Festspieleindrücke 2022

  • Bayreuth via Radio: Gestern Rheingold vor allem im Orchester sehr gefallen, für einen "Einspringer" hat Cornelius Meister das wirklich gut gemacht, klar und transparent, aber sicher nicht kammermusikalisch; hat Lust auf mehr gemacht. Deshalb heute Walküre und nach dem ersten Aufzug weiterhin beeindruckend: Davidsen ganz stark, Zeppi eine Bank und KFV m.E. ein ganz hervorragender Wagner-Tenor, der zugegeben live noch deutlich stärker ist, als aus der Konserve/aus dem Radio. Das Dirigat tadellos, man darf z.B. gespannt auf den Walkürenritt, aber vor allem auf die Götterdämmerung mit ihren großen orchestralen Passagen sein.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Der neue Bayreuther "Ring" scheint szenisch (man möchte beinahe hinzufügen: wenig überraschend) mal wieder ein Totalreinfall zu werden. Die Rezensionen, die ich bislang zum Auftakt las, waren ernüchternd bis vernichtend. Auch was ich bisher so an Bildern sah, weckt bei mir kein Interesse. Eigentlich hätte mich zumindest Inkinens Dirigat interessiert (er machte den "Ring" bereits vor Jahren komplett in Neuseeland), aber nicht mal das ist ja nun der Fall.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Bayreuther Götterdämmerung wird am kommenden Freitag in vielen Kinos zu sehen sein. Ich habe Karten für das International in der Berliner Karl-Marx-Allee.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Bayreuth via Radio: Gestern Rheingold vor allem im Orchester sehr gefallen, für einen "Einspringer" hat Cornelius Meister das wirklich gut gemacht, klar und transparent, aber sicher nicht kammermusikalisch; hat Lust auf mehr gemacht. Deshalb heute Walküre und nach dem ersten Aufzug weiterhin beeindruckend: Davidsen ganz stark, Zeppi eine Bank und KFV m.E. ein ganz hervorragender Wagner-Tenor, der zugegeben live noch deutlich stärker ist, als aus der Konserve/aus dem Radio. Das Dirigat tadellos, man darf z.B. gespannt auf den Walkürenritt, aber vor allem auf die Götterdämmerung mit ihren großen orchestralen Passagen sein.

    Ich habe gestern auch mal in die Walküre reingehört. Hat mir sehr gefallen. Auch die Übertragungsqualität war einigermassen ok.

    Allerdings von der Inszenierung dürfte ich sehr enttäuscht sein. Ich habe zwar erst ein paar Bilder gesehen und Berichte gelesen. Überzeugte mich jedoch überhaupt nicht. Ich werde mir die Götterdämmerung im TV anschauen und mir dann ein definitives Urteil bilden.

  • Allerdings von der Inszenierung dürfte ich sehr enttäuscht sein. Ich habe zwar erst ein paar Bilder gesehen und Berichte gelesen. Überzeugte mich jedoch überhaupt nicht. Ich werde mir die Götterdämmerung im TV anschauen und mir dann ein definitives Urteil bilden.

    Hallo Simon, solche Urteile finde ich für mich immer schwierig: zum Einen habe ich schon genügend Inszenierungen gesehen, die in der Kritik verrisssen wurden und mir gefallen haben oder umgekehrt und zum Anderen schlägt eine gute Ring-Inszenierung ja auch einen klugen Bogen über die Stücke, da "nützt" mir eine Götterdämmerung alleine nicht soooo viel ;) Auch können Bilder oder Kritiken natürlich nicht die Details beispielsweise der Personenregie vermitteln. Gleichwie, ich werde es mir vermutlich auch anschauen und zusammen mit einer Flasche Weißwein meinen Spaß haben ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Simon, solche Urteile finde ich für mich immer schwierig: zum Einen habe ich schon genügend Inszenierungen gesehen, die in der Kritik verrisssen wurden und mir gefallen haben oder umgekehrt und zum Anderen schlägt eine gute Ring-Inszenierung ja auch einen klugen Bogen über die Stücke, da "nützt" mir eine Götterdämmerung alleine nicht soooo viel ;) Auch können Bilder oder Kritiken natürlich nicht die Details beispielsweise der Personenregie vermitteln. Gleichwie, ich werde es mir vermutlich auch anschauen und zusammen mit einer Flasche Weißwein meinen Spaß haben ...

