Warum überlebt das Regietheater so lange ? - Versuch einer Analyse

  • Na, die musikalische Aufführungspraxis hat sich von einer "freieren" zu einer immer genauer an Partitur und historischer Aufführungspraxis orientierten hin entwickelt, in den letzten Jahrzehnten sogar mit Rekonstruktion historischer Instrumente und Spieltechniken.


    Die Theaterpraxis hat sich in der selben Zeit in die Gegenrichtung entwickelt, die Aufführung entfernt sich immer weiter von der historischen Art, die Stücke auf die Bühne zu bringen.

    Sorry für das Vollzitat - aber im konkreten Fall ist es notwendig.


    Dieser scheinbare Widerspruch löst sich schnell aauf - wenn man die MOTIVE betrachtetet


    Die "Klassikindustrie" hat erkannt, daß man etwas NEUES bieten muß wenn man die Megagewinne der 50er bis 70er Jahre weiter erzielen will.

    Und so kam es zu zwei anscheinend widersinnigen Trends. Nein - sie zielen nicht in verschieden Richtungen, sondern lediglich in EINE.Nämlich in Richtung GEWINNOPTIMIERUNG.

    Die Vermarktung Mozarts im Schlager- und Musicalbereich ist eine weitere Spielart davon....


    Unlängst wies jemand stolz darauf hin, daß etliche HIP Einspielungen geradezu modern wirken, verwandt mit heutiger Popmusik ...

    Das habe ich schon längst bemekrt, und das ist werder ein Zufall noch unbeabsichtigt .......

    Hier sind wieder die sogenannten "Kulturmanager" (allein das Wort erzeugt bei mit Brechreiz) am Werk....

    Die alles so hinbiegen wie es ihnen ins Marketingkonzept passr - und wenn wenn biegen nicht ausreicht - dann brechen sie es.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na, die musikalische Aufführungspraxis hat sich von einer "freieren" zu einer immer genauer an Partitur und historischer Aufführungspraxis orientierten hin entwickelt, in den letzten Jahrzehnten sogar mit Rekonstruktion historischer Instrumente und Spieltechniken.

    Ich meine gelesen zu haben, dass man nicht von einer historischen Aufführunmgspraxis spricht, sondern von einer historisch informierten. Selbstverständlich sollte man verstehen, wie bestimmte Werke damals geklungen haben mögen. Aber man müsste doch im Einzelfall abwägen, ob das zum Verständnis etwas bringt. Ich habe selbst Harnoncourt mal sagen hören, dass es nicht die Bohne interessiere, ein Stück historisch korrekt aufzuführen, es ginge ihm um das Stück.



    Die Theaterpraxis hat sich in der selben Zeit in die Gegenrichtung entwickelt, die Aufführung entfernt sich immer weiter von der historischen Art, die Stücke auf die Bühne zu bringen.

    Das scheint zu stimmen. Dieser Widerspruch ist auch schon mal aufgetaucht, dss man mit "vermeintlich" historischem Klang dem Stück näher komme und mit moderner Inszenierung auch .... Nun gibt es ja auch eine Fraktion, die das mit dem historischen Klang verneint aber die Inszenierung gerade so haben will ... Alles seltsam.


    Ich neige immer mehr dazu, aus den Dingen keine Prinzipienreiterei zu machen. Wie man erkennen kann, bin ich ein begeisterter Hörer der völlig unhistorischen Bach Interpretation von Glenn Gould. :)


    Ich habe nach dem Lesen der etwas merkwürdigen Beiträge des Kollegen Gerhard Wischniewski einfach vermutet, dass es eine "verschworene" Riege von Regisseuren gibt, die die Kunst veralbern wollen. Das stellt sich aber nach der nun fast zweimonatigen Diskussion zumindest für mich als falsch heraus. Man kann selbstverständlich ganz unterschiedlicher Meinung sein, aber mehr kann ich nicht wirklich 'rausziehen.


