Guillotine oder Kantate? Ignaz Joseph PLEYEL [1757-1831]
Ignaz Joseph Pleyel wurde am 18. Juni 1757 in Ruppertsthal [Niederösterreich] geboren. Es kursierten falsche Überlieferungen, denen zu Folge Pleyels Mutter Maria Christina Therese bei der Geburt Ignaz Joseph Pleyels gestorben sei. In Wahrheit starb sie zwei Jahre später am 27. Oktober 1759. So blieb nur der Vater übrig, um die musikalischen Fähigkeiten seines Sohnes früh zu erkennen und er wählte einen hervorragenden Lehrer aus: Johann Baptist Vanhal [1739-1813]. Für die musikalischen Studien wurde der junge Pleyel nach Wien gebracht. Der Unterricht bei Vanhal wurde zunächst durch eine Italienreise Pleyels [1769-1771] sowie im Anschluß durch eine längere Erholungszeit Vanhals unterbrochen. Der Graf war offenbar mit dem Haus Esterház nicht nur verwandtschaftlich, sondern auch freundschaftlich verbunden: Der überaus hold gesonnene Graf Ladislaus Erdödy sah sich veranlasst, Pleyel im Jahre 1772 nach Eisenstadt zu Joseph Haydn zu schicken. Dafür berappte der Graf eine jährliche Summe von 100 Louis d’or, was nicht verächtlich ist. Christoph Willibald Gluck überzeugte sich persönlich von den wunderbaren Fortschritten des Haydnschülers, als er sich 1776 in Eisenstadt aufhielt. Pleyel war nicht einmal 18 Jahre alt, als im Januar 1776 in Wien seine Marionettenoper Die Fee Urgele, offenbar inspiriert durch Haydns Marionettenopern für das Grafenhaus Esterházy, aufgeführt wurde; auch zu Esterház erlebte das Werk im selben Winter eine Aufführung. Die Ausbildung bei Joseph Haydn endete 1777 und der gnädige Graf Ladislaus Erdödy verpflichtete den nunmehr 20jährigen Komponisten als Kapellmeister für sein kleines Virtuosenorchester.
Sein großzügiger Gönner ermöglichte Pleyel weitere Italienreisen. Außer den Anhaltspunkten, dass Pleyel jeweils 1781 und 1783 für kurze Aufenthalte nach Wien zurückkehrte, sind keine Details zu diesen Reisen bekannt. Am 30. Mai1785 jedenfalls wurde im Teatro San Carlo zu Neapel seine Oper Ifigenie in Aulide uraufgeführt. Pleyel entwickelte freundschaftliche Beziehungen zu den Kollegen Paisiello, Guglielmi, Cimarosa, Nardini und Pugnani. Inzwischen war Pleyel zum Adjunkten Franz Xaver Richters in Straßburg ernannt worden. Hier sollte er die rechte Hand des Kollegen Richter bei der Ausübung des Münsterkapellmeisteramtes sein. Man nimmt an, dass Pleyel bereits 1783 dieses Amt annahm, sich allerdings zur Durchführung resp. Fortsetzung seiner Italienreisen beurlauben und vertreten ließ. Seit 1785 waren die Concerts Pleyel-Schönfeld in Straßburg etabliert, die offenbar auch recht lukrativ gewesen zu sein scheinen: F. X. Richter erhielt einem Akteneintrag zu Folge 1.000 Gulden, Ignaz Joseph Pleyel 900 Gulden. Am 22. Januar 1788 heiratete Ignaz Pleyel Franziska Gabriel Lefebvre. Am 18. Dezember desselben Jahres kommt der Sohn Joseph Stephan Camille Pleyel zur Welt. Richter starb Mitte September 1789 und Pleyel trat infolgedessen sein Amt als bischöflich-hochstiftlicher Straßburgerischer Münsterkapellmeister an.
