Sinn oder Unsinn - Regietheater

  • Meine eigene Schlussfolgerung ist mittlerweile, dass ich so gut wie gar nicht mehr in die Oper gehe. Eigentlich traurig, aber andererseits ... Auch sängerisch musste man sich zuletzt häufig ärgern, so dass ich mir dann lieber eine ältere Aufnahme auflege.

    Das, gebe ich zu, ist blöd!


    Ich kann mittlerweile nicht mehr Fernsehen schauen, ohne schnell abschalten zu müssen. Der letzte Versuch ist sicher schon über ein Jahr her und davor waren es sicher mehrere Jahre. Trotzdem bezahle ich dafür nicht unerheblich Gebühren. Ich freue mich über einzelne Neuaufnahmen, die vom WDR mitfinanziert werden. Da gibt es dann schon mal Treffer ...


    Das Angebot an Kultur selbst finde ich grundsätzlich bei uns vielfältig und umfangreich. Ich könnte mir aus historischen Gründen sogar vorstellen, dass es in Deutschland vielfältiger ist, als in manchen anderen Ländern (Wissen tue ich das nicht) Die Wege der Kulturfinanzierung sind in meinen Augen grundsätzlich die richtigen. Diskutieren über Einzelfälle kann man natürlich. Es gibt aber keine Gesetze, die Künstler (aus Gründen der Ästhetik oder politischer Kriterien) aus ihrem Wirken verdrängen - auch hier - Gott sei Dank!

  • Und da kann er nicht einfach davon ausgehen, dass die Anderen sein Kunstwerk sinnvoll, verständlich und toll finden. Da kann er nämlich eventuell Probleme bekommen... :D

    Da hast Du völlig recht. Wenn er Kunst, schafft, die keiner sehen oder hören oder haben will und ihm eines davon wichtig ist, wird er Probleme bekommen. Die muss er dann für sich lösen.

  • Du hast dabei nur die klitzekleine Kleinigkeit vergessen, dass der Künstler sein Kunstwerk nicht nur für sich alleine schafft. Und da kann er nicht einfach davon ausgehen, dass die Anderen sein Kunstwerk sinnvoll, verständlich und toll finden. Da kann er nämlich eventuell Probleme bekommen... :D

    Und Du meinst, wenn er Dich vorher fragt und Deinem weisen Ratschlag folgend brav werktreu verfährt, kann ihm das nicht passieren?

    Siehe, ich sage Dir ein Geheimnis: Ein Künstler ist gegen das Misslingen nie gefeit. Es gibt keine Möglichkeit, das Scheitern auszuschließen. (Das trifft übrigens für ausnahmslos jeden Menschen, auch für ausgewiesene Fachmänner für philosophische Ästhetik, zu.) Dagegen hilft weder Werktreue noch die Befolgung des Brechtschen Rats, die Werke der Klassiker af ihren Materialwert hin zu untersuchen, statt sie irgendwem getreu auf die Bühne zu bringen. (Das ist übrigens der Grund, warum ich diese Autorität nicht herbeizitiere.) Ein Kunstwerk kann gelingen oder misslingen. Auch ein Theaterkunstwerk. Was davon eintritt, ist vollkommen unabhängig davon, ob sich die Schöpfer dieses Kunstwerks Werktreue vorgenommen haben oder nicht. Es mag bitter sein, aber Da musst Du durch: Sie brauchen Dich und Deine Namenslisten nicht.

  • Nach den Kriterien der Befürworter der Werktreue war das also ein schweres Verbrechen, für das wir alle in der Hölle schmoren werden (und für den Reimeschmied Biermann wären wir heute geradezu Kriegsverbrecher).

    Nun, da der Friedenstag nicht zu den häufigen Stücken auf unseren Opernbühnen gehört und auch für mich absolutes Neuland war (ich hatte vorher nur im Radio einen Ausschnitt des Finales der Dresdener Premiere 1995 gehört - und das hat mein Interesse geweckt) hatte ich beim Besuch keinerlei Erwartungshaltung. Ich war neugierig auf eine unbekannte Oper und kannte die Handlung nur vom Opernführer. Immerhin erinnere ich mich nach über 25 Jahren daran, daß zumindest die Mauern einer mittelalterlichen Burg zu sehen waren und die Personen nicht in heutiger Kleidung rumliefen. Überhaupt hat Anfang der 90-er Jahre kein Mensch davon geredet, was man heute RT nennt oder Werktreue. Man hat erwartet, das zu sehen, was der Opernführer verspricht - und möglichst in guter Interpretation. Und da wurde ich nicht enttäuscht, im Gegenteil, die Lösung des Finales hat mich ungeheuer beeindruckt.

    Wer Regie geführt hat, das war damals für mich noch absolut uninteressant, den Namen Konwitschny kannte ich nur in der Person seines Vaters und nicht als (unwichtigen) Regisseur.

    Eine RT-Inszenierung in Dresden sah ich sogar 2x. Es war die Frau ohne Schatten, immerhin bin ich wegen Johan Botha nach Dresden gefahren, mußte aber von einer Nachbarin (alte Dresdenerin) erfahren, daß man so etwas trotz toller Sänger vor dem Krieg ausgebuht hätte. Ich konnte nicht widersprechen, es war meine erste FroSch, und die Sänger waren Weltklasse. Wenn ich mich recht erinnere, hatte noch Sinopoli dirigiert. Ob ich mir das jetzt noch einmal ansehen würde, das glaube ich kaum. Obwohl ich gerade diese Oper als CD auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Auch beim 20. mal Hören gibt es immer etwas Neues.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wirklich kurios an den Debatten um das sog. »Regietheater« ist, dass es dabei so gut wie nie um Regie und nur äußerst selten (und dann höchstens partiell) um Theater geht. Meist wird die Ausstattung beurteilt, wobei es als Urteil schon genügt, festzustellen, ob sie der Zeit entspricht, in der das Stück angeblich spielt (was bei Stücken wie dem »Ring« oder »Aida« schon für sich genommen grotesk ist), und dann wird das ganze in die Kiste mit der Aufschrift »Regietheater« einsortiert oder in die andere, deren Aufschrift nicht deutlich zu lesen ist. Bühnenbild und Kostüme sind aber keine Regie und auch kein Theater. Dessen Kern und wichtigster Träger ist der Darsteller und seine Tätigkeit. Für diese spielt die Regie tatsächlich eine wichtige Rolle. Und wo von dem einen nicht die Rede ist, wird logischerweise auch nichts zum Anderen gesagt. Es scheint da einen Zusammenhang zu geben zwischen der Benennung des Popanz (die man ja bestenfalls als eine Missgeburt bezeichnen kann) und der Ungewissheit des Inhalts der Debatte, die doch so gut wie immer weit am Gegenstand, den sie zu behandeln vorgibt, vorbeigeht. Wie immer das zustandekommt, die Unfruchtbarkeit dieser Debatten hat sicher mit diesem Grundfehler den sie alle sich untereinander vererben zu tun und dürfte daher kaum zu beheben sein.

  • Wirklich kurios an den Debatten um das sog. »Regietheater« ist, dass es dabei so gut wie nie um Regie und nur äußerst selten (und dann höchstens partiell) um Theater geht.

    Ich finde das nicht überraschend, denn ich bin der festen Überzeugung, dass viele Opernliebhaber gar nicht in die Oper gehen, um Theater (und damit notwendigerweise auch das Ergebnis einer Regiearbeit) zu erleben. Vielmehr möchten sie gute Sänger_innen in historischen Kostümen und einer ihren Vorstellungen entsprechenden Kulisse singen hören. Insofern geht in der Tat der Begriff "Regietheater" zumindest im Musiktheater völlig am Kern des "Problems" vorbei (wenn man denn ein Problem damit hat).

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nun, wenn er das sagt, ist er vollkommen ungeeignet, die Idee der Verpflichtung auf »Werktreue« zu unterstützen. Dass Künstler – wie jeder andere Mensch übrigens – für das, was sie tun, verantwortlich sind, ist eine Binsenweisheit, die hier meines Wissens niemand bestritten hat. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sie verpflichtet wären, irgendeine Forderung zu erfüllen, die nicht begründet werden kann.

    Sartre ist eben nicht so banal, wie Du ihn darstellst. Sonst wäre er nämlich kein großer Philosoph, der die Gemüter beschäftigt. Mit Sartre gedacht kann sich ein Mensch entscheiden, ob er Christ sein will oder kein Christ sein will. Wenn er sich nun einmal entschieden hat, Christ sein zu wollen, übernimmt er damit eine Reihe von Verbindlichkeiten. Dann haben die Zehn Gebote für ihn Verbindlichkeit. Genauso ist es mit der "Werktreue". Die Verbindlichkeit einer solchen - mit Sartre - selbst auferlegten Pflicht hat mit einer ganzen Anzahl anderer Grundentscheidungen zu tun, wie man eben die Verbindlichkeit der Zehn Gebote für den Einzelnen nicht allein damit begründen kann, dass die Zehn Gebote Gebote sind, sondern damit, was es heißt für einen einzelnen Menschen, Christ sein zu wollen. Es gibt die berühmte Geschichte, dass ein Schüler Sartre fragte, ob er Resistance-Kämpfer werden solle oder seiner hilfsbedürftigen Mutter beistehen. Da hat Sartre geantwortet: Das kann ich Dir nicht sagen, das kannst Du nur selbst wissen. Im Grunde weißt Du schon die Antwort, Du musst ihr nur folgen.

    Möchtest Du sagen, wir sollten hier Sartre folgen und Bibel und Sittengesetz als verbindlich ansehen? Ich bezweifle, dass Sartre die Bibel als verbindliches Buch, sowohl in ethischen wie in ästhetischen Fragen, angesehen hätte, aber selbst wenn, wieso sollte daraus eine Verbindlichkeit für mich folgen ...

    Entscheidungen sind immer nur die Entscheidungen des Einzelnen. Jeder muss das für sich entscheiden. Das ist eben Existenzphilosophie. Da geht es nicht um allgemeine moralische Prinzipien.

    Ein Ästhetiker hat natürlich Aufgabe, Kunst zu begründen, aber keiner hat die Verpflichtung, seine Ergebnisse hinzunehmen. Vor allem dann wird es problematisch, wenn der Ästhetiker, dessen Aufgabe ja die Analyse der Kunst in einem weiteren Sinne ist, anfängt, aus seinen Überlegungen Normen abzuleiten ... :)

    So arbeiten Ästhetiker einfach nicht! Der Klassizismus ist doch nicht erst von Ästhetikern erfunden worden und dann wurden klassizistische Gebäude danach gebaut. Sondern umgekehrt hat sich die Ästhetik angesichts der Tatsache, dass es klassizistische Gebäude gibt, Gedanken gemacht, welche ästhetischen Prinzipien dem Klassizismus zugrunde liegen.

    Das sind nun gleich noch zwei Behauptungen, die Du zu beweisen hättest. Zum einen wäre es nun Deine Aufgabe, nicht nur zu behaupten, sondern zu zeigen, dass der erste Schluss korrekt und zwingend ist.

    Pragmatische Aussagen muss man nicht beweisen. Tatsache ist, dass Regietheater nicht nur gute und beste Kritiken bekommt und es viele Menschen gibt, die den Sinn dieses Theaters grundsätzlich nicht verstehen. Und wenn dann die Künstler die Sinnhaftigkeit ihres Tuns nicht mehr einsichtig machen können und wollen, läuft sich eine solche Kunst irgendwann einmal tot...

    Übrigens irrst Du auch in Beruf auf Sartre gleich zweimal: Niemand ist gezwungen, sich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen.

    Diese Aussage bringt erst einmal nur Deine Weigerung zum Ausdruck, Dich mit Sartre auseinanderzusetzen. Enttäuschend daran ist, dass ich von einem ernsthaften Künstler erwarte, dass er nach Verbindlichkeiten sucht, die sein Tun verständlich machen. Das kann Sartre sein, das kann Platon sein, oder Brecht, oder Buddha von mir aus oder wer auch immer. Wenn ich aber nur sehe, dass alle Verbindlichkeiten abgestritten werden und nur die Willkür grenzenloser künstlerischer Freiheit übrig bleibt, finde ich das bedenklich. Dann endet das künstlerische Tun nämlich irgendwo und irgendwann in einem vollkommenen Dilettantismus aufgrund von Maßstablosigkeit. Du vergisst außerdem, dass Sartre wie auch Schiller, wie auch Wagner, wie auch Franz Liszt oder Schönberg oder Kandinsky Beispiele für Künstler sind, die selber eine ästhetische Theorie aufgestellt haben, nach der sie sich auch richten. Sartre hat Dramen und Romane geschrieben und den Literaturnobelpreis bekommen - den er allerdings aus ethischen Gründen abgelehnt hat, anzunehmen. Wer ein Werk von Schiller oder Sartre aufführt, kommt also nicht darum, sich mit deren ästhetischen Prinzipien verbindlich auseinanderzusetzen.

    Zum anderen ist es gar nicht schwer, Sartre zu widersprechen.

    In der Tat. Das ist bei keinem Philosophen schwer. Hegel nennt das "abstraktes Raisonnieren". Das geht immer. Nur ist das eine völlig unphilosophische Haltung. Philosophisch ist, sich in die Denkbewegung einer Philosophie hineinzubegeben. Und wenn man da hineingekommen ist, wird es unendlich schwer, Sartre oder Platon oder Hegel zu kritisieren.