    Und wie gesagt, der Berliner Walkürenritt ist super, der aus der Met bietet nachher eigentlich nur Gesang .... Das mag einem jetzt reichen, aber ich finde das andere interessanter. Ich habe ernsthaft überlegt, zumindest mal in einen Teil der Tetralogie zu gehen. Ich mag jetzt der von Holger angesprochene Pöbel sein, aber auch damit könnte ich leben ... :saint:

  • Ich meine gelesen zu haben, dass man nicht von einer historischen Aufführunmgspraxis spricht, sondern von einer historisch informierten.

    Ich schrieb: >>zu einer immer genauer an Partitur und historischer Aufführungspraxis orientierten<< musikalischen Aufführungspraxis - was ist daran missverständlich?

  • Die "Klassikindustrie" hat erkannt, daß man etwas NEUES bieten muß wenn man die Megagewinne der 50er bis 70er Jahre weiter erzielen will.

    Die Entwicklung zu genauerer Orientierung an Partitur und historischer Aufführungspraxis begann schon lange vor den 1950er bis 70er-Jahren.


    Du hast einfach bestimmte Dinge in der Jugend kennengelernt und dann Abweichungen davon als störend empfunden, daher Deine nicht sehr treffende Betrachtung der Entwicklung.

  • Ich schrieb: >>zu einer immer genauer an Partitur und historischer Aufführungspraxis orientierten<< musikalischen Aufführungspraxis - was ist daran missverständlich?

    Gar nichts. Ich wollte auch nichts widerlegen, sondern im Hinblick auf die weitere Argumentation ergänzen

  • Ob man das jetzt "historisch informiert" nennt oder nicht, ob einen der Stil mancher Ensebles an Pop-Musik erinnert oder nicht, ist mE hier komplett egal.

    Man greift weniger stark ein in das, was in der Partitur steht, man versucht, das Klangideal von damals wiederherzustellen, indem man historische Bauarten wiederherstellt und historische Techniken an den Instrumenten anwendet, man möchte "Verschlimmbesserungen" in der Art, wie alte Musik im Laufe der Zeit dargeboten wurden, rückgängig machen.

    Ob das alles gelungen ist, ist eine andere Frage.

  • Und wie gesagt, der Berliner Walkürenritt ist super, der aus der Met bietet nachher eigentlich nur Gesang ....

    Als "super" mag der aus Berlin (Neuinszenierung Staatsoper) subjektiv wahrgenommen werden, aber mit Wagners "Walküre" hat er eben nichts zu tun. Und das ist und bleibt für mich der springende Punkt. In dieser Szene will man idealerweise reitende Schildjungern sehen, deswegen ja auch "Walkürenritt". Was dieser Berliner Regisseur stattdessen macht, ist Themenverfehlung. Dazu passt Larifari-Musik, aber bitte nicht Wagner-Entweihung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • man möchte "Verschlimmbesserungen" in der Art, wie alte Musik im Laufe der Zeit dargeboten wurden, rückgängig machen.

    Ich kann mit Fug und Recht von mir behaupten, daß ich Einer der relativ wenigen war, die Alte Musik, aber auch Musik bis hin bis ins 18. Jahrhundert so um 1975 herum in Aufnahmen besass, welche damals den Anspruch stellten "historisch getreu" zu sein. Allerdings klangen die ganz anders, als das, was später als "historisch informiert" etikettiert wurde. Das "Hausorchester der damaligen Plattenfirma "Harmonia Mundi" war das "Collegium aureum" unter Franz josepf Mayer. Der Plattenkataloge waren geradezu auf mich zugeschnitten - sie vermittelten einen Hauch von "historisch", "edel und elitär" und es wurden nur Originalinstrumente eingesetzt. Aie waren alle abgebildet - auf teurem Halbhlazpapier und dann wurde dort der Zedernsaal des Schlosses Kirchheim immer wieder gezeigt und gelobt - eine der wichtigsten Locations für Aufnahmen. Also man kann nicht sagen, daß ich hier nicht aufgeschlossen war. Originalinstrumente waren allerdings Grundvoraussetzung für "historische Klangbilder" Der HISTORISCH Informierte Klang auf modernen Istrumenten war übrigens - soweit ich mich erinnere - eine Erfindung von Nikolaus Harnoncourt. Und so klang es auch. Es sit interessant daß vorzugsweise deutsche Ensembles diesen charakterisitisch- agressiven Ton produziert, gelegentlich von Österreichern nachgeahmt. Aber ansonst hat sich in der Welt dieser "Stil" kaum durchgesetzt....vor allem nicht in England. Hier ist "The English Concert" unter Trevor Pinnock ein lobenswertes Beispiel...

