Hanns Eisler. „Hollywooder Liederbuch“

  • „Die Heimat“ (II)

    Nach einer relativ langen, volle zwei Takte umfassenden Pause setzt die melodische Linie bei den die zweite Strophe einleitenden Worten „Ihr holden Ufer“ auftaktig ein. Das geschieht piano in Gestalt eines verminderten Sextsprungs, wobei sie anschließend, und dies in b-Moll-Harmonisierung, bis hin zu den Worten „die ihr mich“ auf der damit erreichten Ebene eines hohen „Des“ verharrt, - mit Ausnahme des ihm Rahmen einer Triole erfolgenden verminderten Sekundsprungs auf „die ihr mich“.
    Diese kleine melodische Triole lässt – wieder einmal – erkennen, mit welch subtilen liedkompositorischen Mitteln Eisler die affektive Dimension eines lyrischen Bildes zu erfassen versteht. Hier ist es das subjektive Betroffen-Sein des lyrischen Ichs von „holden Ufern“, das darin gründet, dass es sich von ihnen „auferzogen“ fühlt. Das ist wieder das Aufklingen des „Heimat“-Aspekts, was sich hier wie beiläufig, gleichwohl bedeutsam ereignet.

    Und die Liedmusik hat im Zusammenhang dabei einen zart-verhaltenen, mit einem Anflug von klanglicher Lieblichkeit versehenen Ton angeschlagen. Der Klaviersatz trägt dazu wesentlich bei. Nach seiner vorwiegend akkordisch geprägten Anlage im Bass besteht er nun aus einer sich markant davon abhebenden und in Begleitung der melodischen Linie bis zum dritten Vers einschließlich beibehaltenen, Bass und Diskant übergreifenden Sprungfigur aus zwei erst ansteigenden und dann fallenden Sechzehnteln. Und dies im Piano-Pianissimo.

    Eisler liest in diesen Hölderlin-Versen die poetische Evokation einer in die Welt von „holden Ufern“ und „Wäldern“ gebetteten „Kindheit“ und die Hoffnung einer Heimkehr in dieselbe. Und seine Liedmusik bringt das in der Melodik auf den ersten drei Versen auf eindrückliche Weise zum Ausdruck. Sie entfaltet sich in ruhigen gebundenen, Sprung- und Fallbewegungen über große Intervalle meidenden Achtelschritten und weit ausgreifender Phrasierung. Nur einziges Mal vollzieht sie, abgesehen von den Auftakt-Sprüngen am Anfang und bei „ach gebt“, eine Sprungbewegung, und das geschieht bezeichnenderweise bei dem Wort „auferzogt“ aus einer Tonrepetition in tiefer Lage über das Intervall einer Sexte. Der Wesenskern von „Heimat“ erfährt auf diese Weise eine Hervorhebung: Das Aufgewachsen-Sein in ihr und die Prägung durch sie. Von dem anfänglichen Verharren in Tonrepetitionen auf der tonalen Ebene lässt sie gegen Ende dieser großen Melodiezeile ab, und geht bei den Worten „Wälder meiner Kindheit“ in einen Fall über, und diese Abwärtsbewegung wiederholt sie dann noch einmal bei den Worten „wann ich wiederkehre“, und dies durchgehend unter Beibehaltung des deklamatorischen Gestus von gleichförmig-ruhigen Achtelschritten. Begleitet wird sie darin vom Klavier mit seinen leicht und grazil wirkenden Sechzehntel-Sprungfiguren, und sie ist, auch darin sich abhebend von der Liedmusik der ersten Strophe, in Dur harmonisiert, einem C-Dur in der Dominantsept-Version, das dann in ein As-Dur übergeht.

    In dieser durch ihren Anflug von lyrisch-melodischem Geist aus der Musik des Liedes herausragenden Passage meint man die existenzielle Betroffenheit Eislers durch Hölderlins heimatliche Kindheitswelt evozierende Metaphorik zu spüren, und das ist ein wenig anrührend bei einem Komponisten, der, sich darin vom romantischen Klavierlied distanzierend, mehrfach verkündet hat, subjektive Emotionalität habe in seiner Liedkomposition nichts zu suchen, gehöre aus Gründen der Wahrhaftigkeit da nicht hin. Sein „Hollywood-Liederbuch“ ist – und das nicht nur in seinem Zugriff auf deutsche Lyrik des neunzehnten Jahrhunderts, sondern auch im Fall der Lyrik Brechts – ein großer Verstoß gegen dieses liedkompositorische Grundkonzept. Und das macht es so einzigartig und zu einem höchst bedeutsamen Beitrag zur Geschichte des deutschen Kunstliedes.

  • „Die Heimat“ (III)

    Mit den Worten „Die Ruhe noch einmal wieder“, dem letzten Vers also, ist es vorbei mit dem zart-behutsamen Schwelgen in lyrisch-gebundener und in Dur-Harmonik gebetteter Melodik. Die Fallbewegung auf den Worten „wann ich wiederkehre“ deutete es ja schon an: Sehnsucht und Ungewissheit zugleich drückt sich darin aus. Und das lyrische Wort „Ruhe“ ist, weil es ja um eine heimatliche und damit existenziell höchst bedeutsame geht, mit einem solchen Berg von Ungewissheit in der Erreichbarkeit belastet, dass die Liedmusik von diesem Gestus ablassen muss. Es ist keine Rückkehr zur in harmonische Dissonanz gebetteten Melodik der ersten Strophe, was nun nachfolgt. Ein Einbrechen des dortigen deklamatorisch-rhetorischen Gestus in die Melodik der zweiten Strophe ist es, was man hier zu vernehmen meint. Und das ist ein höchst eindrücklicher Vorgang deshalb, weil diese sich behaupten will, darin die Sehnsucht des lyrischen Ichs auf eine „Wiederkehr“ reflektierend.

    Bei den Worten „die Ruhe noch einmal“ geht die melodische Linie in eine sie in tiefe Lage führenden und dort einen verminderten Sekundfall beschreibende Abwärtsbewegung in Sekundschritten über, zuletzt in Gestalt eines verminderten von einem tiefen „Cis“ zu einem „C“. Das Wort „einmal“ erfährt eine starke Akzentuierung durch eine Kombination aus vermindertem Achtel-Sextsprung und nachfolgend gedehntem Sekundfall. Begleitet wird die melodische Linie hier von einem taktlang gehaltenen Dominantseptakkord der Tonart „H“, der bei „einmal“ eine Rückung zur Dominantsept-Version beschreibt, der während der eintaktigen Pause vor der Deklamation des Wortes „wieder“ eine weitere nach As-Dur folgt.

    Das ist ein neuer Ton in Melodik und Klaviersatz. Er stellt allerdings keinen Bruch mit der Liedmusik auf den Worten der vorangehenden drei Verse dar, eher empfindet man ihn als einen Niedergang, ein Zusammensinken des Geistes dar, der diese beflügelte und belebte. Es ist, als ob dem lyrischen Ich die Kraft ausgegangen wäre, an die „Wiederkehr“ und das damit verbundene Sich-Einfinden in die existenzielle „Ruhe“ zu glauben. Und das bringt auch die Art und Weise zum Ausdruck, wie Eisler die Melodik auf dem Wort „wieder“ gestaltet. Syntaktisch ist es ja unmittelbar an das Wort „einmal“ angebunden. Diese lyrisch-sprachliche Bindung reißt er aber durch eine ganztaktige Pause auseinander und legt dann auf dieses Wort einen stark gedehnten (Folge von halber und Viertelnote) verminderten Sekundfall in tiefer Lage, der in Des-Moll gebettet ist.

    Und dann geschieht geradezu Ungeheuerliches. Auf diesen verminderten Sekundfall in tiefe Des-Moll-Lage, der wie ein Enden der melodischen Linie in Müdigkeit anmutet, folgt ein geradezu erschreckender, mit der Vortragsanweisung „rasch“ versehener und in schroffem Forte erklingender rasanter Fall von Achteln aus hoher Diskant- und tiefe Basslage, und dies auf der Grundlage eines fast bis zum Ende gehaltenen extrem dissonanten und „sffz“ auszuführenden vierstimmigen Akkordes im Bass.

    Das ist ein für Eisler ganz typisches, hier aber besonders stark ausgeprägtes „Ende vom Lied“. Ein Enden der Liedmusik in lyrisch-melodischer Schönheit geht nicht, auch wenn das ein in sich bereits gebrochenes ist. Es muss ein radikaler Bruch sein, weil anders Liedmusik nicht wahr sein kann, - angesichts der perspektivischen Hoffnungslosigkeit von Existenz in der modernen Welt.

  • „An eine Stadt“

    Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
    Mutter nennen, und dir schenken ein kunstloses (H.: kunstlos´) Lied,
    Du, der Vaterlandsstädte
    Ländlichschönste, so viel ich sah.

    Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
    Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
    Leicht und kräftig die Brücke,
    Die von Wagen und Menschen tönt.

    Da ich vorüber ging,
    Fesselt der Zauber auch mich,
    Und herein in die Berge
    Mir die reizende Ferne schien.

    (H.: Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
    Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,
    Und herein in die Berge
    Mir die reizende Ferne schien,)

    (Strophe 5 nicht berücksichtigt)

    Du hattest dem Flüchtigen
    Kühlenden Schatten geschenkt,
    Und die Gestade sahen ihm alle nach,
    Und es tönte aus den Wellen das liebliche Bild.

    (H.: Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
    Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
    All' ihm nach, und es bebte
    Aus den Wellen ihr lieblich Bild.)

    (Strophen 6 und 7 nicht berücksichtigt)

    Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
    An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
    Deine fröhlichen Gassen
    Unter duftenden Gärten ruhn.

    (Friedrich Hölderlin)

    Diese Liedkomposition Eislers ist mit der Datierung „22. Juni 1943 Pacific Palisades“ versehen und dem Vermerk „Franz Schubert“ gewidmet. Der Griff nach Hölderlins in den Jahren nach 1800 entstandener und zu einer gewissen Berühmtheit gelangten Ode „Heidelberg“ und die Widmung der sie aufgreifenden Musik an den Repräsentanten des deutschen romantischen Klavierliedes machen auf anrührende Weise sinnfällig, auf welch tiefe, mit existenzieller Betroffenheit einhergehende Weise er sich in seinem Hollywood-Exil mit der verloren gegangenen realen und kulturellen Heimat auseinandersetzte.

    Denn Hölderlins Ode „Heidelberg“ ist ja doch als Lobpreis einer Stadt zu lesen, der sich das lyrische Ich auf so innige Weise verbunden fühlt, dass es sogar von „Liebe“ spricht, die so tief geht, dass sie mit der zu einer Mutter gleichkommt. Und in den nachfolgenden sechs Strophen wird ein Bild von Heidelberg skizziert, das in seinen lyrisch-metaphorischen Einzelstrichen wahrlich bezaubernd wirkt, und dies deshalb, weil diese in ihrer Kombination aus auf Objektivität ausgerichteter Deskription und dem Ausdruck subjektiver Betroffenheit wahrhaftig wirken und in ihrer Gesamtheit das Wesen der Stadt erfassen. Das geschieht in einer lyrischen Sprache, die in ihrer Ansprache im Gestus des „Du“ unmittelbare Einfachheit entfaltet, so dass die einzelnen lyrischen Bilder wie aus dem Herzen kommend wirken.

    Diese Stadt wird durch das Epitheton „ländlichschönste“ in ihrer landschaftlichen Eingebundenheit charakterisiert und durch den Zusatz „so viel ich sah“ in ihrer Singularität hervorgehoben. Großer Lyrik begegnet man in dem Bild von der Brücke, die wie der Vogel des Walds sich über den Strom schwingt, leicht und kräftig zugleich, und von Wagen und Menschen tönt.
    Und dann das lyrische Ereignis:
    Wie von einem Zauber gefesselt, hält das lyrische Ich beim Gang über diese Brücke inne und erfährt heimatliche Nähe und den Zauber der Ferne in einem zugleich. Und ihm wird bewusst, was diese Stadt ihm zu geben vermochte: Eben diese Nähe in Gestalt kühlender Schatten für „den Flüchtenden“ und „Gestaden“, die ihm „nachsahen“. Es ist, so wie Hölderlin sie erfahren hat, eine Stadt, die in liebliche Landschaft gebettet ist, mit „herab blühenden Sträuchern“ in ein „heiteres Tal“ gebettet und mit „fröhlichen Gassen“, die unter „duftenden Gärten ruhn“.

    Eisler dürfte dieses Gedicht als gleichsam auf den Punkt einer Stadt gebrachte und darin tief berührende lyrische Evokation von Heimat gelesen haben, und konnte deshalb, in seiner damaligen Situation des Ausgesetzt-Seins in amerikanische Fremde, wohl kaum widerstehen, es in Liedmusik zu setzen.
    Das verrät die Art und Weise seines – wie üblich in Gestalt starker Eingriffe erfolgenden – Umgangs mit dem lyrischen Text. Er reduziert ihn auf die für ihn unter eben diesem Aspekt der subjektiven Erfahrung von Heimat relevanten Strophen und lässt die sich in deskriptiv-evokativem Gestus ergehenden unberücksichtigt.

    Aber selbst in die Strophen, die er seiner Liedkomposition zugrunde legte, griff er in einigen Fällen ein, die spezifische Weise der Hölderlinschen Erfahrung des Wesens von Heidelberg ausscheidend. Der lyrische Höhepunkt, das Gefesselt-Werden im Augenblick des Seins auf der Brücke, geht auf diese Weise verloren. Eisler macht daraus ein Ereignis, dem die Dimension des Göttlichen fehlt, - eines, dem das Herausgerissen-Sein aus der Alltäglichkeit abhandengekommen ist.