    Von Heiner Müller gibt es den Satz: »Der Text ist immer klüger als sein Autor.«

    Hermeneutiker kennen das in der Maxime, dass es bei einer Textanalyse darum geht, einen Text besser zu verstehen als ihn der Autor selber verstanden hat. Aurotren sind keineswegs die besten Interpreten ihrer eigenen Texte. Nur eine andere Frage ist die nach der Verbindlichkeit der intentio auctoris. Die hat damit nichts zu tun.

    Auch darum ist die Forderung, das zu zeigen, was der Autor gemeint hat (selbst angenommen, es wäre möglich, das zu ermitteln, was natürlich nicht der Fall ist, weil es sehr oft nicht einmal der Autor weiß) lächerlich.

    Lächerlich ist sie keineswegs. Sie ist nämlich immer zu beachten, auch wenn man zu anderen Schlüssen als der Autor kommt. Wenn man das im vorhinein ablehnt, ist das die reine Willkür des Interpreten.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Dann ist es eben die reine Willkür. Na, und? Der Autor/die Autoren eines Theaterkunstwerks sind übrigens nicht die Interpreten eines anderen Kunstwerks, sondern die Schöpfer eines eigenen. Und dabei stehen ihnen selbstverständlich alle Optionen offen. Sie sind in ihren Entscheidungen vollkommen frei und müssen auch den Dr. Kaletha und seine Autoritäten, die er immer vor sich herträgt, nicht fragen, ob sie machen dürfen, was sie machen wollen.

    Was den Erfolg betrifft: Niemand hat behauptet, dass ein Theaterkunstwerk das »Regietheater« ist, immer gelingt und erfolgreich ist. Du polemisierst da schon wieder gegen einen selbst zusammengeleimten Popanz. Ob etwas geilingt oder nicht, hängt mit absoluter Sicherheit nicht davon ab, ob und wie es sich in derartig dusslig erfundene Kategorien einordnen lässt.


    Übrigens ist die Frage, um die es hier geht, auf welche Weise die Forderung nach »Werktreue« für das Theater verbindlich geworden ist. Mir scheint das hast Du vergessen. Du hast behauptet, Werktreue sei verbindlich, hast bisher aber keine Begründung für diese Aussage geliefert. Damit ist Deine Forderung bisher vollkommen inhalts- und wirkungs- also wertlos. Soll das so bleiben? (Falls Du nun antworten willst, Du habest genug Zitate gebracht, erinnere ich daran, dass niemand veranlasst werden kann, einem Autoritätsbeweis Glauben zu schenken. Du müsstest Dir schon ein bisschen mehr Mühe geben. Oder Deine Position aufgeben. Das geht natürlich auch.)

  • Zitat

    Philosophisch ist, sich in die Denkbewegung einer Philosophie hineinzubegeben. Und wenn man da hineingekommen ist, wird es unendlich schwer, Sartre oder Platon oder Hegel zu kritisieren.

    Oder auch Hitlers oder Wagners „Denkbewegung“? Warum zum Teufel sollte man bereit sein, die selbstgesteckten Wege und Begrenzungen einer beliebigen Philosophie zu akzeptieren, die immer menschengemacht und damit notwendigerweise fehlbar ist? Und warum sollte es „unendlich schwer“ sein, diese zu kritisieren?


    Wenn man solche Aussagen liest, wundert man sich nicht mehr, dass Philosophie immer mehr eine Randexistenz im öffentlichen Diskurs führt und von Gestalten wie Precht dominiert wird. Kein Glück beim Denken, aber das wortreich und mit der allergrößten Selbstsicherheit…

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich finde, man muss das nicht gleich so verallgemeinern. Das eigentliche Problem an den Darlegungen des ausgewiesenen Fachmanns für philosophische Ästhetik ist ja nicht, dass es für die Praxis des Theaters bedeutungsloses Gewäsch ist. Denn natürlich kann ich mich in die »Denkbewegungen« eines Philosophen hineinbegeben, und natürlich kann ich sie dann besser verstehen. (Allerdings wird es, je näher ich die »Denkbewegungen« eines Philosophen kenne, desto leichter, sie zu kritisieren, weil es natürlich leichter ist, zu kritisieren, was ich kenne, weil ich nur dann weiß, wo ich den Hebel ansetzen kann.) Das Problem, das der ausgewiesene Fachmann für philosophische Ästhetik nicht bemerkt, ist, dass die Aussagen eines Philosophen, ganz egal, wie tief sich der ausgewiesene Fachmann für philosophische Ästhetik (oder sonstwer) in diese Denkbewegungen hineinbegibt, nicht allgemein verbindlich werden. Es sind und bleiben die Auffassungen einer bestimmten Person oder Schule. Niemand, der dieser Schule nicht angehört oder sich nicht zu ihrem Anhänger erklärt hat, ist gezwungen, die Aussagen dieser Schule zu akzeptieren. Welche Denkschule immer wählt, mit welchem Problem man sich auch befassen mag, es gibt immer eine andere Schule, die widerspricht. Darum kommt man auf diesem Wege nie zu allgemein verbindlichen Ergebnissen. Man kann vielleicht sagen, dass man mit den Werkzeugen der Schule a bei den Problemen a-q besser zurecht kommt, aber dem der ein Problem aus dem Bereich r-z behandeln will, zu erzählen, dass nur die Aussagen der Schule a möglich sind, ist einfach Blödsinn. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass ich mal einem begegne, dem das nicht ohne weitere Erläuterungen klar ist. Man ist eben auch gegen Überraschungen nie gefeit...


    P.S.: Mir schwant gerade, dass ich Deinen Beitrag gar nicht, wie ich dachte, ergänzt, sondern lediglich ein wenig wortreich paraphrasiert habe. Auch so eine Überraschung... Ich lasse das trotzdem stehen. Schaden kann es ja nicht... ;)

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  • Zitat von Werner Hintze Übrigens irrst Du auch in Beruf auf Sartre gleich zweimal: Niemand ist gezwungen, sich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen.

    Diese Aussage bringt erst einmal nur Deine Weigerung zum Ausdruck, Dich mit Sartre auseinanderzusetzen.

    Nein, das tut sie keineswegs. Sie bringt zum Ausdruck, dass niemand gezwungen ist, sich mit Sartre auseinanderzusetzen.


    Enttäuschend daran ist, dass ich von einem ernsthaften Künstler erwarte, dass er nach Verbindlichkeiten sucht, die sein Tun verständlich machen.

    Jetzt musst Du nur noch erklären, warum es für Künstler relevant oder gar "verbindlich" sein soll, was Du von ihnen erwartest.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Darüber hinaus müsste er aber auch noch erklären, warum man sich ausgerechnet für Sartre interessieren muss, um zu diesen »Verbindlichkeiten« zu kommen, nach denen zu suchen er von einem »ernsthaften Künstler« (mit welchem Recht auch immer) erwartet. Man kann sich schließlich auch mit Marx oder Zizek beschäftigen. Natürlich auch mit dem Neuen Testament oder dem Koran oder mit buddhistischen oder daoistischen philisophischen Schriften. Es gibt noch unendlich viele andere Möglichkeiten. Warum also gerade Sartre? Das müsste man doch noch wissen, bevor man alles stehen und liegen lässt und sich in das Studium dieser Schriften stürzt.