    Seine "4 Jahreszeiten von Vivaldi sind für mich bis heute das Maß aller Dinge.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Apocalypse Now ist auch super. Aber wenn während des ganzen Films die Wagner-Oper vor sich hin liefe, wäre das auch nichts ...

    Ich kann natürlich aufgrund von 20 Minuten die Inszenierung nicht beurteilen .... Aber ich bin auf jeden Fall interessiert.

    Das "Hausorchester der damaligen Plattenfirma "Harmonia Mundi" war das "Collegium aureum" unter Franz josepf Mayer.


    Die Rameau Suiten von denen waren meine erste Begegung mit klassischer Orchestermusik überhaupt und natürlich prägend. Der Klang von Kuijken hatte es danach schwer, aber auch hier ändert sich schon mein Geschmack. Ich kann einfach mehr wahrnehmen. Und die alten Aufnahmen mit dem collegium aureaum gibt es immer noch, sie sind nicht verloren


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  • Wir haben ja nun schon lange darüber diskutiert und versucht zu analysieren, warum das RT so lange überlebt hat. Bisher sind wir auf der 25. Seite, haben 730 mehr oder weniger interessante Beiträge im Thread und haben viel Zeit geopfert.

    Und trotzdem weiß ich immer noch nicht, warum es das RT noch gibt.

    Muß ich weiter daran glauben, daß wir nie eine Antwort finden, da weder Meinungen noch Argumente in der Lage sind, eine Begründung oder gar einen Beweis wie in den Naturwissenschaften als verbindlich, vielleicht sogar mit einer Formel auszudrücken? Wir haben gelernt, daß ein Stück evtl. gar kein Stück ist, daß ein Autor nicht unbedingt der maßgebliche Faktor einer Oper ist und das ein Regisseur machen kann was er will ohne dafür maximal eine gute oder schlechte Kritik (natürlich neben seiner fürstlichen Entlohnung) das Maß aller Dinge zu sein scheint. Wir haben gelernt oder gelehrt bekommen, wer wen mag und wer wen nicht mag, nur weil die Meinungen und die sogenannten Argumente nicht kongruent sind. Und selbst die Mathematik kann das Problem nicht lösen.

    Trotzdem habe ich begriffen, daß es einzig meine Entscheidung ist, ob mir persönlich ein Stück auf der Bühne :yes::no:gefällt.

    Das war sicher schon immer so und wird es auch immer bleiben - der persönliche Geschmack bestimmt den positiven oder negativen Eindruck, den schalen oder süffigen Geschmack nach Verlassen eines Theaters.

    Darauf einen Dujardin!! Proooost!!

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Apocalypse Now ist auch super. Aber wenn während des ganzen Films die Wagner-Oper vor sich hin liefe, wäre das auch nichts ...

    Dies Verwendung des Walkürenritts in diesem Film ist schlechterdings genial umgesetzt (walkürenartige Hubschrauber) und auf ihre Art werkgetreuer als vieler Unsinn, den das RT verzapft. Soweit ich mich entsinne, wurde die Solti-Einspielung aus dem Decca-"Ring" eingesetzt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wir haben ja nun schon lange darüber diskutiert und versucht zu analysieren, warum das RT so lange überlebt hat. Bisher sind wir auf der 25. Seite, haben 730 mehr oder weniger interessante Beiträge im Thread und haben viel Zeit geopfert.

