DOR Duisburg gelungene Premiere von Adriana Lecouvreur in einer werkgerechten Inszenierung mit sensationellen Stimmen

  • Gestern Abend war es endlich so weit die von mir mit Spannung erwartete Premiere von Cileas Adriana Lecouvreur in Duisburg. Eigentlich sollte es ja eine Neuinszenierung von Andrea Chenier geben, aber durch die Corona Pandemie kam alles anders und so kam es zu dieser Co Produktion mit dem Theater Mainz. Der Regisseur Gianluca Falaschi hat diese Inszenierung ins Hollywood in den 20 bis 50er Jahre angesiedelt. Adriana ist eine berühmte Schauspielerin . Die Kostüme passen zu der Zeit sind sehr bunt und erinnern an die großen Tanzrevuen. Insgesamt ist die Inszenierung stimmig und es gibt auch Ansätze von Personenregie. Aber es gibt hauptsächlich Rampensingen und Tenor und Sopran liefern die typischen Operngesten. Auch die Festszene erinnert mehr an Pantomime als an eine ausgelassene Feier.

    Ich habe vor Beginn meinen Bekanntenkreis mal ausgefragt und ihnen folgende Fragen gestellt.


    1. Warum seid ihr heute Abend hier Alle haben geantwortet, das sie das Stück zwar kennen, aber noch nie live gesehen haben.

    2. Habt ihr nur ein Abo oder geht ihr sonst auch in die Oper ? 4 gehen nur mit Abo in die Oper und die Jüngsten beide 46 und 48 sind wie ich in ganz NRW und in Holland unterwegs.

    3. Bereitet ihr euch auf Opernabende vor ? Einige überhaupt nicht, weil sie live nicht enttäuscht werden möchten und hören bzw. sehen erst hinterher CD`s oder DV`s und andere haben sich die Adriana Lecouvreur aus MET angeschaut.

    4. Wie steht ihr zu werkgerechten bzw. modernen Inszenierungen ? Darauf die einstimmige Antwort, dass Oper moderner werden muß und sich die Opernhäuser für junges Publikum öffnen muß, da die älteren Besucher aussterben oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die Oper gehen. Inszenierungen können ruhig modern sein, wenn man das Werk wiedererkennt. Ich hab das Problem bei werkgerechten Inszenierungen, daß mir dir Personen auf der Bühne egal sind, während bei moderneren Inszenierungen kann ich mich mehr in die Personen hineinversetzen,

    5. War früher alles besser ? Auch da die übereinstimmende Antwort es war nicht alles besser , sondern anders.

    6. Geht ihr wegen der Inszenierung oder Sänger in die Oper ? Darauf haben auch alle geantwortet das sie hauptsächlich wegen der musikalischen Seite in die Oper gehen.


    Das Publikum war eine gute Mischung aus jüngeren, mittelalter und älteren Besuchern. Deshalb hab ich auf in der Pause die gleichen Fragen zwei jungen Studenten beide 23 und 24 Jahre alt gestellt und die Antworten waren identisch mit denen von meinem Bekanntenkreis. Sie gehen in die Oper wegen der Sänger um Stimmen zu entdecken und auch neue Stücke zu entdecken.


    Ganz hervorragend waren die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung des 1. Kapellmeisters Peter Halasz. Es wurde richtig geschwelgt und er überdeckte nie die Sänger. Liana Aleksanyan war eine beeindruckende Adriana mit strahlenden Höhen und sie verkörperte auch glaubhaft die Rolle. Eduardo Aladren war ein perfekten Maurizio und hatte ebenfalls bombensichere Höhen zu bieten. Ramona Zaharia war eine Idealbesetzung für die Fürstin von Bouillon. Sie seht blendend aus aus überzeugte mit ihrem dunklen verführerischen Mezzo. Wer braucht da noch Herrn Kaufmann oder Frau Nebtreko ? Anooshah Golesorkhi verkörperte einen väterlichen Michonnet . Am Ende gab es 13 Minuten Schlußapplaus mit laustarken Bravos und Bravis für alle Sänger und den Dirigenten und stehenden Ovationen und lautes rythmisches Klatschen. Aber wir sind ja nur das dumme Opernpublikum .

  • Lieber rodolfo39, vielen Dank für Deinen Bericht! Die Adriana kenne ich nur von der Übertragung aus der Met, aber ich ginge sofort hin, liefe sie in Berlin. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Auch ich danke für den Bericht.


