Warum überlebt das Regietheater so lange ? - Versuch einer Analyse

  • Mich würde hierzu auch eine Antwort auf die Frage von ChKöhn interessieren: wer konkret soll denn Tradition in der Klassischen Musik suspekt finden?

    Ich nicht, jedenfalls nicht in dieser Allgemeinheit. Aber Traditionen zu achten ist nicht gleichbedeutend damit, sklavisch alles zu kopieren, was früher gemacht wurde.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Das ist ähnlich wie mit den sprichwörtlichen preußischen Tugenden, von denen wohl wenigstens die Hälfte mit Argwohn beäugt wird.

    Das ist m.E. auch wieder arg vereinfachend dargestellt! - Das Problem sind doch nicht die Tugenden, sondern ihre (preußisch-)militaristische Konnotation ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich war gestern seit langer Zeit mal wieder im Theater und habe mir im Residenztheater die Medea 'nach Euripides' angesehen. Die Regisseurin greift bei ihrer Inszenierung auch auf andere Texte zurück, ausgewiesen ist von der Dramaturgien Bendix Fesefeldt MEDEA von Christa Wolf, ein Freund, der gestern dabei war, meinte auch Elemente aus Grillparzers "Goldenes Vließ" erkannt zu haben. Der Kern der Inszenierung ist aber die Medea von Euripides.


    Es war natürlich keine antikisierende Inszenierung, sondern eine beeindruckende, aber keineswegs überfrachtete Show mit Laserlicht, Projektionen und Wasser. Dieser Tragödie bekommt das gut, finde ich. Da meine letzten Theaterbesuche allesamt Enttäuschungen waren, bin ich mit sehr geringern Erwartungen angetreten - und die wurden übertroffen, was vor allem daram lag, dass die Regisseurin Karin Henkel die Figuren gut inszeniert hat und zwischen ihnen - zumindest teilweise - auch ein Spannungsgeflecht aufgebaut hat. Natürlich könnte man da einiges kritisieren, ich möchte nur erwähnen, dass das Schlussbild das verstörende Geschehen (Medea ermordet kurz zuvor ihre Kinder) gerdezu ins Lächerliche zieht, was dem Stück einen eher satirisch-versöhnlichen Abschluss gibt, der wohl leichter zu konsumieren ist als das Original. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Stück so erfolgreich ist - es läuft seit zwei Jahren und die von mir besuchte Vorstellung war so gut wie ausverkauft. Das Publiukum war sehr gemischt, es waren sehr viele junge Zuschauer vor Ort, was mich überrascht hat.


    Damit möchte ich auf das eigentlich Threadthema zurückkommen: Modernes Theaterkunstwerk (ich finde den Begriff passender als 'Regietheater') überlebt nicht nur, sondern es zieht erfolgreich ein gemischtes, interessiertes Publikum an (in dieser Inszenierung ging es viel um die Rolle der Frau, auch über das Schlussbild musste man sich unweigerlich austauschen).


    Im Vergleich zu diesem sehr lebendigen Eindruck wirken auf mich die Diskussionen hier in der Argumentationen mitunter recht verstaubt.

    Offenbar trauern viele einer Theaterwelt hinterher, die es kaum mehr gibt und der thread geht wohl bereits von der Fragestellung weitgehend an der Realität vorbei.


    Geht lieber mal wieder ins Theater!


    Viele Grüße

    Christian


    https://www.residenztheater.de/stuecke/detail/medea



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  • Im Vergleich zu diesem sehr lebendigen Eindruck wirken auf mich die Diskussionen hier in der Argumentationen mitunter recht verstaubt.

    Offenbar trauern viele einer Theaterwelt hinterher, die es kaum mehr gibt und der thread geht wohl bereits von der Fragestellung weitgehend an der Realität vorbei.

    Geht lieber mal wieder ins Theater!

    Nun mal langsam.

    Die angeblich "verstaubte" Diskussion kreiste u.a. um die zentrale Frage, ob man ein historisches Werk, das in der Inszenierung stark verändert wurde, mit seinem Originaltitel präsentieren dürfe.

    Das ist hier ja nicht geschehen. Der Titel lautet: "Medea. Nach Euripides".

    Und das geht - aus meiner Sicht - selbstverständlich in Ordnung.

  • Am Sonntag hab ich mir die Aida aus Wien angesehen. Die Inszenierung ist 40 Jahre alt, aber so etwas von emotionslos und langweilig. Die Sänger singen hauptsächlich an der Rampe und es gibt keine Personen Regie. Der Chor steht auch nur rum. Auch der Triumph Marsch war an Langeweile nicht zu überbieten.

  • Nun mal langsam.

    Die angeblich "verstaubte" Diskussion kreiste u.a. um die zentrale Frage, ob man ein historisches Werk, das in der Inszenierung stark verändert wurde, mit seinem Originaltitel präsentieren dürfe.

    Das ist hier ja nicht geschehen. Der Titel lautet: "Medea. Nach Euripides".

    Und das geht - aus meiner Sicht - selbstverständlich in Ordnung.