  • „An eine Stadt“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    Die Liedmusik auf diese Hölderlin- Verse ist ganz sicher eine aus der des „Hollywooder Liederbuchs“ herausragende. Die Widmung an Schubert kann man gleichsam als Ausweis dafür verstehen: Sie mutet an, als wäre sie von dessen Geist inspiriert und beflügelt. Gleich am Anfang wird das auf eindrückliche Weise vernehmlich. Die Worte „Lange lieb' ich dich schon“ und „möchte dich, mir zur Lust“ erklingen, von einer Dreiachtelpause kurz unterbrochen, in Gestalt zweier kleiner Zeilen, die sich melodisch in einer ausgeprägten Kantabilität und von lyrischem Geist beflügelt entfalten. In ihrer Struktur sind sie ähnlich angelegt: Auf eine dreifache Tonrepetition folgt ein triolischer Sekundfall der am Ende in einen verminderten Terzsprung übergeht. Das Klavier begleitet mit einer dreifachen Repetition von „piano“ und „weich“ auszuführenden Folge von dreistimmigen Viertelakkorden pro Takt, und die Harmonik beschreibt jeweils Rückungen von Moll nach Dur.

    Fast, so empfindet man es, könnte das Schubert geschrieben haben, wäre die Repetition nicht allzu stark vorherrschend. Aber in seinem Geist ist es, dass Eisler – und das ist wirklich ungewöhnlich bei ihm – dieses melodische Motiv wiederkehren lässt, ihm also eine die Liedmusik prägende Funktion zumisst. Auf den Worten „Da ich vorüber ging, fesselt der Zauber auch mich“ und „Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal“ vernimmt man es wieder, in gleicher Weise harmonisiert und mit identischem Klaviersatz versehen.
    Und das will ja wohl heißen:
    So, in diesem, den Geist schubertscher Melodik verkörpernden Weise, ereignet sich die imaginative Vergegenwärtigung von „Heimat“ in Gestalt einer diese verkörpernden Stadt. Dass sie dabei, anders als bei Hölderlin, ohne Namen bleibt, ist wohl aus der spezifischen Exil-Situation erklärlich, in der das Lied entstand. Heidelberg kann infolge seiner Ferne und Unerreichbarkeit nur noch zum anonymen Inbegriff von städtischer Heimat werden.

    Im Grunde bewahrt die ganze Melodik des Liedes diesen Geist, den sie am Anfang anschlägt und in den beiden Wiederholungen unverändert aufklingen lässt. Nur muss sie natürlich, für Eisler unabdingbar, die lyrische Sprache und die Metaphorik der aus Hölderlins Ode herausgegriffenen Strophen reflektieren. Und so weicht sie denn in der zweiten und der vierten Liedstrophe sowohl in ihrer Struktur, als auch in ihrer Harmonisierung und dem sie begleitenden Klaviersatz deutlich davon ab. Bei den weiteren Versen der ersten Strophe behält sie noch den repetitiven, aber deklamatorischen gebundenen Gestus bei, beschreibt bei „Mutter nennen“ eine lieblich anmutende Sprung- und Fallbewegung und geht bei den Worten „und dir schenken ein kunstloses Lied“ in eine ausdrucksstarke, mit einem Quintsprung einsetzende und in chromatische Harmonik gebettete Fallbewegung über, die in tiefer Lage einen triolischen Sekundfall beschreibt, der im Geist dieser Strophen-Liedmusik am Ende in einen gedehnten Terzsprung übergeht, der in Dur harmonisiert ist, - hier einem Des-Dur.

    Ein ungewöhnlich langes, nämlich zehn Takte in Anspruch nehmendes Nach- und Zwischenspiel folgt auf diese erste Liedstrophe. Und warum das geschieht, das lässt die Melodik vernehmen, die sich, begleitet von aufsteigenden Vierteln im Bass, in der Folge von bitonalen und dreistimmigen Akkorden im Diskant herausbildet. Es ist die der ersten Strophe in ihrer Grundstruktur, und will damit betonen, wie bedeutsam diese für den Geist dieser das Wesen der heimatlichen „Stadt“ reflektierende Liedmusik ist.

    Bevor sich die Melodik den Worten der zweiten Strophe zuwendet, geht das Zwischenspiel in einen triolischen Sekundfall in tiefer Lage über, und es erklingt, nun „etwas belebter“ vorgetragen und mit einem Übergang vom vorangehenden Dreivierteltakt zu einem Einvierteltakt verbunden, eine „fp“-Folge von vier Staccato-Sekundreibungs-Sechzehntelakkorden in Diskant und Bass. Ein Übergang der Liedmusik zu einem neuen Ton deutet sich an und erklingt auf der Stelle in einer sich höchst lebhaft entfaltenden melodischen Linie, die vom Klavier, diese Lebhaftigkeit steigernd, mit Akkordrepetitionen in Diskant und Bass begleitet wird. Es sind die lyrischen Bilder, die in ihrer inneren Bewegtheit, diese Liedmusik generieren, und deshalb behalten Melodik und Klaviersatz die ganze zweite Strophe über diesen Gestus ihrer Entfaltung bei.

    Es ist, was die melodische Linie anbelangt, ein sprunghafter, in zum Teil mit Portato-Zeichen versehenen Achtel- und Sechzehntelschritten, die mal eine Fallbewegung über ein großes Intervall beschreiben, mal in eine Tonrepetition übergehen und sich dann in einem Auf und Ab über Sekundintervalle in hoher Lage bewegen, um schließlich in einer Kombination aus Sekund- und Terzfall auf einem leicht gedehnten „A“ in mittlerer Lage zu enden. Dieses ereignet sich bei den Worten „Die von Wagen und Menschen tönt“ und lässt erkennen, dass die melodische Linie in der Lebhaftigkeit ihrer Entfaltung durchaus den Gehalt des lyrischen Bildes reflektiert. Dieses im letzten Vers weist keine innere Bewegtheit mehr auf, und bewirkt deshalb das Verharren der in Es-Dur gebetteten melodischen Linie in hoher Lage, bevor sie dann, nun in verminderte Harmonik gebettet, in den ihre Bewegung beschließenden Fall übergeht.

  • „An eine Stadt“ (II)

    Ganz anders entfaltet sich die melodische Linie aber bei dem große innere Bewegtheit aufweisenden Bild „Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt“. Aus hoher Lage beschreibt sie, hier in Des-Dur harmonisiert, einen Fall über das große Intervall einer Septe, vollzieht bei den Worten „Gipfel fliegt“ eine Kombination aus kleinem Terzsprung und großem Terzfall und wird dem semantischen Gehalt der Worte „schwingt sich über den Strom“ dadurch gerecht, dass sie, nun in As-Dur gebettet, aus einer gedehnten Tonrepetition in tiefer Lage mit einem verminderten Quintsprung zu einer dreifachen Repetition auf der tonalen Ebene eines B“ in mittlerer übergeht, um schließlich mit einem verminderten Terzschritt bei dem Wort „Strom“ in einer Dehnung auf der tonalen Ebene eines hohen „Des“ zu enden. Das Metrum geht hier nach den bislang vorherrschenden Zweivierteln zu einem über. Aber nur hier, um der Dehnung auf „Strom“ Raum zu lassen. Danach herrscht bis zum Ende der Strophe wieder der Zweivierteltakt vor.

    Auf all diese Details wird hier eingegangen, um zu zeigen, wie subtil Eisler seine Liedmusik anlegt, dies in der Absicht, den lyrischen Text in seiner sprachlichen Gestalt und dem Gehalt seiner Metaphorik voll zu erfassen.
    Die Liedmusik der zweiten Strophe endet in einem zweitaktigen Zwischenspiel, das anmutet, als würde sich das Klavier mit Ces-Dur-Sechzehntel-Sextolen in seinen bislang praktizierten Gestus der akkordischen Repetition hineinsteigern, um dem Geist der vorangehenden Liedmusik in ihrer Reflexion von Leben in all seinen Formen von Bewegtheit noch intensiveren Ausdruck zu verleihen.

    Mit den Worten „Da ich vorüber ging, / Fesselt der Zauber auch mich“ kehrt die Liedmusik, weil sich der lyrische Text wieder in der Perspektivität des Ichs entfaltet, zum Gestus der ersten Strophe zurück, und dies sogar in Gestalt einer Wiederholung der Melodik und ihrer Harmonisierung, wie sie der erste Vers aufweist. Eine kleine Veränderung ereignet sich aber: Der Klaviersatz weist im Diskant zwar die gleichen Akkordfolgen auf wie dort, im Bass aber erklingt nun statt der repetierend starren Viertel synchron mit den drei Viertel-Akkorden Legato-Anstieg von Vierteln aus tiefer in hohe Lage. Diese Umgestaltung des Klaviersatzes steigert die Anmutung von ruhig sich entfaltender Zartheit und Lieblichkeit in der Melodik, die auf diese Weise das Gefesselt-Sein des lyrischen Ichs von einem „Zauber“ und der „reizenden Ferne“ besser zum Ausdruck zu bringen vermag.

    Aus diesem Grund lässt Eisler sie auch bei den Worten „herein in die Ferne mir die reizenden Ferne schien“ von der Wiederholung Abstand nehmen und zu neuen Figuren der Entfaltung übergehen: Zweimalige Tonrepetitionen auf der tonalen Ebene eines „B“, eines „Es“ und eines „D“ in hoher Lage, und danach ein Fall, der sich bei „Ferne“ triolisch in die Tiefe fortsetzt, um bei „schien“ sich wieder über einen Terzsprung zu erheben. Auch die Akkorde im Diskant lassen hier von ihrem repetitiven Gestus ab und beschreiben einen chromatischen Fall, wobei die Harmonik am Ende auf einem tiefen „Des“ landet.

    Das, was die Liedmusik hier ausdrückt, ist aber wohl, was die Empfindungen des lyrischen Ichs anbelangt, nicht als ein Versinken in Trübsal aufzufassen, eher wohl als klangliche Evokation von Einkehr und in sich zur Ruhe kommen. In diesem Verständnis fühlt man sich durch das fünftaktige Nach- und Zwischenspiel bestärkt, in dem das Klavier diese Fallbewegung der melodischen Linie in Gestalt von, partiell triolisch auftretenden, Achtelfiguren im Diskant fortsetzt, und dies pianissimo und dabei immer noch von den aufsteigenden Vierteln im Bass begleitet. Die Harmonik beschreibt dabei, zwischen Dur, Moll und chromatischer Verminderung wechselnd, eine Rückung von Es über Des nach As.

    Die einen Rückblick auf vergangenes, von der Notwendigkeit zur Flucht geprägtes Leben beinhaltenden Worte der vierten Liedstrophe bedingen einen neuerlichen Umschlag im liedmusikalischen Grundton. Die melodische Linie lässt von ihrer ruhigen Entfaltung in lyrisch gebundenem Gestus ab und geht zur einem stärker rhetorisch-deklamatorisch geprägten über, ohne dabei aber einen Bruch mit der Art und Weise zu vollziehen, in der sie den lyrischen Text aufgreift. Es ist eher die Tatsache, dass sie nun wieder zu einer einen großen Ambitus in Anspruch nehmenden und sprunghaft angelegten Fallbewegung übergeht, was sie sich von ihrem Verhalten in der dritten Strophe abheben lässt. Und sie wird nun auch in der lebhafteren Weise ihrer Entfaltung vom Klavier durchgehend mit synchronen bitonalen und dreistimmigen Akkordrepetitionen in Diskant und Bass begleitet.

    Es muss ein in der Erinnerung sich einstellendes Leben tiefer innerer, Fluchtbewegung auslösender Erschütterung gewesen sein, das Eisler aus diesen Versen Hölderlins herausliest, zugleich bringt aber auch seine Liedmusik auf eindrückliche Weise die tiefgreifende existenzielle Ruhe und innere Sicherheit zum Ausdruck, die „die Stadt“ dem lyrischen Ich dabei zu geben vermochte, von Hölderlin mit den die emotionale Dimension so umfassend treffenden lyrischen Bildern zum Ausdruck gebracht: Der „kühlenden Schatten“, den „nachschauenden Gestaden“ und dem „lieblichen Bild“ in den „Wellen“, das – den großen Lyriker erkennen lassend – als „tönend“ erfahren wird.

    Und Eisler lässt sich dieses, wohl die Diotima-Liebe aufgreifende und deshalb so hochgradig evokative Bild von dem aus den Wellen tönenden Bild natürlich nicht entgehen und seine melodische Linie geht nun, nachdem sie anfänglich bei dem Worten „Du hattest dem Flüchtigen“ und „kühlenden Schatten geschenkt“ einen in hoher Lage ansetzenden, und keineswegs kontinuierlichen, sondern unruhigen Fall über das große Intervall einer Oktave beschrieben und sich bei „aus den Wellen“ in nur kleinen Sekundschritten auf der tonalen Ebene eines hohen „Des“ und „Ces“ bewegt hat, zur Entfaltung einer ausdrucksstarken Figur über: Einer langen Dehnung auf der Silbe „lieb-“, aus der sich ein Aufschwung in Terzschritten vollzieht, dem in eine wiederum lange Dehnung auf „Bild“ mündender Fall über das Intervall einer Sexte nachfolgt. Die zuvor vorherrschende Des-Dur-Harmonik vollzieht dabei eine Rückung nach Hes-Dur, die Dehnung auf „Bild“ ist dann aber, den affektiven Gehalt des Wortes zum Ausdruck bringend, in as-Moll gebettet.

  • „An eine Stadt“ (III)

    Auf den Worten „Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal“ liegt erneut die Melodik des Anfangsverses, dieses Mal aber wieder mit der Variante im Klavierbass wie bei den Worten der dritten Strophe „Da ich vorüber ging, Fesselt der Zauber auch mich“. Beim zweiten Vers setzt die melodische Linie anfänglich auch so ein, wie in der ersten Strophe bei „Mutter nennen“, und das zeigt, wie sehr Eisler sich hier ganz bewusst an das – heimatliche – Modell des traditionellen Strophenliedes anlehnt. Aber das lyrische Bild „an den Hügel gelehnt“ erfordert eine ihm gerecht werdende Melodik, und so geht denn die melodische Linie bei „gelehnt“, darin den Gestus der ersten Strophe verlassend, zu einer bogenförmigen Legato-Bewegung aus Quartsprung und Sekundfall.

    Die Harmonik beschreibt aber wie in den beiden vorangehenden Fällen auch hier, bei der zweiten Wiederholung der den Geist dieses Liedes verkörpernden melodischen Anfangsfigur einen chromatischen Fall. Und auch wenn die melodische Linie bei den Worten „oder dem Ufer hold“ zwar nicht mehr die gleichen Bewegungen vollziehen kann wie auf den entsprechenden Worten der ersten und der dritten Strophe (also „kunstloses Lied“ und „Ferne schien“), sie beschreibt doch eine triolische und danach in einen Quartsprung übergehende Fallbewegung, die sich nun allerdings in einem weiteren Quartfall bei „hold“ fortsetzt.

    Am Ende, also bei den Worten „Deine fröhlichen Gassen / Unter duftenden Gärten ruhn“ lässt die Liedmusik noch einmal vernehmen, wie tief Eisler vom evokativen Zauber der Hölderlin-Metaphorik angerührt war. Er lässt die melodische Linie eine tatsächlich fröhlichen Geist zum Ausdruck bringende, weil triolisch geprägte und zweimal einen Terzfall mit zwischengelagerter Tonrepetition vollziehende Bewegung beschreiben, bei der die Harmonik aus einer chromatischen Verminderung zur Dominantseptvariante der Tonart „B“ übergeht. Das Klavier begleitet nun mit einer klanglich ruhig anmutenden Folge von Bass und Diskant übergreifenden sechs- und fünfstimmigen Viertel-Akkorden.

    Und dann setzt er ein kompositorisches Mittel ein, das dem Wort „ruhn“ in seinem semantischen Gehalt außerordentlich starken Ausdruck verleiht. Nach dem mit einem Sextsprung einsetzenden dreischrittigen Fall über Terzen und Sekunden bei den Worten „duftenden Gärten“ setzt die melodische Linie in ihrer Bewegung einen ganzen Takt lang aus, derweilen das Klavier weiter seine Viertel-Akkorde erklingen lässt. Und dann wird das Wort „ruhn“ auf der tonalen Ebene eines „C“ in gedehnter Weise deklamiert. Das ist ein melodischer Liedschluss, der wie die vollkommene Verkörperung von Ruhe anmutet.

    Aber er ist in F-Dur-Dominantseptharmonik gebettet, denn das zehntaktige Nachspiel hat zu dem, was die Melodik zu sagen hatte, noch etwas beizutragen. Es ist etwas höchst Erstaunliches, - und zugleich für Eislers Liedmusik Typisches. Nachdem das Klavier eine beschwingt anmutende Folge von partiell arpeggierten Viertelakkorden hat erklingen lassen, die nach einem Anstieg von oktavisch geprägten Akkorden in langsam sich in der tonalen Ebene absenkende dreistimmige Akkorde übergehen und pianissimo in einen triolischen Sekundfall von Achteln münden, erklingt erst pianissimo ein dissonanter sechsstimmiger Akkord im Bass und dann ein in seiner schrillen Fortissimo-Dissonanz ein „sffz“ auszuführender, Diskant und Bass übergreifender siebenstimmiger Akkord.

    Es ist klar:
    All diese, mit der entsprechend lieblichen Liedmusik aufgegriffenen lyrischen Bilder der heimatlichen „Stadt“, - sie sind, so sehr ersehnt auch immer, in ihrer Ferne unerreichbar.

  • „Erinnerung“

    O heilig Herz der Völker, o Vaterland!
    Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd´,
    Und allverkannt, wenn schon aus deiner
    Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!

    Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,
    Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
    Dich, ungestalte Rebe! daß du
    Schwankend den Boden und wild umirrst.

    (Strophe 3 nicht berücksichtigt)

    Doch magst du manches Schöne nicht bergen mir,
    Oft stand ich überschauend das sanfte (H.:holde) Grün,
    Den weiten Garten hoch in deinen
    Lüften auf hellem Gebirg´ und sah dich.

    (Strophe 5 nicht berücksichtigt)

    Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,
    Die Edlen, wo der Fleiß in der Werkstatt schweigt,
    Die Wissenschaft, wo deine Sonne
    Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.

    (Es folgen neun weitere Strophen)

    Diese vier Strophen hat Eisler Hölderlins Ode „Gesang des Deutschen“ entnommen, die um 1799/1800 entstand und insgesamt 15 Strophen umfasst. Dieses Mal hat er sich dabei auf die reine Auswahl beschränkt und nicht zusätzlich noch in Hölderlins Text eingegriffen. De Strophen sind also – bis auf das Ersetzen des Adjektivs „hold“ durch „sanft“ (bei „Grün“) und das Weglassen des „e“ bei „umirrest“ - wortgetreu übernommen.
    Diese Ode und die Ende 1799 im Druck erschienene mit dem Titel „Der Tod fürs Vaterland“ gehörten zur Feldauswahl von Hölderlin-Lyrik, die die Nationalsozialisten 1943 zu 100 000 Exemplaren an die Ostfront schickten, versehen mit der Anmerkung, dass für Hölderlin das Vaterland etwas Heiliges gewesen sei und er sich deshalb als „der gute Kamerad unserer Männer“ eigne.

    Diese missbräuchliche Verwendung der Lyrik des zum Nationaldichter erhobenen Hölderlin war der Grund dafür, dass Bertolt Brecht anfänglich mit regelrechtem Entsetzen darauf reagierte, dass Eisler sich liedkompositorisch Hölderlin zuwandte und ausgerechnet auch noch die Ode „Gesang des Deutschen“ in seine Vertonungen einbezog. Im Gespräch mit Hans Bunge berichtete er:
    „Als ich Brecht das vorspielte, war er entsetzt über meinen Nationalismus. (…) Es ist von einem schamlosen Nationalismus, weil ich doch tatsächlich in der Emigration manchmal an Deutschland zurückdachte – und zwar nicht sentimental, sondern durch die Brille Hölderlins gesehen, der ja ein früher Jakobiner war.“
    Und er fügte hinzu:
    Das „Donnerwetter der Literaturwissenschaftler“ habe er geahnt, aber das, was er da getan habe, „das ist keine wissenschaftliche Methode, das ist eine künstlerische. Das heißt, man liest ein Gedicht und versucht – ohne Barbar zu sein – das zusammenzufassen, was einem heute wichtig erscheint.“

    Ganz offen ist Eisler hier nicht, wie mir scheint. Und das hat wohl damit zu tun, dass dieses Gespräch mit Bunge 1975 in Leipzig erschien. Er macht sich den Vorwurf Brechts zu eigen, wenn er formuliert: „das ist von einem schamlosen Nationalismus“, wohl wissend, dass seine kompositorische Beschäftigung mit Hölderlin mit „Nationalismus“ absolut nichts zu tun hatte. Eine ganz andere Motivation stand dahinter, die bei der Besprechung der einzelnen Hölderlin-Lieder aufgezeigt wurde. Sie verrät sich in dem Titel, den Eisler dieser Vertonung gegeben hat: „Erinnerung“. Er befand sich damals im Hollywooder Exil in einer existenziellen Situation, in der es um das Finden und die Vergewisserung seiner personalen Identität ging. Begriffen hatte er, dass sie nicht allein aus der kritischen Auseinandersetzung mit der Hollywood-Welt und der Ablehnung derselben zu gewinnen war.

    Die Titel des ersten und des letzten Hölderlin-Liedes lassen erkennen, aus welchen Gründen er sich damals künstlerisch-kompositorisch der Kultur des Landes zuwandte und sich mit ihr auseinandersetzte, das er als seine „Heimat“ empfand: „Hoffnung“, in dieses zurückkehren und können, und „Erinnerung“, also Vergegenwärtigung seiner Kultur, sind für ihn zum einzigen intellektuellen und emotionalen Weg geworden, über den sich seine personale Identität zu konstituieren vermochte.

    Überdies zeigt die Bemerkung Eislers, Hölderlin betreffend („der ja ein früher Jakobiner war“), dass ihm wohl bewusst war, dass es sachlich völlig unangebracht ist, den Begriff „Nationalismus“ mit Hölderlin in Zusammenhang zu bringen (worum Brecht ja doch wohl auch gewusst haben musste).
    Aus mehreren brieflichen Äußerungen – so etwa in der Antwort auf einen Brief, den er im Oktober 1796 von dem Anhänger der Revolution Johann Gottfried Ebel erhalten hatte - ergibt sich, dass Hölderlin mit den politischen und gesellschaftlichen Zielsetzungen der Französischen Revolution sympathisierte. „Vaterland“, das war für ihn die Landschaft, in der er geboren und aufgewachsen war, und wenn er wie hier poetisch einen „Deutschen“ „singen“ lässt, dann ist dieser Repräsentant der Idee einer deutschen Kulturnation, wie sie Schiller in seinen Notizen zu dem Gedicht „Deutsche Größe“ entworfen hatte. An Ebel schreibt er, Deutschland könne, gerade weil es noch still sei, Großes zu einer künftigen Revolution der Gesinnungen beitragen.

    In der von Eisler nicht berücksichtigten zweitletzten Strophe wird das „Vaterland“ angesprochen mit den Worten:

    „Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,
    Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,
    Das einzig wie du selber, das aus
    Liebe geboren und gut, wie du, sei,“

    Eisler bringt in Gestalt des Titels „Erinnerung“ zwar eine subjektive Komponente in seine Liedmusik ein und legt sie auch so an, dass diese in Gestalt des ihr immanenten affektiven Potentials zum Ausdruck kommt: Erinnerung an die in lange zurückliegenden Zeiten gemachte Erfahrung von „Vaterland“ , dies im Sinne eines Ortes, der in seiner Hauptkomponente „Heimat“ personale Identität zu stiften vermag. Das ist ganz im Sinne von Hölderlin, nur betont er stärker als dieser die allgemeine Dimension dieser Erfahrung, das Exemplarische an ihr, wie es der erste Vers zum Ausdruck bringt. Die Worte „O heilig Herz der Völker, o Vaterland!“ verstehen durch den Plural das „Vaterland“ ganz allgemein als das „Herz“ aller „Völker“. Die Erfahrung, an die Eisler sich – wie seine Liedmusik unterschwellig vernehmen lässt - mit einer gewissen Wehmut erinnert, will also als eine verstanden werden, die jeder Mensch machen kann, gleichgültig, welcher Nation er angehört.


  • „Erinnerung“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    Von seiner grundlegenden kompositorischen Intention her ist es verständlich, dass Eisler die Liedmusik auf den ersten Vers wie eine Ouvertüre angelegt hat. Bei den Worten „O heilig Herz der Völker“ geht die melodische Linie nach einem Auf und Ab in deklamatorischen Sechzehntelschritten und anfänglich ohne Klavierbegleitung in einen etwas ruhigeren, weil nun in Achtelschritten erfolgenden Fall in Terzintervallen über, der auf der tonalen Ebene eines „C“ in tiefer Lage endet. Erst bei dem Wort „der“ setzt das Klavier im Bass mit einer Sechzehntelfigur ein, die die Bewegung der melodischen Linie wiederholt, und deren Fellbewegung begleitet es dann mit einem einzigen Legato-Fall über das große Intervall einer verminderten Septe bei „Völker“. Eine Achtelpause folgt für die melodische Linie der Singstimme nach, bei der die anfängliche ges-Moll- Harmonik zu einem A-Dur übergeht. Und nun beschreibt sie bei den Worten „o Vaterland“ einen auftaktigen, auf eben diesem tiefen „C“ ansetzenden verminderten Terzsprung, geht auf dem tiefen „Es“ zu dem er führt, in eine Repetition über und kehrt bei der Silbe „-land“ mit einem Terzfall zur Ausgangsposition zurück. Aber nicht ganz, denn es ist ein verminderter, und darin drückt sich aus, dass nun melodisch noch etwas nachfolgt.

    Das aber dauert, denn Eisler lässt, eben diese Ouvertüren-Funktion der Musik auf dem ersten Vers hervorhebend, die melodische Linie erst nach einer dreitaktigen Pause wieder einsetzen. Das Klavier geht darin von dem Gestus sprunghaft angelegter Legato-Fallfiguren, mit denen es die Eingangsmelodiezeile begleitete, zu jenem über, den es nun in Begleitung der Melodik auf den drei weiteren Versen der ersten Strophe einsetzt. Es ist eine in Bass und Diskant erklingende, fallend angelegte Figur aus einem bitonal und dreistimmig gedehnten Achtel und einem nachfolgenden Sechzehntel, das anfänglich einstimmig ist, später aber zur Zweistimmigkeit übergeht. Da das Sechzehntel auftaktig vorausgeht, liegt der Begleitung in der ersten Strophe auf der Grundlage eines Zweivierteltakts eine Kurz-Lang-Rhythmisierung zugrunde, die in die ruhig sich entfaltende melodische Linie eine sie gleichsam belebende, ihren Schritten Bedeutsamkeit verleihende Akzentuierung einbringt.

    In der ersten Strophe entfaltet sich die melodische Linie ruhig und in deklamatorisch gebundener Weise, beschreibt, in f-Moll harmonisiert, bei „Allduldend“ einen gedehnten Fall in untere Mittellage, wiederholt diesen, nun legato, noch einmal bei dem Wort „Mutter“, senkt sich aber, eben dieses lyrische Bild von der „Mutter Erd“ reflektierend, weiter in tiefe Lage ab. Erst wenn Hölderlins lyrische Aussagen um den Gedanken des „Verkannt-Werdens“ dieser „Mutter Erd“ und die „Fremden“ kreisen, die auf ihr leben und von ihr „ihr Bestes haben“, geht die melodische Linie, dabei aber ihren ruhigen deklamatorischen Gestus beibehaltend, zunächst zu einem Anstieg in repetitiven Sekundschritten in mittlerer Lage über und beschreibt bei den Worten „die Fremden“ sogar einen, sie mit einem deutlichen Akzent versehenden Terzsprung in hohe Lage, dem ein ausdrucksstarker verminderter Sextfall nachfolgt. Die Harmonik lässt dabei von ihrem anfänglich lange beibehaltenen f-Moll ab und geht zu Des-Dur über. Und wenn die melodische Linie nach einer Achtelpause bei den Worten „ihr Bestes haben“, abweichend von dem bislang praktizierten deklamatorischen Gestus, zu ihrem Höhepunkt kommt, dies in Gestalt eines nun in Achtelschritten deklamierten triolischen Bogens in hoher Lage mit nachfolgend verminderten Quintfall, dann ist dieser in Ges-Harmonik gebettet.