    Und trotzdem weiß ich immer noch nicht, warum es das RT noch gibt.

    Lieber La Roche, Protagonisten des so genannten Regietheaters – dazu gehören für mich an vorderster Stelle Ruth Berghaus und Christan Pöppelreiter – waren sehr darauf bedacht, ihre Ästhetik und Herangehensweise weiterzugeben. Die Berghaus hatte eigene Meisterklassen, Pöppelreiter wurde schon 1988 Professor an der Grazer Musikhochschule und trug seine Erfahrungen in der DDR, wo das RT zu neuer Blüte kam, in den Westen. Die Studenten – begabte und noch mehr unbegabte - lagen ihnen zu Füßen, wollten es genauso machen wie die angebeteten Meister. Ich habe selbst man als stille Zuhörer an so einer Veranstaltung mit der Berghaus teilgenommen, die so angehimmelt wurde, dass sie sich dagegen zur Wehr setzen musste. Die Schüler nahmen bald die Positionen der Lehrer ein und gaben ihrerseits weiter, was sie für richtig und für richtiger hielten. So geht das weiter. Die Substanz aber, die es aus meiner Überzeugung durchaus gab, wird immer dünner. Begünstigend kommt hinzu, dass mit der Wiederbelebung des RT die Zeit der großen prägenden Intendanten-Gestalten in den Opernhäuser ablief. Auf ihre Posten gelangten nach und nach Personen, die von der 68er-Bewegung geprägt waren.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Studenten – begabte und noch mehr unbegabte - lagen ihnen zu Füßen, wollten es genauso machen wie die angebeteten Meister. Ich habe selbst man als stille Zuhörer an so einer Veranstaltung mit der Berghaus teilgenommen, die so angehimmelt wurde, dass sie sich dagegen zur Wehr setzen musste. Die Schüler nahmen bald die Positionen der Lehrer ein und gaben ihrerseits weiter, was sie für richtig und für richtiger hielten.

    Eine sehr scharfsinnige Beobachtung. Das erinnert an den Meister von Bayreuth und den Kreis um die Meisterin Cosima und später Winifred. Päpstlicher als der Papst. Damit werden die RT-Regisseure und ihr Anhang ungewollt auf eine Art wie die "Heilige Winifred", um einen Dramaturgen zu zitieren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das ist kein "obskurer Vergleich", sondern er trifft den wunden Punkt - nämlich die fehlender Logizität Deiner Argumentation. Ich hatte klar gesagt: Genau dann, wenn man beansprucht, ein Werk aufzuführen, übernimmt man damit auch die Verbindlichkeiten, die zur Aufführung eines Werkes gehören. Du sagst dann: Eine Aufführung muss nicht unbedingt ein Werk aufführen, also gibt es keine solchen Verbindlichkeiten. Ich sage: Das geht an der Sache komplett vorbei, denn um den natürlich möglichen Fall, dass man gar kein Werk aufführt, geht es nicht, dann entfällt nämlich schlicht die verbindlich formulierte Bedingung ("genau dann, wenn" heißt präzse "nur genau dann, wenn"). Das habe ich schließlich erläutert mit dem mathematischen Vergleich. 2+2=4 kann man nicht damit für unverbindlich erklären, dass andere Gleichungen andere Ergebnisse haben (oder man einfach den mathematischen Kontext wechselt). Wenn Du das nicht einsiehst, bist Du irgendwie von einem anderen Stern... ^^