    Lieber Helmut Hofmann,


    die Frage nach dem Originaltitel war nur ein Teil der Diskussion, der Ausgangspunkt war jedoch ein anderer. Ich war gestern sehr überrascht von den vielen jungen Menschen im Theater - das erlebe ich in München bei Konzerten nicht. Das war schon signifikant - und ausgehend von dieser punktuellen persönlichen und natürlich auch etwas willkürlichen Erfahrung komme ich für mich zu dem Schluss, dass sich die Theaterszene im Unterschied zur Konzertszene aufgrund einer stetigen Weiterentwicklung bei der Aufführung von Theaterkunstwerken beträchtlich verjüngt hat und die Gesellschaft vielseitig anspricht und erreicht. Von mir besuchte Konzerte - auch mit Stars - wirken im Vergleich dazu wie eine Altenheimveranstaltung. Auch bei Stars wie Kissin und Perahia waren zuletzt doch sichtbar Plätze leer geblieben. Das gab es früher nicht in München. Das moderne Theater wirkt hingegen quicklebendig, eben weil es sich verändert, es sich nicht auf die Reproduktion bestehender Werke beschränkt und es mitunter aus unterschiedlichen Texten auch etwas Neues, Unvorhersehbares schafft. So mein wie gesagt subjektiver Eindruck nach dem Besuch gestern, den ich aber mit weiteren Aufführungen erweitern werde.


    Viele Grüße
    Christian

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  • Die angeblich "verstaubte" Diskussion kreiste u.a. um die zentrale Frage, ob man ein historisches Werk, das in der Inszenierung stark verändert wurde, mit seinem Originaltitel präsentieren dürfe.

    Entschuldigung, aber wenn dies tatsächlich die zentrale Frage ist, halte ich die Qualifizierung als "verstaubte Diskussion" für sogar noch deutlich untertrieben ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Geht lieber mal wieder ins Theater!

    Lieber Christian,


    das mache ich, gerne und mit Leidenschaft. Aber nur wenn ich mir sicher bin, gut gelaunt hinzugehen und wieder herauszukommen. Dazu habe ich eben feste Vorstellungen. Und eine Salome-Inszenierung wie zuletzt im TV (arte)

    live erleben zu müssen wäre ein großes Ärgernis für mich. Wie schon oft gesagt - dann gehe ich lieber mit meiner Frau ein schönes Stück Fleisch essen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Im Vergleich zu diesem sehr lebendigen Eindruck wirken auf mich die Diskussionen hier in der Argumentationen mitunter recht verstaubt.

    Offenbar trauern viele einer Theaterwelt hinterher, die es kaum mehr gibt und der thread geht wohl bereits von der Fragestellung weitgehend an der Realität vorbei.

    Vielen Dank für Deinen schönen Bericht. So macht das Theater Freude.....


    Da werde ich doch glatt mal schauen! :)


    Einen schönen Abend an alle :hello:

  • Am Sonntag hab ich mir die Aida aus Wien angesehen. Die Inszenierung ist 40 Jahre alt, aber so etwas von emotionslos und langweilig. Die Sänger singen hauptsächlich an der Rampe und es gibt keine Personen Regie. Der Chor steht auch nur rum. Auch der Triumph Marsch war an Langeweile nicht zu überbieten.

    "Aida" am Pissoir statt am Nil wäre gewiss spannender. Dazu der triumphale Einmarsch der "Pegidioten" mit Donald-Trump-Kappen. Und es endet in einer russischen Kerkerzelle, wo Radamès mit Selenski-Antlitz eingeht. So dürfte alles heute Relevante abgedeckt sein. (Sollte ich mir die Rechte daran sichern, bevor Bieito es so bringt?)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ein Gedanke zum Argument, etwas sei heute nicht mehr Zeitgemäß. Ich lehne diese Argumentation aufs schärfst ab. Für gewöhnlich wird dies als "Es ist nicht mehr nützlich/rentabel" ausgelegt oftmals tatsächlich mit der Phrase "Wer braucht das heute noch." Meine Antwort ist immer " Niemand. Es hat noch nie jemand "gebraucht" aber es ist einfach schön." und damit hat es auch eine Daseinsberechtigung.


    Ich persönlich finde RT kreativ einfach stimulierender weil sie von mir eine intensivere Beschäftigung mit dem Werk verlangen.


    Beste Grüße

    Niklas

  • Holger hat in seiner Kolumne, in der man nicht antworten kann (das ist wohl seine Rache auf die Auseinandersetzungen hier?), auf die Meldung einer Absetzung von WARTEN VON GODOT aufmerksam gemacht, weil es nur mit Männern besetzt werden darf. Wurde darüber tatsächlich schon disktutiert? Dann habe ich es verpasst.


    Vor allem aber wusste ich gar nicht, dass Becket verfügt hat, dass in GODOT nur Männer mitspielen dürfen. Es ist schon bizarr, dass das Stück jetzt deswegen abgesetzt wird. Wunderbarer Stoff für eine Komödie ;-)


    In München werde ich mir demnächst das Käthchen von Heilbronn ansehen - das Käthchen wird dabei von einem Mann verkörpert.

    Die Besprechungen (Nachtkritik) machen zumindest neugierig und ich lasse mich jetzt davon nicht abschrecken und werde Anfang März reingehen und berichten.


    Viele Grüße

    Christian

  • Vor allem aber wusste ich gar nicht, dass Becket verfügt hat, dass in GODOT nur Männer mitspielen dürfen. Es ist schon bizarr, dass das Stück jetzt deswegen abgesetzt wird. Wunderbarer Stoff für eine Komödie ;-)

    Absurdes Theater par excellence! ;)

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