  • Ich war früher oft in Stuttgart,


    als ich noch nahe dran war ( hatte immer Ehrenkarten im Tausch für eine Flasche Winzersekt bekommen ) und selbst meine Mutter die kein Regietheater mochte hat einmal nach einer sehr modernen Inszenierung des Barbiers, gemeint - anfangs wär sie irritiert gewesen, aber dann war es so gut, dass sie das vergessen hat. Ähnlich bei einem Faust in Baden-Baden ( nur Holzkisten als Bühnenbild ). Es ist eben auch eine Frage der Qualität.

    Die Liebe zu den drei Orangen fand ich z.B. sehr gut. Ich lehne also RT nicht ab, aber nur wenn alles sinngemäß bleibt und nicht nach dem Motto "Hauptsache anders" gemacht ist.


    Wünsche allen ein frohes Fest !


    Kalli

  • Wenn man solche Aussagen liest, wundert man sich nicht mehr, dass Philosophie immer mehr eine Randexistenz im öffentlichen Diskurs führt und von Gestalten wie Precht dominiert wird.


    ganz egal, wie tief sich der ausgewiesene Fachmann für philosophische Ästhetik (oder sonstwer) in diese Denkbewegungen hineinbegibt, nicht allgemein verbindlich werden. Es sind und bleiben die Auffassungen einer bestimmten Person oder Schule. Niemand, der dieser Schule nicht angehört oder sich nicht zu ihrem Anhänger erklärt hat, ist gezwungen, die Aussagen dieser Schule zu akzeptieren


    Das Problem ist vielleicht, dass die Hegelsche Philosophie im vorletzten Jahrhundert die Rolle einer Staatsphilosophie übernommen hat, was Hegel durchaus recht war ... :)


    Im Endeffekt ist es wie mit der Religion, im Mittelalter nur bei Kopfverlust (symbolisch , die Inquisition liebte ja eher das Verbrennen) bezweifelbar, heute nur noch Gegenstand individuellen Glaubens.


    Natürlich ist Philosophie ein interessantes Gebiet, aber eine Verbindlichkeit lässt sich heute nicht mehr ableiten. Die Ethik verkommt in der Öffentlichkeit schon ein wenig zu Ratgebern vom guten Leben ... :)

  • Eigentlich ist es ja ganz einfach: man will ein Problem lösen und sucht sich dafür das passende Werkzeug aus. Zum Beispiel einen Gartenschlauch, um den Rasen zu wässern. Das funktioniert gut und um so besser, je genauer ich weiß, wie viel Wasser der Rasen braucht und aus welcher Richtung usw., und je genauer ich weiß, wie ich den Gartenschlauch verwenden muss, um das zu erreichen. Aber wenn ich die Wohnung fegen will, ist ein Gartenschlauch ungeeignet. Da nehme ich lieber einen Besen. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, unter denen ich frei wählen kann. Wenn mir einer erklärt, es gibt nur ein Universalwerkzeug für alle Aufgaben, oder ich sei verpflichtet, ein bestimmtes Werkzeug zu verwenden, pfeife ich mir ein Liedchen und mache weiter wie bisher. Warum soll ich einem zuhören, der offensichtlich keine Ahnung hat?

  • Lieber Kalli, wir beide (es gibt noch ein paar andere, aber nicht viele) gehören zu der Fraktion, denen es letzten Endes egal ist, ob Schenk oder Bieto die Regisseure sind. Beim Boris von Gergiev (Bericht hier oben und demnächst aus führlich in meinem "Schreibtisch") habe ich die Regietheater-Elemente einfach abgeschaltet, so gut waren Darstellung und Musik. Aber wie es häufig geschieht, wird diese Position von den beiden Hauptparteien immer zur Gegenseite gerechnet. Aber das bereitet keine schlaflosen Nächte, im Gegenteil, wir haben die größere Bandbreite.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Relativismus hin oder her, am Ende läuft es doch alles auf eines hinaus: „OHNE FLÜGELHAUB‘ ISCH DESCH KEI WAACHNER, BEIM WODAN!“

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Lieber Kalli, wir beide (es gibt noch ein paar andere, aber nicht viele) gehören zu der Fraktion, denen es letzten Endes egal ist, ob Schenk oder Bieto die Regisseure sind.

    Letzten Endes ist es auch egal, wer der Komponist (oder gar der Librettist) ist, Hauptsache es macht Spaß und vielleicht nachdenklich, oder?


    Zu dieser Fraktion gehöre ich auf jeden Fall.

  • Ein Ästhetiker hat natürlich Aufgabe, Kunst zu begründen, aber keiner hat die Verpflichtung, seine Ergebnisse hinzunehmen. Vor allem dann wird es problematisch, wenn der Ästhetiker, dessen Aufgabe ja die Analyse der Kunst in einem weiteren Sinne ist, anfängt, aus seinen Überlegungen Normen abzuleiten


    So arbeiten Ästhetiker einfach nicht! Der Klassizismus ist doch nicht erst von Ästhetikern erfunden worden und dann wurden klassizistische Gebäude danach gebaut. Sondern umgekehrt hat sich die Ästhetik angesichts der Tatsache, dass es klassizistische Gebäude gibt, Gedanken gemacht, welche ästhetischen Prinzipien dem Klassizismus zugrunde liegen.


    Lieber Holger, Deine Replik ist mir unverständlich.


    Die theoretische Begründung von Kunst (Ästhetik) ist doch, wie Du gerade eben selbst sagst, nicht die Voraussetzung für die Existenz von Kunst. Selbstverständlich ist erst die Kunst da und dann legt der Ästhetiker los. Das macht eine Normierung durch den Ästhetiker ja noch zusätzlich absurd ...


    Auch, wenn in einem anderen Kontext gesprochen, die Eule der Minerva ...


    PS: Du kannst einen wirklich richtig verwirren!


    Wenn es jetzt aber Deine Meinung sein soll, dass aus der Ästhetik keine Normen für die Kunst erwachsen, worüber redest Du dann die ganze Zeit? Was soll dann die Anforderung der Werktreue, wenn es eine solche ästhetische Anforderung gar nicht geben kann?


    Irgendwie kommt mir das Ganze wie eine Achterbahnfahrt vor :no:

  • So arbeiten Ästhetiker einfach nicht! Der Klassizismus ist doch nicht erst von Ästhetikern erfunden worden und dann wurden klassizistische Gebäude danach gebaut. Sondern umgekehrt hat sich die Ästhetik angesichts der Tatsache, dass es klassizistische Gebäude gibt, Gedanken gemacht, welche ästhetischen Prinzipien dem Klassizismus zugrunde liegen.

    Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass Du diesen Abschnitt irgendwann entfernst oder so überarbeitest, dass er zu Deinem bisherigen Aussagen passt. Da das nicht geschehen ist, nun doch die nötige Antwort auf eine unnötige Bemerkung:


    Zunächst: Diese Aussage ist, so allgemein, wie sie da steht, falsch. Es hat durchaus Ästhetiker gegeben, die es als ihre Aufgabe verstanden haben, die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich die Künstler zu richten haben, festlegen. Inzwischen ist das nur noch selten, aber wie man an Deinen Beiträgen zu dieser Debatte sieht, kommt es auch heute durchaus noch vor.


    Wenn Du nun plötzlich meinst, es sei nicht Aufgabe der Ästhetik, der Kunst Vorschriften zu machen, auch die klassische Ästhetik habe das nicht getan (eine äußerst zweifelhafte Behauptung, aber meinetwegen), sondern habe lediglich die Gesetzmäßigkeiten (auch so ein äußerst zweifelhaftes Wort, aber meinetwegen) ermittelt und beschrieben, antworte ich, dass sie dann auch bitte dabei bleiben und gar nicht erst damit anfangen soll, von irgendwelchen »Verbindlichkeiten« welcher Art auch immer zu schwatzen. Mir scheint, aus Deiner Aussage, dass das auch gar nicht die Aufgabe der Ästhetik ist, ergibt sich, dass Deine nach wie vor unbegründete Forderung nach »Werktreue« hinfällig ist. (Denn was nicht jemandes Aufgabe ist, kann ja schwerlich seine Aufgabe sein.)


    »Ja, Meister, das hättet Ihr gleich sollʼn sagen.« Darüber und wir uns natürlich einig.

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  • Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass Du diesen Abschnitt irgendwann entfernst oder so überarbeitest, dass er zu Deinem bisherigen Aussagen passt. Da das nicht geschehen ist, nun doch die nötige Antwort auf eine unnötige Bemerkung:


    Zunächst: Diese Aussage ist, so allgemein, wie sie da steht, falsch.

    Das ist nicht falsch, aber so wie ich es geschrieben habe, sehr missverständlich. Die philosophische Ästhetik ist eine sehr moderne Angelegenheit, sie gibt es erst seit dem Barockzeitalter. Die erste philosophische Ästhetik überhaupt stammt von dem Leibniz-Schüler Baumgarten. Allerdings hat es ästhetische Betrachtungen, die von den Künstlern auch verbindlich genommen wurden als Normen für ihr Schaffen, schon seit der Antike gegeben. Die werden nur nicht formuliert als philosophisch-wissenschaftliche Abhandlungen, sondern im Rahmen von Poetiken (Horaz usw.). Im Barockzeitalter wird das dann sogar verschult, es entwickelt sich daraus die "Regelpoesie". In der Musiktheorie hat sich das noch länger gehalten. Noch bei Hugo Riemann, der als er Vater der modernen Musikwissenschaft gilt, findet sich seine reine Theorie in Büchern, die den Titel "Kompositionslehre" tragen. Kompositionslehren sind Bücher, die es auch schon seit Jahrhunderten gibt, die Regeln für die Komponisten für das Anfertigen von Kompositionen enthalten. Auch darin gibt es immer ästhetischen Überlegungen. Der Protest gegen die Regelpoesie kommt dann im 18. Jhd. durch die Genieästhetik. Das Künstler-Genie fühlt sich nur an seine eigenen Regeln gebunden und akzeptiert schlechterdings keine anderen Verbindlichkeiten.

    Wenn Du nun plötzlich meinst, es sei nicht Aufgabe der Ästhetik, der Kunst Vorschriften zu machen, auch die klassische Ästhetik habe das nicht getan (eine äußerst zweifelhafte Behauptung, aber meinetwegen), sondern habe lediglich die Gesetzmäßigkeiten (auch so ein äußerst zweifelhaftes Wort, aber meinetwegen) ermittelt und beschrieben, antworte ich, dass sie dann auch bitte dabei bleiben und gar nicht erst damit anfangen soll, von irgendwelchen »Verbindlichkeiten« welcher Art auch immer zu schwatzen.

    Ironisch kann ich da nur feststellen, dass Du hier redest wie ein typisches im Geniewahn befangenes Künstlergenie. Du meinst, der Künstler sei autonom, was die ästhetische Beurteilung seines Schaffens angeht in jeder Hinsicht und brauche Verbindlichkeiten von Ästhetikern nicht zu beachten. Das ist für Dich nur "Geschwätz". Das ist nun leider ein Irrtum mit fatalen Folgen. Ganz nüchtern kann man erst einmal fragen: Wer beurteilt denn faktisch ästhetisch in erster Linie die Leistungen von Künstlern, die ein Werk aufführen? Antwort: Nicht der Künstler, sondern das Publikum, was ästhetische Urteile fällt nach Normen und dann die Literatur-, Kunst- und Musikkritik. Unter den Parteien gibt es dann einen Streit um die Deutungshoheit in ästhetischen Fragen - Ausdruck davon ist der Streit um RT. Der Ästhetiker ist da noch gar nicht im Spiel, seine Aufgabe - und so sehe ich auch meine - ist hier, Verbindlichkeiten zu stiften. Und da ist meine Antwort klar und sehr differenziert, wovon Du einfach keine Notiz nimmt. Das Kriterium Werktreue ist ästhetisch unverzichtbar einfach deshalb, weil es ästhetisch autonome Kunstwerke gibt. Ein Recht, auf Werktreue oder besser Werkgerechtigkeit zu verzichten gibt es nur, wenn man zeigen kann, dass Musikstücke, Opern usw. keinen Werkcharakter haben. Wenn sie aber Werkcharakter haben, ist der Verzicht auf "Werktreue" ästhetisch nicht begründet und also Ignoranz und Dilettantismus. Künstler können freilich tun was sie wollen, nur ist das dann ästhetisch bodenlos. Es ist deshalb auch eitle Willkür, die Intentionen von Komponisten generell für unverbindlich zu nehmen und als "lächerlich" zu bezeichnen, wenn sie nachweislich autonome Kunstwerke geschaffen haben. Wo ich den RT-Künstlern als Ästhetiker zustimmen kann ist in zwei Punkten: Der Sinn einer Aufführung ist die Aufführbarkeit eines Stückes herzustellen. Dadurch relativiert sich das Kriterium der Werktreue. Zweitens geht die Aufführung über den Sinn hinaus, ein Werk zur Darstellung zu bringen durch die Einführung von Reflexionsebenen, die im Werk so nicht enthalten sind. Das ist insbesondere beim Regietheater der Fall. Das alles habe ich immer wieder gesagt. Nur wird das von Euch als unverbindliches Geschwätz eines Ästhetikers abgetan. Und da antworte ich: Deshalb versage ich Euch Künstlern in weiten Teilen den Respekt, nicht, weil Ihr Philosophen nicht Ernst nimmt, sondern weil Ihr in Wahrheit die Kunst nicht wirklich Ernst nehmt. Ernst und Verbindlichkeit gehören untrennbar zusammen. Weil vor einem muss man nun wirklich keinen Respekt haben: vor Willkür und Dilettantismus, der jegliche Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Kunst vermissen lässt. Stockhausen verstand gar keinen Spaß in diesem Punkt. Er hat von seinen Künstlern unbedingte Werktreue verlangt. Das weiß ich aus persönlicher Erfahrung mit ihm. Natürlich, für Dich ist so eine Haltung eines Komponisten lächerlich - das zeigt die Art, wie hier darauf reagiert wurde, als ich von der "Stimmungs"-Affäre berichtete.