    Die erste Strophe setzt lyrisch-sprachlich in einem ruhig konstatierenden Gestus ein, der allerdings im Ausruf des ersten Verses schon affektive Elemente aufweist und am Ende mit dem Aspekt „Fremde“ zu reflexiv kritischen übergeht. Eislers Liedmusik reflektiert das auf eine dieser Binnenstruktur des lyrischen Textes voll gerecht werdende Art und Weise. Und das gilt auch für die zweite Strophe. Denn hier setzt sich Hölderlin lyrisch in durchaus kritischer Weise mit dem Thema „Vaterland und Fremde“ auseinander, dies in der Absicht, auf gleichsam indirekte Weise sinnfällig werden zu lassen, welche Haltung der Eingeborene seinem „Vaterland“ gegenüber einnimmt. Eislers Liedmusik greift diesen Umschlag in der lyrischen Intentionalität mit einer von der ersten Strophe markant abweichenden Liedmusik auf. Und dies in allen Bereichen, in der Struktur der Melodik, ihrer Harmonisierung und im sie begleitenden Klaviersatz.

    „Poco meno“ lautet hier die Vortragsanweisung. Die melodische Linie entfaltet sich nun in einem stark wortbetonten deklamatorischen Gestus repetitiver Sechzehntelschritte, die lange auf der eingenommenen tonalen Ebene verharren, um danach erst in ein Auf und Ab und danach erst in eine kleinere, bei den Worten „Schwankend den Boden und wild umirrst“ aber ausgeprägte und am Ende in Gestalt einer Folge von Terz- und Sekundschritten erfolgende und sie in tiefe Lage führende Fallbewegung überzugehen. Darin kommt der ihr von Anfang an innewohnende sanfte Klageton gleichsam zu sich selbst.

    Harmonisiert ist sie lange in Rückungen von As-nach Es-Dur mit einem kurzen B-Dur dazwischen, aber bei dem lyrischen Bild von der „ungestalten Rebe“ geht die Harmonik zu Rückungen von g-Moll nach c-Moll über und kehrt erst bei dem melodischen Fall auf „wild umherirrst“ zum Tongeschlecht Dur (Es-Dur) zurück. Das Klavier begleitet die ganze Strophe über in deutlicher Abkehr von seinem Gestus in der ersten Strophe mit fallend angelegten Legato-Figuren aus bitonalem Viertel und Achtel im Diskant und Sechzehntel-Achtel-Oktavsprüngen im Bass, und wenn die melodische Linie am Ende in ihren Fall übergeht, folgt ihr das Klavier darin mit dreistimmigen Akkorden im Diskant. Die volle Ausprägung des immanenten Klagetons der Melodik ereignet sich also auch im Klaviersatz und setzt sich im zweitaktigen Zwischenspiel fort. Die kurz aufklingende, den konstatierenden Charakter des lyrischen Textes am Ende reflektierende Es-Dur-Harmonik geht dabei über b-Moll zu B-Dur über.

  • „Erinnerung“ (II)

    Die Melodik der dritten Strophe weist, weil das lyrische Ich zum Gestus der Ansprache übergeht und die lyrischen Bilder, die es dabei verwendet, allesamt von einem anmutigen Zauber sind, einen leichten Anflug von Zartheit und Lieblichkeit auf. Dazu trägt wesentlich bei, dass sie sich nun, nach dem vorangehenden Zweiviertel- in einem Sechsachteltakt entfaltet und in ihrer Struktur dieses seelenvolle und preisende Ansprechen des „Vaterlands“ reflektiert.
    Bei den Worten „Doch magst du manches Schöne nicht bergen mir“ verharrt die melodische Linie noch, in Rückungen von F-Dur, über d-Moll nach g-Moll harmonisiert und vom Klavier mit lang gehaltenen Oktaven im Diskant und Achtelrepetitionen im Bass begleitet, auf repetitive Weise in mittlerer Lage. Bei den Worten „Oft stand ich überschauend das holde Grün“ beschreibt sie aber einen dreimaligen Fall aus hoher Lage, der zunächst in Sekundschritten erfolgt, am Ende aber über Terzen, so dass die Worte „sanfte Grün“ eine Hervorhebung erfahren, dies auch deshalb, weil die Harmonik hier von Ces-Dur nach Ges-Dur rückt und die Achtel-Repetitionen im Bass zu einem Anstieg in hohe Lage übergehen.

    Da das lyrische Ich in dieser Haltung der Ansprache verbleibt behält die melodische Linie diesen Grundgestus der Entfaltung - also deklamatorische Tonrepetition, die anschließend in einen Fall oder eine Sprungbewegung übergeht - bis zum Ende des Liedes bei. Der ihr zugeordnete Klaviersatz weist im Bass ebenfalls eine gewisse Konstanz aus, in Gestalt der aus einem bitonalen Akkord hervorgehenden Achtelrepetitionen, die allerdings noch einmal aus diesem repetitiven Gestus ausbrechen. Und das geschieht bei den Worten „in der Werkstatt schweigt“ bemerkenswerter Weise bei genau der gleichen und in eine Dehnung mündenden melodischen Fallbewegung über Terzen wie bei den Worten „das sanfte Grün“.

    Und wie bei Eisler nicht anders zu erwarten, reflektiert die melodische Linie auf der Grundlage dieses deklamatorischen Gestus auch den jeweiligen Gehalt der lyrischen Metaphorik. So, wenn sie bei den Worten „Den weiten Garten hoch in deinen / Lüften auf hellem Gebirg´“ einen in hoher Lage ansetzenden und in einer langen Dehnung auf der Silbe „-birg“ in tiefer endenden Fall beschreibt, dann aber bei den Worten „und sah dich“, um dem Anrede-Gestus in seinen affektiven Dimensionen Ausdruck zu verleihen, zu einem auf einem „As“ in mittlerer Lage neu ansetzenden und bis in tiefe Lage führenden Fall über eine Sekunde und eine Quinte übergeht. Bei den Worten „sah ich die Städte blühn, die edlen“ beschreibt die melodische Linie nach den sie so stark prägenden deklamatorischen Tonrepetition in mittlerer tonaler Lage mit einem Mal zu Sprung- und Fallbewegungen über die großen Intervalle von Quarten, Quinten und Sexten. So liegt auf den Worten „die edlen“ ein verminderter Sextsprung mit nachfolgendem Terzfall, der eine starke Akzentuierung dieser Qualifizierung dieser heimatlichen Städte mit sich bringt, zumal das Klavier hier seine Oktaven im Diskant zu dreistimmigen Akkorden übergehen lässt und die Harmonik hier eine Rückung von der Verminderung bei dem Wort „blühn“ zu einem reinen F-Dur vollzieht.

    Nach einer Pause, in der das Klavier im Diskant einen aus einem As-Dominantseptakkord hervorgehenden und wie eine Einleitung anmutenden Achtelfall erklingen lässt, setzt die melodische Linie zu den beiden letzten Versen ein. Das geschieht bei den Worten „die Wissenschaft“ auftaktig, danach ereignet sich eine leicht gedehnte Tonrepetition und ein Quartfall, der wiederum in eine Dehnung übergeht. In dieser Anlage wirkt die melodische Figur in ihrer B-Dur-Harmonisierung wie eine kleine Melodiezeile, die das Wort „Wissenschaft“ mit einer Akzentuierung versieht. Und auch in ihrer weiteren Entfaltung ist die Melodik auf den beiden Schlussversen ganz offensichtlich darauf ausgerichtet, die das „Vaterland“ des lyrischen Ichs auszeichnenden, ja sogar krönenden Eigenschaften und Merkmalen in besonderer Weise hervorzuheben.

  • „Erinnerung“ (III)

    Auf den Worten „wo deine Sonne milde“ geht die melodische Linie nach einer Tonrepetition in mittlerer Lage in einen dreischrittigen Sekundfall über, der dem Wort Sonne durch eine leichte Dehnung und einen Mitvollzug dieser melodischen Bewegung durch das Klavier im Diskant einen leicht melismatisch anmutenden Akzent verleiht. Und noch einmal beschreibt die Melodik den von ihr in der letzten Strophe bevorzugten Gestus der deklamatorischen Tonrepetition, und erneut dient dieser offensichtlich dazu, der nachfolgenden Sprungbewegung der melodischen Linie besonderes Ausdrucksgewicht zu verleihen. Das ist in diesem Fall besonders angebracht, geht es doch nun um den „Künstler“ im „Vaterland“. Hölderlin bringt hier mit seinem lyrischen Bild die – für ihn bezeichnende – Hochschätzung des Dichters als „Künstler“ zum Ausdruck: Die Sonne leuchtet dem Künstler nicht nur einfach, sie tut das „zum Ernste“.

    Eisler reagiert auf dieses, von Hölderlin indirekt zum Ausdruck gebrachte Verständnis von Künstlertum auf bemerkenswerte Weise. Die melodische Linie beschreibt bei „Künstler“ einen in Des-Dur harmonisierten verminderten Terzsprung, und danach setzt sie über einen Sekund- und Terzfall zu einer anfänglich lang gedehnten Kombination aus vermindertem Legato-Terzsprung und Sekundfall an, der dem Wort „Ernste“, auch weil sich hier eine harmonische Rückung von b-Moll nach C-Dur ereignet, ein starkes Gewicht verleiht. Aber dieses C-Dur ist die Dominantseptversion dieser Tonart. Und warum das so ist, das wird anschließend auf eindrückliche Weise sinnfällig.

    Bei dem Wort leuchtet beschreibt die melodische Linie nicht etwa, wie man von Hölderlins lyrischem Bild etwa erwarten würde, eine lang gedehnte, Ausklingen suggerierende Fallbewegung, sondern einen kurzen und knappen, in F-Dur harmonisierten Terzfall von deklamatorischen Achtel-Schritten.
    Das mutet an wie ein witziger, humorvoller, aber darin keineswegs abwertender Umgang mit Hölderlins Verständnis von Künstlertum. Eher als einer, in dem sich das Bedauern ausdrückt, dieses nicht mehr nachvollziehen zu können.

    Und so meint man auch das siebentaktige Nachspiel verstehen zu sollen. Denn in seinen Achtelfiguren ereignet sich im Diskant immer wieder diese Fallbewegung, nun aber in Sekundschritten, in sich absenkender tonaler Ebene und in seiner Harmonisierung neben dem Tongeschlecht Dur auch das Moll und sogar ein vermindertes „As“ einbeziehend. Enden aber darf es in einem vierstimmigen F-Dur-Akkord.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • „Vom Sprengen des Gartens“

    (Der dem Lied zugrundeliegende Text von Brecht kann aus Urheberrechtschutz-Gründen hier nicht wiedergegeben werden)

    Dieses Gedicht ging wohl aus einer Notiz Brechts in seinem Journal vom 20. Oktober 1942 hervor, in der er sich mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise das politische Bewusstsein den Alltag der Menschen beeinflusst. In diesem Zusammenhang kommt er auch zu der Feststellung: „Woher kommt sonst die Sorge, eine Stelle des Rasens könne übersehen werden, die kleine Pflanze dort könnte nichts abbekommen.“ Von daher erklärt sich seine lyrische Aussage.

    Die Anweisungen, das „Sprengen des Gartens“ betreffend, zielen ganz allgemein darauf, „das Grün zu ermutigen“, aber in der Differenzierung des Begriffes „Grün“ bildet sich diese in ihrem politischen Charakter heraus. Mit dem das Leben erhaltenden Wasser sollen nicht nur die herausragenden und bedeutenden Gewächse bedacht werden, die „durst´gen Bäume zum Beispiel“, sondern auch das eigentlich nutzlose, weil keine Beeren tragende „Strauchwerk“, ja sogar das Unkraut, eben weil es auch „Durst“ hat. Und nicht nur der „frische Rasen“ und der „versengte“ sollen mit Wasser bedacht werden, auch der „nackte Boden“ dürstet nach Erfrischung („Noch gieße nur / Den frischen Rasen oder den versengten nur, / Auch den nackten Boden erfrische du.“)

    Die politischen Konnotationen dieses von einem Bertolt Brecht vorgebrachten poetischen Spiels mit Garten-Metaphorik drängen sich geradezu knüppeldick auf, und man mag sie – ein häufig auftretendes Problem bei der Interpretation von politisch ausgerichteter Brecht-Lyrik – gar nicht mehr benennen. Was aber hier, wo es um den Aspekt Vertonung geht, der der Benennung bedarf, sind die prosodischen Aspekte dieses Gedichts. Dieses weist in der Anlage seiner Verse keinerlei traditionelle Lyrik konstituierende Strukturmerkmale auf. Nicht nur dass sie kein Metrum aufweisen, sie entbehren in ihrer Abfolge jeglicher sprachlicher Regelmäßigkeit, und nicht nur das, - ihre häufigen Endungen in syntaktisch beiläufigen Partikeln wie „und“, auch, „nicht“ und „nur“ muten willkürlich, geradezu chaotisch an und sind in ihrer Sinnhaftigkeit nicht erschließbar.

    Es sei denn – und das ist wohl die Absicht Brechts – hier soll eine Art lyrisch-sprachliche Komödie veranstaltet werden, wie sie das Thema, bei dem es sich ja um ein genuin besitzbürgerliches, weil der Welt der „Garten- und Rasenbesitzer“ zugehöriges handelt, aus seiner Sicht regelrecht erfordert. Ein derartiger lyrischer Text stellt für einen Liedkomponisten allerdings eine ganz besondere Herausforderung dar, erweist er sich doch gegen einen Versuch, ihn in eine sich vom reinen Rezitativ abheben wollende Melodik einzubringen, als ausgesprochen sperrig.
    Ihn kompositorisch mit dem Instrumentarium des traditionellen romantischen Klavierliedes anzugehen, erscheint als ein Ding der Unmöglichkeit. Und dann hört man Eislers Lied, und man stellt zur größten Verblüffung fest: Er tat genau das.


