Die Bachkantate (191): BWV97: In allen meinen Taten

  • BWV 97: In allen meinen Taten

    Choralkantate (Leipzig, 1734)


    9 Sätze, Aufführungsdauer: ca. 28 Minuten


    Lesungen:

    Unbekannt


    Textdichter:

    / (Choral von Paul Fleming)


    Besetzung:

    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Chor: SATB; Oboe I/II, Fagott, Violine I/II, Viola, Continuo


    1. Chor SATB

    In allen meinen Taten

    Lass ich den Höchsten raten,

    Der alles kann und hat;

    Er muss zu allen Dingen,

    Solls anders wohl gelingen,

    Selbst geben Rat und Tat.


    2. Aria Bass

    Nichts ist es spät und frühe

    Um alle meine Mühe,

    Mein Sorgen ist umsonst.

    Er mags mit meinen Sachen

    Nach seinem Willen machen,

    Ich stells in seine Gunst.


    3. Recitativo Tenor

    Es kann mir nichts geschehen,

    Als was er hat ersehen,

    Und was mir selig ist:

    Ich nehm es, wie ers gibet;

    Was ihm von mir beliebet,

    Das hab ich auch erkiest.


    4. Aria Tenor

    Ich traue seiner Gnaden,

    Die mich vor allem Schaden,

    Vor allem Übel schützt.

    Leb ich nach seinen Gesetzen,

    So wird mich nichts verletzen,

    Nichts fehlen, was mir nützt.


    5. Recitativo Alt

    Er wolle meiner Sünden

    In Gnaden mich entbinden,

    Durchstreichen meine Schuld!

    Er wird auf mein Verbrechen

    Nicht stracks das Urteil sprechen

    Und haben noch Geduld.


    6. Aria Alt

    Leg ich mich späte nieder,

    Erwache frühe wieder,

    Lieg und ziehe fort,

    In Schwachheit und in Banden,

    Und was mir stößt zuhanden,

    So tröstet mich sein Wort.


    7. Aria (Duetto) Sopran & Bass

    Hat er es denn beschlossen,

    So will ich unverdrossen

    An mein Verhängnis gehn!

    Kein Unfall unter allen

    Soll mir zu harte fallen,

    Ich will ihn überstehn.


    8. Aria Sopran

    Ich hab mich ihm ergeben

    Zu sterben und zu leben,

    Sobald er mir gebeut.

    Es sei heut oder morgen,

    Dafür lass ich ihn sorgen;

    Er weiß die rechte Zeit.


    9. Choral SATB

    So sein nun, Seele, deine

    Und traue dem alleine,

    Der Dich erschaffen hat;

    Es gehe, wie es gehe,

    Dein Vater in der Höhe

    Weiß allen Sachen Rat.



    Die Choralkantate entstand 1734 wie Bachs Datumsangabe im Autograph ausweist. Die Bestimmung des Werkes hingegen ist nicht vermerkt.

    Wie in den späten Choralkantaten Bachs üblich, besteht der gesamte Text aus den unveränderten Strophen des zu Grunde liegenden Chorals von Paul Fleming. Die bis heute gebräuchliche Melodie zu diesem Choral ist von „Innsbruck ich muss dich lassen“ (Heinrich Isaac) übernommen. Sie taucht in dieser Kantate allerdings lediglich in den Rahmensätzen auf


    Der Eingangschor Nr. 1 ist ein großangelegter Satz in Form einer Französischen Ouvertüre angelegt, wenn auch der langsame Schlussteil fehlt. Mit feierlich schreitenden Akkorden beginnt die langsame Einleitung. Sie lebt besonders von den Holzbläsern, die klanglich als Trio auftreten und mit eingängigen Verzierungen aufwarten. Kurz nach dem Beginn des schnellen Vivace-Teils der Ouvertüre setzt der Chor ein, wobei der Sopran wie üblich den Cantus firmus trägt. Die anderen Stimmen begleiten mit imitatorischen Begleitungen. Erst am Ende des Satzes vereinigen sich kurzfristig alle Stimmen zu einer Art homophonen Nachspiel zur letzten Verszeile der Strophe.


    Nicht weniger als fünf Strophen sind in dieser aufwendigen Kantate als Arien gestaltet. Arie Nr. 2 ist dabei als einfacher Continuo-Satz am wenigsten aufwendig und kunstvoll gestaltet.

    Arie Nr. 4 gehört hingegen zu jenen beseelten Arien Bachs, die kunstvoll mit obligater Solovioline ausgestaltet sind. Die Motivik erinnert zunächst ein wenig an berühmtere Arien ähnlicher Besetzung, wie „Erbarme dich“ aus der MP oder „Wenn kömmst du mein Heil“ aus BWV 140. Doch hier fällt die besonders virtuose Behandlung der Solovioline auf. Mag sie einerseits im von Gottes reicher Gnade handelnden Text begründet sein, liegt auf der anderen Seite der Gedanke nahe, dass Bach zur Entstehungszeit einen besonders fähigen Geiger zur Verfügung hatte nahe.

    Es folgt mit Arie Nr. 6 die wohl eingängigste und klanglich reizvollste Arie der Kantate. Es dominieren die tiefen Streicher in verschlungenen Linien. Auch tonmalerisch ist das 'Sich-Niederlegen' mit der absteigenden Figur des Anfangs nachempfunden. Selbige steigt beim 'Erwachen' wieder auf. Die Alt-Stimme mit ihrem ebenfalls dunklem Timbre passt hervorragend zum warmen und erdigen Klang des Streichersatzes. Besonders der aufsteigenden Melodielinie wohnt etwas tröstliches und beruhigendes inne. Die Zuweisung der Arie zur Altstimme kann im Bachschen Stimmen-System „Gott selbst im Herzen haben“ bedeuten.

    Nachfolgendes Duett (Nr. 7) fällt mit ungewöhnlicher Textverteilung auf, wird doch die letzte Silbe eines Verses noch einmal einen Halbton höher gesungen („be-schloss-en“). Immer wieder setzt der Bass nach Art einer Imitation versetzt zum Sopran ein. Dieses Duett ist zudem der einzige Satz des Werkes, welcher der zweiteiligen Struktur des Textes keine Rechnung trägt und ein Dacapo anfügt.

    Die letzte Arie (Nr. 8) des Werkes ist von liedhaft-tänzerischer Art. Die Begleitung und Motivik der Oboen erinnert zuweilen an das Weihnachtsoratorium. Besonders liedhaft gerät die Sopranstimme, die immer wieder ungewöhnlich kurze Abschnitte zu singen hat. Das „Ergeben“ aus dem Choraltext findet somit indirekt Niederschlag in der musikalischen Gestaltung der Arie.


    Nur zwei Rezitative finden sich in dieser langen Kantate. Nr. 3 als Secco, Nr. 5 mit Streicherbegleitung


    Lediglich der Schlusschoral Nr. 9 gibt die Choralmelodie im kunstvollen Satz direkt wieder. Die obligaten Streicher erweitern ihn zur Siebenstimmigkeit.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)