  • Wenn es jetzt aber Deine Meinung sein soll, dass aus der Ästhetik keine Normen für die Kunst erwachsen, worüber redest Du dann die ganze Zeit? Was soll dann die Anforderung der Werktreue, wenn es eine solche ästhetische Anforderung gar nicht geben kann?

    Es tut mir leid, ich brauche leider immer noch etwas Zeit, um mich durchzuarbeiten.



    An einigen Stellen sprichst Du in ziemlich ostentativer Form davon, dass sich die Disputanten auf eine ästhetische Diskussion mit Dir einlassen sollten, um zu den entscheidenden Erkenntnissen zu kommen.


    Wenn es nun aber so sein sollte, dass der Ästhetiker erst im Nachhinein aktiv wird, bei der Analyse des Kunstwerkes deren Gesetzmäßigkeiten herausfindet, sollte man da nicht dann beim Kunstwerk anfangen. Wir würden uns solche Werke (des vermeintlichen RT-Theaters) einfach vornehmen und analysieren. Eine ästhetische Debatte könnte sich ja dann anschließen.


    ich hätte dann endlich die Chance den Gegenstand des Streitgesprächs zu verstehen.


    PS:


    Hier sprichst von Habermas' Idee eines herrschaftsfreien Diskurses, einer Idee, der ich sehr gerne folgen würde.


    Ironisch kann ich da nur feststellen, dass Du hier redest wie ein typisches im Geniewahn befangenes Künstlergenie.

    Ich kann mir solche Sätze nur schwer als Bestandteil eines herrschaftfreien Diskurses vorstellen ... Solche Ausbrüche in Metaebenen des Gesprächs mit Bewertung des Gesprächspartners könnten die Konzepte des Diskurses konterkarieren.


    Vielleicht allgemeinverständlich für alle Beteiligten


  • Dr. Holger Kaletha: Du hast es immer noch nicht verstanden. Es geht hier nicht um einen »Verzicht auf Werktreue«. Es geht einfach darum, dass Du keinen vernünftigen Grund nennen kannst, warum Deine Forderung nach Werktreue als verbindlich gelten soll. Wenn mir jemand sagt, ich soll in Zukunft links grüne und recht rote Socken tragen, und ich halte mich nicht daran, weil ich es nicht für sinnvoll erachte und derjenige, der das anordnen kann, weder den Sinn seiner Anordnung erklären kann noch die Macht hat, ihre Einhaltung zu erzwingen, kann nicht die Rede sein, dass ich auf diese kuriose Bekleidung verzichte. Ich entscheide einfach selbst., welche Strümpfe ich anziehe, und kümmere mich nicht um die Anordnung, die mich nichts angeht. Das ist alles. Da hilft kein Sartre und keine naseweise Erläuterung der philosophischen Ästhetik, die darauf rechnet, dass alle vor dem großen Wort erschauern und den Mund halten. Das klappt nicht, weil Deine Gegenspieler sehr viel weniger dumm sind, als Du offensichtlich annimmst, mithin Du sehr viel weniger klug als sie, wie Du zu glauben scheinst. (Es ist immer eine schlechte Strategie, wenn man davon ausgeht, dass die anderen dümmer sind als man selbst. Das müsste auch einem ausgewiesenen Fachmann für philosophische Ästhetik bekannt sein.)

  • Du meinst, der Künstler sei autonom, was die ästhetische Beurteilung seines Schaffens angeht in jeder Hinsicht und brauche Verbindlichkeiten von Ästhetikern nicht zu beachten.

    Ich habe das so verstanden, dass der Künstler autonom in seinem Schaffen ist. Insbesondere gibt es keine ästhetischen Normen, die ihm da verbindlich reinreden können.

  • Ich glaube, es lohnt nicht. Wenn mir einer erklärt, dass Ästhetiker den Künstlern keine Vorschriften machen, dass es aber die Pflicht der Künstler ist, sich an diese nicht vorhandenen »Verbindlichkeiten« zu halten, kann ich mich eigentlich nur für den Versuch, einen guten Witz zu machen, bedanken, auch wenn er nicht sonderlich gelungen ist. Diskutieren muss man das nicht. Und wenn man das als Argument ernst nimmt, macht man sich lediglich genauso lächerlich wie der, der dieses Kuddelmuddel vorträgt.


    (Damit ich nicht missverstanden werde: Die Idee, dass Künstler die »Verbindlichkeiten von Ästhetikern« zu beachten haben, ist einfach grotesk dämlich. Mehr ist dazu nicht zu sagen.)

  • Und wenn man das als Argument ernst nimmt, macht sich lediglich genauso lächerlich wie der, der dieses Kuddelmuddel vorträgt.

    Danke dafür! Ich beginne häufig Diskussionen, ohne vorher schon gedanklich klar zu haben, wohin die Reise geht. Diese "Klarheit" schält sich in der Diskussion erst heraus.


    Nicht jeder Diskussionspartner macht es einem da leicht, indem er einem Diskussionsfaden folgt. Man kann so verästelte, sich auch sinnlos verzweigende Fäden als Methodik von Vernebelung ansehen oder eben auch als Versuch von der Gegenseite, sich Klarheit zu verschaffen ...


    Ich habe dank einiger Beiträge hoffentlich ein wenig mehr von dem Ganzen verstanden (ich versuche das für mich in regelmäßigen Abständen zu dokumentieren, vielleicht interessiert es auch andere) und würde aber gerne noch ein paar Schritte weiterkommen. Mich interessieren die ästhetischen Ideen hinter modernen Inszenierungen ... Mag sein, dass ich der einzige (nicht Profi) bin, damit muss ich dann leben ...


    Der Faden wird regelmäßig von ein paar Unken torpediert und von ein paar Kollegen mit überlegenem Geschmack. ;) Da ich meinen eigenen Geschmack sowieso für den besten halte ;), tangiert mich das nicht. Übrigens finden sich auch Beiträge, die das Vorhaben unterstützen ... :)


    Ich bin aber immer bereit, ernsthaftes Bemühen um Verständnis mit ebenso ernsthafter Auseinandersetzung zu beantworten. Es mag da unterschiedliche Bewertungen geben in der Einschätzung, was noch ernsthaftes Bemühen ist.



    PS: Widersprüche an sich kommen natürlich in jeder Diskussion vor und bedürfen der Auflösung. Hier wäre der Meister Hegel dann wenigstens noch zu etwas gut :P


    PPS: Ich sehe die Diskussion auch als kommunikatives Experiment. (durchaus so in Richtung von Habermas, wenn man denn unbedingt will ...) und von meiner Profession her bin ich Geduld gewöhnt, aber eben auch die Möglichkeit, dass Probleme lösbar sind, auch wenn es schon mal 2000 Jahre gedauert hat :P)

  • Ich beginne häufig Diskussionen, ohne vorher schon gedanklich klar zu haben, wohin die Reise geht. Diese "Klarheit" schält sich in der Diskussion erst heraus.

    Ich denke, das ist vollkommen normal. Man diskutiert ein Problem, um im Gespräch der Lösung dieses Problems näher zu kommen. Das bedeutet, dass man nicht wissen kann, wohin die Reise geht. Die schönsten Diskussionen sind die, an deren Ende beide, Seiten erstaunt feststellen, dass die Reise in eine ihnen bis dahin ganz unbekannte Gegend geführt hat. Das funktioniert aber nur, wenn sich alle darauf einlassen, sich zu neuen Gedanken anregen zu lassen. Freilich funktioniert diese Anregung nur dann, wenn die Einwände rational begründet werden. Aber die Behauptung: »Das ist so, weil ich es sage (oder Sartre, Kant oder wer auch immer)«, ist keine Begründung, sondern (wie es der Herr Hauptpastor so treffend sagt) nur »ein Machtspruch, welchem der Leser einen blinden Beifall geben soll«, und der aus dem Munde eines, der gar keine Macht hat, ziemlich albern klingt.


    Ich kann mir solche Sätze nur schwer als Bestandteil eines herrschaftfreien Diskurses vorstellen ... Solche Ausbrüche in Metaebenen des Gesprächs mit Bewertung des Gesprächspartners könnten die Konzepte des Diskurses konterkarieren.

    Das ist sehr hübsch ausgedrückt. Man kann auch einfach die altbekannte Tatsache benennen, dass in solchen Debatten immer der Punkt kommt, wo die Anhänger der Werktreue, denen die Argumente ad rem ausgehen, stattdessen ad personam loswettern, womit sie dann ihre Blamage vollenden. Das ist vielleicht keine »Gesetzmäßigkeit«, geschieht aber mit schöner Regelmäßigkeit.

  • Ich kann mir solche Sätze nur schwer als Bestandteil eines herrschaftfreien Diskurses vorstellen ... Solche Ausbrüche in Metaebenen des Gesprächs mit Bewertung des Gesprächspartners könnten die Konzepte des Diskurses konterkarieren.

    Das, was hier in diesem Thread abgelaufen ist, ist ein "herrschaftsfreier Diskurs"? ^^ Wenn es eher "herrschaftlich" zugeht, hilft manchmal nur das diskursive Kunstmittel der "parrhesia", des "Wahrsprechens". Den sehr instruktiven Aufsatz, den Michel Foucault dazu geschrieben hat, kann ich nur zur Lektrüe empfehlen.

    Du hast es immer noch nicht verstanden. Es geht hier nicht um einen »Verzicht auf Werktreue«.

    Ach so? Und warum hast Du Dich denn bisher so vehement dagegen gewehrt, die "Werktreue" selbst in der von mir relativierten Form anzuerkennen? Ich wurde ja als "Gralshüter der Werktreue" tituliert, nur weil ich "Werktreue" zu forden nicht für sinnlos erachtet habe. Welche sophistische Strategie steckt also diesmal dahinter?

    Es geht einfach darum, dass Du keinen vernünftigen Grund nennen kannst, warum Deine Forderung nach Werktreue als verbindlich gelten soll.

    Ich glaube es ja kaum, aber Du liest einfach nicht, was ich schreibe. Ich habe es doch x-mal erklärt. Für den Ästhetiker geht es nur darum und kann es nur darum gehen, die Bedingungen anzugeben, unter denen es sinnvoll und verbindlich ist, am Kriterium "Werktreue" festzuhalten. Das wiederhole ich nun nicht noch einmal und sage nur: Noch einmal sorgfältig lesen, was ich geschrieben habe!

    Wenn mir jemand sagt, ich soll in Zukunft links grüne und recht rote Socken tragen, und ich halte mich nicht daran, weil ich es nicht für sinnvoll erachte und derjenige, der das anordnen kann, weder den Sinn seiner Anordnung erklären kann noch die Macht hat, ihre Einhaltung zu erzwingen, kann nicht die Rede sein, dass ich auf diese kuriose Bekleidung verzichte.

    Da bist Du einfach nicht auf der Höhe des Gedankens meiner Argumentation. Tut mir leid, das sagen zu müssen.

    Ich entscheide einfach selbst., welche Strümpfe ich anziehe, und kümmere mich nicht um die Anordnung, die mich nichts angeht. Das ist alles. Da hilft kein Sartre und keine naseweise Erläuterung der philosophischen Ästhetik, die darauf rechnet, dass alle vor dem großen Wort erschauern und den Mund halten.

    Manchmal ist es aber besser, einfach mal den Mund zu halten, wenn man seine Fähigkeiten nur richtig einschätzt. Was sagt doch Wittgenstein: Worüber man nicht reden kann, soll man besser schweigen.

    Das klappt nicht, weil Deine Gegenspieler sehr viel weniger dumm sind, als Du offensichtlich annimmst, mithin Du sehr viel weniger klug als sie, wie Du zu glauben scheinst.

    Da muss ich Dich leider enttäuschen. Ich nehme jeden Gesprächspartner Ernst. Nur leider mache ich bisweilen die enttäuschende Erfahrung im Gespräch, dass man manches einfach nicht Ernst nehmen kann, weil es tatsächlich ziemlich dumm ist. Besonders, wenn die Dummheit sich dann auch noch mit der großen Untugend fehlender Selbstbescheidung, der Respektlosigkeit nämlich, verbrüdert.

    Ich habe das so verstanden, dass der Künstler autonom in seinem Schaffen ist. Insbesondere gibt es keine ästhetischen Normen, die ihm da verbindlich reinreden können.

    Was hast Du nur für eine seltsame Vorstellung von Autonomie? Autonomie=vollkommene Willkür? Das moralische Subjekt ist nach Kant autonom - in der Selbstverpflichtung zur unbedingten Befolgung des Sittengesetzes. Vielleicht achtest Du mal auf den griechischen Wortsinn: auto - nomos. ;) :D

    Ich glaube, es lohnt nicht. Wenn mir einer erklärt, dass Ästhetiker den Künstlern keine Vorschriften machen, dass es aber die Pflicht der Künstler ist, sich an diese nicht vorhandenen »Verbindlichkeiten« zu halten, kann ich mich eigentlich nur für den Versuch, einen guten Witz zu machen, bedanken, auch wenn er nicht sonderlich gelungen ist. Diskutieren muss man das nicht.

    Die Ästhetiker machen dem Künstler überhaupt keine Vorschriften. Sie sagen nur, wofür es eine ästhetische Begründung und Rechtfertigung gibt und wofür es keine ästhetische Begründung und Rechtfertigung gibt. Natürlich ist der Künstler frei, auch das zu tun, was ästhetisch nicht zu rechtfertigen ist. Das darf der Ästhetiker dann aber auch nennen, was es ist: Willkür und Dilettantismus. Aber natürlich kann auch das die Menschen glücklich machen. So ist halt die Welt.

    (Damit ich nicht missverstanden werde: Die Idee, dass Künstler die »Verbindlichkeiten von Ästhetikern« zu beachten haben, ist einfach grotesk dämlich. Mehr ist dazu nicht zu sagen.)

    Dann ist das, was Friedrich Schiller getan hat, grotesk und dämlich. Friedrich Schiller der Künstler hat nämlich die Verbindlichkeiten beachtet, die der Ästhetiker und Philosoph Friedrich Schiller aufgestellt hat. Mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich wiederhole: Für die Forderung nach Werktreue, die Du aufstellst, hast Du keinen rationalen Grund genannt. Der müsste sich nämlich nicht aus der Tatsache ergeben, dass Du oder irgendjemand anders sagt, dass es so ist (was Du mehrfach mitgeteilt hast), sondern es müsste erklären, wie sich diese Forderung aus der Struktur des Theaterkunstwerks ergibt. Dazu hast Du bisher kein Wort gesagt. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, weil sie sich auf keine Weise daraus ableiten lässt. Statt das zuzugestehen, hast Du alle möglichen Autoritätsbeweise herangezogen und bist schließlich mehr und mehr zur Argumentation ad personam übergegangen. Was ja wohl ein Zeichen dafür ist, dass Dir keine Argumente mehr zur Verfügung stehen, Du sie nicht findest oder es Dir zu mühsam ist, sie zu suchen. Wie auch immer: Deine Behauptung, es gäbe eine Verpflichtung zur Werktreue, ist nach wie vor unbegründet und also nichtig.

    Die Ästhetiker machen dem Künstler überhaupt keine Vorschriften. Sie sagen nur, wofür es eine ästhetische Begründung und Rechtfertigung gibt und wofür es keine ästhetische Begründung und Rechtfertigung gibt.

    Das mag für »die Ästhetiker« zutreffen, für Dich trifft es nicht zu. Du hast bisher nicht erklärt, welches die ästhetische Begründung für die Forderung nach Werktreue sein soll. Bestenfalls ließe ich zugestehen, dass Du einige moralinsaure Sätze abgesondert hast, die diese Begründung ersetzen sollen. Das können sie aber nicht, weil eine ästhetische Frage nicht mit moralischen Argumenten beantwortet werden kann. Bisher dachte ich immer, dass das jedem klar sei. Denn sonst könnte man, das ja auch umgekehrt machen und den Satz, dass Mord moralisch schlecht ist, damit beantworten, dass das nicht so sei, weil er sehr schön aussehen kann.

  • Nachdem nun die folgenden Tatsachen für mich klar sind


    1. Der Künsterl ist in seinem Kunstvorhaben frei

    2. Hauptverantwortlicher für eine Operninszenierung (Theater) ist der Regisseur

    3. Der Regisseur inkludiert in Eigenverantwortung Opernpartitur und Libretto

    4. Er vermischt das mit szenischem Geschehen auf der Bühne

    5. Er berücksichtigt (müssen muss er nichts) die Priorität der Musik als strukturgebendes Element


    Mir scheint allerdings, dass sich die Oper vom Schauspiel vor allem dadurch unterscheidet, dass zur dramatischen Dichtung die Musik hinzutritt. Und zwar – das ist der Unterschied zwischen Opern- und Schauspielmusik – als strukturbestimmendes Element.

    6.Es gibt eine Tendenz zu größerer Leichtigkeit


    Es gibt in den Entwicklungen des Aufführungsstils eine Tendenz zu größerer Leichtigkeit, zu geringerem Pathos, zu mehr Humor usw. Diese Tendenz ist keineswegs auf die Musik beschränkt. Man erkennt dieselbe Tendenz, wenn man die heutigen Speisekarten mit denen der 50er Jahre vergleich. (Ich meine selbstverständlich nicht die grafische Gestaltung sondern die aufgeführten Gerichte.) Oder wenn man die Einrichtung der Wohnungen vergleicht. Der Filmausschnitt mit Winifred Wagner zeigt die Innenausstattung ihre Wohnräume


    Hier würde ich gerne noch betwas nachdenken wollen. Ich hatte schon geschrieben, dass Zimmermanns Soldaten mich damals etwas erschlagen hatten. Auch aus der Musik Weinbergs, Schnittkes und Ustvolskajas kann ich diese Tendenz nicht direkt ablesen...


    Mein Verständnis ginge in die Richtung:


    1. Kunst ist heute deutlich entmythologisiert. Es gibt hinter der Kunst keine tiefere Ebene zu begreifen, die dann die Kunst erst im richtigen Licht erscheinen lässt. Sei es nun christliche Mythologie oder irgendwas Patriotisches oder etwas anderes. Nichts davon ist nötig um Kunst genießen zu können. Das würde sich natürlich auch auf zeitgenössische Aufführungen beziehen, bei denen alte Kunstwerke Grundlage wären. Ich brauche keinen religiösen Kontext um Bachs h-Moll Messe zu genießen oder muss kein Verfechter eines besonderen Germanentums sein, um Wagner zu genießen.


    2. Diese weitgehende ästhetische Befreiung der Kunst von außerkünstlerischen Aufgaben (es gibt immer noch Auftragsarbeiten und so ...) kann man als Leichtigkeit verstehen, auch wenn es mit Ustwolskaja ja Werke gibt, die gerade aus dieser Befreiung extreme Schwere beziehen. Die die offizielle Doktrin erfüllenden Werke wirken degegen eher leicht (wenn auch hin und wieder etwas verlogen )


    3. Dieser ideologiefreie Raum ist natürlich nicht nur auf die Kunst bezogen. Er ist ein gesellschaftliches Phänomen, weil es keine ideologisch determinierten allgemein anerkannten Leitlinien für was auch immer mehr gibt.


    4. In diesem Umfeld nun scheint es mir, wenn auch nicht gerade naheliegend, aber prinzipiell machbar (im Einzelfall kann ich das nicht beurteilen) Opernszenerien in die Jetztzeit zu verlegen. Im Endeeffekt entscheidet dann die Qualität, wie auch ein anderer Kollege schon sagte.


    Ein solches Konzept passt zumindest in die Zeit ..

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