  • „Vom Sprengen des Gartens“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    Eisler packt in seiner im August 1943 entstandenen Komposition diesen eher prosaischen als lyrischen und in seiner Versgestalt den formalen Strukturen traditioneller Lyrik geradezu hohnsprechenden Text in das Gewand eines an eben diese Traditionen sich anlehnenden Klavierliedes. Und sogar in eine Musik, die in ihrer Rhythmisierung auf der Grundlage eines Dreivierteltakts und ihrer Harmonisierung sogar die Anmutung von Wiener Walzer aufweist.

    Warum das?
    Das ist die Frage, die sich dem in seiner Haltung analytisch ausgerichteten Rezipienten dieser Liedmusik geradezu aufdrängt. Eine Antwort darauf wird freilich nur über eine detaillierte Betrachtung der kompositorischen Faktur dieses Liedes zu finden sein. Als leitende Arbeitshypothese könnte dabei die Annahme dienen, dass Eislers Komposition, darin Brechts poetische Intention aufgreifend, ebenfalls komödiantisch-ironisch ausgerichtet ist, - sich kritisch mit dem Geist auseinandersetzend, in dem die bürgerlichen Inhaber und Bewohner der Hollywood-Villen deren Vorgärten pflegen. Der Art und Weise, wie er das lyrische Bild vom „Unkraut“ kompositorisch umsetzt, dürfte dabei eine Art Schlüsselfunktion zukommen.

    Mit einem zweitaktigen Vorspiel setzt die Liedmusik ein. Ein Dreivierteltakt ist vorgegeben, und „Andante con moto“ lautet die Vortragsanweisung. Eine aus den Tönen „D“ und „E“ gebildete, „mf“, kurz (sempre stacc.)“ auszuführende Sekundreibungs-Achtelrepetition erklingt im Diskant, und sie hält drei Takte lang vor, also auch über den Augenblick hinaus, an dem die melodische Linie mit den Worten „Oh Sprengen des Gartens“ „p leicht“ auftaktig einsetzt. Sie geht hier nach dem „A“ auf dem Ausruf „Oh“ erst in einen verminderten Sekundfall über, der sich bei „Sprengen“ in einem gedehnten Sekundanstieg fortsetzt und bei „des Gartens“ in einer Kombination aus Sekund- und Terzfall in Gestalt einer kleinen Dehnung in tiefer Lage im Sinne einer ersten kleinen Melodiezeile endet. Die Worte „Sprengen“ und „Gartens“ erfahren also eine Akzentuierung durch eine leicht gedehnte Sprung-, bzw. Fallbewegung.

    Bemerkenswert aber: Bei dem melodischen Quartfall auf „Gartens“ vollzieht die Harmonik eine Rückung nach A-Dur in Gestalt einer sextolischen Repetition von Terzen im Diskant, die die einen Dominantseptakkord in der Tonart „E“ verkörpernden Sekundreibungen ablöst. Und diese ereignet sich gleich noch einmal bei der melodischen Linie auf den Worten „das Grün zu ermutigen.“ Hier aber geht sie nun in einen anderen Gestus über: nach einer langen (halbe Note) Dehnung auf „Grün“, beschreibt sie, nun nicht mehr in deklamatorischen Viertel-, sondern in Achtelschritten auf „zu ermutigen“ einen Bogen, der über einen Quartfall in einer Dehnung auf der tonalen Ebene eines „E“ in tiefer Lage endet.

    Damit haben sich, bei der Liedmusik auf dem ersten Vers, gleich vier, diese in ihrer Struktur konstituierende und in ihrer Klanglichkeit prägende Merkmale der kompositorischen Faktur gezeigt. Die Melodik entfaltet sich in ihren jeweiligen Zeilen auf zweierlei deklamatorische Weise:
    In der Aufeinanderfolge von einerseits Sprung- und Fallbewegungen im Wert von partiell gedehnten Vierteln und halben Noten und andererseits kurzschrittigen, in steigender oder fallender Linie angelegten, am Ende in der Regel in eine Dehnung mündenden Achtelschritten.
    Der Klaviersatz besteht - und das durchgehend – im Diskant aus zwei- bis dreistimmigen Achtelakkord-Repetitionen, denen im Bass repetierende Achtel oder zweistimmige Achtelakkorde zu geordnet sind. Nur zwei Mal ereignet sich im Diskant eine Abweichung von diesem Satz in Gestalt von sich in Sekundschritten absenkenden dreistimmigen Akkorden.

    Und schließlich drittens:
    Die Harmonik weist, wie gleich am Anfang vernehmlich, ungewöhnlich viele Dominantseptakkorde auf. Sie lösen sich allerdings keineswegs immer, wie das in der Melodiezeile auf den ersten Vers in Gestalt von E7 nach A-Dur der Fall ist, zur zugehörigen Tonika auf, immer wieder ereignen sich Auflösungen zu einer Tonart, die ganz und gar unerwartet anmutet.
    Diese so starke Prägung der Harmonik durch den Dominantseptakkord ist deshalb bemerkenswert, weil dieser für Eisler eigentlich Teufelszeug darstellt, von dem man, weil es historisch völlig abgenutzt und nichtssagend geworden ist, kompositorisch die Finger lassen sollte.
    Und nun, hier in diesem Lied, setzt er den Dominantseptakkord au geradezu exzessive Weise ein.

    Nimmt man all diese Strukturmerkmale der liedkompositorischen Faktur zusammen, den Rahmen des traditionellen Klavierliedes, wozu auch die Reprise gehört, die sich hier tatsächlich vorfindet, die in ihrer Anlage aus zwei deklamatorischen Figuren relativ einfache Melodik, der ebenfalls einfache, weil ausschließlich aus Akkordrepetitionen bestehende Klaviersatz und schließlich die der Dissonanz weitgehend aus dem Wege gehende und sich vorwiegend auf die Auflösung von Dominantseptakkorden beschränkende Harmonik, dann präsentiert sich dieses Lied als ein auffällig massiver, sozusagen mit beiden Händen erfolgender Zugriff auf die musikalische Sprache des traditionell-romantischen Klavierliedes. Dies allerdings verbunden mit – was im Einzelnen noch aufzuzeigen ist – durchaus markanten Verfremdungseffekten.

    Darin aber zeichnet sich, so scheint mir, eine Antwort auf die sich bei dieser Liedkomposition aufdrängende Frage ab. Wenn man davon ausgeht, dass Eisler bei der Lektüre von Brechts Versen die ihrem Rasen umfassende Pflege zuteilwerden lassenden Villenbesitzer, die besitzbürgerliche Klasse der Hollywood-Gesellschaft also, vor Augen hatte, dann enthüllt sich dieser hier so tief reichende Zugriff auf die Sprache der romantischen Liedmusik in seiner kompositorischen Intention. Das ist ja die Musik, die diese Klasse schon von Anbeginn ihrer historischen Existenz hört. Und indem Eisler sie nun Brechts Versen überstülpt, die in ihrer Prosodie dem traditionellen lyrischen Gedicht Hohn sprechen, potenziert er in der Diskrepanz, die sich dabei an sich schon, aber im Besonderen in den kompositorischen Verfremdungseffekten liedmusikalisch auftut, dessen kritischen Blick auf diese Klasse am Beispiel „vom Sprengen des Gartens“.

  • „Vom Sprengen des Gartens“ (II)

    Durch die Art und Weise, wie Eisler die Melodik des Liedes angelegt und sie harmonisiert hat, kann man sich durchaus in diesem Verständnis der Liedmusik bestätigt sehen. Die Melodiezeilen entsprechen häufig nicht den Versen und er setzt darin eigenartige deklamatorische Akzente. Auf dem Wort „ermutigen“ liegt eine syllabisch exakte, bogenförmig angelegte Folge von Achtelschritten, die Silbe „-gen“ am Ende trägt aber – eigentlich unsinniger Weise - eine aus einem Quartfall hervorgehende lange Dehnung im Wert einer halben Note. Bei den Worten „Wässern der durst´gen Bäume“ behält die melodische Linie ihren zweiten deklamatorischen Grundgestus bei und beschreibt eine in hoher Lage ansetzende und sich über das Intervall einer Sexte erstreckende Fallbewegung in Achtel-Sekundschritten, die am Ende, und das verbunden mit einer Rückung von A- nach G-Dur einhergehend, in einer Tonrepetition leicht gedehnt innehält.

    Beim dritten Vers setzt er sich über Brechts Anlage desselben hinweg, klammert die dessen Ende bildende Konjunktion „und“ aus und setzt sie an den Anfang der nächsten Melodiezeile. Bei dieser verfährt er dann aber ebenso, so dass die nächste Zeile mit dem Wort „auch“ einsetzt. Die durch ihre Versenden auf eigenartige Weise holpernd anmutende Brecht-Lyrik erfährt durch ihn also gleichsam eine Korrektur im Sinne normaler Syntax. Und die Gründe, weshalb er so verfährt, zeigen sich bei den eine eigene Melodiezeile bildenden Worten „gib mehr als genug“ sehr deutlich. Hier geht die melodische Linie wieder in ihren ersten Gestus über und beschreibt bei „gib“ erst einen kleinen verminderten Sekundfall, dann aber eine Kombination aus vermindertem Sekundsprung und –fall, der im letzten Schritt, also auf der Silbe „-nug“ in einen verminderten Sekundfall übergeht. Die Harmonik vollzieht hier eine komplexe Rückung von einer dissonanten D-Tonalität über H- nach B-Dur, und all das lässt erkennen, dass Eisler diesen Worten einen starken Akzent verleihen will.

    Und diesen steigert er noch, indem er – selten bei ihm – zum Mittel der Textwiederholung greift. Dies in Gestalt der Worte „gib mehr, gib mehr als genug“, wobei die melodische Linie nun einen gewichtigen, weil in deklamatorischen Viertelschritten erfolgenden und beim ersten „mehr“ in einer Dehnung im Wert einer halben Note innehaltenden Fall in tiefe Lage beschreibt, der bei „gib mehr“ mit einer Repetition auf der tonalen Ebene der vorangehenden Dehnung auf „mehr“ einsetzt und nach zwei Sekundschritten in einem Terzfall hin zu einem tiefen „Cis“ endet. Die Harmonik vollzieht dabei eine Rückung von einem anfänglichen D-Dur über G-Dur und A7 eine starke Rückung nach einem weitab liegenden Fis-Dur und geht sofort in dessen Dominantseptvariante über.

    Unüberhörbar ist: Eisler verleiht diesen Worten ein Aussage-Gewicht, das weit hinausgeht über das geht, das sie bei Brecht haben. Dort muten sie, auch weil sie im Vers mit der Konjunktion „und“ verbunden sind, vergleichsweise beiläufig an. Warum Eisler, gegen sein sich selbst auferlegtes Gebot der Vermeidung von Wiederholungen verstoßend, eine derartig starke liedmusikalische Akzentuierung von Brechts lyrischem Text vornimmt, das ist hier noch nicht ersichtlich, zeigt sich aber später auf geradezu erhellende Weise bei den Worten „das Unkraut, das auch Durst hat“.

    Diese löst er auch wieder aus dem prosodischen Kontext Brechts heraus, macht daraus durch Pausen am Anfang in der Mitte und am Ende eingehegte kleine Melodiezeilen, in denen die melodische Linie wieder zum ausdrucksstarken Gestus von Sprung- und Fallbewegungen über große Intervalle übergeht. Und bei dem Wort „Durst“ steigert sich diese musikalische Akzentuierung sogar in einen mit einem dynamischen Ausbruch ins Sforzato verbundenen und in dissonante Harmonik gebetteten Quintfall der melodischen Linie, der in einer langen Dehnung bei dem an sich kurzsilbigen Wort „hat“ auf der tonalen Ebene eine tiefen „E“ ausklingt. Hier aber wandelt sich die Harmonik nach der vorangehenden Dissonanz zu reinem E-Dur.

    Eisler macht mit diesen massiven, auf Akzentuierungen ausgerichteten Eingriffen in die Struktur des lyrischen Textes überdeutlich, wie er diese Verse Brechts gelesen hat: Der appellative Gestus, der ihnen zugrundliegt, erfährt eine eminente Steigerung in der ihnen immanenten gesellschaftskritischen Dimension. Diese erfolgt mittels der sich in ihrer Struktur und ihrer Harmonisierung konstituierenden Aussage der Melodik, aber die Grundlage dafür liefern die von Eisler vorgenommenen Eingriffe in die Prosodie des Brecht-Gedichts. Durch die Eliminierung der Endungen der einzelnen Verse verlieren diese die Anmutung einer Flüchtigkeit und Beiläufigkeit der lyrischen Aussage und können nun mit liedmusikalischen Mitteln das Gewicht erhalten, das ihnen in ihrem Aussage-Gehalt aus Eislers Sicht zukommt.

    Und hierzu setzt er – wie schon aufgezeigt – eine in ihrer Akzentuierung ungewöhnliche Deklamation ein. Bei der aus den Worten des dritten und vierten Verses gebildeten Melodiezeile „und vergiß auch nicht das Strauchwerk“ beschreibt die melodische Linie, in der Dominantseptversion der Tonart „Fis“ harmonisiert, einen auf einem tiefen „Ais“ ansetzende sechsschrittigen Sekundanstieg und geht dann bei „Strauchwerk“ in einen wunderlichen Fall über: Es ist ein verminderter, der in einer Dehnung auf der Silbe „-werk“ endet und überdies auch noch durch eine Achtelpause unterbrochen wird, was dieser Silbe einen starken, sich über die Aussprache des Wortes hinwegsetzenden Akzent verleiht.

    In ähnlicher Weise verfährt Eisler bei der Melodiezeile „auch das beerenlose nicht“, die aus dem Ende des vierten und dem Anfang des fünften Brecht-Verses gebildet ist. Hier beschreibt die melodische Linie einen mit einem Terzschritt in oberer Mittellage einsetzenden Sekundfall, der sich am Ende in einem Sekundschritt erhebt, um schließlich seine Abwärtsbewegung fortzusetzen und bei „nicht“ in eine lange, dieses Wort stark hervorhebende Dehnung überzugehen. Dieses „Strauchwerk“ ist „beerenlos“, also für bürgerlich-profitorientiertes Denken eigentlich unnütz, und überdies ist es auch noch „ermattet“, so dass die mahnende Akzentuierung des Wortes „nicht“ eine Fortsetzung dadurch erfährt, dass auf die Silbe „mat“ des Wortes „ermattete“ wieder eine von der normalen Aussprache abweichende Dehnung in Gestalt eines „Fis“ im Wert einer halben Note gelegt wird und die melodische Linie anschließend einen verminderten Quartsprung hin zur Silbe „te“ vollzieht.