    Entweder ist es mit Deiner eigenen Befähigung zur "Logizität" (ein schönes Wort!) nicht weit her, oder aber Du leidest unter einer (für einen Geisteswissenschaftler bemerkenswerten) Leseschäwche. Ich habe nämlich in meiner Formulierung Deiner Prämisse exakt dieses Wenn-dann-Szenario adressiert. Zur Erinnerung:


    Um die Sache mal etwas übergreifender anzugehen: Holgers Schlussfolgerungen beruhen auf einer entscheidenden Prämisse, nämlich darauf, dass eine Theateraufführung (bzw. ihre Macher) zur Werkgerechtigkeit verpflichtet ist/sind, wenn der Aufführung ein geschriebenes Stück (sei es ein Drama oder eine Oper) zugrunde liegt.


    Gegen eben diese Prämisse habe ich dann zwei Einwände vorgebracht, die Du bis jetzt nicht adressiert hast. Du flüchtest Dich stattfdessen in die Behauptung, dass ich Deine Aussagen nicht verstanden hätte, in Kombination mit einigen Mutmaßungen zu meinem logischen Denkvermögen (diese ad personam-Masche scheinst Du übrigens immer dann anzuwenden, wenn Du keine Sachargumente mehr hast).


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Und trotzdem weiß ich immer noch nicht, warum es das RT noch gibt.

    Ich hab's schon mal erklärt, aber ihr seid echt stur. Also noch mal:

    Die beteiligten Leute sehen sich als Künstler und machen zwangsläufig etwas Neues. Was ihr als "werktreu" bezeichnet, ist schlichtweg der Inszenierungsstil der 50er bis 70er Jahre. Und der wird nicht wieder kommen. Weil "alt".


    Eine interessantere Frage lautet:

    Warum finden sich keine Leute, die "werktreue" Inszenierungen machen, obwohl das leichter und billiger zu bewerkstelligen ist?


    Wisst ihr eigentlich, was euer Hauptproblem ist: Ihr könnt euch nicht damit abfinden, dass ihr alt seid und bald sterben werdet.


    Geht mir genau so. Ich bin nämlich in einer ähnlichen Situation. Zwar "erst" 58. Aber seit ca. 5 Jahren merke ich, dass die Jüngeren ganz anders ticken als meine Generation. Gleichzeitig stelle ich fest, dass die Schaffenskraft ihren Höhepunkt zwischen 40 und 50 Jahren hat. Danach kann man das Niveau noch halten, aber zu grundlegenden Umschwüngen ist man nicht mehr fähig.


    Und das ist der eigentliche Grund, dass es keine Renaissance der "werktreuen" Inszenierungen geben wird: Die Jüngeren interessiert das nicht, die ticken anders. Und die Älteren fehlt es an Schaffenskraft. Es reicht nur noch zum Nörgeln. Was aber für die unter 50jährigen keine Relevanz hat.

  • Was ihr als "werktreu" bezeichnet, ist schlichtweg der Inszenierungsstil der 50er bis 70er Jahre.

    1850er bis 70er Jahre, wenn dann. 1950er bis 70er ist eher schon "RT Light".


    Wisst ihr eigentlich, was euer Hauptproblem ist: Ihr könnt euch nicht damit abfinden, dass ihr alt seid und bald sterben werdet.

    Danke für den Hinweis. Sehr ermutigend. Dabei dachte ich, mir blieben noch ein paar Jahrzehnte.


    Die Jüngeren interessiert das nicht, die ticken anders.

    Kann ich nicht bestätigen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis (Leute um die 30).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nach einiger Zeit hat Alfred dann den Antrag angenommen und den "Schreibtisch" freigeschaltet.

    Weißt du eigentlich, warum er das gemacht hat?

    Er wollte den Quasselstrippen eine Spielwiese geben, damit sie die produktiven Threads nicht so belasten.


    Jetzt sagst du: "Das funktioniert aber nicht, wie man hier sieht."

    Dann sage ich: "Aber ohne deinen Schreibtisch würdest du noch viel mehr nerven."


