HIP oder nicht HIP - Das ist hier die Frage

  • "To be, or not to be, that is the question" ist ein Zitat aus der Tragödie Hamlet, Prinz von Dänemark von William Shakespeare, 3. Aufzug, 1. Szene.


    Die weiteren Zeilen lauten:


    Whether 'tis nobler in the mind to suffer

    The slings and arrows of outrageous fortune,

    Or to take arms against a sea of troubles,

    And by opposing, end them? To die: to sleep;


    Bei Schlegel lautet die deutsche Übersetzung


    Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:

    Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern

    Des wütenden Geschicks erdulden oder,

    Sich waffnend gegen eine See von Plagen,

    Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –


    HIP oder nicht Hip, das ist die Frage in diesem Thread. Es ist eine aktuelle Frage. ich habe mir nicht die Mühe genommen, das Forum nach entsprechenden Aussagen und Threads zu durchforsten. Es geht darum, welchen Stellenwert heute im Jahr 2022 die historisch informierte Aufführungspraxis im Musikleben besitzt.


    Ich habe in letzter Zeit Aufnahmen der historisch informierten Aufführungspraxis gehört.

    Zwei Beispiele aus einer grossen Zahl von Einspielungen sollen das verdeutlichen: Eine Aufnahme mit Werken für Gitarre und Hammerklavier und eine Einspielungen der mozartschen Klavierkonzerte mit Fortepiano.


    Alexander-Sergei Ramirez (Biedermeier Gitarre) und Sheila Arnold (Fortepiano nach L. Dulcken) spielen Werke für diese Instrumente-Kombination aus der Zeit um 1830.


    Gefunden haben sich die beiden Musiker, als sie Beethovens Variationen über ein Thema aus der Zauberflöte in einer Bearbeitung von Carulli einstudieren sollten. Im im Booklet abgedruckten Interview erläutern sie, dass auf modernen Instrumenten dies unmöglich war: Der Flügel musste immer zu leise, die Gitarre immer zu laut spielen. Wegen der unterschiedlichen Klangcharaktere war das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Offensichtlich war das Werk nicht für die modernen Instrumente konzipiert. So lag es nahe Nachbauten von Fortepiano und Biedermeier-Gitarren zu verwenden. Nun ist die Klangdifferenzierung möglich und ein begeisterndes Musizieren entsteht.



    Arthur Schoonderwoerd reduziert in seiner Aufnahme das Instrumentarium in Mozarts Klavierkonzerten radikal: 2 Violinen, 2 Bratschen, 1 Cello, 1 Kontrabass, 1 Traversflöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, 1 Paukensatz, 1 Kopie eines Fortepiano nach Anton Walter 1782. Für seine Einspielung des Konzerts KV 459 hat er zudem erstmals die verlorengegangenen Trompeten- und Paukenstimmen rekonstruieren lassen.


    Das Resultat ist eine andere Klanglichkeit, die Bläser erhalten mehr Gewicht, die Stimmen der Streicher sind durchhörbar. Schoonderwoerds Argument ist entwaffnend vernünftig. Im Raum, in dem die Werke aufgeführt wurden, konnten nicht mehr Musiker Platz finden. Man weiss, dass Mozarts Tasteninstrument aus seiner Wohnung, das Treppenhaus hinunter durch die Strassen getragen wurde. Die Instrumente waren so gebaut, dass mehr Klang nicht möglich war.



    Mit Nikolaus Harnoncourt und anderen Dirigenten und Instrumentalisten begann in den 60er und 70er Jahren die Bewegung der historisch informierten Aufführungspraxis, die auf den Erkenntnissen der Forschung beruhte. Es wurde viel darüber geschrieben. Instrumentenbauer stellen Nachbauten von Instrumenten her, die zur Zeit der Entstehung der Kompositionen verwendet wurden. Das Spiel auf Darmsaiten ist für Streicher wieder möglich geworden.


    Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen, seit diese Bewegung die Musikwelt in Aufregung versetzte.


    Das einleitende Shakespeare Zitat habe ich ausgewählt: Man ist von der historisch infortmierten Aufführungspraxis begeistert oder man erduldet als Hörer dieses Musizieren, leistet Widerstand und kann sich nicht damit anfreunden.


    Es ist mir klar, dass die Instrumente sich weiter entwickelt haben, die ursprünglichen Aufführungsumstände sich verändert haben und damit auch die Hörgewohnheiten von uns Zeitgenossen, die sich an den Aufnahmen der Vergangenheit und Aufführung in Konzerten orientieren.


    Man kann schockiert sein, wenn man ein Werk mit dem Instrumentarium hört, wie es mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Vergangenheit getönt haben dürfte oder die Interpretationsansätze anwendet, die zur Zeit der Uraufführung galten.


    Oder man erduldet die Musik, die nach HIP-Prinzipien aufgeführt wird.


    Oder man nimmt HIP-Interpretationen als willkommene Bereicherung der musikalischen Ausdrucksweise.


    Oder es kann eine Erleuchtung geschehen und das Verständnis und neue Sicht auf ein Werk sich ergeben.


    Wie stellen sich die Tamino-Mitglieder im Jahr 2022 zu HIP oder Nicht-HIP?

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber moderato ich kann noch nicht umfassend Antwort geben. Ich habe auch keinen dogmatischen Standpunkt, weil es mir im Endeffekt um die Musik und nicht um ein Prinzip geht...


    Folgende Dinge sind mir aufgefallen


    1. Für HIP Musik benötige ich wenn OPI dazukommt schon eine gewisse Menge an Hörzeit, weil zuerst natürlich das Ohr unweigerlich auf die Mechanik gelenkt wird, die so ganz anders klingt, als man es gewohnt ist . Dann gibt es aber manchmal Erleuchtungen, wie zum Beispiel bei der Einspielung der mozartschen Violinsonaten durch Rachel Podger und Gary Cooper



    Nach etwa so ein bis zwei Sonaten entwickelt sich dann für das Ohr im Spiel der beiden ein unglaublicher Reiz der Musik, den ich selbst in den besten Einspielungen mit modernen Instrumenten nicht wahrgenommen habe. Das hatte mal so einen Sog, dass ich mir fast die ganze Box am Stück anhörte ... :)


    Werden die anderen Einspielungen dadurch obsolet? Für mich nicht.


    Es gibt auch schon mal den Effekt, dass mich ein Hammerflügel so nervt, dass ich trotz wahrscheinlich guten Spieles nicht weiterkomme. So geschehen bei Haydn Klaviertrios in der Version



    Mehrfach begonnen. Immer wieder abgebrochen. Hie genieße ich zum Beispiel die neuen Einspielungen vom Trio Gaspard



    Was ich allerdings zu bemerken glaube, ist, dass auch die neuen Einspielungen auf modernen Instrumenten etwas HIP sind. Wenn ich zum Beispiel das Trio Gaspard mit dem Beaux Arts Trio vergleiche, fällt schon eine klanglich sehr differenzierte Spielweise im Vergleich zu der älteren Truppe auf. Während die "Schönen Künstler" durchaus mal homophonen Tutti-Klang anstreben, wird das bei den Gaspards anders gehandhabt. Hier hat sich die "Mode" durch das HIPpe Spiel schon geändert. Mozart wird heute nur noch mit Kammerorchestern aufgeführt, was ich als Gewinn empfinde, weil ich jederzeit die Einzelinstrumente schön heraushören kann.


    Also gibt es für mich keine einfache Antwort. Ich finde das moderne Musizieren der alten Klassiker heute schöner als der doch ziemliche breite Orchesterklang, der noch vor fünfzig oder sechzig Jahren Mode war. Bei den Instrumenten selbst hängt doch vieles vom Funktionieren der Mechanik ab. Wenn ich durch Schnarren und Scheppern von der Musik abgelenkt werde, stört mich das schon ....

  • Vor Jahren habe ich alle Haydn-Sinfonien gehört, jede durchaus mehrmals. Die Hogwood-Aufnahme ging nur bis 88, aber danach gab es sehr viele Aufnahmen von anderen Ensembles. Es gab damals hier ein paar kleinere Kontroversen mit Kollegen, die auf Haydn mit Furtwängler, Klemperer usw. nicht verzichten wollten, was ja legitim ist. Aber ich habe immer eingewendet, dass Haydns Sinfonien mit großem Sinfonieorchester unter Bearbeitungen zu rechnen sind. In den letzten Jahren gab es eine Wende, indem Dirigenten sich dem HIP-Stil annäherten, durchaus auch mit modernen Instrumenten, aber mit einer anderen Spielweise und mit viel kleineren Orchestern. So hat das Jonathan Darlington vor Jahren in Duisburg gemacht, Simon Rattle in Luzern in einem Haydn-Pasticcio mit seinen Berlinern. Reinhard Goebel, der selbst nicht mehr Geige spielen kann, reist schon mal durch Deutschland und nimmt mit "normalen" Sinfonieorchestern alte Musik auf (etwa Johann Christian Bach).

    Eine Reihe von Dirigenten sind in der Alten Musik gestartet und haben sich dann in der Literatur "nach vorne" gearbeitet, wie Herreweghe, Gardiner, Savall und andere.

    Es gibt auch das Gegenteil. So hat z.B. Roger Norrington mit dem SWR-Sinfonieorchester Bruckner aufgenommen. Ich habe eine davon, die 3., aber das ist nicht gelungen. Ich glaube, die Ablehnung hier war ziemlich deutlich.

    Der große Konflikt hier im Forum ist seit langer Zeit die Frage nach Weihnachtsoratorium und den Bach-Passionen. Es gibt hier viele Liebhaber dieser Aufnahmen unter Karl Richter, was ja in Ordnung ist; sie meinen aber auch, dass das der gültige Maßstab sei. Bach und ein Sinfonieorchester mit 100 Musikern, dazu ein Chor mit 120, alles Laien (was man zu gut hört, ich jedenfalls), dazu Opernsänger als Solisten, die die Arien wie Opernarien singen? Wer Spaß an einem handfesten Konflikt hat, sollte dort nachlesen. Inzwischen sind wir ja etwas ruhiger geworden. Grundsätzlich geht es mir nicht darum, die alten Aufnahmen madig zu machen. Ich habe auch ein paar alte Schätze, die man so heute nicht mehr hört.

    Es gibt einen Bereich, der unbestritten ist. Das ist die Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts, also Palestrina, Josquin, di Lasso, Victoria usw. Vor einer Generation, also vor vielen Jahren, habe ich mir einmal Schallplatten mit einer Messe von Josquin gekauft. Ich hatte damals von dieser Musik keine Ahnung, aber das, was ich da hörte, sollte mitreißende Musik sein? Ob Knabenchor oder normaler Chor, sogar die "Sixtinische Kapelle", was da geboten war, war musikalischer Kartoffelbrei. Erst viel später, mit meinem Eintritt in das Essener Vokalensemble, lernte ich diese Musik richtig kennen - durch Selbersingen (die "Missa Papae Marcelli" von Palestrina), wozu ich eine Zeit brauchte. Fasziniert war ich vor allem von der Eigenart dieser Musik, dass alle Stimmen gleichwertig sind. Normalerweise sind Chorwerke sopranlastig, die anderen liefern dazu den Untergrund. Vor allem für Männerstimmen ist die Polyphonie eine große Herausforderung. Die Noten lernt man schnell, aber man darf nicht rauskommen, dann ist der Zug abgefahren.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Hallo!


    HIP ist für mich normal. Nicht-HIP dagegen ist entweder ein musikhistorisches Beispiel für eine bestimmte Art, Musik zu spielen oder eine Notlösung mangels HIP. Eine Ausnahme bildet Kammermusik, da hier eindeutig mehr auf die Interpretation, als auf die Instrumente ankommt.

    Leider ist aber nicht alles in Sachen HIP so gut erschlossen wie das 17. und 18. Jhd., wobei mich das zur Zeit auf Grund meiner Hörgewohnheiten nicht trifft, höre ich doch primär Barockopern und Musik des 20. Jhdt. aufwärts.


    John Doe

  • Es ist leider nicht damit abgetan zu sagen ""HIP oder nicht HIP" , denn da hängt ein langer Schwanz dran!

    Zusätzlich ist zu klären OPI odef OMI!


    Zitat von moderato

    Das Spiel auf Darmsaiten ist für Streicher wieder möglich geworden.


    Es ist mir klar, dass die Instrumente sich weiter entwickelt haben,

    Voraussetzung , hierzu muss man natürlich auch Spieler haben die diese Intrumente beherrchen, genauso wie Sänger die dieses singen beherrschen.

    Das alles ist HEUTE doch in großem Maße wieder gegeben, Gottseidank!


    Ich glaube das haben wir den Leuten zu verdanken, die sich um die sog. Alte Musik gekümmert habe, richtig angefangen hat das mit Harnoncourt und einigen anderen! Ich persönlich was von Anfang an begeistert und war ganz begierig nach neuen Aufnahmen, heute gibt es Dirigenten die sich ganz dieser Aufführungspraxis verschrieben haben, und bei denen hört man wie enorm sich dies alles weiterentwickelt hat.

    Dr.Pingel hat es ja schon betont, wie das mit dem SINGEN ist, in zurück liegenden Zeiten hat man einfach vieles gesungen wie Opernarien, da muss man noch garnicht soweit zurückgreifen, dies kann man an unzähligen Einspielungen nachhören.

    Und was hat man auf einmal Komponisten wiederentdeckt, die einem die reinste Erfüllung bringen, eben mit diesen gut geschulten Sängern die sich auf Alte Musik spezialisiert haben!

    Ein Beispiel, da ich mich ja viel mit Monteverdi beschäftige, an Aufnahmen über L'Orfeo kann man diese Entwicklung sehr gut verfolgen und nachvollziehen!


    Leider ist dies alles bei SEHR vielen Usern hier im Forum noch nicht angekommen, naja, ich habe immer so das Gefühl weil man es auch gar nicht will, es tut doch ziemlich weh wenn man so ein bisschen mehr oder weniger an den alten Zöpfen herumschneidet!

    Äaaaaber jedem das seine!

    Ein Fazit von mir: ich jedenfalls freue mich immer neues!



    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • Mein Verhältnis zu HIP ist doch sehr gespalten. Warum soll ich als Hörer des 20./21. Jahrhunderts Musik so hören, wie sie vor 200 Jahren bei der Aufführung geklungen hat? Das ist interessant erst einmal nur für Wissenschaftler, aber für mich als Musikliebhaber bleibt es irrelevant - es sei denn... ^^ Letztlich ist nicht das Historische entscheidend, sondern die Ästhetik. HIP ist ein Gewinn gewesen, weil durch den romantischen integralen Orchesterklang der sprechende Charakter der Musik des 18. Jhd. kaum noch präsent war. Da wurde vieles zugekleistert nach einem falsch verstandenen Ideal des "Erhabenen" mit riesigen Orchesterbesetzungen. Die Wiederentdeckung der Rhetorik halte ich für essentiell. Mit dem durchsichtigen Orchesterklang habe ich keinerlei Probleme, im Gegenteil - nicht zuletzt bedingt durch Neue Musik und Komponisten, die zugleich Dirigenten wurden wie Pierre Boulez, an deren Ästhetik ich von Jugend an gewöhnt bin, bevorzuge ich ihn ohnehin. Was ich gar nicht mag, selbst bei einem Harnoncourt, dessen musikalisches Niveau über jeden Zweifel erhaben ist, ist diese Hippomanie, dass eine Beethoven-Symphonie nur kracht und poltert, als wäre es die Feuerwerksmusik von Händel. Das ist letztlich ein historisch-ästhetischer Irrtum. Beethoven und Mozart sind keine Barockmusik, gehören in das Zeitalter der Empfindsamkeit, das in die Romantik weist, und da sind die groben Affekte nicht mehr angebracht. Novalis: "Poesie soll keine Affekte machen, Affekte sind so etwas wie Krankheiten!" HIP, was nur Affekte macht, ist für mich deshalb eine musikalische Krankheit. ^^ Beim Hammerklavier denke ich wie Alfred Brendel. In diesem Leben werde ich mich damit nicht mehr anfreunden, gerade weil das Klavier das Instrument ist, das ich liebe. Hammerklaviere wie der Name schon sagt klingen nicht, sie hämmern. Man hört mehr Holz als Ton und muss dann krampfhaft den schönen Ton erahnen. Ich hätte deshalb auch nicht die geringste Lust, diese klanglich mirkigen Dinger zu spielen - die im besten Fälle auch nur grobe Affekte machen mit einem unproportionalen Bass nach Art einer übertreibenden Stummfilmbegleitung. Historisch ist hier HIP auch im Unrecht. Paul Bekker hatte Recht: Beethoven komponierte seinen Klang als "Idee", nicht für bestimmte Instrumente. Ohne Zweifel hat HIP einen großen sehr positiven Einfluss auch auf das klassisch-romantische Orchester gehabt - wie hörbar beim vorzüglichen Orchestra Mozart, das Abbado gegründet hat. HIP in dieser "uneigentlichen" Form finde ich eine Bereicherung.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Hammerklaviere wie der Name schon sagt klingen nicht, sie hämmern. Man hört mehr Holz als Ton und muss dann krampfhaft den schönen Ton erahnen.

    Was ist das denn für ein Blödsinn, da muss sich mal der sonst so gebildete Dr.Kaletha besser informieren! :pfeif:

    Auch würde ich sagen, dass er noch nie ein schönes Fortepiano gehört hat, wie es ja woh auchl aus seinem Beitrag hervorgeht.


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Was ist das denn für ein Blödsinn, da muss sich mal der sonst so gebildete Dr.Kaletha besser informieren! :pfeif:

    Auch würde ich sagen, dass er noch nie ein schönes Fortepiano gehört hat, wie es ja woh auchl aus seinem Beitrag hervorgeht.

