Wieso? Er ist gemeinfrei, d.h. man kann zumindest de jure niemanden verpflichten, dass der Text in einer bestimmten Weise genutzt wird.
Ich würde es anders formulieren: der Text schafft keine Verbindlichkeiten, aber eine gewisse Fallhöhe. Egal, was jemand theatralisch daraus macht - es hätte zumindest die theoretische Möglichkeit bestanden, den Text möglichst buchstabengetreu "auszukostümieren". Wenn man mit der Aufführung hinter diese Option zurückfällt, kann das m. E. ein plausibler Grund sein, die für die Aufführung getroffenen Entscheidungen infrage zu stellen.
Da zäumst Du das Pferd aber vom Schweanz auf. Veränderungen der Textvorlagen geschahen in der Vergangenheit ja aus gewissen Notlagen heraus, waren also nie ganz freiwillig, sondern erzwungen - das konnten missliche Aufführungsbedingungen sein, die Zahl der zur Verfügung stehenden Schauspieler, Musiker, das konnten bei Tonaufzeichnungen Begrenzungen sein, es konnten auch Konzessionen an den Publikumsgeschmack sein, die widerwillig geschahen. Wenn alle diese Zwänge nicht mehr bestehen, kann ich erst einmal ein Stück vollständig so aufführen, wie es geschrieben steht. Dann liegt die Begründungslast bei dem, der trotzdem, obwohl er es nicht nötig hat, meint, er müsse da Veränderungen vornehmen.
Wer ist "man"? Und verlangen kann "man" natürlich viel, aber das bedeutet nicht, dass man einen Anspruch darauf hat, das Verlangte auch zu erhalten.
Dann habe ich aber auch die Freiheit, das im Stile der RT-Gegner als Vergewaltigung oder "Verunstaltung" eines Werkes zu bezeichnen. Zurückhaltung kann man von mir da ebernsowenig verlangen. So kommt man argumentativ also nicht weiter.
Schöne Grüße
Holger