Zwischen 1785 und 1795 entstanden wohl die meisten Kompositionen Ignaz Pleyels. Zwar komponierte er 1791 eine Hymne à la Libertè auf den Text seines Freundes Claude Joseph Rouget, jedoch veranlasste ihn offenbar die französische Revolution, einer Einladung W. Cramers für die Saison 1792 nach London zu folgen. Hier hatte Joseph Haydn bereits 1791 mit seinen Salomon-Konzerten großen Erfolg gehabt. Die Musikwelt erwartete mit Spannung einen Wettstreit zwischen Lehrer und Schüler, man begegnete sich jedoch eher unauffällig und Haydn behielt Konzertberichten zu Folge das Szepter in der Hand. Dennoch bestand Pleyel diese Bewährungsprobe mit allen Ehren, er stand auf dem Höhepunkt seines Ruhmes. Pleyel macht auch verlegerische Erfahrungen, indem er George Thomson bei der Edition schottischer Volkslieder unterstütze. Nach Straßburg zurückgekehrt leistete sich Pleyel ein kleines Landgut namens Ittenweiler, welches bei Dorlisheim an den Ostausläufern der Vogesen gelegen ist.
[Louis René Edouard, Prince de Rohan-Guémené und Ettenheim]
Kardinal Rohan, der sich bereits 1785 durch die berühmte Halsbandaffaire unbeliebt machte, packte im Zuge der französischen Revolution 1790 seine sieben Sachen und ließ sich erst einmal auf der anderen Rheinseite in Ettenheim nieder. Demzufolge erstarb der Stiftsgottesdienst in Straßburg. Dummerweise wurde Pleyel dann als Fürstendiener und Österreicher denunziert und verhaftet. Die Guillotine war schon bereit gehalten: Lediglich durch die bewachte Komposition einer musikalisch effektvollen, aber schwülstigen Revolutionshymne mit dem Titel La Révolution du 10 Août ou le Toscin allégorique konnte er der Abtrennung seines Hauptes entgehen. Das Werk wurde mit großem Pomp am 10. August 1793 im Münster uraufgeführt. Dennoch bestand für Pleyel keine Aussicht, sein Amt als Münsterkapellmeister sowie die schönen Konzertverpflichtungen wieder aufzunehmen: So verkaufte er im Frühjahr 1795 sein Landgut und zog nach Paris um. Seine Name wurde 1796 in einer Ehrenliste der Komponisten, die mit ihren Werken den Ruhm der Revolution verbreitet haben, aufgeführt. Das nutzte ihm jedoch nicht viel: Pleyel musste an seine finanzielle Existenz denken und so gründete er im September 1797 einen Verlag. Ziemlich bald integrierte Pleyel unter Mithilfe seines Schwagers J. G. Schäffer eine eigene Notenstecherei und edierte 1801/1802 eine Gesamtausgabe der Haydnschen Streichquartette. 1807 erweiterte er seine Firma um eine Klavierfabrik.
[Verkaufsraum Firma Pleyel]
Ignaz Pleyel beschäftigte sich nun mit der Herausgabe von Taschenpartituren und dem Aufbau der Klavierfabrik, welche er 1824 seinem Sohn Camille überließ. Seinen Lebensabend genoss er auf einem Landgut außerhalb von Paris, wo er sich mit Freude der Landwirtschaft widmete. Am 1. Januar 1830 wohnte er der Eröffnungsfeier des heute nach ihm benannten Salle Pleyel bei und im April 1831 der Hochzeit seines Sohnes mit der Pianistin Félicité Denise Moke, der ehemaligen Verlobten von Hector Berlioz. Am 14. November 1831 stirbt Ignaz Pleyel, man findet sein Grab auf dem Friedhof Père-Lachaise, wo er in der Nähe von Gossec und Cherubini ewige Ruhe gefunden hat.
Pleyel komponierte etwa 41 Sinfonien, 6 Sinfonies Concertantes, 8 Konzerte, daneben Oktette, Septette, Sextette, 17 Quintette, 70 Quartette, 48 Trios, 64 Duette, ferner Hymnen und Lieder, Bearbeitungen schottischer Volkslieder, ein Requiem, Messen sowie sonstige Kirchenmusik und zwei Opern. Zusammen mit dem seinerzeit berühmten Pianisten Jan Ladislaus Dussek [1760 – 1799] verfasste Pleyel eine Klavierschule „Nouvelle Methode de Pianoforte, contenant les principes du doigté“, 1797 in Paris.
[Quelle: Frei nach Joseph Klingenbeck, MGG]
Der Musikwissenschaftler Joseph Klingenbeck schrieb 1928 in seiner Dissertation, daß "Pleyel 3 Quinquennien hindurch, der berühmteste, beliebteste und am meisten gespielte Tonkünstler war, den es jemals auf der Welt gab."
Meine Wunschliste für das Pleyeljahr 2007: