Der Tenor Benedikt Kristjánsson ist 1987 in Húsavík in Island geboren. Mit sechzehn Jahren erhielt er den ersten Gesangsunterricht bei seiner Mutter Margrét Bóasdóttir an der Reykjavík Akademie für Gesang. Er war Mitglied und Solist in dem renommierten Jugendchor "Hamrahlioarkórinn" und studierte schließlich bei dem auf Bach spezialisierten amerikanischen Tenor Scot Weir an der Musikhochschule "Hanns Eisler" in Berlin, wo er auch seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Meisterkurse belegte er bei Peter Schreier, Christa Ludwig, Elly Ameling, Robert Holl, Andreas Schmidt und Helmut Deutsch. Er errang mehrere Preise. Vornehmlich mit Bach tourt er durch Deutschland, Europa und inzwischen weit darüber hinaus. Verpflichtungen führten ihn ins Konzerthaus Wien, zur Chapelle Royal in Versailles, in die Walt-Disney-Hall in Los Angeles und in den Concertgebouw Amsterdam. Er arbeitet mit zahlreichen Orchestern und Ensembles zusammen – darunter die Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die Gächinger Kantorei, die Hofkapelle München, die Nederlandse Bachverening, die Akademie für Alte Musik Berlin und das Freiburger Barockorchester. Er sang auch an der Staatsoper in Berlin, im Theater Kiel und im Staatstheater Braunschweig. Bei diversen Festivals wie dem Musikfest Stuttgart, den Thüringer Bach-Wochen, den Händefestspiele in Halle und beim Festival Oude Muziek in Utrecht ist sein Name auf Besetzungszetteln zu finden. Im TAMINO-Forum ist er kein Unbekannter mehr.
Obwohl die Stimme zart und empfindsam, wenn nicht gar empfindlich wirkt, steht er die gewaltige Aufgabe beispielsweise in der Bachschen "Johannespassion" – neben dem wortreichen Evangelisten auch noch vier Arien und ein Arioso - ohne jede Ermüdungserscheinung durch. Dabei erweckt er nicht den Eindruck, besonders ökonomisch vorgehen zu müssen, sich die Partie geschickt einzuteilen, hier etwas zu sparen, dafür an anderer Stelle zuzugeben. Kristjánsson ist immer zu hundert Prozent bei der Sache, bis zum letzten Ton. Seine Stärke ist neben dem unverwechselbaren jugendlichen Timbre, die Sicherheit in der Beherrschung der Partien. Er hat sie bis zum Perfektionismus studiert. So gut studiert, dass auch alle Besonderheiten und Eigenwilligkeiten der Luthertischen Sprache bewahrt bleiben. Nichts verwischt oder versinkt im Unbestimmten. Deutlichkeit wird zu dem, was sie sein soll und muss – nämlich Deutung. Obwohl er beim Singen in Konzerten kaum einen Blick in die Noten zu werfen braucht, hat er sie meist vor sich. Das ist ein schöner Brauch und Ausdruck des Respekts vor dem, was der Komponist niedergeschrieben hat. Seine helle Stimme ist in allen Lagen perfekt gebildet. So ein Ebenmaß ist selten. Er verfügt über eine sehr biegsame Stimme mit festem Sitz. Sein Vortrag ist stilistisch makellos – und tief im Ausdruck, auf den er sich deshalb so konzentrieren kann, weil ihn keine technischen Probleme plagen. Zunächst hatte es den Anschein, als habe er mit Barockmusik das Zentrum seiner klug geplanten Karriere gefunden. Mehr und mehr widmet er sich dem Liedgesang, wobei ihm Franz Schubert besonders zu liegen scheint.