    Das ist mir tatsächlich gelungen - brav in die Falle getappt! :D Das ist natürlich eine nicht ganz Ernst gemeinte Karrikatur! Klar gibt es schöne und schön klingende alte Instrumente! Nur nervt mich bei HIP die Apologetik, dass angeblich Mozart, Beethoven, Schumann nur auf diesen historischen Instrumenten "richtig" klingt. Tabu ist dann darauf hinzuweisen, dass im Unterschied zu Streichinstrumenten die Entwicklung im Klavierbau eben noch längst nicht abgeschlossen war. Diese Instrumente haben nun mal ihre konstruktiven Mängel. Das zu bestreiten, ist lächerlich. Wirklich interessant weil nicht nur historisch, sondern ästhetisch relevant ist der Unterschied von paralleler und überkreuzender Besaitung. Deswegen ist Barenboims Maene-Flügel so toll, weil er eine Synthese aus der Klangästhetik des Hammerklaviers und den Vorzügen des modernen Konzertflügels darstellt.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Für aktiv ausführende Musiker stellt sich die Frage sehr wohl. Keiner kommt umhin, zumindest in Bezug auf Phrasierung sich an HIP'en Errungenschaften zu orientieren, egal ob man OPI musiziert oder nicht. Gilt für Sänger und Sängerinnen natürlich auch. Inwieweit da jeder geht, bestimmt auch ein Stückweit das Können bzw. wie tief man sich damit auseinandergesetzt hat.


    Für meinen Hörgenuss zu Hause spielt es überhaupt keine Rolle. Ich bin Anhänger beider Lager, HIP oder Nicht-HIP.

    Mal liebe ich zum Beispiel die Matthäus-Passion unter Gardiner oder Jacobs, mal liebe ich sie unter Klemperer oder Jochum.


    Das Gehörte muss mich ansprechen, da gibt es keine Regeln.

    Alles kann, nichts muss.

  • Für die Musik des Barock und früherer Epochen ist das für mich überhaupt keine Frage: HIP und OPI sind da ein Muss. Ich hatte das Glück, diese Musik schon in Aufnahmen von Ensembles wie dem English Concert (Pinnock), den English Baroque Soloists (Gardiner) oder der Academy of Ancient Music (Hogwood) kennenzulernen, und etwas anderes als HIP ist da für mich nicht erträglich. Auch Haydn und Mozart höre ich am liebsten in HIP und OPI, bin da aber auch offen für Darbietungen auf modernen Instrumenten von nicht auf HIP spezialisierten Orchestern. Wobei es heute wohl keine Interpreten mehr gibt, die völlig ignorant gegenüber den Forschungsergebnissen sind, die uns zu den historischen Aufführungspraktiken vorliegen. Was mich in den letzten Jahren immer wieder verblüfft und begeistert hat, sind HIP- und OPI-Aufnahmen von Stücken des frühen 20. Jahrhunderts. Dass Stücke wie Ravels "Bolero" (Immerseel) oder "Bilder einer Ausstellung" (Roth) in diesen Aufnahmen so ganz anders klingen als man es gewohnt war, hätte ich nicht für möglich gehalten.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Was ist OPI? Ist OPI hip oder nicht? Die Opis, die ich kenne, mich eingeschlossen, sind durchaus nicht mehr hip. Gilt für OMIs auch.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich bevorzuge "HIP" bis zur Wiener Klassik, dann eher moderne Instrumente. Ich könnte aber mit etlichen mir bekannten "Prä-HIP"-Aufnahmen mit modernen Instrumenten ziemlich gut leben, zB Leppards Bach-Konzerte und -suiten. (Manches geht aber sehr schlecht, zB moderne Flöte + ahistorischem Cembalo)

    Und Bachs "Clavierwerke" bevorzuge ich meistens auf dem modernen Klavier, andere Barockmusik eher auf dem Cembalo; Clavichord klingt für mich auf Aufnahmen meistens furchtbar, sehr schön dagegen (manchmal) Virginal oder Lautenclavier.


    Das "Hammerklavier" des späten 18. u. frühen 19. Jhds. ist m.E. ein problematisches Instrument, das eher für Solo- und Kammermusik geeignet ist. Ich habe Aufnahmen von Mozarts Klavierquartetten o.ä. gehört, wo man den Eindruck hat, der Pianist muss permanent "voll reinhauen", aber es kommt nicht mehr als mf und ganze drei Streicher drohen das Tasteninstrument (das hauptsächlich wegen des perkussiven und "scharfen" Klangs durchdringt) untergehen zu lassen. (Dagegen scheint mir eine Legende, dass bei Kammermusik der Klassik auf modernen Instrumenten das Klavier alles "erschlägt"; ich habe nicht genügend Konzerte mit alten Instrumenten gehört, aber mit modernen und das war nie der Fall.) Die eher kammermusikalischen Mozart-Konzerte gehen zur Not, aber die "groß" besetzten wie die Mollkonzerte, KV 467, 482, 503 eher nicht mehr.

    (Auf CD habe ich dennoch alle Mozartkonzerte, die wesentliche Kammermusik mit Klavier von Mozart, Haydn, Beethoven, teils auch von Schubert u.a. Komponisten des frühen 19. Jhds. in Aufnahmen mit histor. Instrumenten, da ich den Zugang a) interessant finde und b) mir viele davon eher *trotz" als wegen des histor. Tasteninstruments sehr gut gefallen.


    M.E. spricht auch die relativ zügige Entwicklung des Hammerklaviers zwischen ca. 1780 u. 1830 (wohingegen Cembali von 1650 problemlos für 100 Jahre spätere Musik einsetzbar sind) dafür, dass die Musiker eben gerade nicht mit den vorhandenen Instrumenten "vollauf zufrieden" waren. Und soweit ich sehe, ging diese Entwicklung praktisch immer in eine Richtung: lauter, tragfähiger und gleichmäßiger (dynamisch und klangfarblich) in den Registern, eben bis zum modernen Konzertflügel. Damit will ich natürlich nicht bestreiten, dass es manche klanglichen Möglichkeiten gab, die bei späteren Instrumenten so nicht mehr möglich waren (für Details kenne ich mich zu schlecht mit Klavierspielen und -technik aus), aber die historische Entwicklung zeigt eben, dass das letztlich den o.g. Vorzügen untergeordnet wurde.