    Alfred weiß schon, was er tut.

  • 👍👍👍👏👏👏

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  • Außerdem habe ich in meinem Leben 50 Jahre lang in Top-Chören gesungen, und zwar so viel Chormusik, von der ihr wahrscheinlich das meiste nicht mal dem Namen nach kennt.

    Davon kannst du ausgehen. Und deine "Top-Chöre" kennen wir auch nicht. Keiner kennt die, und keiner will die kennen lernen.


    Aber du hast ja deinen "Schreibtisch". Da kannst du das alles ausführlich beschreiben. Deine 60.000 Fans werden begeistert sein. Und Alfred auch. Also tu ihm und uns den Gefallen. Berichte von deinen sämtlichen Heldentaten. Aber bitte nicht hier. Nutze deinen "Schreibtisch" dafür. Danke.

  • Die ist natürlich zentral, denn wenn man bedenkt, dass eine Oper nicht ein Lesebuch ist, sondern ein Werk, das aufgeführt werden kann und soll, dann ist die Frage, ob das Werk zur Aufführung gelangt oder nicht, nicht egal. Und diese Problematik gehört ja wohl zum Werkbegriff resp. Opernbegriff dazu, denke ich. Daher kann ich in Übereinstimmung zu Dir sagen, dass man sich auf die grundlegenden Begriffe einigen müsste. Und aus dem Werkbegriff kommen dann die Verbindlichkeiten, die Symbol nicht sieht.


    Die Frage, was ich eigentlich höre, wenn ich mir Afanassievs Schubert Sonate D. 960 anhöre, beschäftigt mich, seit ich hier im Forum Mitglied geworden bin. Wenn man sich dazu entscheidet, seine ästhetischen Erlebnisse mitzuteilen, muss man ja einen anderen Reflexionslevel einnehmen, als wenn man einfach nur genießen möchte ....


    Höre ich also Schubert, so wie sich das Afanassiev vorstellt, oder höre ich einfach nur Musik, bei der Schubert und Afanassiev Anteile haben und nicht zuletzt sogar ich als Rezipient?


    1. Mir fällt auf , dass die "Interpretationen" stark abweichen von "ich bin gefesselt" bis zu "geht's noch?".... Jetzt könnte man sagen, naja der "geht's noch" interpretiert nicht den "Willen" des Komponisten. Das scheint mir aber eine ungeheuer schwierige Frage zu sein. Und was fange ich damit an, wenn ich herausbekommen sollte, dass gerade die ennuierende Interpretation das täte? Darf ich dann Afanassiev nicht mehr genießen?

    2. Ich folgere daraus, dass für das gelungene ästhetische Erlebnis der Wille des Komponisten nicht wirklich maßgeblich sein muss. Man sollte sich dabei natürlich klarmachen, dass die Situation für den Interpreten eine völlig andere ist (Das wird hier gerne schon mal durcheinandergebracht)

    3. Auf die Dauer meiner (klassischen) Hörerfahrung stellten sich wichtige Erfahrungen ein


    a) Es gibt Musikstücke, die ich gerne hören, wo sehr häufig derselbe Komponist beteiligt ist. Daraus folgere ich bei mir ein steigendes Interesse an Musik mit diesem Komponisten

    b) es gibt Musikstücke, die ich gerne höre, wo sehr häufig dieselben Interpreten beteiligt sind. Daraus folgere ich ... analog zu oben

    c) es gibt Musikstücke, die ich gerne höre, wenn ich in einer bestimmten Stimmung bin. Auch hier lässt sich ganz offenbar meine eigene Beteiligung am Geschehen ableiten ...


