HERTEL, Johann Wilhelm: DER STERBENDE HEILAND

  • Johann Wilhelm Hertel (1727-1789):
    DER STERBENDE HEILAND
    Passionsmusik (auch als Passionskantate bezeichnet)

    Text von Johann Friedrich Löwen.


    Uraufführung am Karfreitag des Jahres 1764 in Schwerin.


    Besetzung:

    Soli: Sopran, Tenor, Bass

    Vierstimmiger Chor

    Orchester: Flöte, Oboe, Fagott, Horn, Violinen I und II, Viola, Violoncello, Kontrabass,

    Orgel



    Zum Werk.

    Einer kurzen, aber lastenden Instrumental-Einleitung folgt der Choral

    Ich will an deinem Kreuze,
    du Keltertreter, stehn
    und hier die schnöden Reize
    der Weltlust übersehn.
    O Andacht, nimm mich ein!
    Wie wird bei Jesu Leiden
    die Welt mit ihren Freuden
    in meinen Augen klein.

    Der Texter Johann Friedrich Löwen reduziert das Passionsgeschehen auf Gebet und Gefangennahme im Garten Gethsemane, Verrat und Reue des Petrus, Geißelung mit Kreuzigung und Tod. Und er benutzt nicht die Bibelworte, sondern spiegelt sie mit den Worten seines eigenen Ichs.

    Bemerkenswert ist dabei, dass er sich bei seiner Dichtung explizit auf die Passionskantate „Der Tod Jesu“ von Karl Wilhelm Ramler bezieht, die von Carl Heinrich Graun in Musik gesetzt wurde. Und dennoch gibt es Unterschiede zwischen Ramlers und Löwens Text: Ramlers Christus ist ein „sanfter“ Gottessohn, der den Gläubigen den „steilen Pfad“ zum Himmelstempel weist, und der sogar am Kreuze „heiter bleibt“. Von dieser Grundhaltung ist bei Löwen nichts zu spüren. Christus ist bei ihm derjenige, der Höllenqualen erleidet und der das auch im Vokabular spätbarocken Wortspiels ausdrückt. So kann man Löwens Christusbild als konventioneller und in der lutherischen Versöhnungslehre verhaftet sehen. Das aber bedeutet auch, dass Christus aus Liebe zu den Menschen den Zorn Gottes des Vaters auf sich nimmt.

    Das Wort vom Keltertreter im Eingangschoral nimmt Bezug auf eine Schilderung in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 14, Verse 19 und 20:

    (19) Und der Engel setzte sein Winzermesser an die Erde und schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die große Kelter des Zornes Gottes. (20) Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt getreten, und Blut floss von der Kelter bis an die Zäume der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.
    Löwen scheint hier auf die Rolle von Christus als dem Weltenherrscher hinweisen zu wollen. Der ganze Text, den Löwen für den Komponisten verfasst hat, ist ein Versuch, die Rolle Jesu als die eines Erretters für jeden sündigen Menschen herauszuarbeiten. Es darf aber gefragt werden, ob eine Haltung, die den Menschen so klein macht, der Intention des Autors und Theaterfreundes entspricht. Es scheint eher der Fall gewesen zu sein, dass Löwen die Intentionen des Auftraggebers der Passionsmusik, dem Prinzen Ludwig von Mecklenburg-Strelitz treffen wollte.


    Anmerkungen:

    Johann Wilhelm Hertel hat seine Musik, frühklassisch mit einigen spätbarocken Zügen, auch auf Ramlers/Grauns „Tod Jesu“ zurückgehend, geschrieben. Schlicht gefasste Choräle verbinden sich mit sorgfältig gearbeiteten Chorfugen und kommen in himmlischen Jubelgesängen zu überraschenden Ergebnissen. Arien sind bis auf zwei Ausnahmen dem A-B-A-System verhaftet. Das Passionsgeschehen wird in langen Rezitativen erzählt.

    Und doch ist Hertels Musik anders als die von Graun: Dessen abgeklärter und melodischer Tonsprache setzt er nachbarocke Tonmalerei entgegen, bleibt bei der Affektenlehre des Barock eher im kontrapunktischen Denken verhaftet.

    1773 hat Johann Wilhelm Hertel seine Passionsmusik selbst drucken lassen, wie aus einem Schreiben (18. April 1773) an Breitkopf in Leipzig hervorgeht; der Musikverleger wollte das Opus offensichtlich nicht in sein Verlagsprogramm aufnehmen. Er hat wohl erkannt, dass Hertel zwar für „Kenner und Liebhaber“ komponiert hat, dass er aber damit kein Geschäft machen konnte. Kunst und Kommerz waren wohl auch damals schon ein Problem.


    © Manfred Rückert

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    MUSIKWANDERER

  • Johann Wilhelm Hertel: Passionsoratorium "Der sterbende Heiland"




    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Im Booklet von Chandos Records gibt es den Text des Oratoriums (hier als Download)

    https://www.chandos.net/chanimages/Booklets/CX7874.pdf

    Das Booklett ist wie die Aufnahme von CPO!

    Seltsam ist auch, es gibt über den Link nur Beschreibungen aber keinen Inhalt nur leere Seiten!?


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Auch wenn das Booklet von CPO ist, geht der angegebene Link zu http://www.chandos.net. Ich habe die 36 Seiten mit Fotos und Text von dieser Adresse runtergeladen, sie funktioniert also. Wie CPO, JPC und Chandos zusammenhängen ist mir nicht bekannt.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • musikwanderer

    Hat den Titel des Themas von „HERTEL, JOHANN WILHELM: DER STERBENDE HEILAND“ zu „HERTEL, Johann Wilhelm: DER STERBENDE HEILAND“ geändert.