Pantscho Wladigerow (1899-1978) – Bulgariens großer Komponist
Pantscho Charalanow Wladigerow (bulg. Панчо Хараланов Владигеров, engl. Pancho Vladigerov), geboren am 13. März 1899 in Zürich, Schweiz, gestorben am 18. September 1978 in Sofia, Bulgarien, gilt als der bedeutendste und einflussreichste bulgarische Komponist aller Zeiten. Daneben war er auch professioneller Pianist und Pädagoge.
Wladigerows Stil zeichnet sich durch die Kombination der klassischen Musik mit der bulgarischen Volksmusik aus. Er gehörte zur Gruppe der sogenannten zweiten Generation bulgarischer Komponisten und war Gründungsmitglied der Bulgarischen Gesellschaft für Zeitgenössische Musik (1933), die später zur Bulgarischen Komponisten-Union wurde. Als Pädagoge war er weithin geachtet und zählte praktisch alle wichtigen Komponisten der nachfolgenden Generation seines Landes zu seinen Schülern, darunter Aleksandar Rajtschew (1922-2003), Aleksandar Jossifow (1940-2016) und Stefan Remenkow (1923-1988), aber auch den Pianisten Alexis Weissenberg (1929-2012).
Pantscho Wladigerow wurde als Sohn des bulgarischen Rechtsanwalts und Politikers Dr. Charalan Wladigerow (1866-1908) und der russischstämmigen Dr. Elisa Pasternak (1869-1952) im schweizerischen Zürich geboren, wuchs aber in Schumen, Ostbulgarien, auf. Durch seine Mutter war er halbjüdisch. Bereits seit frühester Jugend spielte er Klavier und begann zu komponieren. Zwei Jahr nach dem Tode seines Vaters verzog die Familie 1910 in die Hauptstadt Sofia, wo Wladigerow bei Dobri Christow (1875-1941), dem angesehensten bulgarischen Komponisten dieser Zeit, Komposition studierte.
Sein Großvater väterlicherseits, Leon Pasternak, war ein russischer Jude gewesen, der Odessa verlassen und sich ein paar Jahre vor Pantschos Geburt in Zürich angesiedelt hatte. Diesem Großvater hatte der Enkel viel zu verdanken, war der Mathematiker doch Amateurmusiker und -komponist und spielte zusammen mit Pantscho und dessen Zwillingsbruder Ljuben (1899-1992) Geige. Basierend auf einer jüdischen Melodie, die ihn sein Großvater lehrte, sollte Pantscho Wladigerow 1951 das "Jüdische Poem" op. 47 komponieren, welches ihm im Jahr darauf den Dimitrow-Preis der bulgarischen Regierung einbrachte und niemand Geringeren als Dmitri Schostakowitsch zu der Aussage brachte, dass ein Werk wie dieses nur einmal in hundert Jahren komponiert würde.
1912 gelang es Elisa Pasternak, ein Stipendium für ihre beiden Söhne an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin zu erhalten. Dort studierte Pantscho Wladigerow Musiktheorie und Komposition bei Paul Juon (1872-1940), Friedrich Gernsheim (1839-1916) und Georg Schumann (1866-1952) sowie Klavier bei Karl Heinrich Barth (1847-1922) und Leonid Kreutzer (1884-1953). 1920 erlangte er seinen Abschluss und gewann zweimal den Mendelssohn-Preis der Akademie (1918 und 1920).
Anschließend wurde Wladigerow am Deutschen Theater Berlin in der Friedrich-Wilhelm-Stadt Musikdirektor unter Max Reinhardt, ehe er 1932 nach langem Zögern nach Sofia zurückkehrte und dort Professor für Klavier, Kammermusik und Komposition am Bulgarischen Staatskonservatorium wurde, das 1995 nach ihm benannt wurde.
Wladigerow bediente zahlreiche musikalische Genres, von der Oper ("Zar Kalojan") über Ballette, Symphonik (zwei Symphonien, mehrere Tondichtungen, Ouvertüren, Rhapsodien und Suiten), Konzerte für Klavier (fünf) und Violine (zwei), Bühnenmusik, Orchesterlieder, Kammermusik und Klaviermusik bis hin zu volksmusikalischen Arrangements.
Bereits während der 1920er Jahre stieg der Bekanntheitsgrad Wladigerows in Europa. Viele seiner Werke wurden vom Wiener Musikverlag Universal Edition verlegt. Die Deutsche Grammophon Gesellschaft veröffentlichte einige Platten, das Gros erschien indes beim bulgarischen Staatslabel Balkanton, welches in den 1960er und 70er Jahren eine großangelegte Wladigerow-Edition einspielte, die kürzlich vom Label Capriccio lizenziert wurde und nun erstmals komplett auf CD erscheint.
Unter den Bewunderern der Musik Wladigerows fanden sich illustre Komponisten wie Richard Strauss, Dmitri Schostakowitsch und Aram Chatschaturjan. Pianisten wie Alexis Weissenberg, David Oistrach, Emil Gilels, Iwan Drenikow und Marc-André Hamelin führten seine Werke auf.
Pantscho Wladigerow starb kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres im Herbst 1978 in Sofia. Er hinterließ seinen Sohn, den Dirigenten Aleksandar Wladigerow (1933-1993), der etliche Werke seines Vaters für Balkanton einspielte. Seine Enkel Pantscho junior, Aleksandar und Konstantin wurden ebenfalls respektierte Musiker.
Wladigerows Kompositionsstil zeichnet sich durch strenge Beibehaltung der Tonalität, üppige Orchestrierung in spätromantischer Manier und teilweise einen gewissen Hang zum Bombastischen aus. Speziell die Werkabschlüsse geraten nicht selten spektakulär. Von seinen Kritikern wird ihm eine Tendenz zum Eklektizismus vorgehalten.