    Für mich als Rezipienten aufgeführter (aufgenommener) Musik gibt es das ästhetische Erlebnis nur in diesem Zusammenhang. Das Interesse an Komponisten und Interpreten ist davon nur abgeleitet. Ich interessiere mich eigentlich nicht für einen Komponisten an sich und das, was er will. Warum sollte mich das auch interessieren? Doch bestenfalls, wenn sich daraus indirekt interessante ästhetische Erfahrungen ableiten ließen. Ich schließe eben vom Erlebnis auf den Komponisten. Der Umkehrschluss ist ein rein statistischer. Dasselbe gilt auch für den Interpreten.


    Etwas anderes ist die rein menschliche Neugier. Wenn ich feststelle, dass ich ungeheuer gerne Musik "von" Debussy höre, fange ich eventuell auch an, mich für seine Lebensumstände und Einstellungen zu interessieren, weil ich Zusammenhänge vermute. Notwendig erscheint mir das aber keineswegs. Da bin ich sogar sicher, was meine eigene Person angeht.


    Um also auf Deinen zitierten Beitrag zurückzukommen: Ich höre also gar nicht das, was Schubert wollte, wie Afanassiev sich das vorstellt, sondern ich bin in einer Situation, bei dem Afanassiev als eigenständiger Künstler mit den Noten als Grundlage "mir" ein musikalische Erlebnis bereitet.


    Die Qualität der Schubert Sonate ist für mich daran zu erkennen, dass die Spannweite der möglichen Erlebenisse ungeheuer groß ist. Eine Musik, die nur auf genau eine einzige Weise zu interpretieren wäre, wäre eher langweilig und würde mich nicht allzu lange reizen.

  • Wisst ihr eigentlich, was euer Hauptproblem ist: Ihr könnt euch nicht damit abfinden, dass ihr alt seid und bald sterben werdet.

    Danke schön, wünsche Dir alles Gute. Ich finde es schon sehr impertinent, einen solchen Satz zu schreiben. Ich gebe trotz Deiner göttlichen Prognosen die Hoffnung nicht auf, meinen Senf noch einige Zeit hier aufs Tablet zu schmieren. Ich habe die Wahl zwischen süß (Dijon) oder scharf (Bautzen). Ich glaube, Dich in die scharfe Ecke schieben zu dürfen.

    Sei ganz herzlich gegrüßt von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Danke schön, wünsche Dir alles Gute. Ich finde es schon sehr impertinent, einen solchen Satz zu schreiben.

    Es ist schlicht und ergreifend die Wahrheit. Und man lebt besser, wenn man sich damit abfindet, glaub mir's.


    Ich konnte mal 6000er besteigen. Jetzt kann ich's nicht mehr. Soll ich jetzt heulen, weil noch allzu viele 6000er von mir unbestiegen sind?


    Oder etwas näher an eurem Problem:

    Früher gab es viele "Wirtschaften" (in den Dörfern so genannt) bzw. "Eckkneipen" (in den Städten). Jetzt nicht mehr. Die Jungen interessiert das nicht, die Alten sind zu wenig, um sie am Leben zu erhalten. Und die Alten sind auch in willens oder in der Lage, solche Gaststätten selber zu betreiben. Obwohl sie theoretisch die Möglichkeit hätten. Also müssen sie sich mit dem abfinden, was es gibt. Und das ist anders als das vor 40 Jahren.


    Die Zeiten ändern sich. In 20 Jahren bin ich "statistisch" tot. Wenn ich Pech habe, noch früher. Und ich habe definitiv keine Lust, die Zeit bis dahin mit Schimpfen oder Jammern zu verbringen.


    Bzgl. Opern habe ich wohl einfach "Glück". Ich finde die heutigen Aufführungen nicht schlechter als die früheren. In der "Provinz" sind sie sogar besser geworden. Sehr gut ausgebildetes Personal (Sänger, Musiker, Regisseure, etc.) ist heute flächendeckend vorhanden.


    Aber es bleibt dabei: Die Welt wird laufend umgestaltet. Und die Hauptakteure dieser Umgestaltungen sind unter 50. Auf die haben wir nur begrenzten Einfluss, egal in welche Richtung.

