Warum überlebt das Regietheater so lange ? - Versuch einer Analyse

  • Die weitere Analyse - die noch kommen wird - beschäftigt sich dann mit dem Preis, den man für diese Unverbindlichkeit und Beliebigkeit zahlt

    Es gibt einfach keinen kausalen Nexus zwischen künstlerischer Freiheit und "Unverbindlichkeit", "Beliebigkeit" oder "Willkür", egal wie oft Du ihn noch als Schreckgespenst an die Wand malst. Die meisten glauben auch nicht an Gespenster, Du wirst Dir also etwas anderes (z.B. Argumente) überlegen müssen.


    Wer ein solches monumentalisches Interesse hat, der möchte eben keine Bearbeitungen auf der Bühne sehen, sondern die originalen Werke

    Die wollen also auf einer Theaterbühne einfach nur die Partitur der Meistersinger ausgestellt sehen und nichts sonst? Komische Leute gibt es.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Hier wäre es hilfreich, Du würdest mal auf konkrete Fragen und Probleme auch konkrete Antworten geben, statt nur immer wieder ins Allgemein-Unverbindliche auszuweichen.


    Was sind denn die ganz konkreten Probleme, die sich ergeben, wenn Theatermacher nicht nach der Maßgabe der "Werkgerechtigkeit" arbeiten?


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Insofern würde mich schon interessieren, was nach Holgers Ansicht die Konsequenzen sind, die daraus resultieren, dass die Werkgerechtigkeits-Idee für Theaterleute unverbindlich ist. Natürlich müssten dafür diese Konsequenzen schlüssig nachgewiesen werden.

    Das sagt er ja fortwährend: Die Folgen sind Unverbindlichkeit und Beliebigkeit. (Das sind in seinen Augen übrigens Begriffe, die keine negative Konnotation haben, wie er uns wissen ließ.) Dass dies nicht die Folgen sind, weiß so ziemlich jeder, der etwas von der Sache versteht. Ihm müsste es auch auffallen, weil er nicht erklären kann, wie sich das eine aus dem anderen ergeben soll. Aber es fällt ihm nicht auf...

  • Es gibt einfach keinen kausalen Nexus zwischen künstlerischer Freiheit und "Unverbindlichkeit", "Beliebigkeit" oder "Willkür", egal wie oft Du ihn noch als Schreckgespenst an die Wand malst. Die meisten glauben auch nicht an Gespenster, Du wirst Dir also etwas anderes (z.B. Argumente) überlegen müssen.

    Das ist kein Schreckgespenst, sondern eine zwingende Folge aus dem konstruktivistischen Denkansatz. Du solltest zudem genau lesen, was ich immer wieder geschrieben habe: Ich habe nie behauptet, dass es für Künstler - auch für RT-Künstler - keine Verbindlichkeiten gäbe. Es geht hier im "Verbindlichkeiten in der Sache" um einmal mehr den treffenden Ausdruck von Helmut Hofmann zu zitieren, die von Euch abgestritten werden, also um solche "äußeren" Verbindlichkeiten, die sich nicht in und aus dem "Theaterkunstwerk" ergeben.

  • Wir streiten diese Verbindlichkeiten ab und werden sie so lange abstreiten, bis Du nachgewiesen hast, dass es sie gibt. Das hast Du bisher nicht getan. Du hast bisher nichts weiter getan, als unseren Ansatz (unbegründet) als »konstruktivistisch« zu bezeichnen, was in Deinen Ohren anscheinend so ungeheuer gebildet kingt, dass Du meinst, uns damit einzuschüchtern, hast aber zwei Schritte leider ganz versäumt: Zum einen hast Du Deine Behauptung, dass dieser Ansatz konstruktivistisch sei, nicht begründet; zum anderen hast Du nicht erklärt, was, wenn es denn so wäre, das Aufkleben dieses Etiketts bewirkt. Nehmen wir einmal für einen Moment an, der Ansatz sei wirklich konstruktivistisch (was eine lächerliche Annahme ist) – was würde daraus folgen? Was wäre damit gesagt?

  • Zur "Unverbindlichkeitsmasche" gehört die Strategie, sich Ernst zu nehmenden Fragen zu entziehen durch die Privatisierung der Diskussion. Damit verliert die Frage ihre Allgemeinverbindlichkeit. Ich soll hier irgendwelche Verbindlichkeiten nachweisen. Warum?


    Bleiben wir bei den Tatsachen: Die Mehrheit der Künstler heutzutage fühlt sich dem Anspruch der "Werkgerechtigkeit" verpflichtet. Besonders bei Instrumentalsolisten, bei Sängern und Dirigenten ist das wohl sogar die große Mehrheit. Nur bei den Theaterleuten gibt es ein kleines aber einflussreiches Häuflein, welche "Werktreue" verteufelt. Gegenüber ihren Künstlerkollegen sind sie eindeutig in der Minderheit. Also haben sie gegenüber der Mehrheit der Künstlerkollegen auch erst einmal die Beweislast, warum sie sich um Werkgerechtigkeit nicht scheren. Denen sollen sie sich gefälligst erst einmal erklären. Es ist pure Wichtigtuerei, wenn ausgerechnet dieses kleine Häuflein von Abstreitern meint, die ganze große weite Welt, die anders denkt, müsste ihnen etwas beweisen. Das ist schlicht ein Fall von maßloser Selbstüberschätzung.


    Hier ist das Threadthema, warum sich RT trotz seiner vielen Ungereimtheiten so hartnäckig auf der Bühne hält. Das hat Konsequenzen. Eine davon ist Maßstablosigkeit und Gleichgültigkeit mit dem damit verbundenen Verlust an "gutem Geschmack".


    Beispiel: HIP. HIP (Harnoncourt und die Folgen) gäbe es ohne das Bemühen um "werktreue" Aufführungen schlicht nicht. Es ist schon einmal (von Kurzstückmeister glaube ich) auf den Widerspruch bei RT-Aufführungen von Barockopern aufmerksam gemacht worden. Die Musiker und der Dirigent machen HIP, spielen also eine Händel-Oper "werktreu" und die Inszenieurng dazu ist dann das Gegenteil davon, eine freie Bearbeitung. Das ist ästhetisch ein eklatanter Widerspruch - wie auch die oft bemerkten Widersprüche, dass die Handlung auf der Bühne nicht zum Text passt und nicht zur Musik. RT-Künstler fühlen sich noch nicht einmal bemüßigt, zu diesen Widersprüchen etwas zu sagen. Sie werden also als selbstverständlich und nicht weiter beachtenswert hingenommen. Die Konsumenten von RT werden damit zur Gleichgültigkeit gegenüber ästhetischen Unstimmigkeiten erzogen. Wer nur noch Aufführungen mit solchen eklatanten Widersprüchen sieht, bemerkt sie schließlich nicht mehr. Das führt zur Maßstablosigkeit des ästhetischen Urteils. Was nur noch zählt, ist das "Interessante" und "Aufregend-Neue" des Events. Interessant sein kann letztlich das Geschmackvolle wie das Geschmacklose gleichermaßen - der gute Geschmack verliert damit seine Verbindlichkeit und das Geschmacksurteil bildende Kraft. Auch hier gilt der Werbespruch: "Nichts ist unmöglich - Toyota!" ^^

  • Ich soll hier irgendwelche Verbindlichkeiten nachweisen. Warum?

    Ganz einfach: Weil Du behauptest, dass sie vorhanden sind. Eine Behauptung muss man belegen, sonst ist sie ungültig. Wenn diese Verbindlichkeiten, von denen Du so viel redest, gelten, zeige, woher sie kommen und warum und für wen sie verbindlich sind. Sonst ist Deine Aussage eine unbewiesene Behauptung und also wert- und kraftlos.

  • Das soll hoffentlich kein Argument sein, oder? Zum einen hat Du mit Sicherheit keine Zahlen, die diese Behauptung belegen. Bis Du die nicht vorlegst, bestreite ich Deine Aussage, sie ist also ungültig. Außerdem musst Du begründen, wie Du dazu kommst, irgendwelchen Leuten Vorschriften zu machen, wem sie sich zu erklären haben. Auf diese Begründung bin ich besonders gespannt. Ich verspreche mir nachhaltige Erheiterung davon. Vielen Dank im Voraus!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die Herrschaften haben offenbar keinerlei Interesse, die in diesem Thread gestellte Frage zu bantworten. Keine Antwort geben (können) ist manchmal auch eine Antwort. Die Gelegenheit, sich hier einen Nebenkreigsschauplatz zu eröffnen und sich aus der Affäre zu ziehen, gebe ich ihnen aber nicht weiter. :D

  • Es ist schon einmal (von Kurzstückmeister glaube ich) auf den Widerspruch bei RT-Aufführungen von Barockopern aufmerksam gemacht worden. Die Musiker und der Dirigent machen HIP, spielen also eine Händel-Oper "werktreu" und die Inszenieurng dazu ist dann das Gegenteil davon, eine freie Bearbeitung. Das ist ästhetisch ein eklatanter Widerspruch

    Das ist wirklich völliger Unsinn. Ich bin in diesem Forum wahrscheinlich der einzige, der regelmäßig Barock-Opern besucht, und den behaupteten eklatanten Widerspruch zwischen HIP-Aufführung und Inszenierung habe ich noch nie bemerkt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Herrschaften haben offenbar keinerlei Interesse, die in diesem Thread gestellte Frage zu bantworten. Keine Antwort geben (können) ist manchmal auch eine Antwort. Die Gelegenheit, sich hier einen Nebenkreigsschauplatz zu eröffnen und sich aus der Affäre zu ziehen, gebe ich ihnen aber nicht weiter. :D

    Langsam wird es langweilig.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Keine Antwort geben (können) ist manchmal auch eine Antwort.

    Wohl wahr! Aber dass Du Deine Forderung nicht begründen kannst, wissen wir schon lange. Das ist keine große Überraschung.

    Übrigens musst Du das nicht weiter schwer nehmen. Es ist keine Schande, wenn man nicht leisten kann, was unmöglich ist. Und da Du Deine Dicke Berta schon abgefeuert und bedauerlicherweise einen Rohrkrepierer produziert hast, kommt eben nur noch heiße Luft. Niemand hat etwas anderes erwartet. Besonders lustig ist das nicht, aber immerhin, die Bemühung ist anerkennenswert.

  • Nicht alle. Ich weiß es nicht, weil ich derartigen Tratsch nicht zur Kenntnis nehme.

    Ich - und die meisten hier - lieben Tratsch, denn es gehört zum Showbusiness, und das ist die Oper auch.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich bin in diesem Forum wahrscheinlich der einzige, der regelmäßig Barock-Opern besucht, und den behaupteten eklatanten Widerspruch zwischen HIP-Aufführung und Inszenierung habe ich noch nie bemerkt.

    Das empfinde ich als bemerkenswert, aber selbstverständlich bedeutet der Besuch von HIP-Aufführungen ja nicht, dass man zur Kenntnis nimmt, was da geschieht.

  • Das ist wirklich völliger Unsinn. Ich bin in diesem Forum wahrscheinlich der einzige, der regelmäßig Barock-Opern besucht, und den behaupteten eklatanten Widerspruch zwischen HIP-Aufführung und Inszenierung habe ich noch nie bemerkt.

    Da musst Du Dich mit Kurzstückmeister darüber unterhalten. Das war sein Beispiel. Beispiele für Unstimmigkeiten was Inkongruenzen von Handlung, Text und Musik angeht gibt es beim Regietheater in Hülle und Fülle, so dass es auf die Barock-Oper in dieser Frage nun wirklich nicht ankommt.

  • Langsam wird es langweilig.

    Da bin ich anderer Meinung.


    Es ist schon seit lãngerer Zeit langweilig und wird allmãhlich sogar stinklangweilig, weil man schon seit geraumer Zeit 100% sicher sein kann, dass die Kontrahenten ihre private Fehde hier weiter austragen werden ohne jemals zu einem Ergebnis zu kommen. Die Frage Warum überlebt das Regietheater so lange? interessiert überhaupt nicht mehr. Viel mehr bewegen die Fragen, ob Melisande dick und älter sein darf, ob Despina sehr jung, mittelalt oder ebenso alt wie Don Alfonso ist.

    Oper ist angeblich Showbusiness und daher interessieren solche Tratschthemen laut Dr. Pingel die meisten Forianer.

    Wenn man die Frage nach der Verbindlichkeit/Unverbindlichkeit jemals verbindlich beantworten kann, hat man wahrscheinlich die Frage nach dem Grund für das Überleben des Regietheaters immer noch nicht beantwortet, aber immerhin hat man ausgiebig um des Streits Willen streiten können.

    Das kommt schon fast, wie es sich für ein Klassikforum gehört, an "l'art pour l'art" heran.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Das ist wirklich völliger Unsinn.

    Ist es. Ich habe hier zu diesem Scheinproblem schon einmal ziemlich ausführlich geschrieben. Wie immer, wenn es wirklich zur Sache geht, wurde der Beitrag ignoriert. Auch natürlich von ausgewiesenen Fachmann für philosophische Ästhetik, der bekanntlich immer sofort aussteigt, wenn ein Problem differenziert und in seinen inneren Wiedersprüchen betrachtet wird. Das ist nun mal so.

  • Die Herrschaften haben offenbar keinerlei Interesse, die in diesem Thread gestellte Frage zu bantworten. Keine Antwort geben (können) ist manchmal auch eine Antwort. Die Gelegenheit, sich hier einen Nebenkreigsschauplatz zu eröffnen und sich aus der Affäre zu ziehen, gebe ich ihnen aber nicht weiter.


    Irgendwie scheint Deine Begründung zur Verbindlichkeit des Werks und der Werkgerechtigkeits-Idee zu fluktuieren. Wir hatten hierzu bereits: (i) Das ist so, weil es so ist; (ii) Das ist so, weil es der Stand der Wissenschaft ist; (iii) Die Autorität XYZ sagt das; (iv) Ohne Werkgerechtigkeit fehlt das Kriterium der Werkgerechtigkeit; (v) Ohne Werkgerechtigkeit droht Beliebigkeit (was nicht weiter belegt wurde); und recht neu (vi) Die Mehrheit der Künstler sieht das so (was ebenfalls nicht weiter belegt wurde).


    Nur eins gibt es leider nicht: eine logische, sich aus dem Wesen des Theaters ergebende Begründung, warum Theaterschaffende in dem Moment, wo sie ein Stück für ihr Theaterschaffen heranziehen, diesem Stück (oder seinem Autor) in verbindlicher Art und Weise "Werkgerechtigkeit" schulden. Deswegen geht es in der Sache auch leider nicht voran.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Auf einen Beleg, wann ein Regisseur Johan Botha als Parsifal szenisch durch einen Tänzer ersetzt hat, warte ich übrigens immer noch.

    Ich pflichte Dir ja nicht sehr häufig bei, hier allerdings nachdrücklich. Ich habe bereits versucht dies zu recherchieren, fand dazu aber auch nichts. Sofern dies tatsächlich einmal geschehen sein sollte, würde ich das weniger auf das Regiekonzept als auf eine Ausnahmesituation zurückführen (evtl. Verletzung des Sängers, daher nicht szenisch agierend).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Frage Warum überlebt das Regietheater so lange? interessiert überhaupt nicht mehr.

    Ich glaube, für meine Beiträge kannst Du das nicht sagen. Ich habe u.a. über eine empirische Studie berichtet und eine ganze Reihe von Überlegungen dazu angestellt. Ein paar Ergänzungen werde ich noch machen. Vielleicht findet das ja Jemand doch interessant. ;)

  • Nur eins gibt es leider nicht: eine logische, sich aus dem Wesen des Theaters ergebende Begründung, warum Theaterschaffende in dem Moment, wo sie ein Stück für ihr Theaterschaffen heranziehen, diesem Stück (oder seinem Autor) in verbindlicher Art und Weise "Werkgerechtigkeit" schulden. Deswegen geht es in der Sache auch leider nicht voran.

    Entschuldigung, ich habe einfach keine Lust, mich dazu weiter auszulassen. Weil ich hier keinerlei ernste Verständnisbereitschaft erkennen kann. Es wird sowieso alles für unverbindlich genommen und ins Lächerliche gezogen. In so einem Kontext machen irgendwelche anspruchsvollen Auslassungen keinen Sinn. Außerdem gibt es eine ganze Werktheorie - zu der ich auch einen Beitrag geleistet habe übrigens in Bezug auf Musik und Neue Musik (Theater nur am Rande mit einem kurzen Blick auf Aristoteles). Damit kann sich beschäftigen, wer will. Und da wird er dann die Antworten finden.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Aristoteles ist ja auch wirklich die höchste Höhe des Kenntnisstands der modernen Forschung. Da bist Du genau richtig, wenn Du »nur kurz« das Theater behandeln willst.


    (Nur so ein kleiner Tip: Hast Du schon mal was von einem gewissen Bertolt Brecht gehört? Der hat auch ein bisschen was zum Theater zu sagen gehabt. Und auch zu Aristoteles. Das solltest Du mal nachlesen. Dann ginge Dir vielleicht ein Licht auf: Natürlich nicht, dass nur richtig ist, was Brecht sagt – solche absoluten Einschätzungen seien getrost Dir überlassen –, aber immerhin, dass es auch andere Gedanken zum Thema gibt, als Du bisher wahrgenommen hast.)

  • Genau deshalb äußere ich mich hier nicht weiter zu dem Thenenkomplex. Weil ich mit unseriösen Gesprächspartnern nicht diskutiere. Meine Untersuchungen haben eine bestimmte methodische Aufgabenstellung. Und da gehört eine explizite Betrachtung des Theaters und Musiktheaters nicht hinein. Mit Brecht habe ich mich allerdings auch ausführlicher beschäftigt - im Zusammenhang mit Kurt Weill. Aber nicht in diesem werktheoretischen Zusammenhang.

  • Entschuldigung, ich habe einfach keine Lust, mich dazu weiter auszulassen. Weil ich hier keinerlei ernste Verständnisbereitschaft erkennen kann. Es wird sowieso alles für unverbindlich genommen und ins Lächerliche gezogen.


    Das ist bedauerlich, weil ich für meine Seite wohl behaupten kann, mich nicht in einem Disput mit Dir zu befinden (außer in der Sache) und außerdem wirklich Interesse daran habe, wie Du die besagte Verbindlichkeit herleiten möchtest. Es ist also ernste Verständnisbereitschaft bei mir vorhanden (ob Du diese nun erkennen magst oder nicht), weil ich die Sachfrage interessant finde.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Irgendwie scheint Deine Begründung zur Verbindlichkeit des Werks und der Werkgerechtigkeits-Idee zu fluktuieren. Wir hatten hierzu bereits: (i) Das ist so, weil es so ist; (ii) Das ist so, weil es der Stand der Wissenschaft ist; (iii) Die Autorität XYZ sagt das; (iv) Ohne Werkgerechtigkeit fehlt das Kriterium der Werkgerechtigkeit; (v) Ohne Werkgerechtigkeit droht Beliebigkeit (was nicht weiter belegt wurde); und recht neu (vi) Die Mehrheit der Künstler sieht das so (was ebenfalls nicht weiter belegt wurde).


    Nur eins gibt es leider nicht: eine logische, sich aus dem Wesen des Theaters ergebende Begründung, warum Theaterschaffende in dem Moment, wo sie ein Stück für ihr Theaterschaffen heranziehen, diesem Stück (oder seinem Autor) in verbindlicher Art und Weise "Werkgerechtigkeit" schulden. Deswegen geht es in der Sache auch leider nicht voran.


    LG :hello:

    Dieser Beitrag trifft für meine Begriffe voll ins Schwarze.

    Ich denke allerdings, dass es in dieser Frage prinzipiell nicht mehr "vorangehen" kann. Nicht nur, dass die hartnäckigen und bisweilen gedanklich grotesk verrenkten Versuche, eine Verbindlichkeit zu belegen, gescheitert sind. Für mich stellt es sich darüber hinaus so dar, dass der Begriff 'Verbindlichkeit' (im Sinne einer allgemeinen Festgelegtheit) in diesem Zusammenhang prinzipiell nichts zu suchen hat. Stattdessen rede ich hier bislang lieber von 'Auffassung'. Wer meint, dass Theaterschaffende, die sich auf eine bestimmte Komposition beziehen, nach dem Prinzip von "Werktreue" oder "Werkgerechtigkeit" zu schaffen haben, zeigt m.E. eine solche Auffassung (die aber grundsätzlich nicht verbindlich ist).

    Die Motivationen und Gründe hinter der Auffassung, Theater müsse sich nach "in der Sache festgelegten" Voraussetzungen richten, können vermutlich ganz unterschiedlich sein. Im schlimmsten Falle stehen dahinter pure Machtansprüche. Damit bringe ich aber z.B. Helmut Hofmann überhaupt nicht in Verbindung, dessen Beiträge aus meiner Sicht ein hohes Maß an "intrinsischem" Anspruch verraten. Man lese dafür nur seine bewundernswerten Kunstlied-Analysen. Wenn Helmut sich also hier für so etwas wie 'Werkgerechtigkeit' stark gemacht hat, kann ich dies ohne den geringsten Zweifel als eine entschiedene persönliche Überzeugung in der Sache verbuchen. Und ich ließe mir sicherlich auch anhand von einzelnen Beispielen gerne erläutern, woran er diese Überzeugung festmacht.


