Johann Wilhelm WILMS - Die Kammermusik

  • Johann Wilhelm Wilms: Klavierquartett op 30



    Wie man unschwer sehen kann, hält sich der Output an Kammermusik des deutsch - holländischen Komponisten Johann Wilhelm Wilms (1772-1842) in Grenzen.wobei man nicht sehen kann, was sich hinter der Bezeichnung "Zahlreiche kleiner Stücke" verbirgt. Immerhin - für die Tonträgerindustrie gäbe es da noch einiges zu tun.

    • 2 Klavierquartette: C-Dur op. 22, ed. 1812; F-Dur op. 30, ed. um 1812
    • 2 Streichquartette: g-Moll, A-Dur op. 25, ed. 1812
    • 2 Klaviertrios: C-Dur, ed. um 1799; D-Dur op. 6, ed. um 1800
    • 5 Sonaten für Klavier und Violine: E-Dur op. 11, ed. 1807; C-Dur, F-Dur, D-Dur op. 21, ed. 1809; B-Dur op. 29, ed. um 1813
    • 6 Sonaten für Klavier und Flöte: A-Dur, F-Dur, C-Dur op. 15, ed. um 1810; D-Dur, G-Dur op. 18, um 1813; D-Dur op. 33, um 1813
    • Zahlreiche kleinere Stücke und Variationenwerke für Klavier und (zumeist) Flöte

    Freuen wir uns also zuerst über das was wir haben. Die hier gezeigte CD wurde2019 veröffentlicht und ist bereits stark im Preis reduziert. Kein gutes Zeichen.

    Natürlich freut man sich als Sammler vordergründig darüber, aberf es ist einem bewusst, daß hier zu niedrige Verkaufszahlen dahinterstehen - was für weitere Aufnahmeprojekte tödlich sein kann - oder - anders ausgedrückt: Sie kommen oft gar nicht zustande....

    Die vorgestellte CD von cpo enthält 2 Klavierquartette. Ich habe vorerst das Quartett op 30 gehört, welches 1812 verlegt wurde. Es zeichnet sich durch Klangschönheit und wunderbare Instrumentierung und Ausbalancierung aus, und hat Anklänge an ein "Klavierkonzert" (inklusive Kadenz am Schlußss des 3. Satzes)

    Einerseits der Klangwelt des 18. Jahrhunderts verpflichtet, andrerseits mit einigen typischen Eigenarten der Musik des frühen 19. Jahrhunderts ausgestattet...


    Die Sätze:

    1) Adagio-Allegro

    2) Larghetto

    3) Allegro


    Fazit: Ein Werk das man nicht haben muß - aber haben sollte, weil es einfach Freude macht


    Mfg aus Wien

    Alfred


    Weitere Threads über Wilms im Tamino Klassikforum:


    WILMS Johann Wilhelm - Werke für Klavier solo

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    Vom Haydn-Anhänger zum Frühromantiker: Johann Wilhelm Wilms (1772-1847)

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • So ansteckend wie damals das Krausvirus ist die Wilmshysterie offenbar nicht. Ich mache den Umstand ignorierend unbeirrt weiter: kommen wir also zur Kammermusik.


    Clavierquartett C-Dur op. 22 aus 1812.



    G.A.P. Ensemble

    Emilio Percan, Violine Gabriel David Buchstetter (1770)

    Oriol Aymat Fusté, Violoncello Urs Mächler nach Andrea Guarneri

    Luca Quintavalle, Fortepiano Conrad Graf (1821/22)


    Special Guest

    Christian Euler, Viola Francesco Goffriller (1709-39)


    Gleich der Beginn des ersten Clavierquartetts ist ungewöhnlich: es beginnt in Haydnscher Machart unisono und mit einer fermatierten halben Note, die wie eine Fragestellung wirkt: wird das eine langsame Einleitung? Weit gefehlt: die Fermate findet nicht auf dem Grundton (Tonika) statt, sondern auf der 5. Stufe (Dominante), von der aus spielerisch über den Dominantseptakkord zur Tonika geleitet wird, die final erst in Takt 13 erreicht wird. Aber auch hierfolgt dann kein Kopfthema, wie es zu erwarten gewesen wäre - die Tonika mit einem Seitenthema dient hier auch nur als Schleuse für einen ausgedehnten Modulationsteil (17,5-60) über g-moll nach D-Dur; erst in Takt 61 wird das „2. Thema“ in G-Dur vorgestellt, das eine Abwandlung des auftaktigen ersten (Such-) Themas ist - auch hier bleibt Wilms nicht lange in der vorgesehenen Tonart, sondern wandert freizügig modulierend umher:



