebenstreith / Des Schuldknechts Weib – Roswitha Posselt / Jedermanns Buhlschaft – Martha Wallner / Dicker Vetter – Fritz Imhoff / Dünner Vetter – Kurt Sowinetz / Der Mammon – Hanns Ernst Jäger / Jedermanns gute Werke – Hilde Mikulicz / Der Glaube – Maria Becker / Der Teufel – Ernst Ginsberg // Musik: Einar Nilson und Joseph Messner / Der Salzburger Rundfunk- und Mozarteum-Kammerchor / Ltg.: Ernst Hinreiner / Das Mozarteum-Orchester Salzburg / Dirigent: Karl Hudez / Dom-Orgel: Franz Sauer / Rhytmische Gestaltung: Grete Wiesenthal / Ausstattung: Caspar Neher / Inszenierung: Ernst Lothar (Salzburger Festspiele 1958, 90 Minuten). In der Premiere am 27. 7. 1958 hatte Albin Skoda den 'Teufel' gespielt. Die Fernseh-Übertragung wurde damals nur in Österreich ausgestrahlt.



    Der Spielansager – Peter Wolfsberger / Gott der Herr – Will Quadflieg / Der Tod – Romuald Pekny / Jedermann – Klaus Maria Brandauer / Jedermanns Mutter – Susi Nicoletti / Jedermanns guter Gesell – Karlheinz Hackl / Der Hausvogt – Edd Stavjanik / Der Koch – Robert Werner / Zwei Knechte – Otto Bolesch und Helmut Schneider / Ein armer Nachbar – Rudolf Wessely / Ein Schuldknecht – Fritz Holzer / Des Schuldknechts Weib – Ida Krottendorf / Jedermanns Buhlschaft – Marthe Keller / Dicker Vetter – Alfred Böhm / Dünner Vetter – Hans Clarin / Der Mammon – Rolf Hoppe / Jedermanns gute Werke – Marianne Nentwich / Der Glaube – Sonja Sutter / Der Teufel – Helmuth Lohner // Musik: Gerhard Wimberger / Drei Solisten des Tölzer Knabenchors / Das Ensemble 'Spinario' / Das Mozarteum-Orchester Salzburg / Dirigent: Rupert Huber / Dom-Orgel: Oskar Peter / Choreographie: William Milié / Choreographie-Assistenz: Felicitas Smolik / Ausstattung: Veniero Colasanti und John Moore / Inszenierung: Ernst Haeussermann / Fernseh-Regie: C. Rainer Ecke (Salzburger Festspiele 1983, Sendung im ORF und ZDF am 31. 7. 1983, 105 Minuten). Meines Wissens gibt es von dieser TV-Aufzeichnung bisher keine VHS- oder DVD-Veröffentlichung. (Nach dem Ende der Festspiele 1983 gastierte das gesamte Ensemble mit dieser Produktion in Freiluftaufführungen vor dem Kapitol in Rom.)



    Das gibt es auf DVD:



    Ein Mönch – Hans Gratzer / Gott der Herr - Ewald Balser / Der Tod – Peter Arens / Jedermann – Ernst Schröder / Jedermanns Mutter – Liselotte Schreiner / Jedermanns guter Gesell – Kurt Heintel / Der Hausvogt – Karl Blühm / Der Koch – Friedemann Held / Ein Knecht – Tom Krinzinger / Ein armer Nachbar – Hanns Obonya / Ein Schuldknecht – Edd Stavjanik / Des Schuldknechts Weib – Evi Servaes / Jedermanns Buhlschaft – Christiane Hörbiger / Dicker Vetter – Max Mairich / Dünner Vetter - Heinz Petters / Der Mammon – Heinrich Schweiger / Jedermanns gute Werke – Gisela Mattishent / Der Glaube – Sonja Sutter / Der Teufel – Heinz Reincke // Musik: Paul Angerer / Der Salzburger Rundfunk- und Mozarteum-Chor / Das Mozarteum-Orchester Salzburg / Dirigent: Ernst Hinreiner / Dom-Orgel: Oskar Peter / Choreographie: Dick Price / Ausstattung: Rudolf Heinrich / Inszenierung: Leopold Lindtberg / Fernseh-Regie: Hermann Lanske (Salzburger Festspiele 1970, Sendung am 6. 9. 1970 im ORF und im ZDF, 95 Minuten). Die TV-Aufzeichnung (noch in s/w) ist 2008 bei 'Arthaus' auf DVD erschienen.


    Leopold Lindtberg brachte als Erster in Salzburg 'Gott den Herrn' in persona auf die Bühne; in den Jahren davor war nur seine Stimme aus einem Fenster über dem mittleren Portal der Domfassade zu hören. Während meines Sommer-Urlaubs 1970 in der Umgebung von Salzburg habe ich bei einem der vielen Besuche in der Mozart-Stadt kurz vor Beginn der Festspiele auch eine längere Probe des „Jedermann“ auf dem Domplatz miterlebt; eine Karte für eine der sieben nachmittäglichen Vorstellungen in diesem Jahr war nicht zu bekommen...



    Der Spielansager – Wolf Bachofner / Gott der Herr – Hans Michael Rehberg / Der Tod – Otto Sander / Jedermann – Ulrich Tukur / Jedermanns Mutter – Christine Ostermayer / Jedermanns guter Gesell – Johannes Krisch / Der Hausvogt – Severin von Hoensbroech / Der Koch – Hans Wolfgang Pemmer / Ein Knecht – Mathias Schlung / Ein armer Nachbar – Fritz Muliar / Ein Schuldknecht – Michael Rastl / Des Schuldknechts Weib – Petra Torky / Jedermanns Buhlschaft – Dörte Lyssewski / Dicker Vetter – Hans Dieter Knebel / Dünner Vetter – Robert Meyer / Der Mammon – Thomas Thieme / Jedermanns gute Werke – Maria Bill / Der Glaube – Kitty Speiser / Der Teufel – Branko Samarovski / Zwei Engel – Johannes Lenzenhofer und Alexander Thaler // Musik: Werner Preisegott Pirchner / Das Vokalensemble 'Nova' / Das Bläserensemble 'Juvavum Brass' / Dirigent: Bernhard Sieberer / Choreographie: Elizabeth Clarke / Ausstattung: Anna Maria Heinreich und Imre Vincze / Inszenierung: Gernot Friedel / Fernseh-Regie: Karina Fibich (Salzburger Festspiele 2000, 112 Minuten). Die entsprechende DVD ist 2009 bei 'Arthaus' erschienen.


    Neben dem überzeugenden Spiel Ulrich Tukurs als beinahe sympathischer Titelheld – eben wie jedermann – sind noch der Darsteller des 'Mammon', der sich meterhoch aufbläht (eine geradezu zirzensische Leistung von Thomas Thieme), und der agile und fast jovial wirkende 'Teufel' (Branko Samarovski) hervorzuheben. Kleine 'Seitenblicke' zeigen die Schauspieler z. B. im Dom beim Memorieren ihrer Rollen oder den 'Teufel' im Auto bei der Fahrt zum Domplatz. Diese Produktion ist mit über 100 Vorstellungen in 18 Spielzeiten die meistgezeigte „Jedermann“-Inszenierung der Salzburger Festspiele; die Titelrolle spielten in jener Zeit Klaus Maria Brandauer, Helmuth Lohner, Gert Voss und Ulrich Tukur.



    Die Spielansager – Riederinger Kinder / Gott der Herr – Rudolf Wessely / Der Tod – Jens Harzer / Jedermann – Peter Simonischek / Jedermann Mutter – Jennifer Minetti / Jedermanns guter Gesell – Tobias Moretti / Der Hausvogt – Johann Christof Wehrs / Der Koch – Max Simonischek / Ein Knecht – Gerald Kolbinger / Ein armer Nachbar – Rudolf Wessely / Ein Schuldknecht – Anton Burkhart / Des Schuldknechts Weib – Susanne Schäfer / Jedermanns Buhlschaft – Veronica Ferres / Dicker Vetter – Oswald Fuchs / Dünner Vetter – Achim Buch / Der Mammon – Maximilian Brückner / Jedermanns gute Werke – Elisabeth Rath / Der Glaube – Elisabeth Schwarz / Der Teufel – Tobias Moretti // Musik: Markus Zwink / Das Ensemble 'Ars Antiqua Austria' / Dirigent: Gunnar Letzbor / Ausstattung: Marlene Poley / Inszenierung: Christian Stückl / Fernseh-Regie: Gernot Arendt (Salzburger Festspiele 2004, 124 Minuten). Veröffentlicht 2005 bei der DVD-Firma 'TDK' und später bei 'Arthaus'.


    Gegenüber den weitgehend 'traditionellen' Inszenierungen der Jahre 1946 bis 2001 wirkte Christian Stückls Stück-Auslegung 2002 sehr kontrovers: (unlogische) Textumstellungen, (logische) Doppelrollen - 'Gott-Armer Nachbar' und 'Guter Gesell-Teufel' - und (im Vergleich zu früheren „Jedermann“-Aufführungen) gesteigerter Aktionismus sowie grotesk ausstaffiertes Bühnenpersonal forderten die Zuschauer heraus. Peter Simonischek führt bis heute die Rangliste der Salzburger „Jedermann“-Darsteller mit 91 Vorstellungen (in 8 Spielzeiten) an, was daran liegt, dass der Regisseur Christian Stückl die Anzahl der Aufführungen gegenüber den Vorjahren stark erhöhte und auch abendliche Vorstellungen einführte. Simonischek liegt damit weit vor Alexander Moissi (69 Vorstellungen in 8 Jahren), Will Quadflieg (56 Vorstellungen in 8 Jahren) und Walther Reyer (55 Vorstellungen in 9 Jahren). Die am meisten eingesetzte 'Buhlschaft' war übrigens Dagny Servais (von 1926 bis 1937), gefolgt von Senta Berger (7 Jahre) und Christiane Hörbiger (5 Jahre).



    Die Spielansager – Riederinger Kinder / Gott der Herr – Martin Reinke / Der Tod – Ben Becker / Jedermann – Nicholas Ofczarek / Jedermanns Mutter – Elisabeth Rath / Jedermanns guter Gesell – Peter Jordan / Der Koch – Robert Reinagl / Ein Knecht – David Supper / Ein armer Nachbar – Martin Reinke / Ein Schuldknecht – Robin Sondermann / Des Schuldknechts Weib – Britta Bayer / Jedermanns Buhlschaft – Birgit Minichmayr / Dicker Vetter – Felix Vörtler / Dünner Vetter – Thomas Limpinsel / Der Mammon – Sascha Oskar Weis / Jedermanns gute Werke – Angelika Richter / Der Teufel – Peter Jordan // Musik: Markus Zwink / Das Ensemble 'Ars Antiqua Austria' / Dirigent: Gunnar Letzbor / Ausstattung: Marlene Poley / Inszenierung: Christian Stückl / Fernseh-Regie: Hannes Rossacher (Salzburger Festspiele 2010, Sendung im ORF am 25. 7. 2010, 128 Minuten). Veröffentlicht 2010 bei 'Arthaus'.


    Christian Stückls Regie unterschied sich 2010 von der aus dem Jahr 2004 erheblich. Zwar gab es wieder Textumstellungen und die Doppelbesetzungen 'Gott-Armer Nachbar' und 'Guter Gesell-Teufel', aber 'Der Glaube' war nun gestrichen und dessen Text zynischerweise dem 'Teufel' in den Mund gelegt worden. Vor allem die Interpretation der Titelrolle als 'Brutalo' verstört und lässt die finale Läuterung unwahrscheinlich wirken. Schauspielerische Glanzlichter sind Ben Becker als sehr fleischlischer 'Tod' und Angelika Richter als 'schlichtes Kind vom Lande' ('Jedermanns gute Werke').



    Die Spielansager – Hannes Flaschberger und Stephan Kreiss / Gott der Herr – Florentina Rucker / Der Tod – Peter Lohmeyer / Jedermann – Cornelius Obonya / Jedermanns Mutter – Julia Gschnitzer / Jedermanns guter Gesell – Patrick Güldenberg / Die Köchin – Sigrid Maria Schnückel / Ein armer Nachbar – Johannes Silberschneider / Ein Schuldknecht – Fritz Egger / Des Schuldknechts Weib – Katharina Stemberger / Jedermanns Buhlschaft – Brigitte Hobmeier / Dicker Vetter – Hannes Flaschberger / Dünner Vetter – Stephan Kreiss / Der Mammon – Jürgen Tarrach / Jedermanns gute Werke – Sarah Viktoria Frick / Der Glaube – Hans Peter Hallwachs / Der Teufel – Simon Schwarz / Ein Knabe – Simon Nagl // Musik: Martin Lowe, Julian Crouch, Einar Nilson, Bernhard Paumgartner und traditionelle Volksmusik aus dem Balkan / Das 'Ensemble 013' / Dirigent: Martin Lowe / Choreographie: Jesse J. Perez / Ausstattung: Julian Crouch und Olivera Gajic / Dramaturgie: David Tushingham / Inszenierung: Julian Crouch und Brian Mertes / Fernseh-Regie: André Turnheim (Salzburger Festspiele 2013, 120 Minuten). Veröffentlicht 2014 bei 'C major' mit einer Dokumentation „Salzburgs neuer Jedermann“ (25 Minuten).


    Als Kontrast zu der 'intellektuellen' Auslegung durch den aus Oberammergau stammenden Regisseur Christian Stückl, der im Jahr 2000 die nur alle zehn Jahre statt findenden Passionsspiele seines Heimatortes 'erneuerte', orientierte sich das Regieteam aus den USA (Mertes) und aus Großbritannien (Crouch) an den Mysterienspielen früherer Jahrhunderte, die oft auch auf Jahrmärkten und Volksfesten gezeigt wurden. (Das Vorbild für Hofmannsthal war bekanntlich das „Everyman“-Spiel des englischen Mittelalters.) Es gab lebensgroße Puppen und Masken, 'schräge' Musik mit ausgelassenem Tanz und 'starke' Bilder: die auf einem Fahrrad über die Bühne 'fegende' Brigitte Hobmeier als 'Buhlschaft' (ein Jahr später musste sie wegen einem eingegipsten Fuß darauf verzichten), der virtuos fast acht Meter ins mittlere Portal hoch kletternde Simon Schwarz ('Teufel'), der in ebenso schwindelnder Höhe dort sitzende Hans Peter Hallwachs als männlicher 'Glaube', die zunächst als Stockpuppe in einer Kiste sitzende bezaubernde Sarah Viktoria Frick als 'Gute Werke' und die Beerdigung – im eigentlichen Wortsinn - von Cornelius Obonya als 'Jedermann'. Dazu gehörte auch ein Umzug der Schauspieler und Musiker durch die Salzburger Straßen zum Domplatz, ein Brauch der bis heute beibehalten wird. Neu war auch, dass für jene Vorstellungen, die man wegen Regens in das Große Festspielhaus verlegen musste, ein Bühnenbild - mit einer verkleinerten Domfassade im Hintergrund - gebaut wurde, während früher bei derartigen Aufführungen mit ein paar Versatzstücken eher Probenatmosphäre herrschte. (Nicht wenige der „Jedermann“-Schauspieler bevorzugen diese Vorstellungen im Festspielhaus wegen der besseren Akustik.) Doch Teile der Kritik kamen mit dieser phantasievollen Interpretation – u. a. wurde 'Gott der Herr' durch ein Kind dargestellt - nicht zurecht, so dass sie vier Jahre später durch die noch aktuelle Inszenierung von Michael Sturminger abgelöst wurde.



    Der Spielansager; Gott der Herr; Der Tod – Peter Lohmeyer / Jedermann – Tobias Moretti / Jedermanns Mutter – Edith Clever / Jedermanns guter Gesell – Gregor Bloéb / Der Koch – Markus Kofler / Ein armer Nachbar – Helmut Mooshammer / Ein Schuldknecht – Michael Masula / Des Schuldknechts Weib – Pauline Knof / Jedermanns Buhlschaft – Caroline Peters / Dicker Vetter – Gustav Peter Wöhler / Dünner Vetter – Tino Hillebrand / Der Mammon – Christoph Franken / Jedermanns gute Werke – Mavie Hörbiger / Der Glaube – Falk Rockstroh / Der Teufel – Gregor Bloéb // Musik: Wolfgang Mitterer / Das 'Ensemble 013' / Dirigent: Jaime Wolfson / Choreographie: Andreas Heise und Joe Monaghan / Ausstattung: Renate Martin und Andreas Donhauser / Videodesign: Jakob Barth / Dramaturgie: Angela Obst / Inszenierung: Michael Sturminger / Fernseh-Regie: André Turnheim (Salzburger Festspiele 2020, 102 Minuten). Veröffentlicht 2021 auf zwei DVDs in der 'Unitel Edition' mit einer 54minütigen Dokumentation zum 100. Jubiläum der Salzburger Festspiele „Das große Welttheater – Salzburg und seine Festspiele“.


    Michael Sturmingers Inszenierung stammt aus dem Jahre 2017: eine dem Zeitgeist huldigende Regiearbeit von x-beliebiger Aussage. Am 28. 7. 2019 gab es die 700. Aufführung des „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen; wegen des berühmten Salzburger 'Schnürlregens' musste diese Vorstellung aber vom Domplatz in das Große Festspielhaus verlegt werden. Trotz der 'Corona'-Beschränkungen gab es 2020 vierzehn Aufführungen des „Jedermann“, wovon zehn abends statt fanden.



    Schließlich sei noch auf eine interessante DVD mit dem Titel „Jedermann remixed“ hingewiesen, die eine komplette Fassung des Schauspiels in Form einer Collage bringt, zusammengesetzt von Hannes Rossacher mit Film- und Fernsehmaterial aus neun Jahrzehnten „Jedermann“-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen von 1920 bis 2010. Zu sehen sind hier u. a. 14 Darsteller der Titelrolle: Alexander Moissi, Paul Hartmann, Attila Hörbiger, Will Quadflieg, Walther Reyer, Curd Jürgens, Maximilian Schell, Ernst Schröder, Klaus Maria Brandauer, Helmuth Lohner, Gert Voss, Ulrich Tukur, Peter Simonischek und Nicholas Ofczarek. Diese Dokumentation (90 Minuten) des ORF ist 2011 auf einer DVD bei 'Arthaus' erschienen. Eine aktualisierte Fassung aus dem Jahre 2020 „Jedermann remixed – Eine Zeitreise durch 100 Jahre Salzburger Festspiele“ (90 Minuten) kann man im Internet unter https://tvthek.orf.at/history/Die-Salzburger-Festspiele sehen.



    Carlo