    Hallo Michael

    Das stimmt natürlich. Ich habe auch schon Inszenierungen von Opern gesehen, da fühlte ich mich mit meiner Begeisterung sehr alleine :-)

    Insbesondere diese Inszenierung sollte ja eine Art "Serie" verteilt über den ganzen Ring darstellen.

    Deine Idee mit der Flasche Wein finde ich sehr gut :-) Da schliesse ich mich am Samstag an :-)

  • Am Freitag schließt sich die Premierenfolge des diesjährigen "Rings" in Bayreuth. Die Götterdämmerung wäre im Dortmunder Kino zu sehen und meine Frau wollte mich auch tapfer begleiten, obwohl das ohne Kenntnis der vorangegangenen Teile und auch der ganzen Leitmotive, die in der Götterdämmerung das Geschehen zuende erzählen schon mutig gewesen wäre. Ich las dann die Kritik der beiden ersten Teile in der NZZ und ähnlich lautend auf der Seite des BR und stelle fest: das ist selbst für mich zuviel des Guten. Statt mich viereinhalb Stunden mit Unfug quälen zu lassen, werde ich mit der besten aller Ehefrauen nett essen gehen. Da haben wir mehr von. Und wenn sich dann wohlfeil der Chereau-Ring besorgen ließe oder auch jener vom Bernabeu, dann hätte man auch sinnvolle Ringdeutungen zur Hand.


    https://www.nzz.ch/feuilleton/…ine-seifenoper-ld.1695472


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zwischenzeitlich habe ich nun doch in die besagte "Walküre" aus Bayreuth 2022 hineingehört (dritter Akt). Gesanglich ist das schon wahrlich keine Freude. Nun ist dem Einspringer-Wotan Michael Kupfer-Radecky durchaus zu danken, dass er die Vorstellung rettete, objektiv gesehen (gehört) war das aber mit die unbefriedigendste Darbietung, an die ich mich erinnern kann. Über die Brünnhilde von Iréne Theorin der gnädige Mantel des Schweigens. Sie soll vor etwa anderthalb Jahrzehnten recht annehmbar gewesen sein in der Rolle. Zumindest fiel sie mir seinerzeit nicht so negativ auf. Und dann auch ein Wort zum Dirigat: Mir klang das leider ziemlich pauschal und die orchestralen Höhepunkte so gar nicht auskostend. Vielleicht musste Cornelius Meister aber auch Rücksicht auf die Sänger nehmen, die sich merklich abmühten. Bayreuther Festspielniveau war das jedenfalls mitnichten.

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    – Luís de Camões

  • Die Eindrücke, die Joseph II. gewonnen hat, teile ich. Auch ich habe bisher nur den dritten Aufzug gehört, der meine Neugierde auf den Rest deutlich dämpfte. Am besten haben mir noch die Walküren gefallen. Was die Leistungen der übrigen Solisten anbelangt, ist Bayreuth auf das übliche Durchschnittsmaß gefallen, was vielleicht auch ganz gut so ist, weil nicht mehr aufzuhalten. Da konnte auch Lise Davidsen als Sieglinde nichts herausreißen, die viel zu allgemein und auch zu groß singt, dass man fast erschrickt. Elitäres ist in allen Lebensbereichen - also auch in der Kunst - keine Währung mehr. Der Lack, mit dem sich das Festival in der Vergangenheit deutlich heraushob, ist ab. Mir scheint die Zeit gekommen, dass sich das Haus, das als Bau nach wie vor einzigartig ist, für den ganz gewöhnlichen Theaterbetrieb ölffnen. Das wäre erhlicher als sich an einem Mythos und eine Bedeutung zu klammern, die längst nicht mehr existent sind. Mit dieser nüchternen Bilanz kann ich sehr gut leben.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Gestern war es nun soweit und der Bayreuther Ring endete mit Götterdämmerung Für Stephen Gould war Clay Hilley als Siegfried eingesprungen. Er gut gesungen ist aber kein Darsteller. Irene Theorin als Brunhilde bekam am Ende mehr Buhrufe als Zustimmung . Auch beim Dirigenten Cornelius Meister war das Publikum geteilter Meinung. So einen starken Buhorkan wie für das Regieteam hab ich lange nicht mehr gehört. Die Ring Inszenierung hat mich diesmal überhaupt nicht überzeugt. Alles wirkte wie gut gewollt aber nicht gekonnt. Am Ende der Götterdämmerung gab es als Video Projektion 2 Embryonen die ineinander verschlungen waren

    Das waren wahrscheinlich Siegfried und Brunhilde.

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  • Gestern war es nun soweit und der Bayreuther Ring endete mit Götterdämmerung Für Stephen Gould war Clay Hilley als Siegfried eingesprungen. Er gut gesungen ist aber kein Darsteller. Irene Theorin als Brunhilde bekam am Ende mehr Buhrufe als Zustimmung . Auch beim Dirigenten Cornelius Meister war das Publikum geteilter Meinung. So einen starken Buhorkan wie für das Regieteam hab ich lange nicht mehr gehört.

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    Clay Hilley musste den ganzen szenischen Teil innerhalb weniger Stunden üben, da er als er von der Festspielleitung angerufen wurde in den Ferien weilte. Stephen Goulds eigentlicher Ersatz ist ja auch ausgefallen.

    Ich werde heute im TV mal reinschauen.

  • Eigentlich wollte ich heute auch in die Oper gehen und mal wieder Siegfried sterben, den Untergang von Walhall und der Götterwelt sehen.

    Der Trailer im TV und auch die Kritiken hier reichen mir aber als Warnung. Wird wohl nichts werden, die Götterdämmerung mit ausgebuhten Akteuren im Provinztheater Bayreuth werde ich mir ersparen, auch wenn Chor und Orchester noch so gut sind und auch der eine oder andere Solist.

    Warum die Buhs für Cornelius Meister gekommen sind, kann nur mit dem Gesamtkonzept des kastrierten Werkes zusammenhängen, ich habe ihn mehrfach als ausgezeichneten Musiker erlebt, er heißt nicht umsonst Meister!

    The Winner ist: Andrea Berg!!

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Eigentlich kein gutes Zeichen, dass man den Mumpitz, der alljährlich auf dem Grünen Hügel veranstaltet wird, mittlerweile schon desillusioniert hinnimmt und die Bayreuther Festspiele sogar als Wagnerianer gar nicht mehr wahrnimmt. Wieder und wieder wird immer neuen Generationen von Stümpern diese prominente Bühne geboten. Es ist zwar nicht so, dass in Bayreuth früher zwingend besser inszeniert wurde (da gab es bereits in den 1990er Jahren üble Auswüchse), zumindest aber wurde ganz überwiegend deutlich besser gesungen und insgesamt auch überzeugender dirigiert. Der letzte Bayreuther "Ring", der in sängerischer und dirigentischer Hinsicht Klasse war, ist jener unter James Levine in den Jahren 1994 bis 1998 gewesen. Die Inszenierung war damals bereits Schrott (Alfred Kirchner zeichnete dafür verantwortlich, kein Mensch erinnert sich daran), aber man brauchte ja kein Bild.

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  • Götterdämmerung im Berliner Kino International, 5. August 2022


    Der Saal war ganz ordentlich gefüllt. Interesse an der Übertragung bestand offensichtlich. Das war im letzten Jahr beim Holländer auch so.


    Inszenierung


    Den Buh-Orkan für das Regieteam unter Valentin Schwarz war mir unverständlich. Schwarz hat die Götterdämmerung nicht ruiniert. Vielmehr hat er eine radikal eklektizistische Inszenierung abgeliefert, die Spaß an den Wiedererkennungseffekten bot. Ungeniert hat er sich beim Kopenhagener-Ring (Kasper Holten) im ersten Akt bedient. Dort wie hier sang Fr. Théorin die Brünnhilde im Kleinbürger-Idyll. Schwanger in Dänemark, nun Mutter einer Zehnjährigen in Franken. Das haut doch hin!

    Natürlich kann das gemeinsame, nun umstrittene Kind, kein Ringersatz sein. Aber Siegfrieds Zug in die Welt als Manöver am Ende einer gescheiterten Ehe zu sehen, ist kein ganz verfehlter Ansatz. Die beiden Liebenden liefern sich nach der Trennung einen Kampf auf Leben und Tod - sowas soll ja vorkommen.

    Gunther auf dem Brünnhildenstein selbst agieren und singen zu lassen, halte ich allerdings für verfehlt. Am Ende der Szene sind drei Erwachsene und ein gefesseltes Kind im Raum. G. hat den Ring, der ja eigentlich an Siegfrieds Finger muß. Schwarz hat sich mit diesem Detail nicht aufgehalten. Im zweiten Akt trägt S. den Ring.

    Das leere Schwimmbecken im dritten Akt ist sicher eine Hommage an die Chéreau-Götterdämmerung. Daß nur Hagen den Abstieg auf den Grund des Beckens schafft und die Mannen erschöpft oben blieben, hat mir gut gefallen.

    Es gab auch überzeugende Einfälle: Siegfried als Scheidungsvater mit Tochter angelnd und ein Bier nach dem anderen trinkend, als die Rheintöchter ihn ein letztes Mal konfrontieren, oder etwa Hagen, die Polstermöbel verschmähend, auf der Betontreppe sein "Hier sitz' ich zur Wacht" singend.

    Grane in Menschengestalt, skalpiert und sein Blut für den Brüderschaftstrank hergeben müssend, zähle ich nicht dazu - diese explizite Grausamkeit ist nicht in der Textur der Götterdämmerung.


    Dirigat


    Kino ist nicht Festspielhaus, und ich bin Laie - aber die Unmutsäußerungen des Publikums, die auf Cornelius Meister niedergingen, mögen zu einem Gutteil auf Schwarzens Konto gehen. Ich habe nichts Buh-würdiges gehört.


    Akteurs


    Albert Dohmens Hagen war vorzüglich! Gelegentlich in der Nähe des Sprechgesangs, aber in den großen Szenen beeindruckend. Seine Erscheinung, die mich an den Chef eines Campingsplatzes in der östlichen Uckermark erinnerte, seine immerwährende Müdigkeit, der lauernde Halbschlaf im dritten Akt, seine schützende Hand für das Kind - das ja während der drei Akte fast ständig auf der Bühne ist - das war die Studie eines Gealterten, der die Bosheit eher als Last, denn Genuß empfindet. Hat mir sehr zugesagt!

    Clay Hilleys über die Maßen korpulenter Siegfried hat durchaus Metall in der Stimme. Stephen Gould und sein Cover waren erkrankt, und Hilley reiste sehr kurzfristig aus Bari an. Mich hat sein Agieren überzeugt. Wenn er wieder in Berlin singt, gehe ich hin.

    Irene Théorin habe ich in dieser Spielzeit in zwei verschiedenen Inszenierungen als Ortrud gehört. Sie paßt als "ausgehärtete" Brünnhilde durchaus in die Inszenierung. Die hochdramatischen Passagen gelingen ihr gut, zwischendurch schont sie sich stimmlich.

    Elisabeth Teige, die ich am letzten Augustwochenende als Senta in Bayreuth hören werde, muß eine recht ordinäre Gutrune geben, die sich gelegentlich Asthma-Spray (oder ist es Kokain?) zur Stärkung zuführen muß. Sie hat schon einige Schärfe in der Stimme, gerade in der Gibichungenhalle hätte ich mir mehr sanfte Lockung gewünscht.

    Michael Kupfer-Radecky gab seinen zappeligen Gunther als Ekelpaket. Gesungen hat er gut.


    Ich habe den langen Abend nicht bereut.

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    -- Aydan Ö*oğu*

  • Der letzte Bayreuther "Ring", der in sängerischer und dirigentischer Hinsicht Klasse war, ist jener unter James Levine in den Jahren 1994 bis 1998 gewesen. Die Inszenierung war damals bereits Schrott (Alfred Kirchner zeichnete dafür verantwortlich, kein Mensch erinnert sich daran), aber man brauchte ja kein Bild.

    Irrtum, ich erinnere mich noch sehr gut an die Kirchner-Inszenierung. Die kam vielleicht nicht an die Vorgänger Chéreau und Kupfer heran, aber Schrott war sie gewiss nicht. Die "Götterdämmerung" ist dann ja auch auf DVD erschienen, der Rest leider nicht.


    Und unter den Ring-Dirigenten die ich nach Levine noch in Bayreuth erlebt habe, war auch ein gewisser Christian Thielemann. Dessen Dirigat würde ich durchaus das Prädikat "Klasse" zusprechen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Irrtum, ich erinnere mich noch sehr gut an die Kirchner-Inszenierung. Die kam vielleicht nicht an die Vorgänger Chéreau und Kupfer heran, aber Schrott war sie gewiss nicht. Die "Götterdämmerung" ist dann ja auch auf DVD erschienen, der Rest leider nicht.

    Das ist natürlich Dein gutes Recht, die Inszenierung positiver zu beurteilen. Zumindest, was die "Götterdämmnerung" anbelangt (die man ja noch heute nachverfolgen kann) will ich aber bei meiner persönlichen Einschätzung bleiben. Ich fand Kirchners Produktion leider insgesamt sehr albern und unseriös.


    Und unter den Ring-Dirigenten die ich nach Levine noch in Bayreuth erlebt habe, war auch ein gewisser Christian Thielemann. Dessen Dirigat würde ich durchaus das Prädikat "Klasse" zusprechen.

    Sängerisch war der Thielemann-"Ring" aber auch schon viel durchwachsener als einige Jahre zuvor unter Levine. Verglichen mit dem, was 2022 abgeliefert wurde, mag er indes durchaus als annehmbar erscheinen.

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    – Luís de Camões

  • Der letzte Bayreuther "Ring", der in sängerischer und dirigentischer Hinsicht Klasse war, ist jener unter James Levine in den Jahren 1994 bis 1998 gewesen. Die Inszenierung war damals bereits Schrott (Alfred Kirchner zeichnete dafür verantwortlich, kein Mensch erinnert sich daran), aber man brauchte ja kein Bild.

    Damals war ich in Bayreuth und sah diesen "Ring". Folglich erinnere ich mich auch daran. Ich fand ihn irgendwie infantil. Als ob Kinder für Regie und Ausstattung verantwortlich zeichneten. Dadurch wurden manche Szenen auf eine fast kindliche Weise gedeutet. So zumindest mein Eindruck. Kinder sehen Dinge, die Erwachsene so nicht wahrnehmen. Sie sind in der Regel ehrlich uind frech. Das kann auch interessant sein. Auf die Dauer fand ich das aber auch ziemlich nervig - wie Kinder halt auch nerven können. Wollten es Regisseur Kirchner und seine Ausstatterin rosalie so? Was mir aber unvergessen blieb ist die Mannenszene in der "Götterdämmerung". Hagen mit Speer auf leerer Bühne. Er ruft und bläst dabei mächtig ins Horn. In der Ferne werden zunächst nur Speerspitzen sichtbar, die sich immer höher nach oben schieben. Die Mannen erklimmen offenkundig einen Berg. Da gab es diesen Moment, in dem alles nur noch Waffe war. "Waffen! Waffen! Starke Waffen, scharf zum Streit." Der Chor so gewaltig wie bedrohlich. Aus dem Orchestergraben (James Levine) toste es erbarmunglos. Es war, als ob das Haus erbebte. So elementar habe ich diese Szene nie wieder elebet. Das vergisst man natürlich nicht.

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    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was die Leistungen der übrigen Solisten anbelangt, ist Bayreuth auf das übliche Durchschnittsmaß gefallen, was vielleicht auch ganz gut so ist, weil nicht mehr aufzuhalten.

    Dass Bayreuth nicht mehr der herausragende Ort der Wagner-Darbietung ist, ist aber doch keine neue Erkenntnis, sondern gilt seit mindestens zehn (zwanzig?) Jahren. Wenn ich die Berichte über den aktuellen "Ring" lese, scheint mir dieses Mal aber musikalisch nicht einmal das Niveau von Wagner-Aufführungen an erstrangigen Häusern wie Berlin, München, Wien, Paris oder London erreicht worden zu sein. Das ist dann allerdings bedenklich und stellt den Grundgedanken der Festspiele in Frage, wie Du m.E. zu Recht anmerkst:


    Der Lack, mit dem sich das Festival in der Vergangenheit deutlich heraushob, ist ab. Mir scheint die Zeit gekommen, dass sich das Haus, das als Bau nach wie vor einzigartig ist, für den ganz gewöhnlichen Theaterbetrieb ölffnen. Das wäre erhlicher als sich an einem Mythos und eine Bedeutung zu klammern, die längst nicht mehr existent sind.

    Genau mit einem solchen Konzept der Öffnung hatte sich ja damals Wielands Tochter Nike Wagner für die Festspielleitung beworben. Ich hielt es schon damals für einen Fehler, dass man ihren Konkurrentinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier den Vorzug gab.

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  • Dass Bayreuth nicht mehr der herausragende Ort der Wagner-Darbietung ist, ist aber doch keine neue Erkenntnis, sondern gilt seit mindestens zehn (zwanzig?) Jahren.

    Es muss nur immer und immer wieder gesagt werden. Allgemein durchgesetzt hat sich diese Erkennnis nach meiner Beobachtung nämlich noch nicht. Deshalb komme ich gern darauf zurück.

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  • Zitat : Es ist zwar nicht so, dass in Bayreuth früher zwingend besser inszeniert wurde (da gab es bereits in den 1990er Jahren üble Auswüchse), zumindest aber wurde ganz überwiegend deutlich besser gesungen und insgesamt auch überzeugender dirigiert.


    Das bezweifle ich aber sehr ! Gould und Schager sind für mich die zur Zeit besten Heldentenöre, ich freue mich darauf sie hoffentlich Freitag und Samstag zu hören,wenn sie hoffentlich wieder fit sind , und sie können mit den den Sängern vor 20 Jahren mindestens mithalten. Auch Foster sehe ich ganz oben auf der Rangliste. Und wenn Thielemann nicht überzeugend dirigiert .... wer dann ? Erstdirigate sollte man in Bayreuth grundsätzlich nie beurteilen und erst recht nicht bei kurzfristigen Umbesetzungen wie dieser Tage. Auf den Tristen freue ich mich auch szenisch nach dem Studium der Kritiken und wenn W. Goertz in der RP eine schlechte Kritik schreibt, ist das für mich ein sicheres Zeichen daß es gut sein kann.

    Gruß Dirk

  • Das bezweifle ich aber sehr !

    Darüber ließe sich gewiss trefflich diskutieren. Rundumschläge sind immer riskant. Ich meine aber schon, dass Wolfgang Schmidt als der Siegfried im Bayreuther Levine/Kirchner-"Ring" schon dieselbe Liga hatte. Und wenn ich dann an Sir John Tomlinson (Wotan/Wanderer), Ekkehard Wlaschiha (Alberich), Manfred Jung (Mime) und Siegfried Jerusalem (Loge) denke, dann werde ich durchaus wehmütig.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bin ein großer Anhänger von Wolfgang Schmidt, einer der am meisten unterschätzten Heldentenöre seiner Zeit und natürlich ist der in einer Liga mit Gould und Hager. Es ging mir um die Aussage, daß grundsätzlich früher , also vor 20 Jahren, besser gesungen wurde, was ich bezweifle. Tomlinson zusammen mit Polaski, das war schon großes Kino, unbestritten !

  • Gould und Schager sind für mich die zur Zeit besten Heldentenöre


    Gould auf jeden Fall für mich auch. Singt er nicht dieses Jahr in Bayreuth Tristan, Siegfried und Tannhäuser? Das hat ihm doch den Spitznamen Bayreuth's Iron Man eingebracht. ;)


    Als zweiten herausragenden Heldentenor möchte ich noch Stuart Skelton erwähnen, den ich erst im Frühjahr in Wien als sensationellen Siegmund gehört habe.



    Gregor

  • Wolfgang Schmidt dürfte ich häufiger live an der Rheinoper erleben. In einer meiner ersten live Aufführungen habe ich Wolfgang Schmidt live erlebt Leider weiß ich nicht mehr in welcher Rolle. Ich war wohl so beeindruckt von ihm und als ich den Namen Schmidt 2 Tage später in der Besetzung von Hoffmanns Erzählungen, damals noch in deutsch gesungen, gelesen hab, bin ich auch dort hingegangen. War dann aber doch etwas enttäuscht, weil dort nicht Wolfgang Schmidt, sondern Trudelise Schmidt gesungen hat.

  • Elisabeth Teige, die ich am letzten Augustwochenende als Senta in Bayreuth hören werde, muß eine recht ordinäre Gutrune geben, die sich gelegentlich Asthma-Spray (oder ist es Kokain?) zur Stärkung zuführen muß. Sie hat schon einige Schärfe in der Stimme, gerade in der Gibichungenhalle hätte ich mir mehr sanfte Lockung gewünscht.

    Jan Brachmann über Elisabeth Teige (FAZ, Feuilleton, 11.8.2022):

    "Sängerisch ist Elisabeth Teige ohne Zweifel die ganz große Entdeckung bei den Bayreuther Festspielen dieses Jahres. Schon als Freia im >Rheingold<, dann wieder als Gutrune in der ">Götterdämmerung< setzte die norwegische Sopranistin mit der durchdringenden Sinnlichkeit, dem sirenenhaft süßen, unheilvoll lockenden Zauber ihrer großen, starken Stimme Ausrufezeichen in den verzweifelten, trostlosen Inszenierungen von Valentin Schwarz."

    Und zu ihrem Auftritt im >Fliegenden Holländer<:

    "Ein einzigartiger, jugendlich dramatischer Sopran ist da zu bestaunen: Teige versteht es auf wundersame Weise, die Wärme des Brustregisters in die Kopfstimme hineinzunehmen und, ohne zu brüllen, die vielfältigen Nuancen der Kopfstimme enorm zu verstärken. Der Effekt ist verwirrend: Man glaubt, der kostbare, stets halb verschattete Perlmuttschimmer Elisabeth Schwarzkopfs bekomme einen Booster von sagenhafter Kraft, mit viel Körper und Klang."

  • Meine Eindrücke von den Bayreuther Festspielen Tristan 2 und Siegfried 2 am 12/13.8 !


    Bayreuth Allgemein


    Leider ist das Weihenstephan ein Opfer der Coronamaßnahmen geworden und nicht mehr eröffnet worden. Ich habe dort oft nach der Vorstellung mit Freunden gesessen und heiß diskutiert.

    Insgesamt hat die Qualität der Bekleidung , insbesondere der weiblichen Besucher, doch stark nachgelassen. Während die Männer noch überwiegend Smoking tragen, ist große Abendrobe bei den Damen doch eher die Ausnahme. Schade !

    Schöne Bilder sind wie immer Schotten in Röcken, Japanerinnen im Kimono und Afrikaner in Smokinghose und traditionellem Hemd.

    Die Preise für die Karten nähern sich denen von Salzburg an, was hätte Richie wohl dazu gesagt ? Auch die Preise für Getränke und Essen haben deutlich angezogen, ich war zuletzt 2019 dort.


    Tristan 2


    Die Inszenierung beschränkt sich auf überwiegend schöne Bilder zur Musik, ist schon mal was in heutiger Zeit, aber wird mir nicht lange in Erinnerung bleiben.

    Dirigat langsam, aber ohne Abrriss des Spannungsbogen. Für das erste Mal am Hügel: klasse gemacht. Orchester wie immer hervorragend.

    Gould ist mit seinen 60 Jahren in der Höchstform seines Lebens. Wie er alles singt, also nicht deklamiert, im Forte und im Piano stimmschön , das ist eine Meisterleistung. Und wie er am Ende das letzte Isolde haucht.... unvergesslich!

    Bei Foster sitzt jeder Ton, wie bei großen Vorgängerinnen, niemals klingt es scharf !

    Marke, Kurwenal und Brängäne tadellos auf hohem stimmigem Niveau.

    Nach dem 1. Aufzug ein Jubelorkan im Publikum, danach auch, aber minimal weniger !


    Siegfried 2

    Wenn man bereit ist, sich auf die Gedanken bei der Inszenierung einzulassen und nicht von vorneherein alles ablehnt, wenn der Vorhang schon im Vorspiel aufgeht, kann man erkennen, daß Schwarz eine in sich stimmige Inszenierung des Siegfried produziert hat. Grane, als Mann der Brünhilde zunächst vor Siegfried auf dem Felsen schützt, so wie geliebte Tiere oft ihre Herrin schützen. Faffner als schwerstkranker reicher Mann in der Edelvilla , zu dessen Tötung es reicht ihm den Rollator wegzuziehen ( Grandios !) und der Waldvogel als junge hübsche Frau ( war sie auch ! ) die mit Siegfried flirtet.


    Schager singt und spielt einen glaubhaften jungen Mann ohne jegliche Sozialisation. Er singt die ganze Partie im beeindruckenden Dauerforte, niemals hat man Angst er könnte einbrechen und ist auch bei den Schmiedeliedern immer gut über dem Orchester zuhören. Er hat nur 3 mal kurz im Piano gesungen, was Schade ist, denn seine riesige Stimme käme noch besser zur Geltung, würde sie sich anschwellend ( Portamento) entwickeln, zB. wie bei Vickers oder auch Wolgang Schmidt. Das kann etwas ermüdend sein.

    Daniela Köhler ist für mich die beste Siegfried-Brünhlde die ich je live gehört habe. Stimmschön und kräftig in allen hohen Cs und man versteht jedes Wort ! Außerdem sieht sie noch zauberhaft aus !

    Mime hat mir nicht so gefallen, da er mehr deklamiert als singt, ist aber leider meistens so !

    Alle anderen Partien tadellos besetzt.

    Orchester und Dirigat stimmig, kein Fehler bei dem Siegfriedhorn !


    Am Ende gingen die vereinzellten Buhrufe nach Schluss des Vorhang in dem großen Jubel unter und ich denke dieser Ring wird noch seinen Weg machen.


    Mit Grüßen aus der schönsten Stadt am Rhein !

    Dirk