    Die Schlußgruppe, die das 2. Thema aufgreift, wird vom Clavier nur begleitet, das Thema wandert durch die Streicher und mündet zwangsläufig wieder im Unisono des Beginns; diesmal logisch als Dominante. Auch der Durchführungsteil startet mit dem schweren Unisono, das Thema wird dann in c-moll weitergeführt. Im aufwühlenden Mittelteil kurz mal „Mozart“ bei (8:19).


    258-kv-466-322

    [Mozart: Clavierkonzert d-moll KV 466, 1. Satz, T. 322ff.]


    Die Durchführung beschließt im zum Dominantseptakkord erweiterten Eingangsakkord, es folgt dann eigentlich gleich das zweite Thema, wieder mit Anspielungen auf den Clavierpart von Mozarts d-moll-Konzert und erst ganz zum Schluß entscheidet sich der stets zwischen den Tonarten schwankende Satz für ein klares C-Dur.


    Nun folgt ein Adagio in As-Dur. Solo stellt das Clavier die Abendmelodie vor, erst nach und nach gesellen sich singende Streicher dazu. Der Mittelteil präsentiert gis-moll; das Thema (14:46) scheint bekannt (Mozart: Claviersonate C-Dur KV 330, 2. Satz, T. 20ff.)


    259-kv-332




    Der Satz steht insgesamt vom Charakter her in der Nähe zum Mittelsatz von Beethovens Pathétique.


    Es folgt ungewöhnlicher Weise als dritter Satz ein Scherzando, dessen A-Teil in Es-Dur zu stehen vorgibt, das sich aber sogleich in Septimen verfängt und somit dem vorangehenden Adagio nahesteht und im B-Teil in c-moll endet. Das Trio steht in C-Dur. Ganz offenbar war es Wilms' Absicht, die Tonarten undurchsichtig zu lassen, ständig um den heißen Brei herumzuspielen und sich - wie im Kopfsatz - erst beim letzten Ton definitiv festzulegen. Ein wenig erinnert mich das an die Quantenteilchen, die sich erst für einen bestimmten Ort und Zustand entscheiden, wenn man hinschaut.


    Als Finalsatz - wer hätte es gedacht? - folgt eine Polonaise in Rondoform (die Satzform ist bei Wilms erfreulicher Weise nicht selten anzutreffen). Zunächst stellt das Clavier allein das tänzerische und fröhliche Thema vor, hernach spielen die drei Streicher - einem Caféhaus-Ensemble gleich - einige Takte allein, bevor sich alle zusammentun. Im B-Teil verfährt Wilms umgekehrt: zunächst stellen die Streicher als Trio allein das Thema vor, das Clavier folgt ein paar Takte später, erst allein. Wunderschön wird es, wenn die Violine das Thema übernimmt und das Clavier ausschließlich den rhythmischen Part übernimmt (24:39). Eher unerwartet schiebt sich ein c-moll-Teil ein, in dem dann die Bratsche ihren Soloauftritt hat. In der nächsten Runde darf das Violoncello solistisch hervortreten. Das Thema selbst hat schon auch gewisse Ähnlichkeit mit dem Rondo alla Polacca aus Beethovens Tripelkonzert op. 56.


    Ganz sicher hatte ich Wilms ein wunderbares Werk zugetraut, doch nicht ein so tolles, erfindungsreiches und hörenswertes!

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Das dreisätzige Klavierquartett op. 30 offenbart sich dann sozusagen als Klavierkonzert mit Streichtrio-Begleitung. Hier wird die ganze Meisterschaft des Wahl-Amsterdamers hörbar – etwa in der gesteigerten Virtuosität, der meisterhaften Instrumentation bzw. Stimmführung oder der harmonischen Freiheit [...]



    Mit einer langsamen Einleitung in moll (Adagio) beginnt das Clavierquartett sehr fiebrig-leidend. Das Kopfthema des folgenden Allegro ist um so versöhnlicher, hoffnungsvoller, nicht jedoch besonders freudvoll. Der Duktus ist deutlich romantischer als das zuvor komponierte C-Dur-Quartett op. 22. In der Tat wirkt das Werk etwas konzertant, wie Julia Mauritz anmerkt; jedoch m. E. nicht mehr oder weniger als die Clavierquartette Mozarts KV 478 und 493, was vielleicht mitunter auch der Verselbständigung der linken Hand geschuldet sein kann. sicher ist der Satz mit seiner Trübung näher bei Schubert als bei anderen Komponisten. Man vergleiche 39:04 mit D487:



    Besonders schubertisch klingt es im verlinkten Video ab 40:35 (Violine, gefolgt vom Cello). Wenn man Schuberts D487 mit den beiden folgenden Sätzen ergänzt, würde es wohl kaum auffallen. Wobei sich gerade die Frage einzuschleichen versucht, welcher erste Satz dann wohl der bessere ist: Schubert oder Wilms? :/


    Das Larghetto ist eine wiegenliedartige Cantilene, die zunächst an Beethoven erinnert (vielleicht op. 30 Nr. 2/2?) und sich dann in Schubert verwandelt: die Bratsche singt ab 46:23 „Sah ein Knab' ein Röslein steh'n“ (jedenfalls recht ähnlich). Das Folgende gestaltet sich ebenfalls sehr schubertnah: der seicht wogenartige Wechsel von der Dur-Tonika zur Subdominante in moll (plagal) ist bei Schubert recht häufig anzutreffen. Diese „Vergleiche“ sind zur treffenden Beschreibung dieses wundervollen Satzes notwendig. Der Satz muß zwingend wiederholt werden!


    Ein Rausschmeißerkehraus (Allegro) bildet das Finale: auch hier finden sich wunderbare Melodiefetzen, die sich hie und da (in ähnlicher Weise) auch woanders finden lassen. Zum Schubert mischt sich hier ein wenig haydnscher Witz und mozartige Floskeln. Der verschwörerische Schluß könnte von Beethoven sein (5. Konzert).


    Bravo!


    Schließen möchte ich für heute nochmals mit einem treffenden Zitat von J. Mauritz:


    Zitat

    Mit seiner neuen Wilms-CD generiert das G.A.P. Ensemble also einmal mehr einen hörbaren Mehrwert ebenso für Originalklang-Enthusiasten wie auch für Repertoire-Schatzsucher, denn wie schrieb schon Diapason: „Das G.A.P. Ensemble schafft Juwelen der Subtilität.“

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  • So ansteckend wie damals das Krausvirus ist die Wilmshysterie offenbar nicht.

    Ein Komponist, der schon optisch an Wilhelm Busch's "Lehrer Lämpel" erinner hat es sicher schwer - notabene als Zeitgenosse Beethovens.

    Mozart-Zeitgenossen haben es da leichter, wenn gelich nur wenige Jahre dazwischen liegen.

    Aber nun Spaß beiseite: Wilms ist ein hervorragender und hörenswerter Komponist - und ausserdem ist er bei den Lesern offenbar angekommen (über 8.000 Seitenaufrufe) Ich selbst jab jetzt nachgezählt: Ich besitze 7 CDs mir Werken von ihm. Einiges habe ich offewnbar übersehen. Das wird jetzt nachgeholt. Und daran sind DEINE unermüdlichen Aktivitäten in Sachen Wilms nicht unschuldig (Er gefällt mir übrigens Besser als Kraus....:stumm::untertauch: )

    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Ein Komponist, der schon optisch an Wilhelm Busch's "Lehrer Lämpel" erinner hat es sicher schwer - notabene als Zeitgenosse Beethovens.

    Mozart-Zeitgenossen haben es da leichter, wenn gelich nur wenige Jahre dazwischen liegen.

    Das war natürlich nicht so ganz bierernst gemeint, eher als Smalltalk; wobei die Sache einen wahren Kern hat: beide Komponisten, Kraus und Wilms, sind - abgesehen von einem konzentrierten Schwung Einspielungsveröffentlichungen - heute weitestgehend nicht im Programm, werden ignoriert oder weniger geschätzt, wobei sie mit Sicherheit zu den besten Zeitgenossen (der sogenannten zweiten Reihe) gehören. Kraus war nun ein Parallelphänomen zu Mozart, Wilms eher zu Beethoven (wie Du auch schreibst): die Parallelen zu Beethoven sind allerdings an eher dünnen Fäden aufgehängt, so daß ein Vergleich maximal mit dem heranwachsenden Beethoven möglich ist - so habe ich das zumindest auch versucht darzustellen. Der „Lehrer Lempel“ komponiert übrigens alles andere als (ober-) lehrerhaft, sondern sehr intuitiv und impulsiv.

    und ausserdem ist er bei den Lesern offenbar angekommen (über 8.000 Seitenaufrufe)

    Das freut mich sehr und das letzte Wort von meiner Seite ist noch nicht gesprochen: es folgt noch in Kürze mindestens das Claviertrio.


    Wilms gefällt mir überaus (nicht mehr oder weniger als damals Kraus - andere Zeit) und er öffnet Augen und Ohren im Kontext der Beethovenzeit wie Kraus dies im Kontext der Mozartzeit tut. Das „Drumherum“ finde ich stets besonders interessant; den Fokus ein wenig weg von den Großen auf die Umgebung richten, um verstehen zu ergründen, warum die Großen groß sind und die Kleinen nicht kein.


    Außerdem natürlich finde ich es interessanter und abwechslungsreicher als zum hundertsten Male die Großen zu hören. Für mich ist das „neue Musik“ - und das reicht, um den Bereich für mich abzudecken. Da braucht's keine Koreanerin, die nach eigenen Angaben Klaviere zerstört, um neue Klänge zu erzeugen und sich frecher Weise den Titel „Komponistin“ aneignet. Wozu auch, wenn die alten gut waren? Der Sache wäre mehr gedient, wenn sie sich um bereits existente Kompositionen, die dem Vergessen anheimzufallen drohen, bemühen würde - das könnte ihre offenbar chronische Unterbeschäftigung und Ideenlosigkeit heilen. Ich möchte mal zahlende Gäste in einem Restaurant sehen, die kein erwartetes Menu erhalten, sondern dem Koch zuschauen, wie er die Kochutensilien zweckentfremdet. Ich glaube, da gäbe es Casalla al forno. „Klangforscher“ waren die Kollegen vor 200 auch bereits - und haben schon perfekte Ergebnisse erzielt: man muß nur die Schatztruhe öffnen, um davon zu profitieren. Aber das kann gerne an anderer Stelle diskutiert werden.


    Ich kann nur auf die Erfüllung eines Bonmots meiner verst. Tante hoffen, die meinte: „Was gut war, kommt wieder".


    Wilms ist für mich jedenfalls - gleichgestellt neben Abel - die Wiederentdeckung des Jahres!


    :hail::hail::hail:

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  • Die CD aus Beitrag #24 enthält schließlich das Trio C-Dur op. 4 für Clavierinstrument, Violine und Violoncello. Angeblich Wilms' erstes publiziertes Opus; warum dies nicht op. 1 ist, erschließt sich mir nicht, wobei die Opera 1, 2 und 5 generell unbesetzt sind.


    Zitat von Wikipedia

    1798 wurde erstmals eines der Werke in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung rezensiert. [...] Es handelt sich um die Variationen für Flöte und Klavier über „Mich fliehen alle Freuden [Nel cor più non mi sento]“, in: Allgemeine musikalische Zeitung I (1798/99), Sp. 106–107.

    Es könnte sich vielleicht bei den Variationen über die berühmte Paisiello-Arie (La Molinara), die vielfach Komponisten dieser Zeit anregte, um „op. 1“ handeln (?) - das Werk erschien jedenfalls 1798 bei J. J. Hummel.


    Das Claviertrio entstand ca. 1799 und zeigt


    in beeindruckender Weise die heranreifende Meisterschaft eines 27-Jährigen, der hier hörbar in der vor bzw. frühklassischen Stil- und Formtradition steht und dabei doch bereits deutliche individuelle Züge offenbart: ob in der Häufung von dramatischen Momenten im ersten oder der einnehmenden Vitalität des letzten Satzes, der „mit volkstümlichen Elementen und harmonischen Schwebezuständen, Unterbrechungen der musikalischen Konversation voller Charme und Ironie, gespickt ist“ – so Luca Quintavalle, der Pianist des G.A.P. Ensemble.

    Das Werk ist dreisätzig und beginnt im Allegro mit einem markanten Thema, ähnlich jenem von Mozarts Allegro-Fragment KV 357 für clavierhändig, das allerdings erst 1853 - also erst nach Wilms' Ableben - beim Verleger André (mit dessen Ergänzungen) im Druck erschien. Daß Wilms zuvor Kenntnis von dem Fragment hatte, ist unwahrscheinlich.



    Die Parallelführungen (bei den Läufen) von rechter Clavierhand und Violine stellen das Trio, wie ich finde, weniger zu Haydn als neben die wunderbaren Trios Koželuhs, die wiederum ganz im Zeichen Mozarts stehen. Die melancholisch angehauchte Schlußgruppe (im Video u.a. 1:08:43) ist stark von Mozart beeinflußt. Die anschließende Coda mit Verzögerungstaktik ist sehr spannend gestaltet.


    Un poco Adagio steht wie der Kopfsatz im Dreiertakt und kontrastierend in c-moll. Eine traurige Romance. Der Dur-Mittelteil stellt ein Thema im Wiener Caféhausstil vor, das Grundlage für Variationen sein könnte ...


    Ein finales Rondo Allegro (das Thema will mir unbedingt schwer bekannt vorkommen) beschließt tänzerisch das Terzett im frühen Beethovenstil, der auch ein wenig Haydn (Clavierkonzert) beinhaltet und in der Schlußgruppe des A-Teils einmal mehr auf Mozart zurückgreift. Im Ongarese-Stil mischt sich ein zauberhafter B-Teil ein. Ein sehr herziger Satz.

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  • Von den beiden unter op. 25 subsumierten Streichquartetten g-moll und A-Dur, bei C. F. Peters in Leipzig im produktiven Jahr 1812 erschienenen, wurde nach meinen Recherchen leider bislang nur das erste (g-moll) überhaupt eingespielt - und das zu meinem Leidwesen auf herkömmlichem Instrumentarium, aber - mit wenigen dynamischen Abstrichen - super dargeboten:



    Nomos Quartett



    Welches der beiden Quatuors zuerst komponiert wurde, muß wohl offen bleiben. Sicher ist jedoch, daß eine gewisse Portion gesunden Mutes und Selbstvertrauens dazu gehört, als „Nr. 1“ gleich ein solches in g-moll in den Ring zu werfen, wenn man sich die berühmten Werke z.B. Mozarts (kleine und große g-moll-Sinfonie sowie das Clavierquartett oder Streichquintett) vorhalten lassen darf.


    Das Allegro startet im piano ohne Pathos, sehr verhalten. Das „2. Thema“ B-Dur nur ist eine Abwandlung des Eingangsmotivs, so daß man von einem monothematischen Satz sprechen kann, der zwar ruhig, aber keinesfalls langweilig oder einfallslos klingt. Aus dem einfachen Eingangsmotiv, bestehend aus abfallenden Sekunden, strickt Wilms eine feine Schlußgruppe mit aufsteigenden Tonleitern als Kontrasubjekt. Auch in der Durchführung dominiert das bereits bekannte Sekundthema. Tonartlich entfernt sich Wilms bis hin zu E-Dur. Nach einer spannend gestalteten Rückführung beginnt die „Reprise“ überraschend in G-Dur und gleich mit dem 2. Themenkomplex. Die Schlußgruppe II erklingt allerdings wieder „ordnungsgemäß“ in der Grundtonart g-moll, mit welcher der Satz auch sehr selbstbestimmt endet.