    Das Threadthema und die darauf bezogenen Beiträge haben mich natürlich ebenso beschäftigt wie zuvor die bereits entschiedene Frage nach den Verbindlichkeiten. Die empirischen Daten habe ich interessiert zur Kenntnis genommen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es zukünftig auch mal die eine oder andere "Bühnen-Initiative" geben könnte, die Diskrepanzen zu Setting und Handlung der Libretti/Dramen zu verringern - eben wenn es Theaterschaffende gäbe, welche die Auffassung teilen, es solle "werkgerechter" inszeniert werden. Aber grundsätzlich bin ich mir sicher, dass das "RT-Rad" nicht mehr zurückgedreht werden kann. Wenn ich es richtig verstehe, müsste es ja sogar bis in die Zeit vor dem Wirken Max Reinhardts zurückgedreht werden. Dafür fehlt mir wirklich die Vorstellungskraft. Und es wirkt geradezu verrückt.

  • Aber sicher doch, sieh mal hier. Frau Kozena wirkt vom Typ doch zerbrechlich und wie nicht von dieser Welt, auch wenn sie nicht die Idealbesetzung ist.

    https://ok.ru/videoembed/3798569061077

    https://youtu.be/imYlshUUwrc

    Das erste Beispiel (Haitink) würde ich akzeptieren. Es ist eine der Korrekturen, lieber Orfeo, die du bei mir machst und die mich wirklich weiterbringen. In diesem Fall werde ich mir sogar die ganze Aufführung ansehen, weil gut gesungen wird, es kein RT ist und vor allem, weil es französische Untertitel gibt, die bequemste Art, dieses Werk zu verfolgen. Das Jahr konnte ich nicht finden!

    Beim 2. Beispiel (2011) würde ich die Mélisande nicht akzeptieren, vor allem, wenn sie in Großaufnahme zu sehen ist.

    Es gibt übrigens einen thread: Muss ein Sänger schön sein? Start hier im Forum 8.7.2014 (Mischa), neu aufgelegt am 23.7.2022. Da wird alles schon verhandelt. Da wird auch hingewiesen auf eine Darstellung der Kozena als Melisande an der MET, in der sie jung aussieht, leider nur ein Bild. Das habe ich damals in meinem Folgebeitrag auch sehr gelobt.

    Behalten aus diesem Thema habe ich die Begriffe "Rollendistanz" und den Begriff "synästhetisch" (von Gesang und Darstellung).

    Es findet sich auch ein interessanter Beitrag von Bertarido, der damals eher meine Meinung unterstützt hat (21.5.2015).

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Die Frage Warum überlebt das Regietheater so lange? interessiert überhaupt nicht mehr.

    Diese Frage habe ich bereits final beantwortet. Und es nervt mega, dass ich es nun wiederholen muss. Ich werde Alfred um eine Gehaltserhönung bitten müssen.


    Also:

    Das Regietheater ergibt sich daraus, dass die Opern von Künstlern inszeniert werden. Und die schaffen definitionsgemäß immer etwas Neues. Kunst ist immer schöpferisch.


    Du kannst also nur fragen: Warum werden anstelle von Künstlern keine Handwerker beauftragt?


    Das erkläre ich dir jetzt auch noch:

    Geeignetes Personal ist zwar reichlich vorhanden. Aber selbst die größten Fans von "werktreuen" Inszenierungen sehen keine Chance, dadurch dauerhaft die Theater zu füllen. Wenn es anders wäre, hätten sie es nämlich schon längst versucht. Es gibt nämlich sowohl Theater mit zu geringer Auslastung als auch hinreichend begabte Musiker/Sänger, die sich über ein entsprechendes Engagement freuen würden. Jeder Kommunalpolitiker würde Luftsprünge machen, wenn ihm jemand glaubhaft versichern könnte, dass mit "werktreuen" Inszenierungen die Auslastung ansteigen würde oder gar mehr Touristen kommen würden.


    Warst du schon mal in Venedig? Dort gibt es Vergleichbares bzgl. Orchestermusik in kleiner Besetzung. Also hinreichend talentierte und ausgebildete Musiker, die jeden Abend einen kleinen Konzertsaal füllen wollen. Und zwar mit populärer Klassik. Vivaldi, Mozart, etc. Das funktioniert auch. Aber halt nur in Venedig. Und nur mit Touristen, die nicht wegen der Musik die Stadt besuchen. Diese Konzerte besuchen weder Einheimische noch klassikinteressierte Touristen. Die Stücke sind einfach zu langweilig. Jedenfalls dann, wenn sie von "Handwerkern" gespielt werden, und seien sie noch so gut. Genauso würde es bei "werktreuen" Inszenierungen ablaufen: Man sieht sich das alle 10-20 Jahre mal an. Ansonsten bevorzugt man die CD oder die DVD.


    Damit füllt man kein Theater.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose