MOZART, Wolfgang Amadeus: Klavierkonzert Nr. 22 Es-dur, KV 482 - Verfrühter Beethoven?

  • Als einziges der späten Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart hat das große Es-dur-Konzert Nr. 22 KV 482 bisher noch keinen eigenen Thread. Für mich zählt es zu den schönsten und wichtigsten Schöpfungen des Salzburger Meisters, und deshalb möchte ich diese schmerzliche Lücke hiermit schließen.


    Mit fast 36 Minuten Spieldauer setzt Mozart mit diesem Konzert einen Rekord, den er auch in den folgenden Werken dieser Gattung nicht mehr getoppt hat. Doch das ist noch nicht alles: auch an musikalischem Reichtum ist es seinen sämtlichen anderen Konzerten überlegen. Mozart vollendete es am 16. Dezember 1785, und nur wenige Tage später brachte er es bei einem Konzert der "Wiener Tonkünstlersocietät" selbst zur Uraufführung. Das Publikum war so begeistert, daß der Komponist den zweiten Satz wiederholen mußte, obgleich gerade dieses Stück in c-moll alles andere als die damals in Mode befindliche "galante Gesellschaftskunst" bedient. Das reich besetzte Orchester sieht neben den obligatorischen Streichern eine Flöte, Fagotte, Hörner, Pauken und Trompeten vor, und zur Überraschung der Zuhörer erstmals auch zwei Klarinetten. Dafür fehlt hier die Oboe. Der Klarinettenton gibt den Holzbläsern ein ganz spezifisches Timbre, zumal Mozart den Bläsern eine sehr dominante und individuelle Rolle zuteilt.


    Das Werk hat folgende Satzfolge:

    1. Satz: Allegro

    2. Satz: Andante

    3. Satz: Allegro - Andante cantabile - Tempo I


    Der Komponist hat keine Kadenzen hinterlassen, so daß die Pianisten hier ganz frei disponieren können. Entweder bringen sie eigene "Zutaten", oder aber man greift üblicherweise auf die Kadenzen von Saint-Saens zurück.


    Nun zum Werk selber: Der Kopfsatz ist von jener Es-dur-Festlichkeit erfüllt, wie sie uns später in seiner großen Sinfonie KV 543 wieder begegnet, die nicht von ungefähr in der gleichen Tonart steht. Auf weite Strecken besteht der Satz aus schwungvoll rauschenden Passagen, die in der relativ kurzen Durchführung zu höchster Virtuosität gesteigert werden.

    Wie schon angedeutet, ist das prachtvolle, aber tiefernste Andante ein wahres Wunder an Koloristik, es stellt eine Variationsfolge über ein dreiteiliges Gesangsthema dar. Wie der Komponist hier mit den Klangfarben spielt und einen beseelten Dialog zwischen dem Klavier und den Bläsern führen läßt, ist höchst originell und im Rahmen seiner Konzerte ohne Beispiel. Das ständige Schwanken zwischen Dur und Moll gibt dem Satz einen elegischen, anrührenden Ausdruck, der fast resignative Züge annimmt. Kompositionstechnisch ist dieses Stück der Höhepunkt des Werks.

    Doch nun folgt ein Rondo-Finale von heiter beschwingtem Charakter, das plötzlich, und damit dem Es-dur-Schwesterwerk KV 271 ähnlich, von einem "Andante cantabile" unterbrochen wird, in dem wiederum die Holzbläser deutlich den Ton angeben. Eine höchst reizende Episode, die von einer kadenzartigen kurzen Übergang zur Reprise überleitet. Heiter, fast lustig und glanzvoll wird das großartige Konzert zu Ende geführt.


    Es gibt kein anderes Klavierkonzert von Mozart, das mich häufiger an Beethoven denken läßt wie dieses, auch nicht die beiden berühmten Moll-Konzerte KV 466 & KV 491, die nicht den Farbenreichtum und die außerordentliche Virtuosität vorzuweisen haben. Schade, daß Beethoven sich nicht, wie im Falle von KV 466, entschließen konnte, auch für das Konzert KV 482 zumindest eine Kadenz für den Kopfsatz zu schreiben. Das hat, neben etlichen anderen, auch der englische Komponist Benjamin Britten versucht, der von seinem Freund Svjatoslav Richter dazu angeregt wurde. Es blieb beim Versuch, denn gelungen kann man seine Arbeit nicht bezeichnen. Herausgekommen ist ein ziemlich unverdauliches, reizloses Stilgemisch, das fast "musicalhafte" Züge annimmt. Erst gegen Schluß, wenn Britten sich Themen des 2. und 3. Satzes zuwendet, kommt eine gewisse Schlüssigkeit auf. Insgesamt aber bleibt Brittens Kadenz ein Fremdkörper, der den Absichten des Komponisten nicht gerecht wird. Gut gemeint ist eben oft das Gegenteil von Kunst.


    Ich habe mich deswegen ausführlich mit der, von Anfang an umstrittenen, Britten-Kadenz beschäftigt, weil Svjatoslav Richter diese auf nachstehender CD verewigt hat, so daß sich jeder interessierte Musikfreund selbst einen Eindruck verschaffen kann:

    Mozart Klavierkonzerte No. 22 KV 482, Beethoven No. 3 - Richter Muti | eBay

    Svjatoslav Richter (Klavier) und das Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Riccardo Muti (Aufnahme: 4/1979, Abbey Road Studios, London).


    Insgesamt ein imposantes Tongemälde, von Richter souverän und fast im Stile von Beethoven aufgeführt, so daß die Kombination mit dessen Konzert Nr. 3 durchaus einen Sinn ergibt. Auch was die Spielzeit angeht, so kommt Mozart diesmal ganz in die Nähe der großen Beethoven-Konzerte.


    Mir ist bewußt, daß Beethoven erst 15 Jahre alt war und noch in Bonn lebte, als Mozart sein Konzert Nr. 22 schrieb, aber auch wenn es nicht von Richter interpretiert wird, weisen manche Passagen schon auf den kommenden Beethoven hin, im ersten Satz auf sein Op. 15, manchmal sogar auf das Es-dur-Konzert op. 73 (nicht nur wegen der gleichen Tonart), und das Andante erweckt bei mir Reminiszenzen an den 2. Satz des B-dur-Konzerts op. 56. Trotzdem bevorzuge ich insgesamt eine lockerere, leichtere Spielart, als Richter dem Werk angedeihen läßt.


    Einsam an der Spitze meiner Lieblingsaufnahmen dieses Konzerts steht folgende Aufnahme:


    Mitsuko Uchida, English Chamber Orchestra & Jeffrey Tate

    Misuko Uchida (Klavier) und das English Chamber Orchestra, Dirigent: Jeffrey Tate (Aufnahme: London, 7/1986).


    Der Japanerin steuert eigene Kadenzen bei, und die sind nicht nur wohlgelungen, sondern treffen auch schier nachtwandlerisch Mozarts Ton und den Geist dieses herrlichen Werkes. Das Spiel der Künstlerin ist eine wahre Freude, sie weiß den dramatischen Momenten ebenso gerecht zu werden wie den virtuosen und eher lockeren Passagen. Köstliches, perlendes Klavierspiel, erfüllt von hörbarer Freude am Spiel und an Mozarts Musik. Und Jeffrey Tate ist ein einfühlsamer, schier idealer Begleiter. Das gilt insgesamt auch für die Gesamtaufnahme, der obige CD entnommen ist.


    Noch zwei außergewöhnliche Aufnahmen möchte ich nicht unerwähnt lassen, die beide ebenfalls von höchster Qualität sind, sowohl künstlerisch als auch klangtechnisch:

    Essential Classics - Mozart (Klavierkonzerte Nr. 22, 27) Duo - Mozart (Die großen Klavierkonzerte)


    Das Spiel des Franzosen Robert Casadesus läßt vielleicht eher an Richter denken, was auch mit Szells martialischer Orchesterführung zu tun hat, während Alfred Brendel mehr der eleganten Spielweise huldigt, trefflich unterstützt von Neville Marriner. Beide spielen eigene Kadenzen.

    Wer kräftige Akzente bevorzugt, für den wäre auch der junge Daniel Barenboim keine schlechte Wahl:


    Klavierkonzerte 22 & 23 (Rl)


    Diese CD ist ebenfalls einer GA entnommen, die Barenboim in den 1970er Jahren einspielte.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich schätze dieses Konzert ebenfalls sehr, für mich ist es aber ein sehr Mozartsches Werk. ;)

    Einen ähnlich festlichen, "flächigen" Es-Dur-Gestus mit breit angelegten Themen eher in "langen Noten" findet man auch in der Concertante KV 364, dem Klavierquartett KV 493, der Sinfonie 543 usw. und es ist natürlich auch eine der "Klarinettentonarten", selbst wenn Mozart für die berühmtesten Solowerke A-Dur wählte.

    Es ist für mich (nicht nur wg. der Tonarten) das eigentliche "Schwesterwerk" für das c-moll (nicht das populärere A-Dur), da sie beide die symphonische Dimension und die bläserdominierte Instrumentation, die besonders in Sätzen 2+3 des vorliegenden Werks (aber auch in Abschnitten des c-moll-Konzerts, besonders dessen Mittelsatz) oft an Bläserserenaden erinnert.

    Die relative Länge liegt ja fast nur im Finale begründet, das sie hauptsächlich durch die langsamen Abschnitte, wie schon KV 271 erhält. Es ist auch interessant, wie die Kontraste in dem früheren Werk zwischen dem stark "motorischen" Hauptteil und den noch galant-rokoko-haften Verzierungen hergestellt werden, hier durch eine neue Art vorromantischer "Empfindsamkeit" und besonders auch durch die Instrumentation gekennzeichnet sind.

    Es gibt von Charles Rosen einen Aufsatz "Radical conventional Mozart". Das passt m.E. hier auch ein bißchen. Einerseits konventionelle Formen oder gar Floskeln wie die Jagdmotive des Rondo oder auch Themen des Kopfsatzes, andereseits eine hochoriginelle individuelle Ausgestaltung.


    Für mich und vielleicht viele heutige Hörer sind bei Mozarts Konzerten die Finalsätze am ehesten durch eine gewisse Routine geprägt. Daher mag ich oft besonders die, die hier durch Besonderheiten herausstechen: Das vorliegende Werk, KV 271, die beiden Variationssätze in KV 453 und 491 und die kontrapunktisch besonders raffinierten KV 449 und 459.


    Christian Zacharias schätzt das Werk anscheinend besonders und hat auch Kadenz(en) verfasst, von denen mindestens die im Kopfsatz am Ende auch die Bläser kurz einbindet, ein hübsches Detail, meiner Erinnerung nach in beiden seiner Einspielungen (Zinman/Dresden u. Zacharias/Lausanne).

    Verbreitet gespielte Kadenzen stammen von Edwin Fischer, der das Werk auch eingespielt hat.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Verbreitet gespielte Kadenzen stammen von Edwin Fischer, der das Werk auch eingespielt hat.

    Hallo, Johannes Roehl,


    schön, daß Du diesen großen Schweizer Pianisten ins Spiel bringst. Ich hatte ihn tatsächlich nicht auf dem Schirm, als ich meinen Eingangsbeitrag schrieb. Wohl weil er mir vorrangig als Beethoven-Interpret in Erinnerung ist, vor allem mit seiner inzwischen legendären Aufnahme des Fünften Konzerts op. 73 " mit Wilhelm Furtwängler (EMI, 1951). Daß er auch Kadenzen für das Konzert KV 482 geschaffen hat, war mir gänzlich unbekannt.


    Ich habe jetzt ein wenig gestöbert und mußte feststellten, daß Edwin Fischer nicht nur einige Mozart-Konzerte im Studio eingespielt hat:

    Mozart: Piano Concertos 17, 20, 22, 24, 25; Sonatas 10 & 11; Rondo KV 382/Edwin Fischer 3CD set By Mozart (Composer),,Edwin Fischer (Performer) (1991-07-01)

    die Nr. 17, 20, 22, 24 & 25, wie hier zu sehen ist,


    sondern bei den Salzburger Festspielen 1948 u.a. auch das Konzert KV 482 zur Aufführung gebracht hat:

    Mozart: Piano Concertos Nos. 22 & 25

    Hier dirigiert er die Wiener Philharmoniker vom Flügel aus. Wie bekannt, spielte er vorzugsweise ohne Mitwirkung eines Dirigenten. Das hat er auch bei den Studio-Aufnahmen von Beethovens Konzerten 3 & 4 so praktiziert (EMI), nicht immer ganz vorteilhaft.