    Es folgt ein Andante Es-Dur im 6/8-Takt, zunächst tänzerisch. Bald entwickelt sich eine gewisse Chromatik, leichte Disharmonien sticheln das fröhliche Tanzthema. Der Satz ist durchkomponiert, der Übergang zum Mittelteil orientiert sich wohl am Mittelteil des langsamen Satzes von Mozarts g-moll-Sinfonie mit entsprechender Halbtonrückung:

    264-wilms-gmoll

    Nur ein Gegenthema konterkariert auflockernd das auftaktige Eingangsthema immer wieder, so daß man auch hier eigentlich von einem monothematischen Satz sprechen könnte. Das Eingangsthema beendet den Satz dann auch ganz beiläufig und selbstverständlich.


    Das Menuett (Allegro) steht wieder in g-moll. Das Thema wird im piano vorgestellt und im forte (oktaviert) wiederholt. Im B-Teil hangelt sich das Thema vom Cello über die Bratsche zu den Violinen nach oben. Wie bei Mozart (KV 516) steht auch das Trio in lieblichem G-Dur (der B-Teil zu Beginn in e-moll).


    Ungewöhnlich beginnt das Finale Allegro mit Akkordschichtungen, über das sich dann das Thema legt (sehr an Haydn erinnernd). Der Satz ist ebenfalls durchkomponiert und das Wechselspiel zwischen Violine und Cello macht Freude. Ein schubertscher Basstriller (D960) läutet den Mittelteil ein. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit im Aufbau zu Mozarts g-moll-Streichquintett KV 516. Anstelle allerdings einer langsamen Einleitung zum Finalsatz (was durchaus erwartbar gewesen wäre), der in ein auftaktiges 6/8-Allegro in G-Dur übergeht wie bei Mozart, startet der Schlußsatz bei Wilms erstmal völlig „normal“ in g-moll 2/4 ... erst quasi als „Coda“ wechselt er dann ebenfalls zu G-Dur und einem ähnlichen 6/8-Thema, daß allerdings aus dem Hauptthema des Schlußsatzes (in verändertem Rhythmus) besteht.


    Ein wirklich gelungenes Werk! Es steht einem gestandenen Haydnquartett in nichts nach. Ich warte süchtig auf das 2. Quartett!

    *wirds**wait*

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  • Johann Wilhelm Wilms: Klavierquartett op 30


    Überraschenderweise hält sich die weiter oben (siehe Beitrag Nr 1) gezeigte CD noch immer im Programm- Gut so.

    Ebenso überraschend hat sie 2021 Konkurrenz bekommen. Und sogar mehr als das. Einerseits wird das Programm durch das Klaviertrio op 30 ergänzt, Andrerseits werden hier im Gegensatz zur Parallelaufnahme "Originalinstrumente" eingesetzt.

    Es wird unterschiedlich sein welche Instrumente bevorzugt werden, bei Ull bin ich mir ganz sicher, daß es diese Aufnahme sein wird, ich hingegen empfand die modernen Instrumente "saftiger" und "lieblicher". Letzlich bin ich in dieser Hinsicht allerdings nicht dogmatisch. Jede der beiden Einspielungen hat ihre Meriten - und Spezialisten auf diesem Gebiet werden nicht umhinkommen BEIDE zu kaufen. Der Preis von jeweils 7.99 machts möglich.....

    Wilms hat das Problem, zwischen Klassik und Romantik angesiedelt zu sein, wodurch er von vielen "übersehen" wird.In Wahrheit ist das keine Manko sondern eine Chance.

    "Ulli" hat sich übrigens im "allgemeinen"Wilmsthread sehr mit der hier nun gezeigten Aufnahme befasst und beklagt das geringe Interesse:

    DAs liegt allerdings vor allem daran, daß nur wenige Musikfreunde ihn überhaupt kennen, geschweige denn eine seiner Aufnahmen besitzen, die es aber wohl wert wären, gehört zu werden.

    Im Parallelthread gibt es youtube clips der hier gezeigten Aufnahme


    Vom Haydn-Anhänger zum Frühromantiker: Johann Wilhelm Wilms (1772-1847)


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Johann Wilhelm Wilms: Klavierquartett op 22


    Ich habe mich erfrecht, die Kammermusikbeiträge von Ulli vom allgemeinen Wilms-Thread in den hier vorliegenden Spezialthread zu verschieben. Gleichzeitig möchte ich danken, daß er unermüdlich auf diesen mehr als hörenswerten Komponisten hinweist. Mich hat das allerdings eine Stange Geld gekostet, weil ich einige Neuanschaffungen tätigen musste. Obwohl auch das Quartett op 22 (siehe Beitrag 1) bereits in meiner Sammlung ist, sah ich mich animiert, nun die Alternativfassung mit "zeitgenössischen " Instrumenten zu erwerben. Wenn es die Gelegenheit von 2 Alternativen gibt, so sollte man sie auch nützen.

    Ich bin gelegentlich skeptisch, wenn Aufnahmen mit historischen Flügeln abgeboten werden, wenngleich ich dereinst schrieb: Wer Schuberts Klaviermusik noch nie mit einem alten Hammerflügel gehört hat, der kenn ihn nicht wirklich. Das gilt in gewisser Hinsicht auch für Wilms. Der Klang des frühen 19. Jahrhunderts ist nur damit zu erzielen. Meine Skepsis kommt daher, daß es leider zahlreiche Aufnahmen mit klapprigen und dröhnenden "historischen" Instrumenten gibt, die noch dazu oft über Gebühr strapaziert werden, d.h. es wird versucht ihnen ein Dynamik und Kraft zu entlocken, die sie einfach nicht hergeben. Diese Instrumente werden eingesetzt weil sie einfach da sind" Oft noch dazu in ungeeigneten Aufnahmeräumen, halligen Kirchen oder Museen.

    All das ist bei der vorliegenden Aufnahme nicht der Fall hier wird ein scheinbar bestens in Schuß befindlicher Hammerflügel von Conrad Graf, Wien 1821 oder 1822 eingesetzt und optimal bespielt. Das Ergebnis ist überzeugend, die Harmonie mit den anderen Instrmenten perfekt. An sich wäre ein Vergleich mit der modernen Aufnahme nicht nötig, weil die hier gezeigte voll überzeugt. Aber der Mensch ist nun mal neugierig - und so habe ich sie trotzdem gemacht. Neutral betrachtet gibt es zwar klanglich Unterschiede, wie beispielsweis ein präsenteres Klavier. Aber man kann hier nicht eigentlich von einem Vorteil sprechen - es ist eine Geschmacksfrage. Ich braucht einige Minuten, bis ich mich an den "fülligeren" Klang gewöhnt hatte, danach verblasste der Wile des Vergleichs hinter dem Werk von Wilms, das die Oberhand behielt - egal in welcher Aufnahme....

    Ein Satz ist schöner als der andere - eine zeitgenössische Kritik - eventuell von ihm selbst anonym verfasst (?), schrieb über seinen Stil: Herr Wilms möchte das Publikum eher rühren, als in Erstaunen zu versetzen.


    Mein Lieblingsatz ist übrigens die Polonaise


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Ich habe mich erfrecht, die Kammermusikbeiträge von Ulli vom allgemeinen Wilms-Thread in den hier vorliegenden Spezialthread zu verschieben.

    Das ist gut so. In der Thread-Directory fand ich nämlich diesen Thread nicht, sondern nur den allgemeinen.

    :hello:

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  • Zu guter Letzt habe ich mir noch das Klaviertrio op 4 angehört. Ulli hat es bereits besprochen undauf die unüberhörbare Naähe zu Mozart (und Kozeluch) hingewiesen. Ein Einfaches, unkomlpizertes, eingängiges Werk, das Spaß macht und puren Musikgenuss ohne doppelten Boden vermittelt. Meine Suche nach weiteren Trios von Wilm blieb erfolglos. Leiser ist ja einieges an "kleinere Werken" von Wilms verschollen oder verloren, was IMO auf das selbe herauskommt, denn die Suche nach verschollenen Werken ist kommerziell unrentabel. Da kommt dann vielbejubelt eine solche Entdeckung ans Tageslicht, eine CD wird dur ein Kleinlabel aufgenommen - und nach einigen Minaten verschwindet sie in den Archiven und wird gestrichen. Jene Musikhistoriker, die aus purem Idealismus nach verschollenen Werken suchen sind so gut wie ausgestorben... Tempi passati. Freuen wir uns an dem was wir haben.

    Die CD ist noch um 7,99€ zu haben


    mfg aus Wien

    Alfred

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