    Hier ereignet sich, wieder einmal, die Auflösung eines lange vorherrschenden Dominantseptakkordes, nämlich der Übergang der Dominantsept-Fis-Harmonik zu einem h-Moll. Und da das, wie in diesem Fall, immer dort geschieht, wo die Melodik zu einer den lyrischen Text akzentuierenden deklamatorischen Bewegung übergeht, darf man wohl annehmen, dass Eisler den von ihm ansonsten eher gemiedenen Dominantseptakkord mitsamt seiner Auflösung zur Akzentuierung der lyrischen Aussage eingesetzt hat.

  • „Vom Sprengen des Gartens“ (III)

    Die Melodik auf dem Wort „ermattete“ ist ein neuerliches Beispiel für die in diesem Lied häufig sich ereignende geradezu sperrige, der Aussprache des Wortes widerstrebende melodische Deklamation, und diese setzt sich dann, nachdem die melodische Linie bei den Worten „und übersieh nicht zwischen den Blumen“ einen zweimaligen in der tonalen Ebene um eine Sekunde abgesenkten Sekundfall im Gestus der Achtelschritt-Deklamation beschrieben hat, auf gleichsam potenzierte, wie bereits beschriebene Weise bei den Worten „das Unkraut, das auch Durst hat“ fort.
    Es zeigt sich auf geradezu überdeutliche Weise, dass Eisler all diese – doch recht ungewöhnlichen – kompositorischen Mittel einsetzt, um der Gesellschaftskritik, wie er sie über seine marxistische Brille aus Brechts lyrischem Gedicht herausliest, den Ausdruck zu verschaffen, der ihr gebührt, und den er dort – so verstehe ich seine liedkompositorischen Absichten – nicht hinreichend, weil durch die eigenwillige Prosodie verstört, vorfand.

    Aus den letzten zweieinhalb Verse, also einsetzend mit den Worten „noch gieße nur“ macht er eine liedkompositorische Reprise, und dies wie dort verbunden mit der Wiederholung der letzten Wortgruppe. Allerdings stellt diese Reprise, und das macht ihren Reiz aus, keine identische Wiederkehr der Melodik auf den Worten der ersten drei Verse dar. Die Grundstruktur ist zwar die gleiche, Harmonik und Klaviersatz sind unverändert, der lyrische Text erfordert aber immer wieder einmal eine Einbeziehung zusätzlicher deklamatorischer Schritte in die melodische Linie, was mit einer gesteigerten Akzentuierung einzelner lyrischer Worte einhergehen kann. Und zusätzlich fügt Eisler, in eben dieser Absicht, auch dort solche Schritte ein, wo sie die der lyrische Text in seiner syllabischen Gestalt gar nicht erzwingt.

    Bei der Melodiezeile „Noch gieße nur den frischen Rasen“ ist all das erkennbar und vernehmlich. Die Struktur der melodischen Linie auf den Worten „Oh Sprengen des Gartens, das Grün“ ist nur in den Grundzügen erhalten geblieben, auf „noch“ liegt nun ein verminderter Legato-Sekundfall, und das Wort „gieße“ erfährt eine starke Hervorhebung durch eine dreischrittige, in eine Dehnung mündende deklamatorische Bogenbewegung. Aus dem verminderten Sekundfall in hoher Lage bei „das Grün“ wird nun eine einsame kleinere Dehnung auf der gleichen tonalen Ebene, und die wieder bogenförmige und in einer Dehnung endende melodische Bewegung in Achtelschritten auf „zu ermutigen“ ereignet sich nun auf einer um eine Terz angehobenen tonalen Ebene, so dass aus dem in der Dehnung auf einem „E“ in tiefer Lage endenden Quartfall nun bei „Rasen“ einer wird, der über das größere Intervall einer Quinte erfolgt.

    Die Worte „erfrische du“ lässt Eisler, seiner über Brecht hinausgehenden appellativen kompositorischen Intention entsprechend, zwei Mal deklamieren. Hier ist die melodische Linie identisch mit der auf den Worten „mehr, gib mehr, gib mehr als genug“ fast identisch. Ihr Ende ist ein anderes, und das ist vielsagend. Denn nun geht sie nicht wie bei „genug“ in einen kleinen Sekundfall hin zu einem „Cis“ in tiefer Lage über, vielmehr beschreibt sie zu dem Wort „du“ hin einen in eine lange Dehnung auf der tonalen Ebene eines „A“ in mittlerer Lage endenden Quartsprung. Und dieser ist verbunden mit einer harmonischen Rückung nicht wie dort zu einem Fis-Dur, sondern nun zu D-Dur.

    Das nachfolgende fünftaktige Nachspiel ergeht sich in Fortsetzung der nun dreistimmigen Achtel-Akkordrepetitionen im Diskant und nun lang gehaltenen zwei- und dreistimmigen Akkorden im Bass in harmonischen Rückungen um diese Tonart „D“, wobei Eisler wieder – von ihm ja eigentlich verpönte - Septimakkorde (D7, G7, C7) zum Einsatz bringt, aber nach dem neuerlichen akkordischen Fall, der sich zuvor ja schon bei den Worten „mehr als genug“ und „erfrische du“ ereignete und nun in e-Moll gebettet ist, erklingt in den letzten zwei Takten ein reines D-Dur.

    Dieses mit der langen in D-Dur harmonisierten und auf der Quinte zum Grundton liegenden Dehnung auf dem Wort „du“ offen anmutende Ende der Melodik will wohl, auch weil es mit dem Enden des Nachspiels im gleichen D-Dur einhergeht, so verstanden werden, dass Eisler seine appellative Liedmusik mit dem Geist der Hoffnung verbindet.
    Wäre da nicht das bei all seinen Kompositionen so gewichtige und bedeutsame Ende vom Lied. Häufig ist es ein erschreckend schroffer Fortissimo-V-Effekt. Hier aber brechen die dreistimmigen akkordischen Achtel-Akkordrepetitionen einfach ab.
    Eislers Asyl in Hollywood muss eins von tiefen Zweifeln an der Berechtigung von Hoffnung gequältes gewesen sein.

  • „Die Heimkehr“

    (Der dem Lied zugrundeliegende Text von Brecht kann aus Urheberrechtschutz-Gründen hier nicht wiedergegeben werden)

    Beginnend mit den Worten „Die Vaterstadt, wie find ich sie doch?“ setzt sich das lyrische Ich in Gestalt von geradezu bohrenden Fragen imaginativ mit der Möglichkeit einer „Heimkehr“ auseinander. Ausgelöst wird das von der Sehnsucht nach einer Rückkehr, die, wie die lyrischen Bilder von einer „Vaterstadt“ und vom „Sohn“ derselben verraten, mit einem hohen Grad an Gedanken und Emotionen einhergeht. Die reflexive lyrische Auseinandersetzung damit erweist sich als tiefer Einblick in eben diese existenzielle Situation eines Menschen im Exil.

    Dieses Ich sieht sich nicht nur vor die Frage gestellt, wie es seine „Vaterstadt“ im Wissen um die Bombardierungen dort in der Heimat vorfindet, seine Frage ist offener gefasst, lautend „wie find´ ich sie doch?“. Und sie steigert sich in dieser Offenheit sogar noch zu der sprachlichen Fassung „Wo denn liegt sie?“. So enthüllt sie den Verlust von Heimat in Gestalt eines festen Ortes, wie er mit der Flucht einhergeht. Und Brecht macht daraus, die kriegerische Zerstörung von heimatlicher Lebenswelt in schmerzlichen Sarkasmus steigernd, das lyrische Bild, dass die „tödlichen Schwärme“ der „Bomber“, ja nicht nur den Weg zum Nach-Hause-Kommen weisen, dass sie sogar die „Rückkehr“ in die „Vaterstadt“ „melden“ werden.

    Und er lässt das lyrische Ich in eben dieser Imagination schon wissen, dass der ersehnte und zugleich als „Vaterstadt“ gesuchte heimatliche Ort dort ist, „wo die ungeheueren Gebirge von Rauch“ stehen und die „Feuer“ darin brennen. Und er lässt diese so bitter-sarkastische poetische Auseinandersetzung mit der existenziellen Erfahrung von Krieg und Exil in das erschütternde, weil – wie für ihn typisch – in konstatierend-sachlichem Gestus sprachlich ausgeführte lyrische Bild münden: „Feuersbrünste gehn dem Sohn voraus“.

    Hanns Eisler nimmt an Brechts Gedicht – wie üblich – eine Änderung vor, die verrät, in welcher er die Situation des Exils in Hollywood existenziell erlebt und künstlerisch bewältigt. Aus Brechts sachlich gehaltener, die „Vaterstadt“ betreffende Frage „Wo denn liegt sie?“ macht er: „Wo liegt sie mir?“.
    Dass diese Änderung nicht beiläufig erfolgte und also unbedeutend ist, verrät schon die formale Tatsache, dass er sie in seiner Komposition auf dieses Gedicht wiederholt, aber vor allem in der Art und Weise, wie das liedmusikalisch geschieht.


    Die bei Brecht unbeschadet der emotional tief berührenden Subjektivität auf die Ebene poetischer Objektivität gehobenen Erfahrungen von Flucht und Exil werden von Eisler gleichsam wieder in diese Subjektivität zurückgeholt, und dies in Gestalt dimensionalen Ausweitung von Brechts Frage „wo denn liegt sie?“. Während diese primär lokal ausgerichtet zu verstehen ist, bringt sie bei Eisler die Ungewissheit zum Ausdruck, ob es so etwas wie eine „Vaterstadt“ für ihn überhaupt noch gibt.


  • „Die Heimkehr“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    Das Manuskript dieser Liedkomposition findet sich auf dem gleichen Bogen wie „Vom Sprengen des Gartens“, sie ist also wohl auch im August 1943 entstanden. Außer der Anweisung „Ruhige Viertel“ weist sie - wie üblich bei Eisler – keine weiteren kompositorischen Vorgaben auf. Erst beim Einsatz der Melodik auf den Worten „Dort, wo die ungeheuren…“ findet sich ein Forte-Zeichen, ansonsten gibt nur vereinzelte Dynamik-Symbole, und es sind seltsamerweise nur Decrescendi. Das ist wohl so zu verstehen, dass Eisler diese Aussagen von Brechts lyrischem Ich als monologisch introvertierte versteht, ganz und gar geprägt von der tiefen inneren Ungewissheit, die auch Wesensmerkmal seiner eigenen Haltung im Exil ist, die Zukunft einer „Heimkehr“ betreffend.

    Dieses Grundverständnis von Brechts Versen, das sich ja darin ausdrückt, dass die Frage „Wo liegt sie mir?“ allein schon durch ihre Wiederholung zu einer eindringlichen und damit gleichsam zum Zentrum des Liedes wird, hat zur Folge, dass die Liedmusik einen leisen, elegisch angehauchten Grundton atmet. Der Forte-Ausbruch daraus ist nur dem Bild von den „ungeheuren Gebirgen von Rauch“ und „Feuern“ geschuldet, das sich beim lyrischen Ich bei der Imagination seines Zuhauses einstellt, und schon wenn es sich der Frage hingibt, wie seine „Vaterstadt“ es wohl empfangen werde, tritt wieder ein Decrescendo in die Liedmusik. Und der C-Dur-Akkord, mit dem das Klavier die lange Dehnung begleitet, in der die Melodik auf dem Wort „voraus“ endet, ist ausdrücklich mit der zweiten Dynamik-Angabe versehen: Einem Piano.

    Dass sich diese Komposition auf dem gleichen Manuskript-Bogen befindet wie die vorangehend vorgestellte, ist wohl, so scheint mir, kein nichtssagend-zufälliger Sachverhalt, denn beide Kompositionen weisen in ihrer Faktur deutlich ausgeprägte Ähnlichkeiten auf. Sie müssen, damals im August 1943, aus der gleichen kompositorischen Grundstimmung Eislers hervorgegangen sein. Auch hier entfaltet sich die Melodik auf deklamatorisch gebundene Weise aus zwei Motiven, ist in ihrer Gestalt vom Prinzip der Wiederholung geprägt, das dort ja sogar die Gestalt einer förmlichen Reprise annimmt, und ihre Harmonisierung erweist sich als eine ganz und gar in der Tradition des romantischen Klavierlieds stehende. Ihre Modulationen und Rückungen bewegen sich in Gestalt beider Tongeschlechter ausschließlich im Bereich des B-Schlüssels des Quintenzirkels und meiden, mit Ausnahme gelegentlicher Verminderung, das Sich-Ergehen in schroffer Dissonanz. Und was den Klaviersatz anbelangt, so ist dieser in seiner strukturell akkordischen Anlage mit immanenten Achtel-Figuren ebenfalls traditionell ausgerichtet.

    All diese strukturellen Grundmerkmale der kompositorischen Faktur deuten darauf hin, dass Eisler die Verse Brechts auf dem Hintergrund des affektiven Potentials des Themas „Heimkehr“ gelesen und prompt eben deshalb – wie das ja in diesem „Hollywooder Liederbuch“ aus diesem Grund immer wieder einmal geschehen ist – auf die musikalische Sprache des – heimatlichen – romantischen Klavierliedes zurückgegriffen hat. Nicht ohne dieses allerdings, wie es aus seiner Sicht geboten ist, in die musikalische Moderne herein zu holen.