    Mir liegen alle diese Aufnahmen nicht vor, aber allein der Name Edwin Fischer bürgt für hohe Qualität. Klanglich werden naturgemäß Abstriche zu machen sein.


    Bei der Gelegenheit habe ich meine Sammlung durchgesehen, um festzustellen, wer welche Kadenzen benutzt hat. Zunächst Murray Perahia: Er greift zu den Kadenzen von Johann Nepomuk Hummel.

    Casadesus, Kempff und Rudolf Serkin steuern eigene Kadenzen bei. Mir scheint Casadesus am ehesten den passenden Stil zu finden.


    Bei Barenboim kann ich keine Aussage machen, die Textbeilage schweigt sich aus. Vermutlich hat auch er eigene Kadenzen eingesetzt.

    Einen ähnlich festlichen, "flächigen" Es-Dur-Gestus mit breit angelegten Themen eher in "langen Noten" findet man auch in der Concertante KV 364, dem Klavierquartett KV 493, der Sinfonie 543 usw. und es ist natürlich auch eine der "Klarinettentonarten"

    Es-Dur scheint mir überhaupt eine der Lieblingstonarten Mozarts gewesen zu sein. Außer den von Dir schon genannten Werken fällt auch auf, daß er insgesamt nicht weniger als vier Konzerte für das Klavier in dieser Tonart komponiert hat. Außer dem KV 482 sind das noch die Nr. 9 "Jeunehomme" KV 271, Nr. 14 KV 449 und das Konzert für zwei Klaviere KV 365. Auch seine letzte und beliebteste Oper, "Die Zauberflöte", beginnt und endet in Es-dur. Zufall oder nicht?


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eine großartige, von mir sehr geschätzte Pianistin, Annie Fischer (1914-1995), habe ich total vergessen zu erwähnen, obwohl sie eine der besten und künstlerisch herausragendsten Einspielungen des Klavierkonzertes KV 482 hinterlassen hat. Ein schier unverzeihlicher Fehler, den ich auf der Stelle wieder gutmachen möchte:


    Mozart - Piano Concertos Nos. 21 & 22 (Klavierkonzerte) / A. Fischer · PO ·  Sawallisch - Annie Fischer, Wolfgang Amadeus Mozart, Wolfgang Sawallisch,  Philharmonia Orchestra: Amazon.de: Musik

    Annie Fischer (Klavier) und das Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Wolfgang Sawallisch (Aufnahme: London, Abbey Road Studio No. 1, London (2/1958).


    Zu Beginn des Stereo-Zeitalters produzierte die Londoner EMI insgesamt sechs Mozart-Konzerte mit der ungarischen Künstlerin, die Nr. 20 & 23 (mit Sir Adrian Boult), Nr. 24 & 27 (mit Efrem Kurtz) und Nr. 21 & 22 mit dem damals am Beginn seiner Karriere stehenden Wolfgang Sawallisch. Der Produzent der Aufnahmen, Walter Legge, war ständig auf der Suche nach den besten und erfolgversprechendsten Künstlern für seine Klassikaufnahmen, und so engagierte er auch den jungen Sawallisch, der in der Folge einige bemerkenswerte Aufnahmen für das zum EMI-Konzern gehörende Label COLUMBIA, u.a. Ouvertüren von C.M. von Weber sowie die erste GA der Oper "CAPRICCIO" von Richard Strauss, einspielte. Bedingt durch seine langjährige Tätigkeit an der Münchner Staatsoper war die Verbindung mit EMI nur von kurzer Dauer.


    Sawallischs Zusammenarbeit mit Annie Fischer in der obigen Aufnahme war besonders glücklich, beide Künstler harmonierten bestens miteinander, und so wurde sie aus gutem Grund in der Erfolgsserie "Great Recordings of the Century" neu veröffentlicht. Es ist eine großsinfonische Version, wie sie damals noch üblich war. Annie Fischer spielt mit großer Leidenschaft, und der Dirigent läßt das Orchester prachtvoll, aber mit schlankem Ton aufspielen. Wer, wie ich, konventionelle Aufnahmen schätzt, kommt hier voll auf seine Kosten. Annie Fischer hat für ihre Interpretation die Kadenzen von Johann Nepomuk Hummel ausgewählt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Kennengelernt habe ich einst das Klavierkonzert in der Aufnahme mit Casadesus/Szell. Und natürlich ist das prägend. Ob ich die Aufnahme in meiner Samlung habe, das ver mag ich aktuell nicht zu sagen - zumindest finde ich sie nicht. Also werde ich eine andere Aufnahme zu meiner Hörsitzung heranziehen, die ebenfalls frägend für mich war, allerdings war es hier das Krönungskonzert, welches ich mit Geza Anda zuerst hörte und kaufte.