  • Wisst ihr eigentlich, was euer Hauptproblem ist: Ihr könnt euch nicht damit abfinden, dass ihr alt seid und bald sterben werdet

    ....... Danach kann man das Niveau noch halten, aber zu grundlegenden Umschwüngen ist man nicht mehr fähig.

    Manche sind ha LPlt schon mit 58 Jahren alte Knacker.

    Ich bin jetzt Mitte 70 und entdecke immer noch Neues: Calixto Bieito, Olivier Py habe ich erst vor wenigen Jahren kennen und schätzen gelernt und Christof Loys Inszenierungen gefallen mir (meistens) seit 30 Jahren.

    Ich befinde mich da in guter Gesellschaft. Sogar die Chefredakteurin von "Der neue Merker", Sieglinde Pfabigan - sicher eher dem traditionellen Flügel zugehörig und auch nicht die Jüngstel, lobte in der Ausgabe vom Juni 2022 Koskys "Falstaff" in Berlin: "Bitte lesen Sie als Beispiele für werkgerechte Inszenierungen mit exzellenten Sängern: Innsbruck: „Die Passagierin“, Berlin: „Falstsaff“, Dresden: „Elektra“, „Rusalka“, Meiningen: „Santa Chiara“, „Lohengrin“, Wiesbaden: „Don Carlo“.


    Also weiterhin viel Spaß bei deinem persönlichen körperlichen und mentalen Abbau.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ich bin jetzt Mitte 70 und entdecke immer noch Neues: Calixto Bieito, Olivier Py habe ich erst vor wenigen Jahren kennen und schätzen gelernt und Christof Loys Inszenierungen gefallen mir (meistens) seit 30 Jahren.

    Du entdeckst Neues. Aber erschaffst nichts Neues.


    Du bist durchaus in der Lage, in deinem Beruf produktiv weiter zu arbeiten. Das, was du schon kannst, weiter zu verbessern. Aber du wirst nichts mehr grundlegend Neues entwickeln.


    Aber ich sehe schon: Wir haben hier ein psychologisches Problem. Und es lässt sich nur psychologisch lösen.


    Wobei, ihr habt möglicherweise recht:

    Für manche Leute ist es zwar besser, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden.

    Aber andere (auch jüngere) fühlen sich besser, wenn sie protestieren können, egal wie gering die Erfolgsaussichten auch sind. Interessanterweise handelt es sich bei letzterem meistens um junge Linke. In unserem Fall sind es dagegen eher ältere Konservative...

  • Danach kann man das Niveau noch halten, aber zu grundlegenden Umschwüngen ist man nicht mehr fähig.

    Ich habe alles wieder gestrichen, was ich gerade geschrieben habe. Das war wohl zu scharfer Senf. Und als vergleichender Ossi auch zu politisch.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Nicht jeder Ü50 ist pessimistisch und depressiv wie thdeck. Man sollte nicht von sich selbst auf andere schließen. Die wahre Macht liegt bei genau dieser hier abgeschriebenen Generation Ü50 (schon bei allen Wahlen). Von daher werden diese vermeintlich irrelevanten Alten das Ende des RTs einleiten, sollte es kommen. Und überhaupt: Kürzlich erreichte eine französische Dame das stolze Alter von 118, eine andere kam gar auf 122. Das Leben ist nicht vorbei mit 60, 70 oder 80.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe alles wieder gestrichen, was ich gerade geschrieben habe. Das war wohl zu scharfer Senf.

    Mir lag auch einiges auf der Zunge, was ich hier besser doch nicht schreiben werde, lieber La Roche.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mir lag auch einiges auf der Zunge, was ich hier besser doch nicht schreiben werde, lieber La Roche.

    Ist glaub ich auch besser so. Trotzdem bedarf es nicht der Erinnerung daran, daß man ab einem bestimmten Alter schon rein rechnerisch dem Ende näher steht als dem Anfang.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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