    Die beiden Grund-Figuren, in denen sich die Melodik des Liedes entfaltet, bestehen einerseits aus ruhigen, partiell repetitiv auf der jeweiligen tonalen Ebene verbleibenden deklamatorischen Schritten, die am Ende eine leichte Bogenbewegung beschreiben, andererseits aus einer Folge von lebhafteren, im Aufstieg und Fall einen großen Ambitus in Anspruch nehmenden und nach einem Auf und Ab in die Tiefe sinkenden Achtel- und Sechzehntelschritten. Die erste Figur ist der „Vaterstadt“ in den ersten drei Versen zugeordnet, die zweite setzt mit der unruhigen Frage „Wo liegt sie mir?“ ein und prägt die melodische Linie auf den lyrischen Bildern des Krieges, und in beiden Strophen ereignet sich, und hier greift Eisler auf die traditionelle Form des Strophenliedes zurück, in gleicher Weise ein Übergang von der ersten zur zweiten Figur.

    Eislers Liedmusik weist, wie das ja der Regelfall ist, eine andere Binnengliederung auf als Brechts lyrisches Gedicht. Aus den ersten drei Versen macht er zwei Melodiezeilen, denen eine zweieinhalbtaktige Pause für die Singstimme nachfolgt, so dass man von einer ersten Liedstrophe sprechen kann. Die zweite, bestehend aus drei Melodiezeilen, wobei zwei davon die Wiederholung der Frage „Wo liegt sie mir?“ beinhalten, umfasst die restlichen Verse der ersten lyrischen Strophe. Die dritte Liedstrophe ist durch eine Achtelpause formal zwar kaum von der zweiten abgehoben, sie erweist sich aber in ihrer Eigenständigkeit dadurch, dass die Liedmusik mit der Wiederholung ihres Anfangs einsetzt.

  • „Die Heimkehr“ (II)

    Auf den Worten des ersten Verses geht die melodische Linie, in F-Dur harmonisiert, mit einem auftaktigen Sextsprung bei „Vaterstadt“ zu einer rhythmisierten Tonrepetition auf der tonalen Ebene eines „A“ in mittlerer Lage über und setzt diesen deklamatorischen Gestus bei „wo find ich sie doch?“ auf höherer tonaler Ebene, und nun in B-Dur harmonisiert, gleichsam fort: Nun mit einem auf der Ebene des „A“ ansetzenden Quartsprung und einer wiederum rhythmisierten, nun aber vierschrittigen und anfänglich triolischen Tonrepetition auf der Ebene eine hohen „D“. Diese melodische Linie verleiht mit ihrer Kombination aus tonalem Anstieg und deklamatorischer Tonrepetition der Frage, die sich das lyrische Ich stellt, starke Eindringlichkeit. Bei den die dritte Zeile bildenden Worten „Folgend den Bomberschwärmen / Komm ich nach Haus“ geht die melodische Linie zunächst in gleichförmig ruhigen Achtelschritten in eine auf dem hohen „F“ aufgipfelnde Bogenbewegung über, bei der die Harmonik nach Es-Dur rückt, um dann auf den Worten „komm ich nach Haus“ zu einem Auf und Ab in Terzschritten überzugehen, wobei sich die tonale Ebene allerdings um eine kleine Sekunde absenkt und die Harmonik von ihrem Es-Dur zu es-Moll wandelt.

    Hier begegnet man der Eislerschen Melodik in ihrer subtilen Eigenart. Die „Bombenschwärme“ erfahren eine Hervorhebung durch eine einfache melodische Bogenbewegung, bei der allerdings die harmonische Rückung vom vorangehenden B-Dur nach Es-Dur eine Akzentuierung dadurch erfährt, dass der dreistimmige Achtel-Es-Dur-Akkord aus dem Diskant in den Bass springt und dort zu einem im Wert einer halben Note wird. Bei der Imagination eines „Nach-Hause-Kommens“ erfährt die melodische Linie dann aber eine subtile Brechung: Das triolische Auf und Ab in verminderten Achtel-Terzschritten geht am Ende in einen großen Terzfall mit leichter Dehnung über, die in ihrer es-Moll-Harmonisierung durch die nachfolgende Achtelpause ruhig ausklingen darf. Bei dem Gedanken eines Nach-Hause-Kommens stellen sich, so wie Eisler das Brechts Versen entnimmt, vielerlei Emotionen ein, die, weil mit Ungewissheit einhergehend, zum Teil schmerzlich sind. Und das vermag seine Melodik auf eindrückliche Weise zum Ausdruck zu bringen.

    Im Zwischenspiel vollzieht das Klavier mit Achteln im Diskant die Fallbewegung der letzten Melodiezeile noch einmal nach, nun aber in mittlerer tonaler Lage ansetzend und in die Tiefe führend, so dass sich das Auf und Ab von „komm ich nach Haus“ in Terzintervallen dort zwischen einem „Des“ und einem „B“ ereignet. Das b-Moll, in dem dieser Fall beginnt, geht hier in eine markant dissonante Harmonik über, und das soll wohl bedeuten, dass der Gedanke des „Nach-Hause-Kommens“ mit noch stärker ausgeprägten problematischen Konnotationen verbunden wird.

    Von daher mutet es nur konsequent an, dass die auf die „Vaterstadt“ sich beziehende Frage „Wo liegt sie mir?“ in Moll-Harmonisierung einsetzt. Die melodische Linie beschreibt hier eine mit einem Sextsprung auf einem tiefen „C“ einsetzende rhythmisierte Tonrepetition auf der tonalen Ebene eines „A“ in mittlerer Lage. Das Bemerkenswerte dabei ist allerdings, dass das anfängliche f-Moll, in das sie gebettet ist, bei der kleinen Dehnung, in das die deklamatorische Tonrepetition bei „mir“ mündet, in Dominantseptharmonik der Tonart „F“ übergeht. Und diese Rückung von einem Moll- zu einem Dominantseptakkord der gleichen Tonart ereignet sich gleich noch einmal. Denn diese Frage ist ja für Eislers lyrisches Ich von viel größerer Bedeutung als bei dem Brechts, so dass es sich diese Frage noch einmal stellt. Das geschieht auf melodisch identische Weise, nur dass, um die Eindringlichkeit der Frage zum Ausdruck zu bringen, der auftaktige Sextsprung nun auf der tonalen Ebene ansetzt, auf der sich die Repetition ereignete, und diese deshalb nun auf der eines hohen „D“ stattfindet. Und gebettet ist sie nun in eine Rückung von b-Moll zu einer B-Dominantseptharmonik. Das Klavier begleitet in dem für das ganze Lied typischen Satz von in einen Akkord gebetteten Achtelrepetitionen.

    Wenn man bedenkt, dass die Frage „Wo liegt sie mir?“ durch die mit einer expressiven Steigerung einhergehende Wiederholung zum Zentrum der Liedmusik wird, so gewinnt die sich darin ereignende harmonische Rückung große Bedeutung. Sie soll wohl die seelische Ambivalenz zum Ausdruck bringen, in der sich Eislers lyrisches Ich bei der Imagination einer „Vaterstadt“ befindet: Ein hin und her Gerissen-Sein zwischen wehmütigem Schmerz und Willen zur Aufrechterhaltung von Hoffnung. Es ist die seelische Befindlichkeit, in der sich Eisler wohl selbst damals in seinem Hollywood-Exil befand.

    Mit den Worten „Dort, wo die ungeheuren Gebirge von Rauch stehn“ geht die melodische Linie, und das forte, zu ihrem zweiten Gestus der Entfaltung über. Das ist eine Folge von Anstiegs- und Fallbewegungen in Achtel- und Sechzehntelschritten in hoher Lage, die sich, nach einem kurzen repetitiven Zwischenhalt in mittlerer, bei den Worten „das in den Feuern“ weiter in Richtung tiefe Lage fortsetzt und dort bei den Worten „dort ist sie“ einen geradezu beängstigenden, weil in verminderte C-Harmonik gebetteten und durch den Übergang vom vorangehenden Sekundintervall zu dem einer Terz einhergehenden Fall von einem „Des“ zu einem noch tieferen „B“ beschreibt.

    Das Klavier begleitet diese weit gespannte, ohne Pause sich ereignende und sich über das riesige Intervall einer Duodezime erstreckende Fallbewegung der melodischen Linie mit jenen Figuren, die einen starken Akzentuierungseffekt aufweisen: Dem Fall eines dreistimmigen Achtelakkords im Diskant zu einem lang gehaltenen im Bass. Die Harmonik beschreibt dabei eine Rückung von B-Dur über Es-Dur, es-Moll, As-Dur und b-Moll zu eben jener Dissonanz, in die der tiefe Fall der melodischen Linie auf den Worten „ist sie“ gebettet ist.

  • „Die Heimkehr“ (III)

    Mit den ersten Versen der zweiten Strophe erklingt die Liedmusik des Anfangs noch einmal. Auf den Worten „Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl? / Vor mir kommen die Bomber“ liegt die gleiche Melodik wie auf denen der ersten Strophe. Auch die Harmonisierung ist die gleiche, nicht aber der Klaviersatz. Er weist nun im Bass nicht mehr lang gehaltene Akkorde auf, sondern entfaltet sich in der Figur, die er im Diskant aufweist: Den aus einem gehaltenen Akkord hervorgehenden Achtelfolgen. Die die Strophe einleitende Frage soll, weil sie für das lyrische Ich von so großer Bedeutung ist, durch den Klaviersatz eine stärkere Akzentuierung erfahren. Und diese kompositorische Absicht liegt auch der Liedmusik auf den beiden letzten Versen zugrunde. Der affektive Gehalt der lyrischen Bilder „tödliche Bomberschwärme“ und „Feuersbrünste“ machen dies unabdingbar.

    Eisler greift auch hier noch auf das melodische Material der vorangehenden Strophe zurück, aber nun nicht mehr in Gestalt einer identischen Wiederholung, sondern unter Nutzung von dessen Grundstruktur. Und es ist ja auch vom Gehalt des lyrischen Textes geradezu angezeigt, wenn die deklamatorischen Fallbewegungen in Achtelschritten auf den Versen der ersten Strophe wiederkehren, in denen es um die „ungeheuren Gebirge von Rauch“ und die „Feuer“ geht. Nur erfahren diese auch hier eine Steigerung ihrer Expressivität. Auf den Worten „tödliche Schwärme“ und „melden euch meine Rückkehr“ liegen nun zwei unmittelbar aufeinander folgende, nicht mehr durch ein Innehalten in einem Auf und Ab unterbrochene Fallbewegungen in Achtelschritten, die immer mehr in solche von größeren Intervallen übergehen und, weil die zweite Abwärtsbewegung eine Terz tiefer ansetzt, bei dem Wort „Rückkehr“ bis in tiefe Lage führen.

    Auf diesem Wort liegt ein melodischer Terzfall, der zu einem tief „As“ führt, das mit einer Fermate versehen ist und vom Klavier im Bass mit einem dissonant dreistimmigen, ebenfalls fermatierten Akkord begleitet wird. Schon der vorausgehende melodische Fall war in einer Rückung von f-Moll nach b-Moll harmonisiert, und all das will ja wohl so verstanden werden, dass Eislers lyrisches Ich, anders als dasjenige Brechts, von tiefen Zweifeln und Ängsten gepeinigt ist, was die imaginierte „Rückkehr“ anbelangt.

    Und das bringt auch die Liedmusik auf den Worten „Feuersbrünste gehen dem Sohn voraus“ zum Ausdruck. Sie behält den deklamatorischen Fall-Gestus bei. Er setzt noch einmal um eine Terz tiefer an, erfolgt in partiell verminderten Sekundschritten, führt nun aber nicht wieder bis zu jenem tiefen „As“, sondern hält bei dem Wort „gehen“ in b-Moll harmonisiert“ auf einem tiefen „C“ kurz inne, um danach mit einem Quartsprung ein letztes Mal in einen Fall überzugehen. Dieses Mal ist es aber einer, der erst einmal über die Quarte zu dem tiefen „C“ zurückkehrt, um sich danach um einen Halbtonschritt noch weiter abzusenken, das aber nur zum Zweck eines Anlaufs zu dem nachfolgenden Sextsprung.
    Er geht über in eine lange Dehnung auf der tonalen Ebene auf der tonalen Ebene eines „G“ in mittlerer Lage, - und er wird vom Klavier mit einem fermatierten dreistimmigen Akkord in C-Dur begleitet, in dem sich, wie zu Bekräftigung dieser Dur-Tonart, ein Fall von einem hohen „D“ zu einem wiederum fermatierten „C“ ereignet.

    Das ist, man kann es kaum anders auffassen und verstehen, im offenen Enden der melodischen Linie auf der gedehnten Quinte der Tonika C-Dur die liedmusikalische Beschwörung einer Hoffnung auf glückliche „Rückkehr“.
    Und dieses, auf vielerlei vorangehende liedmusikalische Verstörungen folgende Ende der Liedmusik erweist sich damit als repräsentativ für die existenziell-situative Befindlichkeit, in der Hanns Eisler dieses sein „Hollywooder Liederbuch“ komponiert hat.

  • Zum Schluss

    Zweiunddreißig Lieder enthält die 2007 bei Breitkopf & Härtel erschienene Ausgabe des „Hollywooder Liederbuchs“, allerdings sind drei davon später hinzugekommen: „Der Schatzgräber“ nach Goethes Ballade entstand erst 1944, „Nightmare“ und „Hollywood-Elegie Nr.7 gar erst wurden gar erst 1947 komponiert. Bei der hier vorgenommenen Vorstellung und Besprechung musste eine Auswahl getroffen werden, aber immerhin erfuhren insgesamt 26 Lieder eine ausführliche analytische Betrachtung, so dass man – denke ich – bei dem, was dabei herausgekommen ist, von einem repräsentativen Bild dieses liedmusikalischen Werkes von Hanns Eisler sprechen kann.

    Es ist, wie Peter Hamm in seinem „Bekenntnis zu Hanns Eisler“ zu Recht feststellte, des Komponisten „kostbarste, dauerhafteste musikalische Hinterlassenschaft“, und es stellt ganz gewiss eines der großen Werke in der Geschichte des Kunstliedes dar. Geht man den Gründen und Ursachen seiner Entstehung nach, so stößt man in den vorliegenden schriftlichen Quellen auf eine Aussage von Eisler selbst: „Langeweile“. So verwunderlich sie zunächst anmutet, sie enthält einen wahren Kern. Eisler war damals, wie auch Brecht, im kalifornischen Exil auf sich selbst zurückgeworfen. Er, für den Musik niemals Medium des Genusses sein sollte, sondern ein Mittel der Erkenntnis, das in den Dienst am Klassenkampf zu treten hatte, für den also das Konzept l´art pour l´art“ ein Ding der Unmöglichkeit war, sah sich mit einem Mal in der Situation, qualvoll zu bekennen, angesichts der „aktivierenden Musik“, die „in den USA täglich aus dem Radio töne“, „nämlich Chöre, die zum Kauf von Coca Cola animieren“, könne man „nur noch verzweifelt nach l´art pour l´art rufen.“

    Es ereignete sich etwas, das Eisler, der „Musik, die schwitzt“, verabscheute, und dem darum ging „Gefühle zu reinigen“, eigentlich nicht zulassen durfte: Subjektive Emotionen wie Schmerz, Trauer und Resignation fanden Eingang in seine Musik. Vor allem aber etwas, mit dem er sich auf hochintensive Weise künstlerisch auseinandersetzte: das Heimweh. Man begegnet dem, wie in allen relevanten Fällen aufgezeigt wurde, im Hollywooder Liederbuch immer wieder. Dessen liedhistorische Bedeutsamkeit gründet, wie etwa „Hölderlin-Fragmente“ belegen, ganz wesentlich in hochreflektierten Art und Weise, in der Eisler sich damit kompositorisch auseinandersetzt. Dass er die Gattung des romantischen Klavierliedes künstlerisch-kompositorisch aufgriff und reflektierte, ist nur durch die exilbedingte Erfahrung von Fremdheit, Heimweh und Schmerz über eine verloren gegangene Welt zu verstehen. Wie tief seine Verzweiflung damals gewesen sein musste, lässt das Lied „Über den Selbstmord“ auf geradezu erschütternde Weise erkennen.

    In diesem Zusammenhang möchte ich zum Schluss noch kurz auf die kritische Haltung eingehen, die Theodor W. Adorno dem frühen liedkompositorischen Schaffen Eislers gegenüber einnahm.
    Diese Kritik bezog sich auf den von Eisler 1927 komponierten Liedzyklus „Zeitungsausschnitte“ op.11, den er ausdrücklich als „Abschied von der bürgerlichen Konzertlyrik“ verstand. Zugrunde liegen der Musik keine Gedichte, sondern Textpassagen aus Tageszeitungen und Alltagstexte.
    Adorno meinte dazu:
    „Die Lieder sind nach Frage und Antwort so außerordentlich, ihr Furor hat solche Kraft, ihre Prägung solche Schärfe, ihr Ton solche existente Substanz, daß nachdrücklich auf sie verwiesen werden muß.“ (in: Musikblätter des Anbruchs, Wien 1929, S.221) An sich stimmte er „der Logik der Lieder“ zu. „In einer Situation“, so seine Argumentation, „in der die gesellschaftlichen Verhältnisse derart Macht haben über den einzelnen, daß seine Freiheit Schein und die ästhetische Mitteilung solcher Freiheit, die personale Lyrik, Ideologie ist, kommt der personalen Lyrik weder Wahrheit in sich noch Interesse in der Gesellschaft zu.“

    Soweit klingt das ganz positiv. Dann aber kommt sein Einwand:
    Da aber kein Kollektiv existiere, das gesellschaftlich relevante lyrische Gehalte liefern könne, gebe Eisler „die Idee einer positiven, erfüllten Lyrik ganz dran“ und setze an ihre Stelle „eine radikal negative Lyrik.“ Und seine Kritik mündet dann in die Frage, „ob denn das Recht der lyrischen Bekundung tatsächlich so ganz erloschen, so ohne Hoffnung privat sei“. Ob nicht vielmehr „die vollkommene ästhetische Realisation der Einsamkeit in dialektischem Umschlag zu eben jener Region sozialer Verbindlichkeit“ führen könne,“ die Eisler geraden Weges zu betreten“ unternommen habe,

    Diese Äußerung Adornos finde ich hochinteressant. Denn meines Erachtens beschreibt sie genau das, was sich in der Liedmusik des „Hollywooder Liederbuchs“ später ereignet: Der „dialektische Umschlag“ einer „ästhetischen Realisation von Einsamkeit“ - wie sie aus der exilbedingten Heimatlosigkeit hervorgeht, würde ich hinzufügen – in eine liedmusikalische Aussage von „sozialer Verbindlichkeit.“

    Das müsste Adorno eigentlich erkannt haben, als er diesem Werk Eislers erstmals begegnete. Umso verwunderlicher, und für mich eigentlich unerklärlich, ist seine Notiz nach dessen Tod:
    „Das Experiment, das E. mit sich selbst vornahm, mußte mißlingen.“
    Hier irrt Adorno!

  • Dietrich Fischer-Dieskau zum „Hollywooder Liederbuch“

    Das muss ich doch noch nachtragen, unbedingt. Anlässlich des zehnten Todestages von Dietrich Fischer-Dieskau blätterte ich – unter anderem – in dem Buch „Dietrich Fischer-Dieskau, Musik im Gespräch. Streifzüge durch die Klassik mit Eleonore Büning“, das 2003 im List-Verlag erschienen ist.
    Und da stieß ich auf dieses (das mir in den vielen Jahren völlig aus dem Gedächtnis entschwunden war):

    Eleonore Büning fragt:
    „Welche Liederzyklen des 20. Jahrhunderts würden Sie unter die bleibenden rechnen? Ist das stark persönlich gefärbte, >romantisierende< Hollywood-Liederbuch von Hanns Eisler (…) als ein Meisterwerk zu bezeichnen? Sie selbst haben diese Lieder auch gesungen …"

    Antwort Fischer-Dieskau:
    „Ich würde sie aber nicht als ein Meisterwerk bezeichnen, eher als historisches Dokument. Das Hollywood-Liederbuch ist die Arbeit eines sich bewusst als Dilettant gerierenden Professionellen, die Arbeit eines Mannes, der scheinbar ohne wirkliche Kenntnis dessen, was man unter Komponieren versteht, seine Noten setzte, sich boshafter, etwas großsprecherischer Kritik an dem, was vorhanden war, übte – aber alles benützte, was sich anbot.
    Die großen Liederzyklen der Romantik dienten ihm als Materialfundus für musikalische Flickenteppiche. Unverbunden sitzen die Dinge bei ihm nebeneinander. Vergleichen Sie diese Stücke einmal mit den Liedern von Strauss und Pfitzner. Zum Maßstab sollte man schließlich Komponisten nehmen, die wirklich etwas gekonnt haben. Ich habe das Hollywood-Liederbuch (…) als Erster ganz aufgeführt, und es schien mir dann nach häufiger Wiedergabe eigentlich ein Fehlgriff.
    Alles klingt bewusst dilettantisch. Wie weit Eisler das vorsätzlich betrieben hat, ist mir nicht ganz deutlich, dazu müsste man Vergleiche anstellen zu seinen anderen Werken. Ich kann nur dieses eine Teilergebnis beurteilen, und das stellt sich mir so dar, wie ich es zugespitzt formuliert habe. (…)
    Bei einer Aufführung des Hollywood-Liederbuchs im Berliner Konzerthaus – was war vor der Wende! – spürte ich deutlich den Widerwillen des Publikums gegen einen Mann, der sich zum Nationalhymniker aufgeschwungen hatte.“


    (Dazu wäre eine Menge zu sagen, - wie sich aus meiner vorangehenden Besprechung dieses Werkes ergibt. Aber wozu und für wen? Ein Fischer-Dieskau, lebte er noch, hätte das übrigens gar nicht zur Kenntnis genommen. Also Schluss jetzt wirklich!)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Dazu wäre eine Menge zu sagen

    Also zunächst sollte man zu dieser seit dem Dreikönigstag 2022 eingestellten Arbeit, etwas sagen ... RESPEKT!


    Natürlich habe ich auch einmal bei Eleonore Büning auf Seite 108 nachgeschlagen und da steht es so:


    Welche Liederzyklen des 20. Jahrhunderts würden Sie unter die bleibenden rechnen? Ist das stark persönlich gefärbte, »romantisierende« Hollywood-Liederbuch von Hanns Eisler, das erst kürzlich von Ihrem Schüler Matthias Goerne rehabilitiert worden ist, als ein Meisterwerk bezeichnen? Sie selbst haben diese Lieder auch gesungen …


    Wenn man da weiter »forscht« trifft man auf Beurteilungen von Matthias Goerne, die sich doch von denen seines ehemaligen Lehrmeisters unterscheiden. Als Goerne mal in einem Interview gefragt wurde, was er an Eisler mag, antwortete er:


    »Die Echtheit. Ich kann keinen Unterschied zwischen Schubert und Eisler in der Meisterschaft erkennen, Konflikte mit Raffinement zu beschreiben. Sie haben so viel gemein! Die humanistische Idee, die in der Persönlichkeit verinnerlicht ist, findet sich im Schaffen wieder. Beide treffen immer den richtigen Gestus für den Text, extrem unterschiedlich in Form und Farbe.«


    Und auf die Frage »Und wer will das hören?«, stellt Goerne dar, dass sich sein Hollywoodliederbuch so oft verkauft habe wie die »Dichterliebe« mit Ashkenazy. Des Weiteren führt der Sänger aus, dass er den größten Erfolg bei seinen Liederabenden mit dem Eisler-Block immer bei den Leuten hat, die den Komponisten nicht kannten.


    Wer sich etwas tiefer mit Interpretationen befassen möchte, wird hier fündig.

    http://www.christoph-keller.ch/de/eislergesang.php

  • Du hast, lieber hart, das getan, wovor ich mich gedrückt habe, sich nämlich näher auf Dietrich Fischer-Dieskaus Urteil über Eisler und das "Hollywooder Liederbuch" näher einzulassen. Dafür möchte ich Dir danken, und auch dafür, dass Du den Link zu dem Artikel von Christoph Keller mit dem Titel "Das Hollywooder Liederbuch von Hanns Eisler. Eine kritische Diskographie der Gesamt- und Teilaufnahmen" hier eingestellt hast. Ich kannte ihn nicht und habe ihn mit großem Interesse gelesen. Er ist, weil nicht nur auf die Interpreten, sondern auch auf das Werk eingegangen wird, eine höchst begrüßenswerte Ergänzung zu diesem Thread.


    Gedrückt habe ich mich übrigens, weil ich gerade ein Loblied auf Fischer-Dieskau anlässlich seines zehnten Todestages gesungen hatte. Aber er hatte natürlich, wie wir alle, seine Grenzen im Urteilsvermögen nicht nur über klassische Musik ganz allgemein, sondern bemerkenswerterweise auch über Liedmusik. Im Falle Zemlinskys habe ich das ja gerade aufgezeigt. Für einen Menschen, dessen Bild vom Kunstlied aus dessen Entwicklung in der Zeit von Schubert bis Hugo Wolf hergeleitet ist, musste Eislers Liedmusik eine fremde Welt sein, zu der er keinen Zugang zu finden vermochte. Ich glaube auch , dass er den Menschen Eisler nicht mochte, - mit seiner politisierten künstlerischen Grundhaltung. Musik als Mittel der gesellschaftsbezogenen Erkenntnis und Mittel zum Klassenkampf, - so etwas musste einem Dietrich Fischer-Dieskau zutiefst zuwider sein.


    Immerhin hat er sich aber, wahrscheinlich aus einem Pflichtgefühl heraus, auf eine gesangliche Wiedergabe des Werkes eingelassen. Dass er nicht den angemessenen interpretatorischen Ton dafür finden konnte, das musste eigentlich zwangsläufig so kommen. Der von mir oben mehrfach erwähnte Peter Hamm merkte, als er auf die "Entdeckung" von Eislers Liedern durch die "Plattenfirmen" einging, kurz und und trocken in Klammer an: "... wobei es auch zu peinlichen interpretatorischen Missverständnissen von Eislers Intentionen kam, für die etwa Dietrich Fischer-Dieskaus Eisler-Einspielung ein eklatantes Beispiel liefert."


    (Hab mich sehr über Deinen nachträglichen Beitrag zu diesem Thread gefreut, lieber hart. Es ist übrigens einer, den ich selbst aus einem Pflichtgefühl anging, dann aber auf unerwartete und überraschende Weise regelrecht in Bann geschlagen wurde von der Musik, der ich mich mit wachsender Begeisterung hörend und analytisch betrachtend zuwandte. In dieser Weise ist mir das noch bei keinem anderen Thread passiert.)


  • An sich geht es in diesem Thread - wie in allen meinen anderen - ja nicht um die gesangliche Interpretation von Liedmusik und die Präsentation von entsprechenden Aufnahmen, sondern um die Liedmusik selbst in Gestalt einer analytischen Betrachtung. Aber ich möchte eine Ausnahme machen, weil ich auf diese Aufnahme des "Hollywooder Liederbuchs" gestoßen bin:



    Ich halte sie für empfehlenswert. Valerie Eickhoff hält sich nicht an Eislers Konzept einer Vorrangstellung der deklamatorischen Ebene der Liedmusik, vielmehr verleiht sie diese Vorrangstellung der Melodik und setzt sich dabei in ihrer gesanglichen Interpretation deutlich ab vom musikalischen Modell des Chansons.

    Auf diese Weise kommt der Kunstliedcharakter dieser Kompositionen des "Hollywooder Liederbuchs" auf markante Weise zum Vorschein, was insbesondere die melancholisch angehauchten Lieder besonders eindrucksvoll werden lässt. Sogar anrührend, weil man das Heimweh vernimmt, das in der kritischen Auseinandersetzung Eislers mit dem deutschen Kunstlied unterschwellig mitschwingt.

  • In Anbindung an meinen voranstehenden Beitrag:

    Hier, in diesem Lied, in dem Eisler stark unter dem Einfluss von Schubert steht, ist besonders gut zu hören, worin sich die gesangliche Interpretation von Valerie Eickhoff auszeichnet und die Aufnahme - aus meiner Sicht - empfehlenswert macht:



    Hier ist dieses Lied vorgestellt und besprochen: Hanns Eisler. „Hollywooder Liederbuch“