    Allerdings komme ich nicht umhin, einen Widerspruch zu verorten zwischen

    Der Regisseur Gianluca Falaschi hat diese Inszenierung ins Hollywood in den 20 bis 50er Jahre angesiedelt.

    und einer laut Threadtitel "werkgerechten Inszenierung".


    Die französische Schauspielerin Adrienne Lecouvreur lebte Anfang des 18. Jahrhunderts in Paris. Moritz von Sachsen ist ebenfalls eine historische Persönlichkeit. Es mag ja sein, dass es irgendwie auch in den 1920ern bis 50ern klappt, aber werkgerecht im Sinne von librettogetreu ist das m. E. nicht mehr.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich hab den Widerspruch auch bemerkt, wollte aber nicht mäkeln und Rudolfo39 demoralisieren.....

    Jetzt ist aber alles geklärt und ich kann gut schlafen

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Adriana ist eine herrliche, leider viel zu selten gespielte Oper. Live war mir nur ein konzertanter Besuch in Chemnitz vergönnt, der war allerdings von bester Qualität. Svetlana Katchour war eine erstklassige Adriana!

    Auf der Bühne kenne ich nur eine Aufführung aus London mit Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann. Ich fand in dieser Inszenierung sogar Kaufmann toll, die Finalszene machte dank der schauspielerischen Fähigkeiten von Frau Gheorghiu zusammen mit beiden Stimmen ein wunderbares Erlebnis, zumal auch die Inszenierung mich ansprach.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Falaschis Inszenierung, die ich bereits im Mai in Düsseldorf gesehen hatte, ist vor allem was fürs Auge, was daran liegen mag, dass er über einen Umweg zur Regie kam. Er war erfolgreicher Ausstatter, und für Perelà und Armide in Mainz sowie Alcina in Basel kürte ihn die "Opernwelt" 2015 und 2017 zum Kostümbildner des Jahres. Aus der Filmsetumgebung entwickeln sich aber leider keine schlüssigen Inszenierungsideen. Adriana wird zu einer Art Norma Desmond aus Billy Wilders "Boulevard der Dämmerung" gestylt, Prinz Moritz ist ein opportunistischer Gigolo und dementsprechend spielt die Handlung in der Glitzerwelt des Broadways und Hollywoods.

    Ich habe absolut nichts gegen eine Verlegung des Handlungsortes, auch nicht in eine andere Zeit. In dieser Inszenierung habe ich mich jedoch gefragt, was die Umdeutung als schlüssige Interpretationsmöglichkeit bringt außer hübschen Bildern. Meine persönliche Meinung: Nichts. Ich will die Inszenierung nicht in die Schublade "Regietheater" stecken, sie gehört in die Schublade "oberflächliche und in sich nicht schlüssige Regie". Man kann sie gut ansehen, man die Sänger sehr gut anhören, und man kann sie danach auch wieder vergessen.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ich war Samstag auch da, nachdem ich das Werk schon in Düsseldorf gesehen habe.

    Die Inszenierung ist alles andere als langweilig und in sich stimmig, was bei der idiotischen Handlung schon nicht so einfach ist. Die 3 Sänger der Hauptpartien können mit jeder Aufnahme mühelos mithalten, was auch eher selten ist.

    Ein großartiger Abend den ich nicht vergessen werde und nicht vergessen will !

  • Ein großartiger Abend

    YEPP - ich bin am 08.02. in der Vorstellung, freu mich schon :jubel:

    Egoismus in der Wolfshaut, Egoismus im Schaafpelz. Unvernünftige Klugheit, unkluge Vernunft. Energie ohne Grundsäze, Grundsäze ohne Energie. Strenge ohne Menschlichkeit, Menschlichkeit ohne Strenge. Heuchlerische Gefälligkeit, schaamlose Unverschämtheit, altkluge Jungen, läppische Männer. Man könnte die Litanei fortsezen von Sonnenaufgang bis Mitternacht und hätte kaum ein Tausendtheil des menschlichen Chaos genannt! (Hölderlin, Brief an J. G. Ebel, 10.01.1797)

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  • Allem Anschein nach gibt es im Forum doch mehr Befürworter von nicht werktreuen Inszenierungen als vermutet.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Die Besetzung ist in der Tat sehr lohnend! :)

    Du kennst Dich doch in der Sänger-Szene aus. Weißt Du, ob Ramona Zaharia, die in dieser Produktion mitwirkt, und Adela Zaharia, beide Rumäninnen, beide Mitglieder im Ensemble der DOR, verwandt sind?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Du kennst Dich doch in der Sänger-Szene aus. Weißt Du, ob Ramona Zaharia, die in dieser Produkton mitwirkt, und Adela Zaharia, beide Rumäninnen, beide Mitglieder im Ensemble der DOR, verwandt sind?

    Was ich genau weiß: Sie sind nicht verwandt und nicht verschwägert.

    Zaharia soll in Rumänien ein häufiger Name sein wie Schmidt oder Lehmann bei uns... (Dazu wiederum könnte dir Werner Hintze besser Auskunft geben.)

  • "Oper muss moderner werden", das klingt doch ziemlich phrasenhaft. Das "Konzert in Kostüm und Maske" oder die konventionellen Adaptionen (Schenk, Zefirelli...) sind definitiv Geschichte.
    Zwischen "Mottenkiste" und totaler Umgestaltung ist aber viel Platz für das, was man als Mittelweg bezeichnen kann.
    Unkenntlichmachen der klassichen Werke, um junges Publikum anzuziehen?
    Eine interessante, packende Ästhetik ist der richtige Ansatz, und das gibt es schon seit längst. Um nur zwei Bayreuther Beispiele zu nennen: Der Lohengrin in der Inszenierung von Werner Herzog(1991) und der Tristan von 1993 (Werner Müller)
    Beide Inszenierungen folgten dem Grundsatz des Meisters "Kinder, schafft Neues!"
    Von "Kinder, macht meine Werke und ihre Charaktere zum Affen" war nie die Rede.
    Müssten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht auch die klassischen sinfonischen Werke dem Geschmack Jugendlicher angepasst werden?
    Wie wäre es mit E-Gitarren und Schlagzeug im Orchestergraben im Sinne einer zeitgemäßen Adaption?
    Mozart und Beethoven sind tot und können sich nicht wehren.

  • ... Beide Inszenierungen folgten dem Grundsatz des Meisters "Kinder, schafft Neues!"

    "Kinder, macht Neues! Neues! und abermals Neues! - hängt Ihr Euch ans Alte, so hat euch der Teufel der Inproduktivität, und Ihr seid die traurigsten Künstler!"

    Diese Forderung Richard Wagners in einem Brief vom 8. September 1852 an Franz Liszt bezieht sich nicht auf Aufführungen und Regie von Opern, sondern sie richtet sich gegen Berlioz' und Raffs Praxis der Neubearbeitungen eigener Werke und wurde immer wieder missbraucht, um neue Wege der Opernregie zu legitimieren.


    https://katalog.slub-dresden.de/id/0-747741794

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Beide Inszenierungen folgten dem Grundsatz des Meisters "Kinder, schafft Neues!"

    Hier der Ausschnitt des Briefs von Richard Wagner an Franz Liszt vom 8. September 1852 (aus Sämtliche Briefe, Band 4, Seite 460) aus dem klar hervorgeht, was Wagner damit sagen wollte


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    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Lieber Orfeo,

    nun habe ich unermüdlich recherchiert, kann aber keinen Nachweis erbringen, dass besagtes, meist aus dem Zusammenhang genommenes Zitat von Wieland und Wolfgang Wagner gebraucht wurde. Wie auch immer, die beiden haben nach der Maxime gehandelt. Sie waren Künstler, keine Museumsdirektoren.
    Würde man keine Veränderungen zulassen, müssten Wagners Helden noch immer mit gehörnten Helmen und Rauschebärten auf der Bühne stehen.
    Kunst und Stillstand schließen einander aus.
    "Der Zeit ihre Kunst" (An dem Zitat ist jetzt aber nicht zu rütteln, oder?)

    "Der Kunst ihre Freiheit" sollte in Bezug auf die Bühne aber nicht heißen: Keinerlei Urheberschutz, beliebiges Umgestalten und Unkenntlichmachen des Werkes.
    Was Wagners Urenkelin derzeit in Bayreuth fördert, hat nur einen positiven Effekt: Karten sind zu haben. Augen zu und die Musik, die Stimmen genießen!


    Mit Gruß und Dank für die Richtigstellung!

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  • Zitat von rodolfo39

    RT Diskussionen bitte in einem anderen Thread schreibenrod

    Sorry, nur weil du den Thread eröffnet hast! Das ergibt sich doch zwangsläufig, allein schon aus deiner Eröffnung!

    Also mal langsam! ^^


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)