    Bei Streichern ist es mir ziemlich egal (außer bei so etwas wie Gamben-Consort, das es fast nur "HIP" gibt) bei (Holz)bläsern kommt es drauf an. Hier sind für mich die besonderen Klangfarben oft ein Bonus. Das Argument der historischen Weiterentwicklung gilt hier allerdings fast genauso. Ebenfalls waren den Musikern und Instrumentenbauern anscheinend Intonationssicherheit, chromatische Spielbarkeit, Gleichmäßigkeit etc. wichtiger als angeblich besondere Klangcharakteristika, die minimiert wurden oder verschwanden (wobei besonders Klarinette und Fagott, aber auch andere Bläser, auch in der heutigen Form noch klanglich distinkte "Register" besitzen). Mit der viel leichteren Spielbarkeit muss man sich als Hörer ja nicht rumschlagen...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was ist OPI? Ist OPI hip oder nicht? Die Opis, die ich kenne, mich eingeschlossen, sind durchaus nicht mehr hip. Gilt für OMIs auch.

    Aber aber lieber Dr.Pingel! ;)


    opi - on period instruments

    omi - on modern instruments


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Die sog. historisch informierte Aufführungspraxis (HIP) hat unstrittig wichtige Erkenntnis und Ansätze geliefert. Manche Interpreten wie etwa Frans Brüggen verstanden es, HIP auch für Anhänger der Nicht-HIP-Fraktion anhörbar zu machen, indem nicht übereifrig und auf Gedeih und Verderb alles dem vermeintlichen historischen Originalklang unterworfen wurde, den im Endeffekt niemand mit absoluter Sicherheit kennt. Im Repertoire der Alten Musik hat HIP seine am wenigsten bestrittene Berechtigung. Das ändert sich nach landläufiger Ansicht zunehmend ab der Wiener Klassik und insbesondere ab der Romantik. Persönlich bin ich die letzten Jahre über auch in der Barockmusik wieder zu meinen in früher Jugend bevorzugten Interpreten wie Günther Ramin, Karl Richter und Helmut Koch, aber durchaus auch Leonard Bernstein, den ich auf diesem Gebiet für völlig zu Unrecht ins Hintertreffen geraten halte, zurückgekehrt. Die geistige Durchdringung zahlreicher Bach- und Händel-Werke erscheint mir bei diesen und anderen Interpreten, die noch im Geiste der Spätromantik herangingen, unerreicht. Dass diese Auffassung unter ausführenden Musikern heutzutage als nicht mehr vertretbar erscheint, ist mir wohl bekannt. Ab und an höre ich auch heute durchaus eine HIP-Aufnahme mit Gewinn, bewundere die Kompaktheit und Präzision der professionellen Ausführung. Aber irgendetwas fehlt mir dann doch, als dass es allein seligmachend würde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich könnte mir vorstellen, dass mein neuer Orfeo von Monteverdi Non OPI und non HIP eine Katastrophe sein könnte, weil die Musik ihre Sinnhaftigkeit verlöre. Bei Klaviermusik der Romantik sehe das allerdings auch gespalten ....

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  • Ich könnte mir vorstellen, dass mein neuer Orfeo von Monteverdi Non OPI und non HIP eine Katastrophe sein könnte, weil die Musik ihre Sinnhaftigkeit verlöre.

    Kennengelernt habe ich diese Oper mit der seinerzeit neuen und sicherlich guten Einspielung unter Emmanuelle Haïm, die eindeutig unter HIP liefe. Meine liebste Aufnahme ist heute indes diejenige unter Jürgen Jürgens (Archiv Produktion), wobei ich mich frage, wie diese eingeordnet würde. War das nicht seinerzeit (1973) durchaus auch schon HIP-artig? Und spielte die Camerata Accademica Hamburg auf "alten" oder modernen Instrumenten?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kennengelernt habe ich diese Oper mit der seinerzeit neuen und sicherlich guten Einspielung unter Emmanuelle Haïm, die eindeutig unter HIP liefe. Meine liebste Aufnahme ist heute indes diejenige unter Jürgen Jürgens (Archiv Produktion), wobei ich mich frage, wie diese eingeordnet würde. War das nicht seinerzeit (1973) durchaus auch schon HIP-artig? Und spielte die Camerata Accademica Hamburg auf "alten" oder modernen Instrumenten?

    Zitat von Wiener Zeitung vom 24.09.2008

    1974 spielte Jürgen Jürgens eine der ersten Aufnahmen von Claudio Monteverdis "LOrfeo" ein, die sich mit der sogenannten originalen Aufführungspraxis auseinandersetzten. Obwohl man mittlerweile Manches besser weiß und Jürgens Lesarten stellenweise überholt sind, entfaltet diese Einspielung sehr viel Kraft. Wahrscheinlich, weil alle Mitwirkenden vom Kampf um das damals noch keineswegs zum Standardrepertoire gehörende Werk getrieben sind. Und Nigel Rogers als Orfeo wird darüber hinaus auch modernen Ansprüchen

    Über das Instrumentarium habe ich nichts gefunden, könnte mir vorstellen, dass das damals noch nicht so relevant war!


    (Nigel Rogers war für lange Zeit DER Orfeo!)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ab und an höre ich auch heute durchaus eine HIP-Aufnahme mit Gewinn, bewundere die Kompaktheit und Präzision der professionellen Ausführung. Aber irgendetwas fehlt mir dann doch, als dass es allein seligmachend würde.

    Das ist finde ich auch ein entscheidender Punkt. Im Falle von HIP steht die Frage der verwendeten Instrumente im Vordergrund - die Interpretationen und die damit zusammenhängende geistige Auseinandersetzung des Interpreten mit den Werken werden dann fast kaum noch wahrgenommen. Das ist einfach eine Verzerrung. Es interessiert nur noch, ob auf den "richtigen" Instrumenten gespielt wird und bahnbrechende interpretatorische Leistungen eines Bernstein, Svjatoslav Richter usw. spielen so gut wie keine Rolle mehr. Solche HIPomanie unterscheidet sich letztlich nicht viel von den Hifi-Freaks, die eine Aufnahme nicht kaufen wegen ihrer musikalischen Qualität, sondern wegen der ach so tollen Telarc-Aufnahmetechnik.


    Und mit der "Richtigkeit" ist es so eine Sache. Gustav Mahler hat Schumanns Symphonien neu instrumentiert und da eine Bläserstimme wieder so gesetzt, wie Schumann es ursprünglich wollte, es aber wegen der damals ihm nur zur Verfügung stehenden Instrumente nicht konnte. D.h. der Komponist konnte seine Vorstellung nicht adäquat umsetzten - das geht nur auf dem modernen Instrument.


    Ein Mythos von HIPomanen ist auch, dass die bautechnische Entwicklung des Klaviers bis heute nur den Sinn gehabt hätte, dass die Instrumente durchsetzungsfähiger werden sollten in großen Konzertsälen. Damit wird unterstellt, dass ein Hammerflügel im kleinen Raum gespielt ein vollständig ausgereiftes Instrument wäre. Bei einem Cembalo kann man das mit Fug und Recht behaupten, bei einem Klavier aber nicht. Johannes Roehl hat darauf hingweisen - es mangelt diesen Instrumenten an Ausgewogenheit. Zumal man auch nicht vergessen darf, dass die Spezialisten heute alle auf Nachbauten spielen, die so original auch nicht sind, wie sie vorgeben. Denn dann dürften sie nicht mit heute üblichen belastungsfähigen Stahlsaiten bestückt sein, sondern mit dem Material von 1800 oder 1820.


    Die Hammerklavier-Spezialisten sind natürlich Könner auf ihrem Instrument, welche diese Instrumente von ihrer stärksten Seite präsentieren können und ihre Schwächen so gut wie möglich verdecken. So greifen sie zu kreativen Lösungen. Da sind wir beim Thema Ausgewogenheit: Eine ganz große Schwäche dieser Instrumente ist, dass sie im Piano und Pianissimo keinen tragfähigen Ton produzieren können. Das liegt nicht zuletzt am sogenannten Soustain-Effekt - wo ein moderner Flügel einfach sehr deutlich überlegen ist. Ein Beispiel dafür: das lyrische Intermezzo aus dem Trauermarsch von Chopins Klaviersonate op. 35. Oleiniczak weiß natürlich, dass bei seinem Hammerflügel die Melodie im Pianissimo nicht tragfähig ist. Also kehrt er die Stimmenhierarchie dieses homophonen Satzes einfach um und zieht den klanglichen Vorteil aus der Basslastigkeit des Instruments. Das hört sich auch sehr gut an - widerspricht aber schlicht der Notierung im Notentext. Damit steht zumindest eines fest: Die These von HIPomanen, dass sich die Vorstellungen des Komponisten 1:1 nur auf einem historischen Instrument realisieren ließen, ist damit eindeutig widerlegt.


    Positiv ist zu vermerken: Die alten Instrumente hatten eine doch viel größere klangliche Diversität - ähnlich wie das bei Orgeln und Cembali der Fall ist. Da kann man schon etwas wehmütig werden angesichts der Monokultur von Steinway-Einheitsklang heute. Wenn man z.B. Edvard Griegs Steinway aus dem Jahr 1900 hört, dann klingt er viel dunkler und farbiger als die meisten auf Lautstärke und Helligkeit getrimmten Konzertinstrumente heute. Mein Klavier, auf dem ich während meiner Schüler- und Studentenzeit übte, ist ein Schimmel-Klavier aus den 50iger Jahren, was einen wirklich sehr schönen Klang hat. Als ich mal die Gelegenheit hatte, ein neues Schimmel-Klavier anzuspielen, war ich total enttäuscht: Es klang nur noch laut und hell. Meinem Klavierbauer, der dabei ist, mein Instrument wieder spieltüchtig zu machen, erzählte ich das kürzlich. Er meinte nur: Das liegt daran, weil Schimmel von den Chinesen gekauft wurde - und die wollen den Klang genau so haben! Auffallend ist auch der Krampf vieler Hersteller, um jeden Preis den Steinway-Klang imitieren zu wollen, weil sie fälschlich meinen, nur so konkurrenzfähig zu sein. Auf der Flügel-Messe in Frankfurt konnte ich das nachvollziehen - nur wenige Hersteller bleiben da sich selber treu wie August Förster mit seinem dunkel-altdeutschen Klang. Leider - ich weiß das sehr konkret - sind viele Musikschulen und öffentliche Institutionen kaum zu bewegen, wenn sie das Geld haben, daran zu denken, mal einen anderen Flügel als den obligatorischen Steinway zu kaufen. Da könnte sich noch einiges Tun. Positiv ist jedenfalls, dass Chris Maene seinen Flügel inzwischen in Serie baut. Die Geschichte ist kein linearer Fortschrittsprozess. Die Entwicklung im Klavierbau hat viele positive Seiten, aber es wurden auch viele interessante alternative Möglichkeiten einfach aufgegeben. Insofern finde ich die Auseinandersetzung mit HIP produktiv. Sie sollte vor allem die Klavierbauer inspirieren. Nur leider gehört auch das Käuferverhalten dazu. Wenn keine oder nur kaum Bereitschaft da ist, ein vom Steinway Eineitssound abweichenes Instrument zu kaufen, wird sich da nicht viel tun. Selbst Bösendorfer baut inzwischen Instumente mit Duplex-Skala, um die Steinway-Kunden abzuwerben. Ich finde, dass dies eher nicht der richtige Weg ist.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Danke! MN KNN NCHT LLS WSSN!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Im Falle von HIP steht die Frage der verwendeten Instrumente im Vordergrund - die Interpretationen und die damit zusammenhängende geistige Auseinandersetzung des Interpreten mit den Werken werden dann fast kaum noch wahrgenommen. Das ist einfach eine Verzerrung. Es interessiert nur noch, ob auf den "richtigen" Instrumenten gespielt wird und bahnbrechende interpretatorische Leistungen eines Bernstein, Svjatoslav Richter usw. spielen so gut wie keine Rolle mehr.

    Diese Behauptung wäre erst einmal zu belegen. Ich glaube nicht, dass man Interpreten wie Nikolaus Harnoncourt, Frans Brüggen, Philippe Herreweghe oder Jordi Savall absprechen kann, sich geistig mit den von ihnen aufgeführten Werken auseinanderzusetzen oder auseinandergesetzt zu haben (um nur mal einige der Wegbereiter der HIP zu nennen). Und ob in den Besprechungen ihrer Aufführungen und Einspielungen die Interpretation keine Rolle spielt, wage ich auch zu bezweifeln. Was mich betrifft, so finde ich keineswegs alles gut, nur weil es HIP ist. Die damals so gehypte Gardiner-Einspielung aller Beethoven-Symphonien fand ich zum Beispiel total öde.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Diese Behauptung wäre erst einmal zu belegen. Ich glaube nicht, dass man Interpreten wie Nikolaus Harnoncourt, Frans Brüggen, Philippe Herreweghe oder Jordi Savall absprechen kann, sich geistig mit den von ihnen aufgeführten Werken auseinanderzusetzen oder auseinandergesetzt zu haben (um nur mal einige der Wegbereiter der HIP zu nennen).

    Das hat auch Niemand gemacht. Es geht um die Hörer. Da gibt es Anhänger von HIP, die eine Aufnahme aussuchen primär weil es HIP ist und nicht wegen des Künstlers. Denn die künstlerische Qualität an sich hat nichts mit HIP oder NON-HIP zu tun. ;)

  • Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Das hat auch Niemand gemacht. Es geht um die Hörer. Da gibt es Anhänger von HIP, die eine Aufnahme aussuchen primär weil es HIP ist und nicht wegen des Künstlers. Denn die künstlerische Qualität an sich hat nichts mit HIP oder NON-HIP zu tun

    Du hängst dich jetzt nur am Fortepiano auf, aber es gibt doch soviele Facetten bei HIP, und ja, selbstverständlich suche ich mir HEUTE das aus was ich will, und das tue ich auch im wesentlichen weil es HIP ist! ( aber wie schon gesagt, alles gefällt mir auch nicht)

    Die künstlerische Qualität hat in meinen Ohren schon was mit HIP oder NON HIP zu tun, denn es wird z.B.bei Schubert Liedern zum Fortepiano schon ganz anders gesungen, und das kann eben nicht jeder und bei Alter Musik fällt das noch viel mehr ins Gewicht, aber das hatte ich ja schon ausgeführt!


    Du eierst hierum, sag doch einfach mir gefällt das nicht und Basta!

    Zitat von Dr. Holger Kaletha

    bahnbrechende interpretatorische Leistungen eines Bernstein, Svjatoslav Richter usw. spielen so gut wie keine Rolle mehr.

    Nur mal ein kurzes Beispiel, sollte ich mir jemals wieder Bernsteins Messiah* ganz anhören, dann nur unter Zwang und Folter, das zu bahnbrechenden Interpretationen! :( ;)

    *Er steht noch im Regal, aber nur weil ich ab und an mir Russel Oberlin anhören will!

    Aber........ >Tempi passati<!

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Du eierst hierum, sag doch einfach mir gefällt das nicht und Basta!

    Lieber Fiesco,


    dann mache ich es jetzt anders als Holger und eiere nicht herum: Mir gefällt, von verschwindend geringen Ausnahmen abgesehen, nichts, was mit HIP zu tun hat. Für mich klingt das meiste wie Musik aus dem Telefonhörer, und so etwas tue ich mir nur an, wenn es sich um wirklich bahnbrechende Aufnahmen aus der Vorkriegszeit handelt. Und selbst da gibt es Grenzen: Ich lasse das nur für Opern bzw. hauptsächlich Sänger-Recitals gelten, nicht für sinfonische Musik und auch nicht für große Chorwerke, wie z.B. Beethovens Missa solemnis.


    Bernsteins "Messiah" kenne ich nicht, aber ich liebe eine alte Aufnahme, die für HIP-Freunde ganz sicher ein "rotes Tuch" ist:


    Allein das Solistenquartett ist ein wahrer Traum.


    Nichts für ungut!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Denn die künstlerische Qualität an sich hat nichts mit HIP oder NON-HIP zu tun.

    Doch, hat sie. Bei HIP geht es ja nicht (nur) um die Instrumente, sondern u.a. auch um Tempi, Dynamik, Spieltechniken (z.B. Verzicht auf Vibrato), die Größe von Orchestern und Chören, bei Gesangswerken die Besetzung der Stimmen u.v.m. Das alles sind künstlerische Entscheidungen. Und auch die Entscheidung, ein Werk mit originalgetreuen Instrumenten aufzuführen, ist eine künstlerische, denn diese Instrumente klingen anders, erlauben andere Spieltechniken etc. - auch das ist eine Interpretation des Werks.



    Nur mal ein kurzes Beispiel, sollte ich mir jemals wieder Bernsteins Messiah* ganz anhören, dann nur unter Zwang und Folter, das zu bahnbrechenden Interpretationen! :( ;)

    Selbst ich als Verehrer von Bernstein würde mir das nicht antun. ^^ Ich liebe seine Beethoven-Aufnahmen und schätze auch seinen Haydn und Mozart, auch wenn ich da lieber zu Harnoncourt & Co. greife. Aber der "Messiah" geht gar nicht. Und das ist ihm ebenso wie anderen Interpreten dieser Zeit nicht mal zum Vorwurf zu machen, denn sie wussten es nicht besser.

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  • Es gibt unstreitig unter den alten Aufnahmen die eine oder andere, die hörenswert ist. Klemps h-moll-Messe, Boults "Messias" oder einiges von Karl Münchinger (eine Art Prot-HIP, wie Johannes Röhl das einmal bezeichnete).


    Indes, alles von Bach an abwärts Richtung Gregorianik ist anders als HIP nicht genießbar. Da hatte ich ähnliche Erlebnisse wie Dr. Pingel: Palestrina oder Monteverdi in älteren "uninformierten" Aufnahmen vollends ungenießbar. Karajan und Bach, da grausts die Maus. Nun ist HIP nicht über Nacht gekommen. Und man darf nicht übersehen, dass diese Bewegung -auch die Alte Musik Bewegung- ein enormes, zuvor nicht oder kaum gekanntes Repertoire erschlossen haben. Dass die sich auch an Aufführungen der Großen machen und dabei die ganzen Übertünchungen und Überpinselungen entfernen, um sich mit dem Geist der Noten zu befassen, wen wundert's.


    Ich will's mal mit einem Vergleich sagen: als HiFi-Freund lässt man seine feinen Geräte in der O-Position spielen (die richtig Guten haben überhaupt keine Bass- oder Höhenregler). Das wäre dann HIP. Moderne Aufnahmen wie die von Karjan (ich bin jetzt bei Bach z.B.) habe einen fetten Equalizer dazwischen geklemmt. Finde ich weder witzig noch klingt das gut. Und dann noch diese unbeweglichen Monsterchöre bei Werken, bei denen Ensembles in ursprünglich gedachter Größe und entsprechender Ausbildung erheblich schlanker und beweglicher sind. Dass es in der Frühzeit der Bewegung und auch heute noch auch sehr schwache Aufnahmen (alle KKs von Ludwig van Beethoven mit Schonderwoed) gibt, geschenkt. Zwiegespalten bin ich bei den Klavieren. Die Instrumente der Beethovenzeit und früher waren schon eine Zumutung und den hochentwickelten Cembalos deutlich unterlegen. Aber spätestens bei Orchesteraufnahmen mit Fortepiano wird's wieder heikel: die vorgeschriebenen Ensembles waren der Lautstärke dieser Instrumente angepasst. Da greife ich dann doch verschämt zu den Aufnahmen von Kempff, Backhaus oder Rubinstein. Bei Bach indes fällt es mir schwer, brauchbare Aufnahmen der für Klavier transkribierten Cembalo-Konzerte zu finden. Bekannt wäre mir bislang keine.


    Plädoyer meinerseits: eindeutig HIP. Dient dem Werk.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Na, ich weiß nicht, damit würden pauschal sämtliche alten Bach-Aufnahmen der Thomaner als ungenießbar eingestuft. Und dabei ist hier der historisch korrekte Knabenchor im Einsatz. Wieso der in den meisten heutigen HIP-Darbietungen nicht eingesetzt wird, konnte mir noch kein Hardcore-HIP-Verfechter sinnvoll erklären. Dafür beharrt man auf historischem Instrumentarium, de facto oft nur nachgebaut und damit angenähert. Dagegen ist der Einsatz des Knabenchors astrein belegt und vergleichsweise problemlos reproduzierbar. Der frühe Harnoncourt machte es konsequent. Zumindest bei Bach gehört ein Knabenchor zur historisch informierten Aufführungspraxis.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Na, ich weiß nicht, damit würden pauschal sämtliche alten Bach-Aufnahmen der Thomaner als ungenießbar eingestuft.

    Wie ich schon sagte: es gibt auch bei den alten Aufnahmen das eine oder Andere Hörenswerte. Im Extrem sogar Furtwängler mit dem fünften Brandenburgischen mit ihm selbst am Flügel. Aber das sind Glückstreffer.


    Und dabei ist hier der historisch korrekte Knabenchor im Einsatz.

    Man muss sich halt manchmal behelfen. So richtig gute Kinderchöre (Kanbenchöre, wenn schon) sind ja wohl eher Mangelware. Auch fehlt es bei einzeln Rollen an Kastraten, leider. Auch wenn die Ausbildung im Counter-Bereicht gut vorangeschritten sind, hoffe ich doch bei dem ganzen Genderwahn derzeit, dass vielleicht doch der eine oder andere Bub vor Erreichen des Stimmbruchs.....


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Verglichen mit englischen Knabenchören sind die deutschen wirklich nur zweitklassig. Das gilt besonders für die Thomaner. Zu Weihnachten und zu Ostern waren sie ja zu sehen in den Bachschen Oratorien, angeführt von einem Chorleiter, Gotthold Schwarz, der einen Affentanz aufführte. Dann die Knaben: viel zu viele auf engem Raum, was bei Jungs immer Unruhe und Ablenkung heißt. Die älteren Knaben (Tenor, Bass): viel zu wenig und gelangweilt herumstehend und die Noten heruntersingend. Vor allem aber dies: die Knaben haben, etwa bei der Matthäuspassion, keinen Schimmer von dem, was sie da singen. Das sieht und hört man.

    nemorino zu Karl Richter. Der Schwachpunkt bei Richter sind vor allem die Chöre. Es sind immer Laienchöre und es sind zu viele und im Sopran sind zu viele ältere Damen. Das ist jetzt keine Abqualifizierung, sondern die Realität. Und ich billige mir zu, Laienchöre am Klang und an der Ausführung zu erkennen und sie mit professionellen Vokalensembles zu vergleichen.

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  • Verglichen mit englischen Knabenchören sind die deutschen wirklich nur zweitklassig. Das gilt besonders für die Thomaner.

    Zumindest früher waren die Thomaner gewiss nicht zweitklassig. Dies ist keine Verklärung, sondern in den Einspielungen von Karl Straube (1918-1939), Günther Ramin (1940-1956), Kurt Thomas (1957-1960), Erhard Mauersberger (1961-1972) und Hans-Joachim Rotzsch (1972-1991) glücklicherweise gut nachprüfbar dokumentiert. Einen gewissen qualitativen Rückgang kann man seither indes feststellen. Aber auch heutzutage gibt es mit dem Windsbacher Knabenchor ein ausgezeichnetes deutsches Gesangsensemble, wie ich meine.

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