    Die Gesamtaufnahme galt bei ihrem Erscheinen als wichtige Bereicherung der Mozart-Klavierkonzerte Diskographie. Jetzt nach Abhören dieser relativ Frühen, aber vorzüglichen Stereoaufnahme von 1962 mit Camerata Academica des Salzburger Mozarteums würde ich dieser Einschätzung beipflichten. Dank der mutigen Veröffentlichungspolitik von Eloquence Australia können auch heutige jüngere Musikfreunde diese Aufnahmen hören.

    Ich pflichte "nemorino" was die Schönheit dieses Konzerts Nr 22 betrifft (Anda spielt eigene Kadenzen) siehe aber weniger eine Ähnlichkeit zu Beethvovens Klavierkonzerten als voelmehr zu Mozarts Krönungskonzert. Mag allerdings sein, daß die "großen" Klavierkonzerte Mozarts eine Vorlage für Beethoven waren.

    Mir gefällt einerseit der strahlende und doch strenge Charakter des Orchesterteils des ersten Satzes, der immer einen Hauch der "Triumphes " in sich trägt wie der spielerische Orhrwurmcharakter des Finalsatzes.

    Sämtliche mir zur Verfügung stehenden Konzertführer schweigen das Konzert indes tot !!!


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als beethovenartigstes unter den Klavierkonzerten von Mozart empfand ich bisher immer Nr. 25 C-Dur KV 503. Das Konzert Nr. 22 Es-Dur KV 482 hatte ich bislang kaum auf dem Schirm. Gleichwohl habe ich es ein paar Mal vorliegen, so etwa in nachfolgender Aufnahme, die hier noch nicht genannt wurde:



    Berliner Philharmoniker

    Daniel Barenboim, Klaviersolist und Dirigent


    Aufnahme: Siemensvilla, Berlin, 1/1989


    Spielzeiten: 13:30 - 9:49 - 12:03

    Kadenzen: Barenboim (Kopfsatz), Edwin Fischer (Finalsatz)


    Ich könnte nichts Negatives vermerken. Beseeltes Klavierspiel, großorchestraler Luxusklangteppich, sehr guter Klang.


    FonoForum 12/92: »Die Selbstgewißheit in der brillanten Durchführung kennt ebenso wenig Hemmungen wie die professionelle Zuversicht, mit der selbst düstere, warnende Passagen (vor allem in den Mittelsätzen) in eine Art Urlaubsstimmung gerückt werden.«

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sämtliche mir zur Verfügung stehenden Konzertführer schweigen das Konzert indes tot !!!

    Lieber Alfred,


    das ist echt traurig, denn das KV 482 ist IMO eines der schönsten, musikalisch ausgereiftesten Werke dieser Gattung. Ich habe in meinen Konzertführern mal geblättert, aber weder der renommierte HARENBERG noch Knaurs Konzertführer oder Alfred Baumgartners "Der Neue Konzertführer" aus dem Wiener Prisma-Verlag erwähnen dieses fantatische Werk mit einem Wort. Fündig geworden bin ich allerdings hier:

    414JWBD6KQL._SX283_BO1,204,203,200_.jpg

    der das Werk, zumindest in meiner Ausgabe von 1994, angemessen würdigt. Es sind von diesem Buch diverse Auflagen auf dem Markt.

    siehe aber weniger eine Ähnlichkeit zu Beethvovens Klavierkonzerten

    Das mag auch nur eine ganz persönliche Empfindung sein, was mit meiner Affinität gerade zu diesem Konzert zu tun hat, das bei mir öfter im CD-Spieler landet als die anderen Konzerte Mozarts. Den Zusatz "Verfrühter Beethoven?" finde ich selber nicht ganz glücklich, er sollte vor allem den Thread interessant machen. Deshalb das Fragezeichen. Vielleicht weiß jemand einen treffenderen Zusatz?


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das Konzert Nr. 22 Es-Dur KV 482 hatte ich bislang kaum auf dem Schirm.

    Ich bin ziemlich sicher, lieber Joseph II., daß Du es nach näherem Kennenlernen zu schätzen weißt. Für mich steht das Konzert seit dem ersten Hören auf Platz 1 aller Mozart-Konzerte. Selbstverständlich ist das Geschmacksache. Das Stück gehörte über viele Jahrzehnte zu den vernachlässigten Werken Mozarts, für mich völlig unerklärlich, denn der Ausnahmecharakter des Konzerts ist offen hörbar. Es wurde auch nicht sehr häufig eingespielt, meist nur im Zusammenhang einer GA.

    Als beethovenartigstes unter den Klavierkonzerten von Mozart empfand ich bisher immer Nr. 25 C-Dur KV 503.

    Du hast natürlich recht, das Konzert Nr. 25 C-dur KV 503 fällt ebenfalls ein wenig aus der Reihe, mit seinem festlichen, manchmal fast monumentalen Klang. Da kann einem durchaus Beethoven in den Sinn kommen, vor allem, wenn man diese majestätische, breit angelegte Aufnahme hört:


    Mozart Serenade/PC KV 503


    Daniel Barenboim (Klavier) und das Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Otto Klemperer (Aufnahme: 3/1967, Abbey Road Studios, London).


    Nachdem Otto Klemperer dem damals knapp 25jährigen Pianisten Daniel Barenboim bei den Aufnahmesitzungen zu den Beethoven-Sonaten über die Schulter geschaut hatte, schlug er dem Newcomer eine Aufnahme unter seiner Leitung vor. Gewählt wurde das Mozart-Konzert KV 503, und nachdem dieses zur Zufriedenheit des greisen Dirigenten ausgefallen war, schlug der EMI-Produzent Suvi Raj Grubb eine Gesamtaufnahme der fünf Beethoven-Konzerte in gleicher Besetzung vor, die dann auch in der Folge realisiert wurde und noch heute zu den Aufnahmen dieses Zyklus zählt, die immer wieder zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Für Daniel Barenboim war das der Startschuß in eine Weltkarriere, die bis heute anhält.


    Die TELDEC-Aufnahme mit Barenboim als Pianist und Dirigent kenne ich leider nicht. Die obige Version steht in meinem Regal. Auch wenn sie musikalisch deutlich von Klemperer geprägt ist, so ist sie doch ein frühes Zeugnis für die herausragenden Eigenschaften des späteren Weltstars Daniel Barenboim. Seine spätere Version mit dem English Chamber Orchestra (EMI), die er selbst dirigierte, klingt viel gebändigter.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eine Aufnahme von KV 482 ist noch nachzutragen. Sie entstand Ende der 1960er Jahre im Rahmen der ersten GA der Mozart-Konzert durch Géza Anda mit der Camerate Academica des Salzburger Mozarteums. Die originale LP sah so aus:

    MOZART - Klavierkonzerte Nr. 6 und 22: Geza Anda (DGG LPM 18 824 / Mono /  NM) | eBay

    Für etliche Jahre waren Andas Aufnahmen, zumindest im deutschen Sprachraum, federführend, und das mit gutem Grund. Der früh verstorbene ungarische Künstler legte ausgefeilte, feinsinnige Aufnahmen vor, und erstmals war der Hörer in der Lage, sich ein Gesamtbild über Mozarts Kavierkonzert-Schaffen zu machen.


    Noch heute kann man die Konzerte auf CD in dieser Box erwerben:

    Mozart: Piano Concerto No. 22 in E Flat Major, K. 482 - II. Andante von  Géza Anda & Camerata Salzburg bei Amazon Music - Amazon.de


    Für das Konzert Nr. 22 KV 482 hat Mozart keine Kadenzen hinterlassen; Géza Anda spielt in seiner Aufnahme eigene, im 1. und 3. Satz.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Für mich waren auch einige Jahrzehnte die Anda-Einspielung das Maß der Dinge!


    Daher hier schon einmal für diejenigen, die das Werk nicht zuhause haben





    und hier der Link zur beim Sponsor leider nicht mehr erhältlichen Box

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nach Anda kamen die Aufnahmen mit Mitsuko Uchida und Jeffrey Tate, die auch IMO zum Besten gehören.... In letzter Zeit genieße ich allerdings auch sogenannte HIP Aufnahmen, solange bei ihnen nicht grundsätzlich nur das historisch Korrekte im Vordergrund steht, sondern der Wille, Mozart zum Klingen zu bringen ... :)


    Hier gefällt mir die begonnene Reihe mit Kristian Bezuidenhout besonders gut, weil auch dem Frankfurter Barockorchester der Wille und die Begeisterung zum frischen Musizieren anzuhören ist. Sehr prominente Bläser ! Aber auch der Mittelsatz Andante kommt mit seiner doch stark moll-getränkten Lyrik schön zum Tragen. Interessanterweise schreibt Leopold Mozart seiner Tochter Nannerl, dass Wolfgang diesen Mittelsatz (c-Moll) bei einer Aufführung auf Wunsch des Publikums wiederholen musste, was für Leopold ungewöhnlich war. Er ist mit seiner dunklen Stimmung kein typischer Publikumssatz. Es gibt aber bläsergetragene aufhellende Stellen darin.


    ES-Dur K. 482 ist auch schon erschienen



    und für den Sparfuchs auch im Web zu hören




  • Apropos, auch mal Älteres. Paul Badura-Skoda mit den Wiener Philharmonikern unter Leitung von Wilhelm Furtwängler, hier noch historisch uninformiert :) Eine Liveaufnahme aus dem jahre 1952 und mit katastrophaler Akustik .... Aber was soll's?


  • Auch diese wundervolle Aufnahme aus dem Jahre 1986 gibt es für den preisbewussten Klassikhörer im Web :)




    und für den stillen Förderer des Taminos Forums beim Sponsor in der großen (sehr preiswerten) Box


  • In youtube findet sich eine Einspielung von Richter unter Britten mit den dem Kontext angepassten Kadenzen ... Damit jeder einen eigenen Eindruck gewinnen kann



    Einen kleinen Spiegel aus den Kommentaren dazu


    Einmal editiert, zuletzt von astewes ()

  • Eine großartige, von mir sehr geschätzte Pianistin, Annie Fischer (1914-1995), habe ich total vergessen zu erwähnen

    Quasi als Genugtuung nenne ich sie jetzt noch einmal, denn in den Tiefen meiner CD-Sammlung habe ich noch eine weitere Ausgabe des Konzerts KV 482 mit ihr gefunden:


    Annie Fischer Plays Concertos: Mozart, Beethoven, Fischer, Klemperer,  Fricsay: 0659682005157: Amazon.com: Books

    mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam, Dirigent: Otto Klemperer (Amsterdam, live, 1956). Label: PALEXA, mir sonst kaum begegnet.


    Ein erstaunlich frisch und gut klingender Live-Mitschnitt, allerdings Mono. Das tut der künstlerischen Qualität keinerlei Abbruch, zumal es m.W. sonst keine Live-Aufführungen der beiden befreundeten Musiker gibt.

    Gekoppelt ist das KV 482 mit einer weiteren Live-Aufführung, gleichfalls aus 1956, da spielt Annie Fischer unter der Leitung von Ferenc Fricsay Beethovens Konzert Nr. 3, mit dem RSO Berlin. Knapp drei Jahre später, 1959, entstand die Studio-Einspielung dieses Konzerts in der gleichen Besetzung, diesmal mit dem Bayerischen Staatsorchester München (DGG). Diese Stereo-Produktion wird noch heute von vielen Musikfreunden als die Referenzeinspielung schlechthin bezeichnet.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • In den Tiefen meiner Sammlung habe ich noch folgende CD entdeckt:

    Klavierkonzerte 22+23 - Zacharias, Zinman, Sd, Mozart,Wolfgang Amadeus:  Amazon.de: Musik

    Christian Zacharias (Klavier) und die Staatskapelle Dresden, Dirigent: David Zinman (Aufnahme: ca. 1984, Lukaskirche, Dresden).


    Im Eintrag #2 hat Johannes Roehl sie schon gepriesen:

    Christian Zacharias schätzt das Werk anscheinend besonders und hat auch Kadenz(en) verfasst, von denen mindestens die im Kopfsatz am Ende auch die Bläser kurz einbindet, ein hübsches Detail, meiner Erinnerung nach in beiden seiner Einspielungen (Zinman/Dresden u. Zacharias/Lausanne).

    .... und das hat sie auch verdient. Die Kadenz im 1. Satz mit Begleitung der Bläser ist originell und mit Stilgefühl dem Werk angepaßt. Eine schöne Aufnahme, die in Kooperation mit VEB Deutsche Schallplatten Berlin entstand. Die spätere aus Lausanne kenne ich nicht.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Zu einer Zeit, als Mozarts Klavierkonzerte, von wenigen Ausnahmen (wie KV 466, 488 & 491) abgesehen, in unseren Konzertsälen ein Schattendasein führten, ist zu meiner Überraschung diese Aufführung mitgeschnitten worden:

    Mozart - Piano Concerto No. 22 in Eb major KV 482/Symphony No. 40 in G minor KV 550 - Wilhelm Furtwangler

    Paul Badura-Skoda (Klavier) und die Wiener Philharmoniker, Dirigent: Wilhelm Furtwängler (Wien, 1952?).

    Das Konzert Nr. 22 KV 482 war damals eine echte Rarität, im Plattenstudio hatte es noch keinen Eingang gefunden. Das änderte sich erst grundlegend im Jahr 1956, als man festlich Mozarts 200. Geburtstag beging. Danach setzte, quasi parallel mit der Einführung der Stereotechnik, ein wahrer Mozart-Boom ein, der bis heute, von kleinen Schwankungen begleitet, unvermindert anhält.


    Man kann den obigen Mitschnitt, dessen klangtechnische Qualität natürlich bescheiden ist, sogar beim Werbepartner erwerben, mit diesem 2 CD-Album:


    Ganz sicher bin ich mir dessen nicht, ob es sich hier um dieselbe Aufführung handelt, denn jpc nennt als Aufnahmejahre 1944/49. Die Doppel-CD enthält noch das Konzert für 2 Klaviere KV 365 (mit Dagmar Bella) sowie die "Kleine Nachtmusik". Vielleicht weiß da jemand Näheres?


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,

    auf youtube findet sich eine Überspielung, die ebenfalls 1952 als Datum nennt:


    Ein kundiger Kommentator weist auch darauf hin, dass dieses das Konzert gewesen sei, in dem Paul Badura-Skoda Furtwängler davon überzeugen konnte, ihn seine eigene Kadenz im dritten Satz erstmalig spielen zu lassen.

  • Aus der GA mit Derek Han habe ich mir gestern das Es-dur-Konzert Nr. 22 KV 482 zu Gemüte geführt, mit den gleichen positiven Eindrücken, die ich bereits vorher gewonnen und hier an entsprechender Stelle beschrieben habe.

    Wie schon mehrfach bemerkt, enthält die Box keinerlei Hinweise auf die benutzten Kadenzen, und so bin ich hier aufs Raten angewiesen. Mir scheint, daß der Pianist im Kopfsatz eine eigene Kadenz eingefügt hat, jedenfalls kam sie mir unbekannt vor. Doch sie ist sehr virtuos, mit z.T. recht heftigen Ausbrüchen, fügt sich aber gut in dasWerk ein.


    Da das vorübergehende Interesse an Mozarts Klavierkonzerten inzwischen gänzlich erloschen ist, werde ich mit diesem Beitrag meine Hörberichte beenden. Sie scheinen hier auf kein Interesse zu stoßen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo, ich bin hier neu im Forum und ich möchte mich kurz zu diesem tollen Konzert äußern.


    Auch ich mag dieses Konzert sehr gerne, sehe es aber nicht als einen verfrühten Beethoven. Das wären für mich eher Nr. 24 oder Nr. 25


    Ein besonderer Reiz dieses Konzerts ist, dass Mozart hier, wie in seiner 39. Sinfonie (ebenfalls in Es-Dur), die Oboen durch Klarinetten ersätzt. Das gibt dem Orchester einen ganz besonderen Klang, besonders weil Mozart hier den Bläsern eine sehr prominente Rolle spielen lässt. Auch der langsame Abschnitt im letzten Satz gefällt mir ganz gut, es macht aus dem Finale nochmals eine “Minikonzertform”, Schnell-Langsam-Schnell.


    Meine Lieblingsaufnahme des Werks ist übrigens die mit Malcolm Bilson als Pianist und John Elliott Gardiner und den English Baroque Soloists.


    LG aus Wien

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose